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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hypertonus und BZ



SarahT.
13.12.2012, 22:03
Hi, ich denke jeder kennt die 2 folgenden Probleme, mit denen man regelmäßig konfrontiert wird. Ich werde bald meine 1. Stelle antreten und bin mir noch nicht ganz sicher, was man dann genau tun würde.

1. Herr/Frau xy hat einen Blutdruck von 180/90
2. Herr/Frau xy hat einen Blutzucker von 300


Zu 1. würde ich gern wissen, ab wann ihr den Blutdruck in der Regel akut senken würdet z.B. mit Bayotensin o.ä. Ich habe während meines PJ oft gesehen, dass dann akut Medikamente gegeben werden, auch wenn die Patienten asymptomatisch sind und definitionsgemäß ja noch keine hypertensive Krise vorliegt. Normalerweise würde ich denken, dass man das toleriert und dann die regelmäßige Blutdruckmedikation anpasst.

Zu 2.: Wie geht ihr da genau vor? Humaninsulin ohne alles? Mit Flüssigkeitsgabe oder ohne? Ab wann muss man wegen eines Hirnödems aufpassen?

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14.12.2012, 18:48
@ 1: Würde ich erstmal Pat. und Schwester beruhigen - reicht meist aus. 180/90 ist auch nicht so wild jetzt. Sonst Amlodipin bspw. Norvasc 5mg nachreichen, 1-2 Hub Nitro oder ne halbe ACE-Hemmer Tagesdosis nachreichen je nach KIs und so. Später dann vllt. Urapidil oder Isoket-Perfusor wenn es gar nicht runter geht.

@ 2: Auch BZ 300 ist nicht soo wild. Aber: Wenn Typ1/3-Diabetes (also IDDM) dann MUSS auf Ketone/Azidose geschaut und reagiert werden. Das wird gerne mal vergessen, gerade bei LADAs ("Ach alt, bestimmt Typ2..."). Bißchen Hydrieren ist nie so ganz verkehrt -sofern Herzilein ok.
Allerdings ist, wie gesagt, 300er BZ nicht wild. Einige unserer Patienten würden sich darüber freuen ;-) Aber anderes Thema. Primäre Handlungsanweisung wäre wie folgt:
Korrektur mit Analogon (bspw. Novorapid) nach BZ. Primärer Zielwert 200. Korrektur in 40, 30, 20er (das hängt davon ab ob Insulinnativ oder mit hoher Insulin-Resistenz) Schritten. Im Verlauf im 6-12h-Intervall (je nach Retinopathie-Situation) dann Zielwert 140-150, zum Schluss ZW 100.
Danach kannst du in den folgenden Tagen schauen ob du mit OADs es noch hinkriegst oder du bei Insulin bleibst bzw. bleiben musst. Wäre das der Fall, hieße die Anordung zuerst morgens, mittags und abends 0+K (also 0 Einheiten für die Mahlzeit plus Korrektur, s.O.). Wenn man dann sieht, dass morgens präprandial der BZ 185 war und entsprechend der Regel (Korrektur 40, Ziel 100) 2 IE gespritzt wurden und nun der Patient vor dem Mittag (nächste Messung) bspw. 198 hat, dann reichten die 2 IE also gerade so knapp aus die Kohlenhydrate des Frühstücks abzudecken. Hieße also für die Folgeanordnung dann: Morgens 2+K (2 Einheiten für die Kohlenhydrate plus ggf. notwendige Korrektur) usw. ...
Wenn nachts der BZ zum Morgen hin ansteigt (abends 21h: 145 mg/dl - guter Wert für Schlafbeginn! Morgens dann 201mg/dl) brauchst du ein Basalinsulin bspw. Levemir oder Lantus. Fängst etwa mit 40-50% des Tagesinsulinbedarfs an. Vielleicht so ~6-8 IE bei zarten insulinnativen Omis. Unbedingt nachts Zwischenmessung um 03.00h! Wenn man mit der Dosis falsch liegt, gehen die Patienten nachts Hypo und morgens sähe man ohne Nachtmessung dann nur die hohen BZ-Werte der Gegenregulation. Das Basalinsulin dann hochschrauben, weil "der Zucker ja (scheinbar) ansteigt" wäre hier fatal - sehe ich leider oft bei eingewiesenen Patienten....
Und schult die Patienten bitte zumindest in den Basics (täglicher Nadelwechsel, nur 4.5mm Nadeln, Spritzstellenwechsel --> "Bauchnabel-Uhr"...)

