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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hat konventionelle Radiologie Zukunft?



NickRiviera
31.10.2012, 07:02
Hallo,
Ich finde Radiologie zur Zeit im Studium sehr interessant, frage mich jedoch, ob die konventionelle Radiologie wirklich Zukunft hat... denn bereits des Öfteren habe ich Gegenteiliges gehört, jetzt mal nur eines von vielen Beispielen:
http://www.sueddeutsche.de/karriere/zukunft-der-arbeit-wie-maschinen-den-menschen-ueberfluessig-machen-1.1110806-3
In nicht allzu ferner Zukunft soll es ja Software geben, die die Befundung von Röntgenbildern überflüssig machen soll oder die Telebefundung aus Indien, China, Bangladesch oder was weiss ich woher überall noch :-P
Und Teile der interventionellen Radiologie werden vielleicht von Chirurgen oder was weiss ich übernommen...
Klar kann keiner in die Zukunft sehen, mich würde es aber sehr interessieren ob die Leute, die bereits in der Klinik oder in einer Praxis tätig sind, sich darüber auch Gedanken machen und was die über die Zukunft der Radiologie denken.

Fr.Pelz
31.10.2012, 14:08
Hi,
zu der Sache mit der Software: ich hab meine Diss in dem Bereich geschrieben- mit einer Software MRTs untersucht..obwohl das relativ high-end war, spuckt dir am Ende die Software nur Zahlen und Grafiken aus, befunden und die zahlen interpretieren musst du noch selber. Ich KANN mir nicht vorstellen, dass das in naher Zukunft anders sein soll.
(Und falls dir das Spaß macht, kanst du ja auch als Radiologe an der Entwicklung mitarbeiten).
Zu der Sache mit der Chirurgie: Es ist doch eher genau anders herum. Der Trend geht zu immer weniger invasiven Eingriffen. Internisten und Radiologen nehmen den Chirurgen die Eingriffe eher ab. Wo früher bei Mesenterialischämie oder (z.B Aneurysma-) Blutungen operiert wurde, dürfen heute regelhaft erst die Radiologen ran. Die Bildgebung und auch die invasiven Möglichkeiten werden immer komplexer und dafür braucht es Spezialisten. Ich würde ganz klar sagen, wenn dich das interessiert, dann sammel praktische Erfahrung und entscheide dann. Falsche Zukunftsprognosen gabs nämlich auch schon immer.

Rudiologe
20.07.2013, 19:30
Ich habe eigentlich ganz ähnliche Bedenken wie der ursprüngliche Threadsteller. Ich interessiere mich sehr für Radiologie, allerdings so ziemlich ausschließlich für die diagnostische. Bin ein total visueller Mensch und mir macht es großen Spaß mich mit den diversen Aufnahmen zu beschäftigen und zu merken, dass man mit der Zeit immer besser im Erkennen bestimmter Pathologien wird. Ich will also recht sicher später mal in der diagnostischen Radiologie arbeiten und habe da jetzt auch meine Doktorarbeit angefangen (ide interventionelle Seite interessiert mich nicht so). Allerdings frage ich mich eben von Zeit zu Zeit, was denn überhaupt die Alleinstellungs-Kompetenzen von Radiologen sind. Ich meine, es gibt doch immer die radiologischen Konferenzen, bei denen die Bildern mit den klinischen Kollegen besprochen werden, die dazu noch die ganze Klinik des Patienten viel besser kennen. Dabei kriegen diese Ärzte ja ein super "Teaching". Wird da nicht mit der Zeit jeder andere Facharzt, jedenfalls für sein Gebiet, genauso gut im Auswerten von Bildern wie der Radiologe? Kann nicht ein erfahrener Internist genauso gut einen Röntgenthorax befunden wie ein Radiologe? Oder ein Neurologe das Schädel-CT? Sind Nephrologen nicht sogar besser im Nierenschallen als Radiologen? Würde mich freuen wenn der ein oder andere von euch mit klinischer Erfahrung etwas zu dem Thema sagen könnte!

anignu
21.07.2013, 01:28
Allerdings frage ich mich eben von Zeit zu Zeit, was denn überhaupt die Alleinstellungs-Kompetenzen von Radiologen sind.
Kann nicht ein erfahrener Internist genauso gut einen Röntgenthorax befunden wie ein Radiologe? Oder ein Neurologe das Schädel-CT? Sind Nephrologen nicht sogar besser im Nierenschallen als Radiologen?
Zu den letzten Sachen: das wird sogar erwartet. Wenn es mal eng wir wird von Neurologen erwartet, dass sie Schädel-MRTs befunden können, dass Nephrologen Nieren schallen können usw. Klar.

