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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Verkehrsunfall, V.a. Beinfraktur



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Janny
12.10.2012, 11:16
Ich trau dem ganzen nicht so richtig. Ist wirklich der blutende Fuß an der Kreislaufsituation schuld? Hätte den Pat gerne da raus aus dem Auto. Und nachdem er ja offenbar mit den Füßen nach draußen und mit dem Rücken frei sitzt, geht warscheinlich am ehesten das KED-System? Dafür muss ich zumindest keinen meiner Leute von der anderen Seite ins qualmende Auto krabbeln lassen.
Draußen: Fuß mir egal. Will mal kurz eine Sättigung, Thorax, Bauch, Becken, Oberschenkel prüfen. 2. Nadel. SHT- Verdacht?
Haben wir uns eigentlich schon in einem Traumazentrum angemeldet?

//stefan
12.10.2012, 11:30
aufgrund der kreislaufsituation würde ich auch die kombi midazolam/ketamin wählen. der unregelmäßige puls lässt ja auf ein evtl VHF schließen, also ist der patient womöglich marcumarisiert. wäre doof! daher während die analgesie so langsam wirkt einen (provisorischen) druckverband oder abbinden. im rtw kann man das ggf. nochmal erneuern.

zudem würde ich einen poliziste bitten, sich mit einem feuerlöscher auf die motorhaube zu setzen... äh vor´s auto zu stellen.

hatt der mensch vor der analgesie noch andere schmerzen angegeben?

das selbstständige bewegen des mannes (versuch auszusteigen) wäre für mich eine entscheidungsfindungserleichterung für eine "modifizierte" crash-rettung. wenn er sich eh schon so bewegt hat, dann heben wir den auch mit 5 mann auf die trage. jemand dagegen?

Evil
12.10.2012, 11:33
Was die Rettung des Patienten aus den Gefahrenbereich angeht, habe ich meinen Vorrednern nichts hinzuzufügen.
Sobald wir aber im RTW sind, möchte ich außer der Wundversorgung auf jeden Fall ein Zwölfkanal-EKG, denn ich hab da so das Gefühl, daß die Unfallursache internistisch sein könnte.

Brutus
12.10.2012, 12:00
aufgrund der kreislaufsituation würde ich auch die kombi midazolam/ketamin wählen. der unregelmäßige puls lässt ja auf ein evtl VHF schließen, also ist der patient womöglich marcumarisiert. wäre doof! daher während die analgesie so langsam wirkt einen (provisorischen) druckverband oder abbinden. im rtw kann man das ggf. nochmal erneuern.
Wir haben ja erstmal nur eine HF von 130/min und einen systolischen Druck unter 100. Damit haben wir zumindest schon mal die Definition des Schocks erfüllt. Von unregelmäßig lese ich nix. :-nix
Entweder blutet der Patient unmotiviert aus der (ggf. offenen) OSG-Fraktur, oder aber die Blutungsquelle liegt ganz woanders (siehe mein Post zu den Gefäßabrissen). Ich möchte den Patienten JETZT aus dem Auto haben, zur Not mit vielen Helfern und dann getragener Weise direkt auf die Vakuummatratze und direkt in den warmen RTW, wo wir Bitte ASAP die gesamte Kleidung entfernen. Ich will wissen, wo und warum da soviel rotes Zeuch suppt...


zudem würde ich einen poliziste bitten, sich mit einem feuerlöscher auf die motorhaube zu setzen... äh vor´s auto zu stellen.
Ich dachte, die Brandpatschen wären schon vor Ort und rollen mit den Schläuchen um das Auto?