Gruß LOGO

PS: Das ist als Handlungsvorschlag zu verstehen, entbehrt nicht der eigenen ärztlichen Verantwortung :-)

Rico
15.12.2012, 02:21
Zu 1. würde ich gern wissen, ab wann ihr den Blutdruck in der Regel akut senken würdet z.B. mit Bayotensin o.ä. Ich habe während meines PJ oft gesehen, dass dann akut Medikamente gegeben werden, auch wenn die Patienten asymptomatisch sind und definitionsgemäß ja noch keine hypertensive Krise vorliegt. Normalerweise würde ich denken, dass man das toleriert und dann die regelmäßige Blutdruckmedikation anpasst.Muss ja nicht erst ne hypertensive Krise sein bevor man reagiert. Wenn der bei 200/100 ein Aneurysma hochgeht, dann ist's doof, wenn Du Dir den Anstieg über Stunden angeschaut hast.
Die regelmäßige Blutdruckmedikation würd ich erst anpassen wenn die Werte regelmäßig zu hoch sind, wenn die nur einmalig zu hoch sind, dann sind sie ggf dann dauerhaft zu niedrig, wenn ich die Dauermedis gleich steigere. Von daher macht eine Bedarfsmedikation schon Sinn, wenn man das aber jeden Tag machen muss, dann kann man schon steigern.

WackenDoc
15.12.2012, 08:57
Was gerade beim RR gerne vergessen wird: Überlegen, warum der gerade so hoch ist: Ist es einfach nur ne Entgleisung oder hat der Patient Schmerzen oder ne volle Blase oder ist es Symptom eines Apoplexes oder Hyperthyreose?

Peter_1
15.12.2012, 15:50
@ 1: Morgens dann 201mg/dl) brauchst du ein Basalinsulin bspw. Levemir oder Lantus.

Warum muss es denn Levemir oder Lantus als Erstangriff sein? Dass es teilweise Hinweise auf eine erhöhte Krebsinzidenz unter Glargin gab ist so weit ich weiss noch nicht ausgeräumt und die meisten Typ IIer lassen sich auch sehr gut mit einem Humaninsulin einstellen, Ich habe manchmal den Eindruck, dass gerade in der klinischen Diabetologie eine recht "pharmaindustrienahe/unkritische" Verordnung erfolgt. Natürlich gibt es Patienten die von Glargin oder Detemir profitieren und die bisherigen DAten zum Krebsrisiko sind widersprüchlich, keine Frage, deshalb bitte nicht als Komplettveriss verstehen, aber ich würde es im Erstangriff nur einsetzen bei PAt. die mit einem Humaninsulin schlecht fahren, zumindest solange bis die letzten Unsicherheiten bez. des Langzeitrisikos vom Tisch sind. Ich empfehle jedem Kollegen mindestens eine der beiden sehr guten pharmaindustrieunabhängigen Fachzeitschriften Arzneimittelbrief, bzw Arzneitelegramm zu abonnieren. Beide arbeiten rein EBM basiert und sind eine Bereicherung für jeden Arzt der sich unabhägig informieren möchte.

Grüße,
Peter

P.S.: es bestehen meinerseits keine Interessenskonflikte, ich empfehle die beiden Zeitschriften rein wegen der Tatsache, dass wir Ärzte einem massiven Marketing ausgesetzt werden, gerade bei sog. Fortbildungen und von diversen professoralen Mietmäulern. Ich fand es schwer an unabhängige wiss. Informationen bezüglich einer rationalen Pharmakotherapie zu kommen und die beiden Zeitschriften haben mein ärztl. Dasein wirklich bereichert.

