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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Arbeitszeiten von Ärzten (offiziell und inoffiziell)



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novembergirl
28.11.2012, 10:40
Hallo,

Ich hätte eine Frage an euch.
Wie sehen denn die Arbeitszeiten von Assistenz- und später von den fertigen Ärzten aus?
Ich wüsste gerne sowohl die offiziellen als auch die inoffiziellen (also, was man dann tatsächlich an (Über)Stunden pro Woche leistet) Arbeitszeiten.
Wie oft hat man normalerweise pro Monat Wochenend- und Nachtdienste?

Die Assistenzärztin für Innere Medizin auf der Station, auf der ich Praktikum mache (Chirurgie/Reha) kam die letzten zwei Wochen nämlich immer um 8:00 Uhr, wirkt nie gestresst, und geht laut eigener Aussage auch um 16:00 Uhr wieder. Ist das normal? Außerdem sehe ich sie immer nur unter der Woche.
Hat sie gar keine Nacht-/ Wochenenddienste?

Beim Tag der offenen Tür im Krankenhaus habe ich außerdem mit einer Assistenzärztin der Anästhesie geredet und ihre Aussagen haben mich sehr verwundert.
Sie sagte mir, sie arbeite meistens tatsächlich nur von ca. 8:00-17:00 Uhr und habe dann frei. Wochenenddienste hätte sie sehr selten und Nachtdienst auch nur zweimal im Monat.
24 Stunden Dienste gäbe es ihrer Meinung nicht (nur, wenn sie Bereitschaft hat und da wird sie laut eigener Aussage nur selten gerufen) und von einer 70- Stunden- Woche will sie auch noch nie was gehört haben.
Dann hat sie mir noch ihren Beruf empfohlen, weil der so familienfreundlich sei (hört man in den Medien da nicht immer was ganz anderes?).

Außerdem habe ich Praktikum in der Radiologie gemacht.
Dort meinte die Assistenzärztin, es gibt überhaupt keine Nachtdienste (weil die MRAs nachts da sind und notfalls röntgen etc. und weil bei dringenden Fällen die Ärzte die Bilder einfach nach Hause auf den Laptop geschickt bekommen und von zu Hause aus dann per Telefon Anweisungen geben):
Auch diese Assistenzärztin meinte, sie arbeite von 8:00 bis ca. 17:00 und Wochenenddienste seien nicht sehr häufig.

WOHER KOMMEN DANN DIE GANZEN BERICHTE ÜBER ÄRZTE; DIE SEIT 40 STUNDEN NICHT GESCHLAFEN HABEN?
DIE BERICHTE ÜBER 24 STUNDEN DIENSTE (normal, nicht mit Bereitschaft) UND 70 STUNDEN WOCHEN?
DIE TATSACHE; DASS NACH DEM PJ SO VIELE DAS HANDTUCH WERFEN UND VIELE ÄRZTE STRESSBEDINGT AUFGEBEN?

Die beste Freundin meiner Mutter ist Ärztin für Inneres und die hat Wochenend- und Nachtdienste und ist gestresst. Hat ihre kleine Tochter früher wegen der ganzen Wochenenddienste auch oft von der Oma betreuen lassen.

Haben also nur Anästhesisten und Radiologen so tolle Arbeitszeiten (und wenn ja, liegt das daran, dass man OPs planen kann und die meistens nicht mitten in der Nacht stattfinden und bzgl. der Radiologen eben Röntgen normalerweise auch warten kann?)?
Aber warum scheint die Ärztin der Inneren Medizin in meinem Praktikumskrankenhaus so wenig Stress zu haben?
Es kann natürlich sein, dass die Assistenzärztinnen eben Glück hatten mit ihren Krankenhäusern/Chefs und dass dies keinen Normalfall darstellt. Vielleicht sind eben gerade ihre Krankenhäuser (alle kirchlich) ganz gut organisiert.

Für mich wäre es aber wichtig, zu wissen, wie die Realität des Durchschnittsarztes aussieht.
Ich würde wirklich gern Medizin studieren, aber was man von Arbeitszeiten her immer in den Medien mitbekommt, schreckt mich schon ein wenig ab.
Die dort geschilderten 24 Stunden Marathons und der ständige Wechsel zwischen Nacht/Spät/Frühdienst und Wochenenddienst muss für den Körper ja auch echt anstrengend sein.

