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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Weitere Belastung im Bereitschaftsdienst - Betreuung fachfremden Patientenguts



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Q_wer
03.01.2013, 07:21
Hallo allerseits!

Zuerst kurz etwas zu meiner Situation: Ich bin derzeit Assistent einer allgemeinchirurgischen Abteilung und angestellt in einem Wald- und Wiesenkrankenhaus (max. Belegung chirurgisch 35 Betten).

Die neueste Idee bei uns: Der chirurgische Bereitschaftsdienst soll abgesehen von dem, was in Ambulanz und Station ohnehin anfällt jetzt auch die Erstversorgung aller gynälologischer Notfälle übernehmen, bis der Gynäkologe (Rufbereitschaft) im Haus ist.
Ein echtes Schmankerl, zumal die Betroffenen (Assistenzärzte) davon Wind bekommen haben, als die Schwestern in der Notaufnahme darüber diskutiert haben. In deren Aufnahmestandard wird denen das seit neuestem von der Pflegedienstleitung so aufgetragen (also dass sie den chir. Bereitschaftsdienst zu rufen haben). Bisher gibts dazu (noch) keine Dienstanweisung, kein offizielles Schreiben, nichts! Ich wollte den Chef deswegen gestern sprechen, der ist aber für die nächsten 2 Wochen im Urlaub, ebenso wie der ärztliche Direktor.
Ich hab echt die Schnauze voll. Das die Bereitschaftsdiensteinstufung der 24h-Dienste am Wochenende ein schlechter Witz ist, machen wir mit, Nachtdienste im Rahmen der Schicht-nachtwochen noch und nöcher, tragen wir mit, 48h Arbeitszeitgesetz? ja klar - wird regelmäßig überschritten (2012 bei mir im Durchschnitt 55h), alles wird mitgetragen im Sinne der Institution, der Patientenversorgung. Aber jetzt reichts wirklich!


Das ganze hat folgenden Hintergrund:
Aus Kostengründen ist in diesem Haus die Geburtshilfe ab 1.1.2013 geschlossen worden, die Schwangeren sollen aber trotzdem noch mit Unterstützung einer unter der Woche tagsüber anwesenden Hebamme die gesamte Geburtsvorbereitung machen können. Deswegen (keine Sectios mehr, etc.) wurde der gynäkologische Bereitschaftsdienst auf Rufbereitschaft zurückgestuft.


Jetzt würde es mich freuen, eure Meinungen zu hören:
Können wir zur Übernahme dieser Aufgabe gezwungen werden?
In meinem Arbeitsvertrag bin ich als Assistent in Weiterbildung für Unfallchirurgie / Orthopädie angestellt, das kann doch kaum in meinen Tätigkeitsbereich fallen?

Wie können wir uns wehren? Kann das als besonderer Kündigungsgrund gelten, mit dem ich fristlos kündigen kann? (Ich warte eigentlich nur darauf, dass mich mein Chef gehen lässt um meine nächste Stelle anzutreten)
Google bringt mir folgendes: "So kann der Arbeitnehmer sofort seinem Job fernbleiben, wenn er zum Beispiel durch die Weiterarbeit seine Gesundheit gefährden würde oder der Arbeitgeber strafbare Handlungen von ihm verlangt." Vor dem Hintergrund, dass ich von den Komplikationen in der Schwangerschaft keine Ahnung habe und die dann evtl. > 30 min. erstversorgen soll, finde ich das durchaus erwägenswert.