In ihren Spezialgebieten können die jeweiligen Spezialisten ihre eigene Bildgebung auch (meist). Schwierig wirds wenns fachübergreifend wird. Eine abdominelle Raumforderung die gern auch man von Seiten der Gyn kommen kann im CT? Das lassen sich auch sehr erfahrene Visceralchirurgen gern mal von den Radiologen ausführlich vorstellen. Oder Dinge die grad nicht ins Fachgebiet passen aber aus Versehen im Bild mit erfasst sind. Auch interessant. Die Kliniker haben oft das Problem dass sie "nur" auf der Suche nach einem Merkmal oder eben dessen Ausschluss sind. Die Radiologen sollten einen Befund des gesamten Bildes machen. Ich denk da vor allem auch an mich selber in der Notaufnahme: ist das nun eine Fraktur oder nicht... aber was ist dieses andere Ding da auf dem Bild? ;-)

Und in unserem Klinikum: die Internisten schallen besser als alle Radiologen. Ernsthaft. Die Radiologen schallen ausschließlich im Dienst und dann nur ungern und spärlich und das Niveau ist nicht sooo hoch. Da ist bei uns ein guter Ultraschall definitiv kein Alleinstellungsmerkmal der Radiologen.

Zu Interventionen: das kommt auch auf das Haus an. Bei uns machen die ganzen Interventionen wie PTA und Stenten die Radiologen und das auf sehr hohem Niveau. Die haben die Ausrüstung, die Erfahrung, die Leute, die Räume und machen das. Klar könnte man die Gefäßinterventionen auch den Angiologen oder Gefäßchirurgen überlassen (wie in anderen Häusern), aber das machen halt bei uns die Radiologen und das sehr gut. Alleinstellungsmerkmal? Nein. Gute Arbeit? Auf jeden Fall.

Ich weiß immer nicht was ihr wollt. Es gibt immer mehr Fachbereiche die sich überschneiden. Es wäre doch grausam wenn ein Chirurg operieren würde auf Basis von Bildern die er überhaupt nicht versteht. Also besteht ein gewisser Anspruch an den Chirurgen dass er auch die Bilder erkennen kann. Und bei Internisten und Neurologen ist das doch ähnlich. Sollten die Bilder denn verschlüsselt werden damit nur noch Radiologen die Bilder verstehen? Wichtig ist doch eher dass die Radiologen hochwertige Befunde liefern. Vor allem bei schwierigen Fragestellungen können Radiologen entweder mit klaren Aussagen glänzen oder mit wagen ... DD... DD... auch völlig nichtssagende Befunde schreiben. Ein guter Radiologe wird von allen Klinikern geschätzt (außer er schreibt den Klinikern die Therapie vor ;-) )

Rudiologe
21.07.2013, 21:23
Dass sich die Interventionellen Aufgaben je nach Klinik überschneiden dachte ich mir schon und hatte ich auch schon so gelesen. Mir ging es wirklich nur um die Diagnostik. Aber das mit der Befundung des Gesamtbildes macht ja auf jeden Fall Sinn. Außerdem haben andere Kliniker ja wahrscheinlich auch schlicht gar keine Zeit, die ganze Bilderflut selbst gründlich zu befunden. Das allein würde den Radiologen ja schon rechtfertigen. Also jedenfalls danke für deine Antwort!

FirebirdUSA
22.07.2013, 07:45
Gerade bei postoperativen Befunden haben die Kollegen aus den operativen Fächern einen Vorteil. Sie wissen wie es intraop. aussah und was sie wirklich gemacht haben. Ein Neurologe (aber auch ein Chirurg/Internist der eine NA betreut) sollte eine zerebrale Blutung erkennen. Ich wette aber sehr viel Geld, dass ich dir einige Blutungen zeigen kann die die meisten übersehen würden. Auch gerade bei schwierigen DDx oder auch bei Beurteilung (und insbesondere auch erkennen) von Nebenbefunden (die LAE oder das BCA das auf der Hals-CTA noch mit drauf ist, o.ä.) sind die Kollegen sehr schlecht. Hier ist eigentlich der Vorteil der Radiologen. Hatten erst der letzt einen Patienten mit Lumbago, bei dem unsere Orthopäden meinten sie müssten selbst die MR LWS Bilder befunden und der Bericht vom Niedergelassenen ist sowieo sch***. Das der Patient einen rießigen Tumor in der Lunge hatte, mit Zwerchfellbefall der seine Schmerzen erklärte ist dann erst am Tag der Entlassung durch Zufall aufgefallen. Der war in den Bildern nicht zu übersehen und stand auch im Befund, wenn man aber nur nach einem Bandscheibenvorfall schaut und Degeneration erkennt übersieht man in halt..

