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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Verkehrsunfall, V.a. Beinfraktur



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Merlins Erbe
11.10.2012, 20:45
Hallo liebe Kollegen,

hätte nochmal was aus dem letzten NEF-Dienst. Sicherlich nicht so rätselhaft wie der letzte Fall, hier gehts eher ums Management.

0:45 Uhr, Melder reißt euch aus der Koje. "RTW/NEF, Landstraße XY, Verkehrsunfall, V.a. Beinfraktur."

Also gut, rein ins Auto. Es ist erwartungsgemäß dunkel, trocken, 14°C. Noch keine Einsatzfahrzeuge vor Ort. Die Leitstelle gibt noch über Funk den Hinweis, da sei wohl jemand in die Böschung gefahren. Eure Fahrtzeit beträgt ca 12 Minuten.

Erste Gedanken?

WackenDoc
11.10.2012, 20:54
Das Mantra des Rettungsdienstes: Eigensicherung

Und dann schau mer mal, was uns so erwartet.

Brutus
11.10.2012, 20:57
Eure Fahrtzeit beträgt ca 12 Minuten.
Erste Gedanken?
Zurücklehnen, Musik im Radio genießen... Ändern kann man momentan sowieso nix.

Merlins Erbe
11.10.2012, 21:08
Eintreffen an der Einsatzstelle. Nur der RTW ist gerade eingetroffen, weder Polizei noch sonst irgendwer da, aber dafür ein weiterer PKW-Fahrer, der neben dem Auto steht und versucht, den Pat. zu betreuen.

Der RA des RTW sagt, das Auto würde qualmen, er hätte dann mal die Feuerwehr nachbestellt.

Merlins Erbe
11.10.2012, 21:13
Neben der Landstraße (z. Zt. kein Verkehr) liegt eine größere Limousine im Graben, schräg. Frontal gegen einen Baum geprallt. Der Baum steht quasi direkt vor der Windschutzscheibe, der Motorrraum ist komplett deformiert/zusammengeschoben. Wenig Qualm aus dem kaputten Motorraum. Fahrertür offen, Fahrgastzelle gut erhalten, beide Airbags haben ausgelöst.
Ein älterer Herr, so um die 70, sitzt seitlich auf dem Fahrersitz und hat beide Füße außerhalb des Autos, als wolle er aussteigen, aber nicht können.

Brutus
11.10.2012, 21:21
Neben der Landstraße (z. Zt. kein Verkehr) liegt eine größere Limousine im Graben, schräg. Frontal gegen einen Baum geprallt. Der Baum steht quasi direkt vor der Windschutzscheibe, der Motorrraum ist komplett deformiert/zusammengeschoben. Wenig Qualm aus dem kaputten Motorraum. Fahrertür offen, Fahrgastzelle gut erhalten, beide Airbags haben ausgelöst.
Ein älterer Herr, so um die 70, sitzt seitlich auf dem Fahrersitz und hat beide Füße außerhalb des Autos, als wolle er aussteigen, aber nicht können.
Gut. Eingeklemmt scheint er ja schon mal nicht zu sein. GCS? Vitalwerte erheben. Und auf jeden Fall bereit sein, den Patienten unter Umständer sehr schnell aus dem Gefahrenbereich holen zu können.
Da der Patient ein Hochrasanztrauma erlitten hat (Motorraum komplett deformiert, alle Airbags ausgelöst) gehört er auf jeden Fall in ein Traumazentrum als Polytrauma.
Stiffneck kann man ja schon mal in Arbeit nehmen. Und dann grob ein Bodycheck. Und schon mal überlegen, wie wir den jungen Mann da raus kriegen (Kett-System, Schaufeltrage, Spinebord)...
Und wie gesagt, immer mal wieder auf den Motorraum achten zwecks Entscheidung Crashrettung...

WackenDoc
11.10.2012, 21:21
Also erstmal Sicherung organisieren- nicht dass uns noch jemand reinfährt. Wir haben ja zwei mehr oder weniger große, rote Autos mit Festbeleuchtung und mindestens der RTW müsste nen Sicherungssatz haben.
Und dann schreiten wir zum äußersten und sprechen mal mit dem Patienten-was issn überhaupt passiert?. Dabei können wir schonmal erste Punkte des ABC-Schemas abarbeiten.