hatt der mensch vor der analgesie noch andere schmerzen angegeben?
das selbstständige bewegen des mannes (versuch auszusteigen) wäre für mich eine entscheidungsfindungserleichterung für eine "modifizierte" crash-rettung. wenn er sich eh schon so bewegt hat, dann heben wir den auch mit 5 mann auf die trage. jemand dagegen?
Eben! Haupsache in den RTW und für geordnete Verhältnisse sorgen. Patienten entkleiden, vernünftig verkabeln. Mir würde fürs Erste ein 4Kanal reichen, RR, SO2. Dann Bodycheck, wenn dabei eine Hand frei ist, und der Thorax / Oberbauch untersucht ist, gerne noch im Verlauf ein 12Kanal...
Im Gegensatz zu den Dormicum/Ketanest Fans stehe ich auf Fentanyl und da stehe ich auch zu. Fentanyl kann man auch dosieren, muss man sich nicht rantitrieren. Und dann geht es auch wirklich schnell mit der Schmerzausschaltung. Vor allem habe ich hinterher nicht einen wirren Medikamentencocktail, wenn ich im Verlauf noch "weitere Maßnahmen" vornehme. Ich habe mal einen Patienten von einem Notarzt übernommen der hat im Verlauf des Einsatzes 10mg Dormicum und 100mg Ketanest bekommen. Damit nicht zu intubieren. Danach wurde alles im Medikoffer ausprobiert: Dipidolor 15mg, Etomidate 60mg, zuletzt noch Fentanyl drauf und weil der sich partout nicht intubieren ließ, wurde es dann ein Larynxtubus, den er willig akzeptierte. Nur: welches von den ganzen Medikamenten war jetzt der Grund für die allergische Reaktion???
Ich habe lieber wenige Medikamente mit einer ausreichenden guten Wirkung, als einen wilden Cocktail oder ungenügende Wirkung...

wischmopp
12.10.2012, 12:00
[QUOTE=Merlins Erbe;1574277]
"als er aus einem ihm nicht bekannten Grund plötzlich von der Straße abkam. War wohl nicht bewußtlos."

Spricht das nicht doch irgendwie dafür, dass er kurz bewußtlos war?

Merlins Erbe
12.10.2012, 13:56
Hier gibts neue Infos.

Letztlich wurde ne Infusion angehängt und wir gaben 40 mg Ketanest (geschätzte 90 kg) ohne Dormicum, das war mir etwas zu heikel in der Situation. Nachdem der Patient dann den Ketanest-Blick hatte, ging es nach "4-Mann-4-Ecken-Prinzip" zügig auf die Vakummatratze.

//stefan
12.10.2012, 17:42
Achso: ein Griff ans Handgelenk offenbart einen schnellen, unregelmäßigen und flachen Puls, wohl so geschätzt um die 90mmHg, f 130/Min... Pat blaß, kalt und etwas schweißig.

opiate würde ich bei isolierten extremitätenfrakturen auch einsetzen. bei (allen) den meisten thorakabdominalen Verletzungen würde ich auf ketamin zurückgreifen um nicht eine zusätzliche abschwächung der atmung auf die verletzungsbedingte schonatmung draufzusetzen. aber da lässt sich bekanntlich ausführlich drüber streiten. DAS schema gibts nicht...

ich würd mir zur abschätzung des blutverlustes nochmal einen blick auf die fußmatte/fußraum des fahrerseite gönnen. manchmal siehts nach mehr aus als es ist (an den klamotten) wenn die kleidung sehr saugstark ist. wenn man die auswringen könnte wäre schlecht...

//stefan
12.10.2012, 17:46
zu dem unregelmäßigen puls: für mich sind traumatisierte ältere patienten mit arrhythmie bis zum beweis des gegenteils antikoagulatorisch eingestellt...
einen effekt hats aber eigentlich nicht wirklich. schnell will man sowieso in der klinik sein, aber dran denken sollte man... grade was bei größeren verletzungen die info an die klinik angeht (übermäßige blutungen ---> blutproduktemanagement) und die präklinische abnahme von laborblut.

Merlins Erbe
12.10.2012, 19:04
Also, entschuldigt die Verzögerung, war irgendwie noch arbeiten...

Patient wird in den warmen RTW verbracht. Große Schere, Klamotten runter.

Pat. nun etwas müde (nach Ketamin), wach, spontanatmend (SpO2 95% ohne Sauerstoff). RR unter Volumen jetzt 100/60 mmHg, HF 120-130/Min, weiterhin unregelmäßig.