Brutus
03.01.2013, 08:25
Ich habe mal folgendes gefunden:

2.4. Fachübergreifender Bereitschaftsdienst
Der fachübergreifende Bereitschaftsdienst in der Geburtshilfe mit der Folge, dass
beispielsweise ein Assistent der chirurgischen Abteilung im Nachtdienst auch für
die geburtshilfliche Abteilung zuständig ist, muss abgelehnt werden.
Bezüglich der personellen und strukturellen Voraussetzungen für geburtshilfliche
Abteilungen ist auf die entsprechende Leitlinie der DGGG zu verweisen.
Auch wenn aufgrund finanziell knapper Ressourcen insbesondere kleinere Krankenhäuser
einen fachübergreifenden Bereitschaftsdienst einführen und dieser unter
bestimmten und sehr engen Voraussetzungen als noch hinnehmbar (Ulsenheimer
K. (2005) Haftungsrechtliche Probleme beim fachübergreifenden Bereitschaftsdienst,
Deutsche Ges. für Chirurgie 2/05: 126-133) angesehen werden
kann, ist dies im Bereich der Geburtshilfe und der Anästhesie rechtlich unzulässig.
Der in den Leitlinien geforderte Standard in der Geburtshilfe, kurzfristig auftretende
Notsituationen zu erkennen und auf sie rasch zu reagieren, setzt spezifische
Fachkenntnisse voraus, die im fachübergreifenden Bereitschaftsdienst bei fachfremden
Ärzten nicht gewährleistet sind.
Nachzulesen hier, in der Leitlinie "Zum Einsatz eines gynäkologisch-geburtshilflich tätigen Arztes im
Ruf-/Bereitschaftsdienst eines Krankenhauses: AWMF 015/067(S1)" (http://www.dggg.de/fileadmin/public_docs/Leitlinien/4-1-5-rufbereitschaft-2010.pdf) der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe von 2010.
Und hier von der gleichen Fachgesellschaft die Mindestanforderungen von 2011:

1 Voraussetzungen für eine dem Standard entsprechende geburtshilfliche
Versorgung
1.1 Personelle Voraussetzungen
1.1.1
Es muss ein im Fachgebiet Frauenheilkunde und Geburtshilfe tätiger Arzt (abgeschlossene oder
begonnene Weiterbildung im Gebiet Frauenheilkunde und Geburtshilfe) ständig rund um die Uhr im
Bereitschaftsdienst verfügbar sein. Dem entspricht auch eine Rufbereitschaft, wenn sie gegenüber
einer unmittelbaren Präsenz in der Klinik keine Nachteile beinhaltet, also der Arzt in gleicher Zeit wie
ein Arzt im Bereitschaftsdienst bei der Gebärenden sein kann.
1. 1.2
Es muss ein Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe innerhalb von 10 min im Krankenhaus
verfügbar sein. Er kann seinen Dienst in Rufbereitschaft ableisten, wenn vorbereitende Arbeiten durch
fachkundiges Personal im Krankenhaus (Hebamme, Assistenzarzt etc.) bis zum Eintreffen des
Facharztes kompetent erbracht werden können.
1. 1.3
Es muss mindestens eine Hebamme ständig rund um die Uhr im Bereitschaftsdienst verfügbar sein.
Vergleichbar ist ein Rufbereitschaftsdienst der Hebamme, wenn sie innerhalb fünf Minuten bei der
Schwangeren erscheinen kann.
1. 1.4
Es muss ein Anästhesist innerhalb von 10 min bei der Schwangeren verfügbar sein. Er kann seinen
Dienst in Rufbereitschaft ableisten, wenn vorbereitende Arbeiten durch fachkundiges Personal im
Krankenhaus (Hebamme, Pflegekräfte, Assistenzarzt etc.) bis zum Eintreffen des Facharztes
kompetent erbracht werden können.
1. 1.5
Es soll mindestens eine examinierte Kinderkrankenschwester ständig rund um die Uhr anwesend sein
(Bereitschaftsdienst). Wo dies nicht möglich ist, müssen die in der „integrierten Wochenbettpflege“
tätigen Mitarbeiter (Krankenschwestern, Kinderkrankenschwestern, Hebammen) soweit fortgebildet
sein, dass sie in der Lage sind, einerseits die mütterliche (Wund-) Versorgung sicherzustellen, sowie
andererseits Notfälle und Krankheiten Neugeborener zu erkennen und entsprechend zu handeln.
1. 1.6
Es muss die jederzeitige (24 h x 7 Tage) Operationsbereitschaft durch die ständige Anwesenheit
entsprechend ausgebildeten Funktionspersonals sichergestellt sein.
1. 1.7
Es müssen jederzeit wichtige Laborergebnisse (rund um die Uhr innerhalb von 2 h verfügbar sein
(siehe 1.2.3.4).
Hier zum Nachlesen! (http://www.dggg.de/fileadmin/public_docs/Leitlinien/3-3-8-Mindestanforderungen-2011.pdf)