Merlins Erbe
11.10.2012, 21:27
Mittlerweile treffen mehrere Schutzmänner ein, die die Straße zumachen. Auch die örtliche Löschgruppe ist gleich da.

Der "Passant" hat den Unfall nicht beobachtet, kam nur an der Unfallstelle vorbei.

Der Fahrer ist wach, GCS 15, er wäre ca 80km/h gefahren, als er aus einem ihm nicht bekannten Grund plötzlich von der Straße abkam. War wohl nicht bewußtlos.

Pat. ist unruhig, beklagt Schmerzen im linken Bein, will aufstehen, was schmerzbedingt mißlingt. Wirkt blaß.

Weitere Qualmentwicklung aus dem Motorraum.

Merlins Erbe
11.10.2012, 21:30
Achso: ein Griff ans Handgelenk offenbart einen schnellen, unregelmäßigen und flachen Puls, wohl so geschätzt um die 90mmHg, f 130/Min... Pat blaß, kalt und etwas schweißig.

dreamchaser
11.10.2012, 21:32
Ich würde jetzt mal rasch einen Stiffneck dranbasteln, ggf. in der Zeit auch noch fix ne Viggo rein für Volumengabe und dann mit den ganzen anwesenden Helfern eine möglichst schonende aber auch möglichst schnelle Rettung vornehmen um den Herrn im RTW dann mal genauer anzuschauen. Da er ja wohl mit 80 km/h gegen den Baum gefahren ist, ist der vom Verletzungsmuster für fast alles gut.

Brutus
11.10.2012, 21:41
Na gut. Aus 80km/h in 2 Metern auf 0... Dann sollte man mal schnell grob gucken, ob der Flunken gebrochen ist und wenn ja, wo. In einen Oberschenkel gehen ja auch ein paar µ Blut rein, was ja zur HF passen würde. Auf der anderen Seite auch an Gefäßabrisse denken. Das würde auch zu den Schmerzen im Bein passen und dann würde es auf jeden Fall auch Zeit...

Merlins Erbe
11.10.2012, 21:50
Die weitere Inaugenscheinnahme offenbart ein komisch deformiertes linkes Fußgelenk, in den linken Schuh läuft beim kurzen Blick mit der großen Taschenlampe ziemlich schnell Blut, der Schuh ist dann auch bereits bis zum Oberrand voll...

Stiffneck wird direkt drangemacht.

Um euch herum rollen jetzt Schläuche.

Kurze Ansage ans Team: C-Problem, rauchender Motor, der muß da JETZT raus. Also schnell 18G-Nadel rein. Pat läßt sich aber schmerzbedingt nicht aus dem Wrack mobilisieren.

Medis? Und welche denn?

dreamchaser
11.10.2012, 21:53
Ich würde mal wieder Fentanyl nehmen und vorsichtig titrieren, bis der sich mobilisieren lässt. Kreislauf und Atmung sollten ja möglichst erhalten werden, da dies der ungünstigste Zeitpunkt für eine ITN oder mehr wäre.

Merlins Erbe
11.10.2012, 22:07
Morgen gehts weiter!

Janny
11.10.2012, 22:28
Naja, für's vorsichtig Fenta titrieren könnte bei zunehmendem Qualm (Schläuche!) und C-Problem die Zeit knapp werden. Ich nehm Dormicum/Ketanest. Ist auch für seinen miesen Druck besser. Vielleicht 2 mg Dormicum, 12,5 Ketanest und dann zackig raus aus dem Unfallfahrzeug? Glaube, fürs schondende Retten wird hier die Zeit langsam aber sicher zu knapp. Also raus damit . Nach Injektion von Dormicum/Keta schnell noch aufgedreht den 1. Liter Ringer/Sterofundin oder sowas dran und raus aus der Gefahrenzone (da will ICH auch nicht bleiben!). Weiter geht es außerhalb für mich, würde ich sagen!?