Ich bin einigermaßen belastbar, sollte es aber tatsächlich so dermaßen extrem sein, wie immer geschildert, habe ich Angst, dass ich das nicht aushalten und zusammenklappen könnte.
Die humanen Arbeitszeiten der ganzen Assistenzärzte, die ich getroffen habe, lassen mich allerdings schon verwundert zurück.
Wenn das echt so ideal läuft, wie die das behaupten, warum brechen dann nach dem PJ so viele wegen Überbelastung ab??
Und merkt man echt erst im PJ, dass es zu viel Stress ist?

Kann das echt sein, dass die Ärztinnen alle wirklich nur nen 9 Stunden Tag und halbwegs geregelte Arbeitszeiten haben? (oder haben die mich angeschwindelt, wüsste allerdings nicht warum)
BITTE HELFT MIR!!

Stimmt es, dass die Feiertagsdienste oft nicht mit frei haben an einem anderen Tag ausgeglichen werden?

P.S.: Kennt jemand eine Dokumentation oder ein Buch, in dem der Ärztealltag (oder Assistenzärztetag/PJ- Alltag) realistisch geschildert wird?

VIELEN DANK!!!

Miss
28.11.2012, 11:25
Das ist vor allem je nach Haus und Fachrichtung ganz unterschiedlich geregelt.

Ich als Anästhesistin hab wirklich geregelte Arbeitszeiten, weil wir im Schichtdienst arbeiten. Irgendwann kommt der Spät- oder Nachtdienst und übernimmt. Überstunden fallen schon an, werden aber bezahlt. Ich mache so durchschnittlich 5 Spätdienste und nochmal 5 Nachtdienste pro Monat, und ca. 2 Wochenenden (oder 2-3 Wochenendtage), alles aufs Jahr gerechnet. 24h Dienste machen wir auch an Wochenenden und Feiertagen, ansonsten 16h Dienste.
Allerdings finden OPs (halt Notfälle) auch 24h/7d/Woche statt, man kann halt Glück oder Pech haben.

In manchen Häusern und Fachrichtungen macht man grundsätzlich 24h Dienste und auch mehr (unbezahlte) Überstunden.
Und es gibt halt schon auch Unterschiede, wie anstrengend der Job ist, je nachdem, in welchem Fach man arbeitet.

Durchschnittlich habe ich wahrscheinlich eine 45-50h Woche, mal *nur* 40h, mal halt 60h.

Lies doch mal ein bißchen hier im Forum, wir haben schon öfter über Arbeitszeiten und -belastung geschrieben ;-)

LasseReinböng
28.11.2012, 12:21
Ich habe in meiner kurzen Zeit als Assistenzarzt in der Inneren beides erlebt: auf der einen Station mehr oder weniger pünktlich Feierabend, ca. 10-20 Überstunden im Monat. Auf der anderen Station dann auf einmal 4-5 Überstunden pro Tag, bin selten vor 21 Uhr rausgekommen, teilweise bis 22 Uhr bei häufig fehlender Mittagspause. Laut den Kollegen dort kein Ausnahme- sonder ein Dauerzustand, man kommt auch mal gerne am Wochenende, einfach nur um Arztbriefe zu schreiben, weil man sonst völlig dekompensiert. Überstunden werden offiziell bezahlt, realiter wird man übers Ohr gehauen. Auf beiden Stationen de facto null Einearbeitung. Einziger "Pluspunkt" war die niedrigere Dienstbelastung weil großes Haus mit vielen Assistenten.

Es gibt solche und solche Erfahrungen, wie du siehst. Tendenziell höre ich aber aus der Ecke Innere Medizin selten positive Berichte, was schade ist bei dem an sich interessanten Fachgebiet. :-(

med_in_1
28.11.2012, 16:41
Ich arbeite in einen mittelgroßen Haus in einer kleinen Stadt in der Inneren Medizin.

An Tagen, wo ich keinen Dienst habe, mache ich in der Regel 1/2 - 1 Überstunde, wegen Dingen, die am Tag liegen geblieben sind. Leider ist auch an "normalen" Arbeitstagen die Arbeitsbelastung so groß, dass ich vom Feierabend nicht mehr wirklich etwas habe (zu erschöpft).
Beim Dienst kommt es sehr auf die Arbeitsbelastung an. Dass man mal eine Nacht gar nicht angerufen wird, habe ich noch nie erlebt - dass man sich nichtmal 1-2h hinlegen konnte kam aber auch noch nie vor.

Im Mittel habe ich jedes 2. Wochenende und 1x unter der Woche Dienst, dazu etwa 4 Nachtdienste / Monat.