netfinder
22.07.2013, 18:44
Ich kenne durchaus auch noch Kliniken, in denen die Radiologen die schwierigen Schaelle machen duerfen. Liegt aber auch daran, dass dort Radiologen normalen Schallbetrieb haben.

@anignu: Es gibt leider genug Kliniker, die nach einer Therapie fragen. Ich mag das gar nicht.

Klar kann der internistische OA einen Roentgen-Th/Abdomen befunden (Infiltrate, grosser Erguss, Lungenödem), aber bei den komplizierteren Bildern braucht es dann eben doch einen Radiologen. Verkalkte Bauchaortenaneurysmata zum Beispiel sehen die nicht.

Beim Schädel-CT schliesse ich mich Fires Ausführungen an. Deutliche Blutungen/Infarktareale/Gefässverschlüsse sind sicher kein Problem. Aber es gibt immer wieder Fälle, da finden die nichts und der Radiologe eben doch.

test
22.07.2013, 21:26
Das ist meiner Meinung nach genauso großer Bullshit, wie auch gerne mal gesagt wird, man bräuchte bald keine konventionelle HIstopathologie mehr.
Das hat man übrigens auch schon vor 40 Jahren gesagt, da der mikroskopierende Histopathologie durch Molekularbiologie, Sequenzierung, Immunhistologien, moderne Testverfahren ersetzet werden sollte ;) Heute ist der Bedarf in diesem Bereich größer als je zuvor. Abgesehen davon halte ich eine Ablösung der Ärzte durch eine Software in beiden Bereichen für absoluten Schwachsinn, die SOftware will ic hsehen, die solche komplexen Bildinformationen wie ein Facharzt befunden kann ;) Zudem ist der Kostendruck ja auch so hoch, dass man nicht immer gleich die abgefahrene Diagnostik für 10 000€ macht sondern eben gerne erstmal Stufenweise vorgeht und da steht am Anfang eben Röntgen und Ultraschall ;)
Von daher, wenn dich das Fach interessiert, lass dich nicht beirren ;)

John Silver
23.07.2013, 19:51
Im Grunde wurden hier schon die meisten richtigen Sachen gesagt.

Ein Radiologe ist eben der, der alle bildgebenden Verfahren beherrscht. Eine Aufsplittung mit Befundung durch die jeweiligen Spezialisten anderer Abteilungen würde nur dazu führen, dass immer dann, wenn ein schwierig zu interpretierendes Bild auftaucht, die Befundqualität gegen Null geht, wenn zufällig der Spezialist im Urlaub ist, oder krank, also abwesend.

Der Radiologe ist nicht zwangsläufig in allen Verfahren der Beste. Ich bin mir sicher, dass ich besser schalle, als die meisten Radiologen. Aber was heißt das schon, wenn ein MRT des Kopfs vor mir ist?

Was allerdings die Interventionen betrifft, so wird mittlerweile zum Glück eine vernünftige Aufteilung betrieben, so dass z.B. Die Radiologen und Internisten kaum noch Aortenstents setzen (dürfen). Das sollen nur Chirurgen machen, weil wir im Ernstfall noch die Option der Konversion haben, wohingegen die Radiologen und Internisten ratlos herumstehen und nach dem Chirurgen rufen. Wir implantieren ca. 100 Aortenstents im Jahr, ich weiß also, wovon ich rede. Dafür machen die Radiologen PTAs, Stents, Coilings etc.; hier ist ja normalerweise selbst im Problemfall immer Zeit, den Patienten in den OP zu fahren, also warum nicht.

der_querulator
03.08.2013, 23:32
"Die Kernkompetenz eines Radiologen liegt in der Analyse komplexer Bilder, auf denen er Tumore und andere Krankheiten erkennt. Genau diese Tätigkeit kann jedoch relativ leicht von Bilderkennungssoftware geleistet werden. Die Technik gibt es. Ford glaubt, dass eine erhebliche Anzahl von Radiologenstellen auf absehbare Zeit verschwinden wird.