Das Problem ist ja, dass ihr bisher nix Offizielles habt.
Was ich wohl machen würde: in der Personalabteilung anrufen und mal ganz unverbindlich nachfragen, welche Haftpflichtversicherung das Haus abgeschlossen hat. Und ob diese Schäden, die aus diesem Konstrukt entstehen, auch mitversichern. Und dann ganz wichtig: Eine schriftliche Dienstanweisung des AG anfordern, woraus sich ergibt, dass die chirurgischen Assistenten die gynäkologischen Aufnahmen erstbetreuen müssen. Wenn ihr das schriftlich habt, direkt mit Hinweis auf o.g. Leitlinien widersprechen.
Und dann kannste auch mit dem MB Kontakt aufnehmen bzgl. fristloser Kündigung.

Wieso wartest Du eigentlich darauf, dass Dein Chef Dich gehen lässt? Vertragspartner ist die Personalabteilung. Also wenn Du fristgerecht kündigen willst, dann kann es Dir doch egal sein, was Dein Chef sagt. Nur für einen Auflösungsvertrag wäre wahrscheinlich die Meinung Deines Chefs wichtig.
Aber wie gesagt, erstmal versuchen das alles offiziell und vor allem schriftlich zu bekommen und dann weitere Maßnahmen wie MB / MAV / BR anleiern. Und ganz wichtig: Überlastungsanzeige!!!!

Und die am Besten an die Verwaltung, Deinen Chef, PDL, UND FÜR DIE EIGENEN UNTERLAGEN!!!

Edit: Ach so, fast vergessen: ein erster Schritt zur Vermeidung der fachfremden Arbeit: Dienst nach Vorschrift. Überlastungsanzeige. Dokumentation der Bereitschaftsdienstbelastung. Konsequente Durchsetzung des Arbeitszeitgesetzes.
Das sollte eine Verwaltung durchaus mal zum Nachdenken anregen.
Dazu bist Du ja in der goldigen Situation, dass Du sowieso weg willst. Sprich, Du kannst mit der Kündigung "drohen" ohne dass diese "Drohung" leeres Geschwätz wäre... :-))

Moorhühnchen
03.01.2013, 11:00
Ich hab leider nichts zum Thema beizutragen, aber mir dünkt, wir bewegen uns durch die gestiegenen Haftpflichtversicherungsprämien in ländlicheren Gebieten Deutschlands und die Schließung kleinerer geburtshilflicher Abteilungen wieder auf eine Versorgung wie im Mittelalter zu...... Ob das Sinn und Zweck des Manövers sein sollte? :-wand

Wie sieht es andernorts aus?

McDreamy
03.01.2013, 16:09
Na das ist ja wieder mal ein Glanzstück.