Bodycheck:
Schädel intakt, Pup. isocor, LR prompt, Gesichtsschädel/Kiefer intakt, Schultergürtel ebenso.

Arme bds mit Ausnahme diverser Schnittwunden unauffällig.

Prellmarke über dem unteren Sternum, druckschmerzhafter li Thorax (aber scheint stabil, seitengleiche Hebung), Pulmo bds belüftet.

Bauch zwar weich, aber links und im mittleren Unterbauch über der Blase deutlich druckschmerzhaft.

An der linken Beckenschaufel deutliche Prellmarke/Hämatom, deutlich druckschmerzhaft, scheint aber stabil.

Rechtes Bein mit Ausnahme kleinerer Schürf- und Schnittwunden unauffällig.
Linkes Bein mit offener Wunde am Knie, stark schmerzend, Kontinuität aber erhalten. Die linke Tibia guckt medial über dem Sprunggelenk heraus, der Fuß ist nach lateral-oben disloziert und blaß. Aktuell aber nicht mehr stark blutend.

Weiter?

Janny
12.10.2012, 21:13
Pat kriegt trotzdem bissl Sauerstoff von mir. Kristalloide laufen weiter zügigst. Mögliches weiteres C-Problem in Bauch oder Thorax kann ich draußen ohnehin nicht lösen -> dem ist mit zeitnahmem Krankenhaus am besten geholfen. Kriegt noch 2. dicken Zugang. Um D hatten wir uns nur so mäßig gekümmert, aber nach Ketanest auch nicht mehr so dolle. Einmal kurz Pupillen angucken kann aber nicht schaden und kostet nicht viel Zeit. E: Ausgepackt haben wir ihn, behandeln als hätte er eine Wirbelsäulenverletzung müssen wir ihn auch bis zum Ergebnis der Spirale. Also schnell wieder warm zudecken, den Fuß lassen wir noch kurz rausgucken und verbinden ihn steril, großes Herumreponieren draußen würde ich lassen, es sei denn, es handelt sich um eine Sprunggelenksluxation zusätzlich zum Bruch. Ist aber unwahrscheinlich.
Jetzt wird es höchste Zeit, mal das anvisierte Traumazentrum zu kontaktieren. Meldebild: Frontalcrasch mit ca 80 km/h auf Baum, unklare Ursache. Aktuell spontan atmend, jedoch kreislauf instabil (DD: AA mit tachykarder Überleitung bei VHF als Tachykardieursache, aber das aufnehmende Zentrum deeskaliert lieber, wenn sie vor Ort merken, dass doch stabil, als umgekehrt dann zu rennen), Stumpfes Thorax- und Abdominaltrauma, offene Sprunggelenksfraktur mit Perfusionsproblem. Sind in XXX Minuten voraussichtlich da. Und dann Abfahrt. - Wissen wir jetzt eigentlich, ob der allein im Auto war?

Merlins Erbe
12.10.2012, 21:31
Ja, er war alleine in dem Auto.

Monitoring mit 12-Kanal-EKG offenbart eine TAA/VH-Flimmern, die Frage nach oraler Antikoagulation kann nicht mehr beantwortet werden. Pat bekommt 2 mg Dormicum und nochmal 50 mg Ketamin, weiter Schmerzen. Zweiter Zugang drin.

1. Andere Medis?
2. Tubus oder nicht?
3. Bein geradeziehen oder nicht?

Ihr seid mittlerweile von den beiden nächstgelegenen und prädestinierten Kliniken abgelehnt worden aufgrund der üblichen Abmelderei. In 7 Minuten mehr empfiehlt sich eine andere größere Klinik mit Schockraum und Polytraumamanagement. Die Leitstelle rät zu einer anderen, näheren Klinik. Als Notarzt aus dieser Klinik wisst ihr aber, daß das Haus zwar internistisch hochgerüstet ist, aber sicherlich kein Polytrauma versorgen kann...

Time on scene mittlerweile 17 Minuten.