WackenDoc
11.10.2012, 22:37
Bahh-immer die Kliniker mit ihrem Fenta ;-)

Der ist nen normal großer und schwerer Erwachsener, oder?
2 mg Dormicum, 25 Esketamin, Infusion wäre nicht mein Hauptproblem, erst recht nicht, solange der noch irgendwo unkontrolliert blutet.
Sättigung kann man noch ohne Zeitverlust dranbasteln- bestätigt sich die Arrhythmie?

Als allererstes will ich aber nochmal die Blutungsquelle sehen und die Blutung stocken. Wenn wir schnell wech müssen, wäre ein Tourniquet mittel der ersten Wahl, grad wenn da noch was läuft. Da wir sowas wohl nicht haben, wird´s erstmal nen (Druck)Verband tun müssen.

Und bevor ich den Abschieß, sollten wir nochmal orientierend die Sensibilität der Extremitäten prüfen falls noch nicht geschehen.

Was sacht denn die Feuerwehr, wie schnell wir weg müssen?

dreamchaser
11.10.2012, 22:56
Bahh-immer die Kliniker mit ihrem Fenta ;-)


Hey hey, ich bin Internist, da gibts doch nur die halbe Ampulle Morphin subcutan ;-) ... da ist Fenta schon hoch gegriffen. Aber natürlich gönne ich dem Patienten auch Ketanest/Dormicum.

Janny
11.10.2012, 23:06
Na, WackenDoc, das ist doch mal eine gute Idee, mit den Jungs von der Feuerwehr zu reden! ;-)
Für die Infusion würd ich auch nciht lange Zeit verschwenden, nur ehe ich lang mit Stöpsel rumfummel oder mir die Viggo zugeht, wird sie halt schnell drangebastelt. Neue Zugänge legen wird bei schlechter Kreislauffunktion sicher nicht einfacher. Wenn wirklich Crash-Rettung, dann lass ich auch den Fuß in Ruhe (es handelt sich doch um den Fuß und nicht das, was für einen Bayern gemeinhin "Fuß" heißt?), zudem könnte er ja auch ne andere Blutungsquelle haben, die für den Kreislauf verantwortlich ist. Mit dem Eruieren eines potentiellen D-Problems beschäftige ich mich eher nciht bei manifestem C-Problem.

Eine Frage würd ich dem vorm Abschießen aber tatsächlich noch Stellen: Waren Sie allein unterwegs oder war noch wer dabei?

Alles weitere je nach Antwort der Jungs vom roten Auto ;) Und weil Merlins Erbe schon schläft, eben morgen ;-)

Gute Nacht!

WackenDoc
12.10.2012, 11:42
Ich sehe das Vorgehen analog zu dem, was wir im TCCC/TVV lernen:

Akute unmittelbare Gefahr: Sofort in Sicherheit.
Sobald ich minimal Zeit hab: Stoppen von starken Blutungen- bei uns wäre Mittel der Wahl das Tourniquet- weil funktioniert schnell uns zuverlässig.
Sobald ich etwas mehr Zeit hab: Viggo, Schmerztherapie etc.

Aber hast recht-wenn die Viggo schon drin ist, dann kann ich auch die Infusion anschließen. Ich würde nur nicht warten, bis der Liter drin ist.
Allerdings wenn ich schon Zeit hab, ne Viggo zu legen, dann sollte ich vorher stärkere Blutungen gestoppt haben.

Brutus
12.10.2012, 12:03
Da ja bislang nix passiert ist, und die Feuerwehr ja auch schon da ist, sollte es jetzt nicht mehr ganz so kritisch sein. Wir haben in letzter Zeit in der Region mehrere Autos gehabt, die innerhalb von 2-3 Minuten nach dem Unfall im Vollbrand standen. Da wir ja schon 10 Minuten gebraucht haben, sollte die unmittelbare Gefahr einer solchen Reaktion ja etwas abgenommen haben. Trotzdem wie oben schon geschrieben: Motorraum und Feuerwehr im Auge behalten und zur Not drauf vorbereitet sein, auch ohne Analgesie beherzt am Menschen ziehen und diesen aus dem Gefahrenbereich bringen. Wie - EGAL! Hauptsache erstmal weg. Analgesie und weitere Schäden sind dann zweitrangig...