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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kündigen - aber wie?



secret_goldfish
29.11.2012, 10:10
Hallo zusammen!

Mein erster post in diesem Forum behandelt gleich ein eher unerfreuliches Thema. Da ich aber gefühlt auch im Austausch mit ehemaligen Kommilitonen in vielen Fragen auf der Stelle trete, hoffe ich auf diesem Wege einige Anregungen zu bekommen.

Kurz zum Hintergrund:
Ich bin Assistenzarzt für innere Medizin im (angefangenen) dritten Jahr der Weiterbildung in einem kleinen kommunalen Krankenhaus. Dort habe ich gleich nach dem Studium angefangen. Das war gleich zu Anfang nicht unbedingt meinen erste Wahl. Ich habe mich gleichzeitig auch für andere Fachbereiche interessiert, habe mir aber damals gedacht, daß man mit 1-2 Jahren Innere eigentlich nicht viel falsch machen kann, da sich das ja auch für andere Fachrichtungen anrechnen lässt.
Anfangs war ich dann aber doch von der Stelle begeistert. Das Team war (ist) jung, die Hierarchien sehr flach und die Patienten bzw. die Erkankungen recht vielfältig für ein kleines Haus.
Mittlerweile hat sich jedoch vieles sehr zum Negativen verändert. 2-3 Überstunden am Tag sind eigentlich mittlerweile Standard. Diese werden nicht ausbezahlt und sind durch die momentane Assistentenzahl auch realistischerweise nicht abbaubar. Dadurch habe ich ein gigantisches Überstundenkonto, welches ausser einer wachsenden Zahl auf dem Papier keinerlei Konsequenzen hat...
Die Stimmung unter den Assistenten ist mittlerweile allgemein eher schlecht, die Arbeitsbelastung hoch. Der gute Draht zum Chef hat auch ziemlich gelitten. Momentan hagelt es eher (mal berechtigt, häufig abe auch unberechtigt) Kritik. Gefühlt klafft die Schere zwischen geforderter Arbeitleistung und der Zeit dies auch umzusetzen immer weiter auseinander. So langsam wirkt sich die Situation auch auf mein physisches und psychisches Wohlbefinden und meine Partnerschaft aus.
Diese und viele andere Gründe haben mich dazu bewogen mich nach einem neuen Arbeitgeber, gern auch nach einer anderen Fachrichtung umzusehen.

Hier kommen wir nun zu den eigentlichen Fragen:
Da das Haus wie gesagt sehr klein und das Verhältnis zum Chef doch ein wenig persönlicher ist, bin ich mir unsicher darüber, wie ich das mit der Kündigung bzw. den Bewerbungen am besten anstellen soll. Ich würde mich am liebsten bewerben, ohne daß es mein jetziger Arbeitgeber mitbekommt, da ich fürchte, daß mir dieser Schritt sehr persönlich genommen werden würde (wie ich es in meinem ersten Jahr bei einer damaligen Kollegin beobachten durfte...). Daraus ergeben sich natürlich einige Probleme.
Ich kann ja z.B. schlecht nach einem Arbeitszeugnis fragen, sonst weiß mein Chef ja gleich woher der Wind weht. Andererseits sieht es doch für einen potentiellen neuen Arbeitgeber auch komisch aus, wenn man nach 2 Jahren Berufserfahrung kein Arbeitszeugnis beibringen kann.
Wie sieht es ausserdem mit der Kündigungsfrist aus? Die beträgt für mich momentan nach Arbeitsvertrag 3 Monate. Allerdings kann ich in der Bewerbung keinen eindeutig möglichen Arbeitbeginn nennen, da ich aus maximalem Sicherheitsdenken natürlich erst meine jetzige Stelle küdigen möchte, wenn ich eine neue sicher habe.