Ich bin zwar was die Arztkarriere betrifft noch ein ziemlicher Neuling, war im Vorleben aber juristisch tätig und kann dir deshalb Folgendes raten:

Genau wie Brutus gesagt hat - unbedingt schriftliche Dienstanweisung verlangen!!! (vorher keinen Finger rühren)

Für eine vorzeitige Auflösung eines Dienstvertrages (= umgangsprachlich "fristlose Kündigung") bedarf es unzumutbarer Zustände, die von dir zu beweisen sein werden. Allein aus diesem Grund auflösen wird wahrscheinlich nicht gehen, da müssen noch weitere Sachen hinzukommen (die du ja auch aufgezählt hast), für die du allerdings beweispflichtig wärst im Falle eines Rechtsstreits um die Kündigungsfrist. Eine Dienstanweisung alleine (auch wenn sie gegen Leitlinien verstößt) wird IMHO zu wenig sein für eine vorzeitige Auflösung: weil einerseits ist sich nicht an Leitlinien zu halten per se keine Straftat und andererseits gibt es sie ja noch nicht einmal (weder mündlich noch schriftlich)

Die Frage an den MB müsste also lauten: Darf der Dienstgeber von mir eine gegen Leitlinien verstoßende Patientenversorgung verlangen? Das kann ich nicht mangels Fachwissen nicht beantworten, da einfach mal beim MB nachfragen.

Wenn die Antwort des MB nein ist, dann bedeutet das höchstens, dass du die Dienstanweisung verweigern darfst, ohne deinerseits aufgrund Dienstverweigerung gekündigt zu werden. Eine vorzeitige Auflösung des Dienstvertrages rechtfertigt das ALLEINE meiner Meinung nach aber nicht (aber vielleicht gibt es einschlägige Rechtsprechung hierzu). Wenn man aber alle Gründe (sonstigen Arbeitsbedingungen) zusammenzählt (die man aber im Notfall auch beweisen muss!), dann könnte eine vorzeitige Auflösung gerechtfertigt sein.

Sell82
03.01.2013, 16:53
Hi, arbeite in einem kleinen Krankenhaus in der Chirurgie ( ca. 70 chir. Betten) Wie haben auch eine gyn. Abteilung. Nachts werden die gyn. Patienten durch einen Gynäkologen betreut der Rufdienst hat und innerhalb von 10 min da ist. Wir Chirurgen müssen nachts allerdings bei den Sectio´s assistieren.

Ex-PJ
03.01.2013, 18:06
Zitat: "Darf der Dienstgeber von mir eine gegen Leitlinien verstoßende Patientenversorgung verlangen?"
--> Das Problem wird sein, daß allen Eingaben oder Anfragen zum Trotz, die Situation in den Diensten entsteht (jedenfalls mit gewisser Wahrscheinlichkeit), daß eine Schwangere am Wochenende oder nachts in der Ambulanz steht und der Threadersteller als anwesender Arzt zur Notfallversorgung verpflichtet ist.
Daher Konsequenz: Entweder kurzfristige Klärung der Situation durch mehrere Assistenten oder ansonsten das Problem durch Eigenkündigung aus der Welt schaffen (oder auch Aufhebungsvertrag)

Evil
03.01.2013, 18:23
Leitlinien sind primär nicht rechtlich bindend, so daß sich der Arbeitgeber zunächst nicht zwingend daran halten muß. Erst im Schadensfall wird durch Gutachter ein Zuwiderhandeln bedeutend.
Das ist wie mit dem Alkohol im Straßenverkehr: so lang nichts passiert, kann man problemlos mit 0,5 Promille unterwegs sein, aber sobald was passiert, hat man automatisch Schuld.

McDreamy
03.01.2013, 18:42
Es wird wahrscheinlich drauf hinauslaufen, dass du dich weigern kannst, der Dienstanweisung folge zu leisten, ohne dadurch eine Kündigung durch den Arbeitgeber zu riskieren.

SuperSonic
03.01.2013, 20:07
Ist das bewusste Ignorieren von Dienstanweisungen denn kein Kündigungsgrund?

Q_wer
03.01.2013, 21:24
Danke für die guten Ratschläge und die Solidarität!