...

Der Job einer Haushaltshilfe, selbst wenn er auf dem informellen Sektor angeboten wird, ist also sicherer als der eines Radiologen."

Ha. HaaHaa. HaaHaaHaaHaaHaa.

Dieser Herr Ford hat wirklich die ganz grosse Ahnung wie die Dinge so laufen.

flavour
04.08.2013, 00:44
Ich habe eher den Eindruck, dass die behandelnden Kollegen am liebsten jeden Patienten ins CT legen werden. Wir müssen die teilweise schon bremsen.
Jetzt nur von der Fallzahl her sind die Aussichten also blendend.
Von einer automatisierten Befundung sind wir noch jahrzehnteweit entfernt. Selbst bei so etwas relativ simplem wie der Detektion von pulmonalen Rundherden läuft noch nicht alles rund, so dass diese CAD-Systeme flächendeckend eingesetzt würden.
Die Erfahrungen mit der Teleradiologie sind weitläufig auch relativ durchwachsen.
Selbst wenn man sich nur auf diagnostische Radiologie beschränkt, würde ich mir keine Sorgen machen.
Wenn deine Lebensplanung vorsieht, als erfahrener Radiologe aber den ganzen Tag nur Röntgen-Thoraces zu diktieren, solltest du die Fachwahl evtl. noch einmal überdenken.

anignu
04.08.2013, 01:13
Selbst wenn man sich nur auf diagnostische Radiologie beschränkt, würde ich mir keine Sorgen machen.
Wenn deine Lebensplanung vorsieht, als erfahrener Radiologe aber den ganzen Tag nur Röntgen-Thoraces zu diktieren, solltest du die Fachwahl evtl. noch einmal überdenken.
Naja, immerhin könnte man dies vermutlich gut mit einer Familienplanung kombinieren :-)

flavour
04.08.2013, 23:26
Mit CT und MRT ist sicherlich deutlich mehr Geld zu verdienen ohne Einschränkungen deiner Work-/Life-Balance.

°mAtIAs°
13.01.2014, 20:03
... mittlerweile zum Glück eine vernünftige Aufteilung betrieben [...] Aortenstents [...] sollen nur Chirurgen machen..

nix für ungut aber das ist ´ne typisch chirurgische Aussage, die aus der "ich suche händeringend nach Argumenten-Klamottenkiste" stammt! Die Sache ist doch hier wie bei allen radiologisch eingeführten und weiterentwickelten Verfahren und Interventionen: die Innovation wird von Chirurgen / Internisten zuerst ausgelacht, dann bekämpft und zum Schluss "endovaskuläre Chirurgie" oder "interventionelle Angiologie" genannt und geklaut.

anignu
14.01.2014, 01:24
.....

John Silver
17.01.2014, 20:57
Nix für ungut, aber man sollte nur dann die Klappe weit aufreißen, wenn man weiß, wovon man redet. Endovaskuläre Stents wurden von Chirurgen entwickelt, und von Radiologen übernommen, nicht andersherum.

Radiologen sollen meinetwegen gerne Aortenstents einsetzen. Aber wenn die Sache mal schiefgeht (und die kann schiefgehen, und wie!), dann sollen die Radiologen den Patienten aufreißen und konventionell operieren. Wie, das können sie nicht? Hmm... Ich spreche niemandem irgendwelche Fähigkeiten ab, unsere Radiologen, zumindest zwei von denen, sind hervorragende Interventionisten; aber man sollte nur die Verfahren anwenden, deren Komplikationen man auch selbst beherrschen kann, oder die zumindest in einer angemessenen Zeit beherrschbar sind. Wenn eine endovaskuläre BAA-OP daneben geht, ist meistenskeine Zeit dafür, den Patienten an die Chirurgen zu übergeben und die OP offen zu beenden; zumal es häufig genug vorkommt, dass Radiologen BAAs an Kliniken versorgen, die überhaupt keine ausreichend qualifizierten Gefäßchirurgen haben.

Dieses Argument habe ich auch im ersten Post angeführt; statt wenigstens zu versuchen, ein Gegenargument anzubringen, hast du nur über ach so böse Chirurgen schwandroniert. Heul doch, du Mädchen, wenn du keine Argumente hast.