Wie es beim Schreiben immer so ist, wenn man sich erstmal ransetzt fallen einem die ganzen guten Fragen, die man vorher hatte, spontan nicht mehr ein. Die beiden Punkte oben wären aber erstmal die wichtigsten. Ich hoffe, daß mir jemand ein paar Tips geben kann. Bin ja sicher nicht der erste Assistenzarzt, der sich aus Frust neu orientert...

Vielen Dank schonmal im Voraus.

McDreamy
29.11.2012, 11:35
Aaaalso, es ist eigentlich relativ einfach:

Erstmal ist es vollkommen üblich und auch für einen potentiellen neuen Arbeitgeber verständlich, dass man sich schon mal bewirbt, BEVOR man noch die alte Stelle gekündigt hat. Hier ist es in der Regel ausreichend, in die Bewerbung deutlich hineinzuschreiben: "Ich befinde mich derzeit noch in einem ungekündigten Dienstverhältnis und bin daher für eine vertrauliche Behandlung meiner Bewerbung dankbar". Logisch ist hier auch, dass da halt noch kein Arbeitszeugnis vorgelegt werden kann, ist ja auch völlig egal.

Beim Bewerben einfach die Kündigungsfrist einberechnen und dann das mögliche Anfangsdatum im mündlichen Bewerbungsgespräch nennen. Dann Vertrag unterschreiben und den alten Job kündigen. Fertig. Das Arbeitszeugnis verlangst du dann erst während der Kündigungszeit oder danach.

Das einzige, was man nicht wegdiskutieren kann, ist das unangenehme Gefühl, dass man irgendwen "enttäuscht" oder "hängen lässt" oder dass man am Ende vom Regen in die Traufe kommt - das ist wohl bei jeder Kündigung völlig normal. Wenn du dir vor Augen führst, dass es am Ende niemandem etwas bringt, wenn du dich kapput arbeitest und deine Beziehung den Bach runter geht... dann fällts einem schon etwas leichter... Garantien gibts halt keine, dass der neue Job besser wird, aber man wird selbst etwas reifer und lässt sich nicht mehr so leicht für dumm verkaufen, wenn man schon etwas Erfahrung am Arbeitsmarkt hat.

Life is too short!

Relaxometrie
29.11.2012, 13:00
Hallo secret_goldfish,

ich kann Deine Gedankengänge alle verstehen! Aber ich denke auch, daß Du es zu kompliziert machst, bzw. noch die falschen Schwerpunkte setzt: der ganze Rattenschwanz (Zeugnis, wann kündigen....) ergibt sich von ganz alleine, wenn Du eine neue Stelle hast. Und genau DAS ist das Problem, daß man nämlich nicht vom Regen in die Traufe kommen möchte, und dies nach bestmöglicher Recherche zu verhindern versucht. Deswegen würde ich den aktuellen Schwerpunkt darauf legen, eine (hoffentlich) gute Stelle zu finden, mich zu bewerben und dann erst den organisatorischen Rest zu beachten. Leider stehen alle Krankenhäuser unter den gleichen Sparzwängen, unter dem DRG-Diktat und leiden unter dem Zwang, Medizin gewinnorientiert betreiben zu müssen. Trotzdem lassen sich vielleicht noch irgendwo erträgliche Arbeitsbedingungen finden, und hier komme ich wieder zum Anfang meines Postings zurück: eine Stelle zu finden ist jetzt der erste Schritt.

dreamchaser
29.11.2012, 16:28
Du willst etwas an deiner jetzigen Situation ändern - also tu es: wenn du schreibst, Innere war eine "Notlösung" für dich, dann solltest du dir jetzt mal überlegen, in welche Richtung du gehen willst. Dann eben die möglichen Häuser recherchieren, versuchen möglichst viel über die dortigen Arbeitsbedingungen herauszufinden und dann bewerben. Für die Bewerbungsgespräche (deren Termine man ja auch gut steuern kann) musst du eben mal einen Tag (Überstunden-)frei nehmen. Mit dem Vermerk über die Diskretion bei der Bewerbung klappt das auch ohne Arbeitszeugnis und ohne, dass dein Chef es erfährt. Hospitieren wird eben schwerer, ausser du bekommst mehrere Tage frei, also informiere dich möglichst vorher viel über die Häuser. Und sobald die Stelle im neuen Haus fix ist eben kündigen und parallel den Chef informieren (natürlich vor allen anderen offiziell). Arbeitszeugnis bekommst du dann nach Ende des Arbeitsverhältnisses.