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15.12.2012, 20:09
Bin ganz auf deiner Linie Peter, die Langzeitfolgen sind bei modernen Insulinen nicht gänzlich überschaubar. Da besteht weiterhin Diskussionsbedarf.
Ein paar "meiner" Gedanken dazu:

NPH-Basalinsuline sind vom Handling einfach ein bißchen problematischer --> wichtiger Punkt bei älteren Herrschaften z.T.
die Wirk-Peaks bei NPHs kommen teilweise recht früh um ein Dawn adäquat zu covern. Dann muss man sie manchmal sehr spät spritzen, auch bei ält. Semestern teilweise schwer in den Tagesverlauf zu integrieren...
Mein Beitrag war als "Kochrezept" für weniger versierte Kollegen gedacht, die mal mit nem Diabetes (im Dienst) konfrontiert sind... Gerade da empfinde ich Lantus/Levemir als guten Ratschlag, weil sie i.d.R. recht fehlerverzeihende lange Wirkkurven haben.
Dein "die meisten Typ 2er lassen sich auch gut mit Human-/NPH-Insulinen gut einstellen" würde ich argumentativ eigentlich genau umdrehen: Wenn Frau Müller bei später Manifestation mit einer Lebenserwartung von -wenn es gut läuft- ~10-20 Jahren neue Insuline kriegt, ist es fraglich ob eine mglw. daraus result. NPL noch von Relevanz ist. Da profitiert der Patient IMO mehr von guter SW-Kontrolle und damit Risikoreduktion von Folgeerkrankungen (diab. Fuß, KHK etc.) durch eine hohe Therapietreue weil extrem einfache Einstellung. Umgekehrt finde ich aber, dass man gerade bei Typ 1ern eher um eine möglichst lange Therapie mit schon lang etablierten Insulinen "kämpfen" sollte, denn diese sind ~40-60-70 Jahre einer Insulinwirkung ausgesetzt... Oft wird aber bei diesen dann argumentiert "Viele Zwischenmahlzeiten, flexibler Lebensstil --> Analogon" - eigentlich schade.
Letzlich Teufel oder Beelzebub, such's dir aus ;-)
Zu guter Letzt: Wir in der "klinischen Diabetologie" haben oft den Eindruck, dass ambulant oft "Budget-nah" verordnet wird ;-) ;-)

Genug Kollegen-"Bashing" - einen schönen Abend!

Peter_1
16.12.2012, 18:19
Zu guter Letzt: Wir in der "klinischen Diabetologie" haben oft den Eindruck, dass ambulant oft "Budget-nah" verordnet wird ;-) ;-)
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Genug Kollegen-"Bashing" - einen schönen Abend!

Ich möchte keine Kollegen bashen (sorry wenn das so rüberkam) und mit dem Budget habe ich erst gar nicht argumentiert, sondern ausschliesslich mit dem unklaren Benefit für den Patienten und gegen die Nennung als Standard/Erstangriff! Was die Lebenszeit angeht, viele 2er Diabetiker sind 50-60 JAhre alt, die haben statist. gesehen eine längere Lebenswerwartung und da macht dann evtl. das Mammaca. doch noch was aus, zumal die Patienten in der Regel gar nicht über die Datenlage aufgeklärt werden! Ein informierter Patient kann ja beschliessen zwischen den Risiken auszuwählen, nur leider erfolgt derlei Aufklärung höchst selten. Ich habe während meiner Anfangsklinikszeit wie gesagt ein echtes Problem gehabt neutrale, nicht "Eminenz basierte", oder "industrienahe" Quellen für eine gute Pharmatherapie zu erhalten und wollte da nur einhaken, da es sich als Aufhänger gerade anbot, nix für ungut Logo :-D

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16.12.2012, 20:46
Ach Peter, hab ich auch nicht so verstanden :-) Das "Bashing" bezog sich auf meinen eigenen Beitrag, dem ich damit die möglichweise missverstandene Schärfe nehmen wollte. Insbesondere mein letzter Punkt war ja mehr halbernst zu verstehen...