Fr.Pelz
28.11.2012, 16:48
Hi,
ich hab vor dem Studium und auch noch dabei auch geschaudert, wenn ich solche Berichte gehört habe: keine Zeit für Irgendwas anderes, vor allem nicht für Familie etc etc... dann hab ich während des Studiums aber gemerkt, dass es doch einige Bereiche gibt, wo die Belastung nicht so groß ist, Häuser gibt, die sich Familienfreundlichkeit auf die Fahnen schreiben oder Teilzeit anbieten... Wie die anderen schon geschrieben haben, kann man das lange nicht verallgemeinern.
Ich bin im Moment noch in der schönen Situation, dass mir das Arbeiten Spaß macht und ich noch keine Kinder habe, sodass mir die Überstunden (ca 1-4 pro Tag) nicht so viel ausmachen, außerdem werden Sie bezahlt.
Was mir mehr ausmacht, sind die 24h-Dienste. Da ist man ja nicht nur lange von zu Hause weg, sondern kann sich eben auch nicht mehr gut konzentrieren - muss aber gerade dann Dinge machen und können, die man am Tag nicht oder nicht oft macht (nämlich auf Notfälle reagieren).
Von den Diensten hab ich 1-6 pro Monat, das kann man bei uns relativ gut variieren, gibt auch welche, die machen 8, weil sie viel verdienen wollen.
Wegen den realistischen Schilderungen bzgl des PJs, gib mal PJ und Blog bei google ein, da findet sich viel. Habe auch gebloggt zu PJ-Zeiten, der ist aber mittlerweile aus dem Netz)
Lg

Kackbratze
28.11.2012, 16:54
Es gibt hier auch die Boardsuche, die hilft definitiv auch weiter ohne das man schreien muss.

Stephie84
30.11.2012, 22:31
Also das mit den Arbeitszeiten kann man nicht pauschalisieren. Ich kenne keinen, der keine Überstunden macht. Ob diese Überstunden zählen oder nicht ist dann das nächste. Und die Dienstmodelle sind überall anders.
Ich habe offiziell eine 42h-Woche aber inoffziell ist Schluss, wenn die Arbeit fertig ist. In der Klinik, in der ich arbeite, fallen diese Überstunden leider alle unter den Tisch (3-12 pro Woche je nach dem). Bei uns gibt es 24h (+1-3h bis halt fertig abgearbeitet und übergeben ist) Dienste. Das ist anstrengend, keine Frage. Am Ende landet man also locker bei 60-80h. Wenn man unbeliebte Fächer oder unterversorgte Städte anpeilt, sieht es aber schon wieder ganz anders aus. Und es kommt auf den Chef an... Das Arbeitszeitgesetz ist aber sicher auch ein Problem, denn Überstunden, die es gesetzlich nicht geben darf, darf dann natürlich auch keiner aufschreiben.

EntenFreundin
30.11.2012, 22:36
Das ist anstrengend, keine Frage. Am Ende landet man also locker bei 60-80h. Wenn man unbeliebte Fächer oder unterversorgte Städte anpeilt, sieht es aber schon wieder ganz anders aus..

Darf ich mal fragen was bei unbeliebten Städten und unterversorgten Fächern denn anders sein soll ?
Das klingt so, als sei es dort besser ?
Warum und wie das ?

EKT
01.12.2012, 07:19
Darf ich mal fragen was bei ... unterversorgten Fächern denn anders sein soll ? Das klingt so, als sei es dort besser ?

Na ja, zum Beispiel werden in der Psychiatrie keine Überstunden nötig sein - wenn man einigermaßen gut organisiert ist. Und es werden auch schon mal Sonderprämien für Bereitschaft zu opt out (bzgl. Dienste) gezahlt.

novembergirl
03.12.2012, 17:22
Also, soweit ich das verstanden habe, hat man Schichtdienste wie die pfleger.
die erste geht wahrscheinlich offiziell von ca. 8 uhr bis 5 uhr, die zwischenschicht von ca. 4 bis 10 und die nachtschicht eben während der nacht. stimmt das ungefähr so?