Moorhühnchen
29.11.2012, 17:47
Keine Sorge, Goldfisch! :-)
Ich schließe mich den anderen erstmal an: geeignete Stelle suchen, hat oberste Priorität!
Der Hinweis auf die ungekündigte Stellung stand in jeder meiner bisher 3 Bewerbungen und stellte offenbar auch kein Problem dar. Arbeitszeugnis wollte auch noch keiner sehen - nichtmal das von der ersten Stelle bei der Bewerbung auf die dritte Stelle (ich hatte nie eines bekommen), bin auch nie danach gefragt worden!!

Theoretisch könntest Du Deinen Chef aber auch nach einem Zwischenzeugnis bitten und dies mit "bin ja nun auch schon 2 Jahre hier" begründen. Letztendlich ist aber auch das nicht wichtig. :-)

blackcat86
29.11.2012, 21:16
Du bist nie nach einem Arbeitszeugnis gefragt worden? Wäre ja traumhaft, wenn das ginge, aber irgendwie kann ich das nicht so recht glauben.

Wobei sicher auch bekannt sein dürfte, dass manche Chefs gern nachtreten, wenn Assistenzärzte gehen...

Feuerblick
29.11.2012, 21:40
Es gibt aber viel mehr Chefs, die ihre "Niederlage" auch mit gewisser Größe hinnehmen. Meine Chefs haben bei meinen diversen Jobwechseln NICHT nachgetreten...
Und ein kluger, realistischer Chef möchte ein Arbeitszeugnis nur deshalb sehen, weil drinstehen könnte, was der Bewerber schon alles gemacht hat. Als Einschätzungshilfe sind die Dinger meist nicht zu gebrauchen. Zumindest nicht, wenn man sich so wenig mit dem "Zeugnis-Slang" auskennt wie handelsübliche deutsche Chefärzte. Anders ist wohl nicht zu erklären, dass einer meiner Ex-Chefs einen Oberarzt eingestellt hat, dessen Zeugnis sowas von deutlich "Wegloben" beinhaltete, dass man es eigentlich (!!!) nicht überlesen konnte :-))

Relaxometrie
29.11.2012, 21:48
Anders ist wohl nicht zu erklären, dass einer meiner Ex-Chefs einen Oberarzt eingestellt hat, dessen Zeugnis sowas von deutlich "Wegloben" beinhaltete, dass man es eigentlich (!!!) nicht überlesen konnte :-))
Wie kam es, daß Du dieses Zeugnis zu lesen bekommen hast? Und wie lautete denn die Formulierung? So gut kenne ich mich mit diesen Formulierungen auch nicht aus........vielleicht sollte ich meine Zeugnisse vorsichtshalber nochmal lesen, wenn ich sie einer Bewerbung beilege :-))

Feuerblick
29.11.2012, 21:54
Naja, der Chef hatte den Ober- und Fachärzten ganz stolz das Zeugnis in Kopie ins Fach gelegt, damit die lesen sollten, welchen tollen Hecht er sich da eingefangen hat. Leider war das Zeugnis schlicht ZU gut, um wahr zu sein. So perfekt, wie man es da lesen konnte, KANN kein Mensch sein. War einfach zwischen den Zeilen zu lesen und hat sich deutlich bewahrheitet...