Das mit der Leitlinie der Geburtshilfe ist so eine Sache - ich bin mir sicher, dass die Verwaltung argumentieren sind, die Gyn sei ja seit 1.1.2013 keine geburtshilfliche Abteilung mehr, weil planmäßig keine Geburten mehr stattfinden.
Wir werden wohl erstmal auf eine Dienstanweisung drängen und danach geschlossen zur Verwaltung gehen. Die Überlastungsanzeige steht auch schon in ihren Grundfesten ;)

Im Moment ist es so, dass ich auf meinen nächsten Kündigungstermin warte, was lt. TVÄ ja zu jedem Quartal ist, also wäre ich am 1. April frei. Bei meiner neuen Stelle hätte man mich schon am 1.1. gewollt. Wenn mir das KH also wegen nicht erfüllter Dienstanweisung kündigt, wäre das jetzt durchaus kein Nachteil, das werden die wohl bei unserer aktuellen Besetzung auch kaum machen.

Was mich jetzt noch beschäftigt:

Dienstanweisungen sind doch auch kündbar, oder? Oder verwechsle ich das mit Nebenabreden?

Gesetzt der Fall eine Schwangere kommt mit irgendwas gefährlichem daher, innere Blutung zb. Um mich keiner Fahrlässigkeit o.ä. schuldig zu machen müsste es reichen, die Pat. nach Fritsch zu lagern und ihr Volumen reinzukippen, bis der Gynäkologe kommt, wenn ich zuvor schriftlich auf diesen Notstand aufmerksam gemacht habe, oder?

Brutus
03.01.2013, 22:26
Ist das bewusste Ignorieren von Dienstanweisungen denn kein Kündigungsgrund?
Kommt drauf an... Wenn die Dienstanweisung ein Organisationsverschulden mit sich zieht, und ICH damit ein Übernahmeverschulden riskiere, weil ich in einem fachfremden Fach einen FA-Standard nicht gewährleisten kann (und will), und ich im Zweifel ALLEINE Schuld habe, wenn etwas passiert, rechne ICH mir gute Chancen vor Gericht aus, sollte es zu einer Abmahnung oder Kündigung kommen... Allerdings ist der TE ja gewillt, das Haus zu verlassen, so dass eine Kündigung ja sogar gelegen käme...


Das mit der Leitlinie der Geburtshilfe ist so eine Sache - ich bin mir sicher, dass die Verwaltung argumentieren sind, die Gyn sei ja seit 1.1.2013 keine geburtshilfliche Abteilung mehr, weil planmäßig keine Geburten mehr stattfinden.
Wenn das so wäre, wieso geht man denn dann davon aus, dass trotzdem Patientinnen zur Geburt notfallmäßig NACHTS kommen werden, so dass man sogar einen Gyn-Dienst (Rufdienst) beschäftigt???


Wir werden wohl erstmal auf eine Dienstanweisung drängen und danach geschlossen zur Verwaltung gehen. Die Überlastungsanzeige steht auch schon in ihren Grundfesten ;)
Gut so! Das ist erst mal das Wichtigste, was ihr sofort machen solltet...


Im Moment ist es so, dass ich auf meinen nächsten Kündigungstermin warte, was lt. TVÄ ja zu jedem Quartal ist, also wäre ich am 1. April frei. Bei meiner neuen Stelle hätte man mich schon am 1.1. gewollt. Wenn mir das KH also wegen nicht erfüllter Dienstanweisung kündigt, wäre das jetzt durchaus kein Nachteil, das werden die wohl bei unserer aktuellen Besetzung auch kaum machen.
Kommt übrigens drauf an, wie lange Du in dem KH arbeitest... Aber 6 Wochen zum Quartalsende sollte in der WB schon normal sein, wenn man länger als 1 Jahr dabei ist... Was ist denn mit einem Auflösungsvertrag? Wenn Du das mit der Personalabteilung bequatscht, und der Chef einverstanden ist, sollte das doch eigentlich gehen. Und wenn man schön unbequem daherkommt (mit Überlastungsanzeige, Arbeitszeitgesetz und den daraus resultierenden Strafmöglichkeiten...), dann ist man doch per sé lieber von hinten gesehen... :-))


Was mich jetzt noch beschäftigt:
Dienstanweisungen sind doch auch kündbar, oder? Oder verwechsle ich das mit Nebenabreden?
Haste verwechselt! Dienstanweisungen kann man nicht kündigen. Nebenabreden schon.