Fr.Pelz
03.12.2012, 17:32
Nein das stimmt nicht bzw nur für die die eben ein Schichtsystem haben. Es gibt aber von Klinik zu Klinik unterschiedliche Dienstsysteme. Bei uns ist es z.b so, dass man jeden Tag von 6.45 bis 15.15 da zu sein hat. Meist komm ich gegen 17 Uhr raus.
Wenn ich Dienst hab, bleib ich da bis zum nächsten Tag 8 Uhr, also ca 25h.
Aaber..meine Kollegen auf der Wachstation haben ein anderes Dienstsystem und meine Kollegen in der Notaufnahme haben ein Schichtsystem... Du siehst, man kann das lange nicht verallgemeinern, und es hat alles seine Vor- und Nachteile.

denkstdu
03.12.2012, 19:44
Da machst du ja jeden Tag fast 2 Überstunden. Denkste nicht, dass das bissel viel ist.

Fr.Pelz
03.12.2012, 20:16
Joar, aber es ist nicht für ewig. Die Station auf der ich im Moment bin, ist einfach wahnsinnig spannend, zugleich ist es die komplexeste und arbeitsreichste der peripheren Stationen, ich arbeite aber wirklich echt gerne dort. Und die Überstunden werden bezahlt. Wenn ich auf eine andere Station rotiere (und das muss ich ja) wird das, denk ich, anders.

Giant0777
03.12.2012, 20:20
Also für mich wären regelmäßige Überstunden nichts. Ich will gar nicht bestreiten, dass es mal länger dauern kann. Aber wenn es eher die Regel denn die Ausnahme ist, muss in einer solchen Klinik doch organisatorisch was nicht in Ordnung sein!

Ich habe bei meiner Stellensuche neben guter Ausbildung auch gerade auf sowas wie Stationsorganisation geschaut ( heimlich in Famulaturen ausgekundschaftet ) und die Kliniken, die mir unorganisiert erschienen standen auch nicht auf meiner Bewerberliste!:-meinung

epeline
03.12.2012, 20:26
kann man denn so einfach überstunden machen?
kenne das aus anderen betrieben, dass die angeordnet bzw nachträglich genehmigt werden müssen.
aber einfach länger bleiben und dann mehr geld wollen?.... glaube, in der freien wirtschaft würde man sich damit keine freunde machen :-nix

Giant0777
03.12.2012, 20:28
glaube, in der freien wirtschaft würde man sich damit keine freunde machen :-nix
Wir haben am Ärztemangel ja auch Jahre gearbeitet!

epeline
03.12.2012, 20:30
die frage war aber durchaus ernst gemeint.
die meisten menschen, die ich kenne, sind eben keine mediziner sondern arbeiten in irgendwelchen wirtschafts-betrieben oder ämtern oder was weiß ich.
und die sagen klipp und klar, dass man nicht einfach so länger bleiben kann und dann dafür geld verlangen kann. überstunden müssten triftig begründet bzw angeordnet sein.

Giant0777
03.12.2012, 20:45
Vielleicht sind andere einfach weiter als die Ärzteschaft :-nix

epeline
03.12.2012, 21:03
hm, ob das wirklich ein fortschritt ist?
der AG sagt sich halt, "ist nicht mein problem, wenn der sein zeug nicht in 8h schafft, deshalb bezahl ich doch nicht mehr"
gehälter sind ja schon recht kalkulierbare fix-kosten pro arbeitnehmer, mit denen der AG rechnet.
wenn da jetzt jeder jeden tag einfach mal 2h länger machen würde, käme da schon ne schöne summe zusammen, die nen familienbetrieb einfach nciht gewillt ist, zu zahlen.

FirebirdUSA
04.12.2012, 12:03
die frage war aber durchaus ernst gemeint.
die meisten menschen, die ich kenne, sind eben keine mediziner sondern arbeiten in irgendwelchen wirtschafts-betrieben oder ämtern oder was weiß ich.
und die sagen klipp und klar, dass man nicht einfach so länger bleiben kann und dann dafür geld verlangen kann. überstunden müssten triftig begründet bzw angeordnet sein.

Genau mit dieser Begründung gibt es ja noch immer Kliniken, die die Überstunden nicht bezahlen.

Triftig begründen lassen sich die Überstunden meist schon, du kannst natürlich die Abrechnung/Kodierung/Arztbriefe auch mal liegen lassen... nur dann zahlt die Krankenkasse irgendwann nicht mehr und das interessiert deinen AG schon auch. Genauso kann sich der AG schlecht wehren wenn du noch irgendeinen Notfallpatienten auf Station oder in der Ambulanz gesehen hast, weil der Kollege der Dienst hat selbst schon mehrere Notfälle hat oder je nach Fachrichtung ggf. schon im OP steht.