Janny
12.10.2012, 21:46
1. Na, dann haben wir jetzt wohl doch den vom Kollegen prophezeiten Medimix. Kriegt von mir Fenta in 0.05er Schritten dazu, wenn auch nach Schienund der Fraktur noch starke Schmerzen.
2. Wenn der noch immer bei SpO2 95% ist, nein. Intubation kostet Zeit.
3. Wenn Sprunggelenkslux, reponieren. Sonst nur kurz (!) ziehen, nicht verkünsteln , steriler Verand, Schiene (ist btw auch eine Schmerztherapie).
4. Was ich anfahre, entscheidet sich für mich hier an der Kreislaufsituation: Mit jetzt Infusion weiter RR 100 oder drüber, dann nehm ich das Traumazentrum mit Schockraum, das Polytraumata auch versorgen kann, da nehm ich die 7 min in Kauf. Wenn Kreislauf trotz Flüssigkeit und Co. einbricht, dann nächstgelegenes Haus. Puls hier ja wahrscheinlich nur mäßig aussagekräftig dank AA.

Merlins Erbe
12.10.2012, 22:06
Genauso so haben wirs auch gemacht. Kreislauf blieb leidlich stabil, also in das besser geeignete Haus. Vorher Bein geradegezogen, Verbandtuch, Vakuumschiene. Super Fußpuls. Unter insges. 0,1 mg Fentanyl schmerzfrei, gut spontanatmend. Wie sich später im KH zeigte, war er schwer zu intubieren, also Glück gehabt, daß wirs nicht versucht haben.

Brutus
12.10.2012, 22:07
Die linke Tibia guckt medial über dem Sprunggelenk heraus, der Fuß ist nach lateral-oben disloziert und blaß. Aktuell aber nicht mehr stark blutend.
Was sagt denn die DMS im linken Fuß. DAS wäre mein Gradmesser, ob ich da reponiere oder nicht. Wenn der Fuß blaß ist, weil er nicht mehr durchblutet wird, und der Patient ferner angibt, dass sich der Fuß taub oder pelzig anfühlt, dann würde ich den schon versuchen wieder achsengerecht zu kriegen und dann zu schienen...
Intubation würde ich mir zur Zeit auch (noch) verkneifen. Ein höhergradiges SHT scheint er ja nicht zu haben.
Auf 7 Minuten mehr kommt es jetzt auch nicht mehr an. Also auf zum Maximalversorger / Traumazentrum.

Janny
12.10.2012, 22:14
@ Brutus: Ich hab das blasse mal als Perfusionsproblem aufgefasst. Wenn pDMS intakt, würde ich auch zusehen, dass dat steril abgedeckt ist und dann Gas geben. (Und dabei ist gerade ziehen doch das einzige, was wir Unfallchirurgen wirklich können ;-) )

Merlins Erbe
12.10.2012, 22:14
Wenn der Fuß blaß ist, weil er nicht mehr durchblutet wird, .[/QUOTE]

So wars.

So sind wir denn also seit 10 Minuten unterwegs, alles im RTW irgendwie mit Blut bekleckert. Die Heizung ist voll an und müffelt irgendwie. Die Praktikantin/Azubine des RD wird weiß und gibt Schwindel an, ist plötzlich sehr verlangsamt und schafft es auch nicht mehr, den Sitz auszuklappen... Da muß schon der RA helfen...

Janny
12.10.2012, 22:20
Och nö. Net auch das noch. Ein Pat reicht doch!
Also packen wir die Dame notgedrungen auf den Sitz, messen mal den Druck und Puls. Und halten die Brechtüte griffbereit.

Merlins Erbe
12.10.2012, 22:34
Jo, Fenster haben wir noch eben aufgemacht und dann kam wieder Farbe in das Mädel.

Letztlich unauffälliger Transport, eintreffend und Übergabe.

Was wir noch mitgekriegt haben, war bei der Sonographie die freie Flüssigkeit um Milz und im Unterbauch, ist dann auch direkt aufn Tisch gegangen.

Die schwierige ITN haben wir noch mitgekriegt.

Bis denne!

Janny
12.10.2012, 22:40
Gute Nacht! :-)

Merlins Erbe
12.10.2012, 22:41
Bis zum nächsten Mal!