Relaxometrie
29.11.2012, 22:04
Naja, der Chef hatte den Ober- und Fachärzten ganz stolz das Zeugnis in Kopie ins Fach gelegt
Das ist ja gleich doppelt beknackt.
Einmal dreist: ich finde es nicht normal, ein Arbeitszeugnis einfach wie ein Flugblatt zu verteilen.
Und einmal einfach dämlich: das Zeugnis als Beweis für die eigene Personalauswahl-Genialität (bzw. Pseudogenialität :-))) zu nehmen.

Feuerblick
30.11.2012, 08:01
Wir (durch ein sehr gutes Verhältnis zu den OÄ haben wir den Wisch natürlich auch gesehen) haben uns auch köstlich amüsiert...

kleinerFrosch
03.12.2012, 05:53
Hallo secret_goldfish,

ersteinmal: Kopf hoch!
Dann: Ich befinde mich gerade in der gleichen Situation. Kleines, kommunales Haus, initial nettes Team und verträgliche Arbeitszeiten. Nach Kündigungen von zwei 100% Kräften im Frühjahr wurde es nach und nach immer schlimmer mit der Dienst- und Arbeitsbelastung. Gefühlte hundert Gespräche mit unserem sehr netten und verständigen, aber leider aus einer anderen Zeit stammenden ("Früher haben wir an 30 Tagen im Monat 35 Dienste gemacht..") Chef haben zu nichts geführt. Als Dienstplanerin macht mich die Verteilung der Dienste inzwischen total mürbe. Ständig sitzen Assistenten bei mir und schreien mich an oder brechen in Tränen aus, weil sie nicht noch einen Dienst machen können. Wir haben den höchsten Krankenstand seit Beginn meiner "Zeitrechnung".
Da hilft nur kündigen! Wir leiden doch alle am Stockholm-Syndrom und fühlen uns unserem Team und unseren Oberärzten und vielleicht auch unseren Chefs verbunden - egal wie furchtbar die Arbeitszeiten sind. Solche Umstände schweißen ja auch unheimlich zusammen. Und man hat sicher auch den ein oder anderen guten Freund / Freundin unter den Kollegen, die man nicht hängen lassen möchte. Ich kann dich so gut verstehen!
Ich hab auch ein gutes Verhältnis zum Chef und hab es daher so gemacht: Ich bin nach meinem Urlaub, in dem ich mir viele Gedanken gemacht und Bewerbungen geschrieben habe, zu ihm gegangen und habe um ein Gespräch gebeten. In dem Gespräch habe ich gesagt, ich habe mich in anderen Kliniken beworben. Ich möchte, dass Sie das wissen, denn ich will fair sein. Meine Kündigungsfrist ist erstaunlich wenig, da ich aber vorhabe nicht vor dem soundsovielten zu gehen, möchte ich Ihnen entgegenkommen und es ihnen so früh wie möglich sagen.
Das hat er alles ohne mit der Wimper zu zucken hingenommen. Klar kam sowas wie: "Denken Sie doch an das Team.." aber darauf war ich innerlich schon vorbereitet gewesen.
Sobald ich einen guten Job gefunden habe (wir denken an den Regen und die Traufe..) kündige ich offiziell bei der Verwaltung. Der Chef hat ausreichend Zeit um neue Mitarbeiter einzustellen. Gründe habe ich ihm keine genannt (außer private Gründe), weil ich mir gedacht habe: Es macht doch keinen Sinn, dem Chef in so einem Kündigungsgespräch alle Probleme der Abteilung zum 101. Mal vorzuhalten, wenn sich vorher auch nichts getan hat. Meine Hoffnung ist, dass ich trotz allem ein faires Zeugnis bekomme. Ich denke aber, besser man verhält sich fair und ehrlich, als dass man - auch wenn die Stelle noch so an den Nerven zehrt - verbrannte Erde hinterlässt. Wir sind auch alle nur Menschen und Chefs können oft nichts für den Sparkurs der Verwaltung.

Ich wünsche Dir viel Kraft bei deinen Entscheidungen!
Viele Grüße
der kleine Frosch