Gesetzt der Fall eine Schwangere kommt mit irgendwas gefährlichem daher, innere Blutung zb. Um mich keiner Fahrlässigkeit o.ä. schuldig zu machen müsste es reichen, die Pat. nach Fritsch zu lagern und ihr Volumen reinzukippen, bis der Gynäkologe kommt, wenn ich zuvor schriftlich auf diesen Notstand aufmerksam gemacht habe, oder?
Tja, das kommt drauf an. Wenn ihr per Dienstanweisung verpflichtet werdet, die Erstversorgung von Schwangeren in Eurem Haus zu übernehmen, und ihr lasst Euch darauf ein (also kein dokumentierter Widerspruch, keine Überlastungsanzeige, etc), dann gilt der FA-Standard. Dann musst Du die Patientin so behandeln, wie es ein FA für GYN nach bestem Wissen und Gewissen tun würde.
Aber davon ab zu Deinem Beispiel: von einem Chirurgen in fortgeschrittener WB kann man zumindest erwarten, dass er der Ursache einer inneren Blutung zum Beispiel durch Sono / weiteren Untersuchungen auf die Spur kommt, denn innere Blutungen müssen ja nicht zwangsweise vaginal / gynäkologisch sein...
Dass Du die Beckenendlage nicht lege artis entwickeln kannst... :-nix

FirebirdUSA
04.01.2013, 05:55
Tja, das kommt drauf an. Wenn ihr per Dienstanweisung verpflichtet werdet, die Erstversorgung von Schwangeren in Eurem Haus zu übernehmen, und ihr lasst Euch darauf ein (also kein dokumentierter Widerspruch, keine Überlastungsanzeige, etc), dann gilt der FA-Standard. Dann musst Du die Patientin so behandeln, wie es ein FA für GYN nach bestem Wissen und Gewissen tun würde.
Aber davon ab zu Deinem Beispiel: von einem Chirurgen in fortgeschrittener WB kann man zumindest erwarten, dass er der Ursache einer inneren Blutung zum Beispiel durch Sono / weiteren Untersuchungen auf die Spur kommt, denn innere Blutungen müssen ja nicht zwangsweise vaginal / gynäkologisch sein...
Dass Du die Beckenendlage nicht lege artis entwickeln kannst... :-nix

Zu einer deinem Ausbildungszustand angemessenen Erstversorgung bist du in jedem Fall verpflichtet, wie weit das geht entscheidet im Zweifel leider immer erst ein Gutachter. (Extremer Falls aus Stuttgart vor einigen Jahren: Kinderarzt in einem reinen Kinderkrankenhaus wird durch die Pforte gerufen, dass am Eingang ein Mann mit starken Thoraxschmerzen sei, Kinderarzt lässt telefonisch ausrichten er soll sich an ein anderes Krankenhaus wenden, er wäre nur für Kinder da --> Mann stirbt an Herzinfarkt. Der Arzt wurde wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt, er hätte den Patienten ansehen müssen, EKG schreiben und ggf. einen Notarzt zur Verlegung anfordern müssen. Fazit: zu einer ggf. fachfremden Erstversorgung ist jedes Krankenhaus bzw. jeder Arzt verpflichtet).

Wie Brutus schon gesagt hat solltet ihr
1. Bei Überschreitung der zulässigen Höchstarbeitszeit Überlastungsanzeigen schreiben (erst dann haftet der Arbeitgeber sicher mit)
2. Schriftlich daraufhinweisen, dass ihr den Facharztstandard für gynäkologische Patienten nicht sichern könnt. Am besten per Fax mit Faxbestätigung oder ähnliches, damit das ganze auch belegt ist

WalterSobchak
04.01.2013, 10:38
Kinderarzt in einem reinen Kinderkrankenhaus wird durch die Pforte gerufen, dass am Eingang ein Mann mit starken Thoraxschmerzen sei, Kinderarzt lässt telefonisch ausrichten er soll sich an ein anderes Krankenhaus wenden, er wäre nur für Kinder da --> Mann stirbt an Herzinfarkt.

Halt ja sonst nicht viel von diesem ganzen "Berufsethos"-Gesabbel und so, aber: was ist DAS denn bitte?! :-keule:-kotz

Mano
04.01.2013, 11:30
Du schreibst eingangs von 55h/ Woche - heißt das ihr habt diese Opt-Out-Regelung unterschrieben? Lässt die sich nicht zumindest vor Quartalsende kündigen?

Ansonsten: Gibt es in der Nähe noch eine andere Gyn-Klinik? Dann müsste man ja evtl. auch eine notfallmäßige Verlegung in Betracht ziehen, falls nachts eine kritisch-kranke Schwangere aufschlägt und der Hintergrund-Dienst 30 Minuten Anfahrt hat.

Brutus
04.01.2013, 12:02
Du schreibst eingangs von 55h/ Woche - heißt das ihr habt diese Opt-Out-Regelung unterschrieben? Lässt die sich nicht zumindest vor Quartalsende kündigen?
Das kommt drauf an! In den meisten Opt-Out-Vereinbarungen steht drin, mit welcher Frist die zu kündigen sind. "Normalerweise" waren das m.E. 6 Monate. Allerdings hatte "unsere" Klinik damals wegen angeblich besserer Planbarkeit darauf bestanden, diese Frist auf 12 Monate zu verlängern... Tja, ich wollte ja eh nie unterschreiben, aber so konnte man DAS ja als zusätzliches Argument angeben... :-))


Ansonsten: Gibt es in der Nähe noch eine andere Gyn-Klinik? Dann müsste man ja evtl. auch eine notfallmäßige Verlegung in Betracht ziehen, falls nachts eine kritisch-kranke Schwangere aufschlägt und der Hintergrund-Dienst 30 Minuten Anfahrt hat.
Das ist richtig, entbindet Dich aber nicht von der Pflicht, eine Erstversorgung vorzunehmen. Das hat Firebird ja auch schon deutlich gesagt! Sonst bist Du wegen unterlassener Hilfeleistung dran. Und wenn es "nur" die Untersuchung ist, und die Entscheidung, dass man hier nix machen kann und weiterverlegen muss.
DAS ist übrigens auch eine Sache, die man nur konsequent durchziehen muss! Wenn es einen Rufdienst gibt, der in 30 Minuten da ist, eine Nachbarklinik aber in 10 Minuten erreichbar ist mit dem Rettungsdienst, dann muss man einfach den Ar$ch in der Hose haben, diese Patienten direkt weiter zu verlegen. Dürfte der Geschäftsführung und dem "Gynäkologen" nicht gefallen, aber auch so kann man Leute "erziehen"... :-)

McDreamy
04.01.2013, 14:01
Da verwechselst du was!

Kündbar sind ausschließlich Verträge, also zweiseitige Willenserklärungen. Eine Dienstanweisung ist per se kein Vertrag, sondern eine einseitige Willenserklärung bzw. Anweisung des Dienstgebers, deren Befolgung wiederum aus dem Vertrag resultiert (Pflichten des Dienstnehmers, den Anweisungen des Dienstgebers folge zu leisten, sofern sie nicht rechts- od. sittenwidrig sind, etc).

Ob die von dir angesprochene Versorgung reicht, dazu kann ich mangels Fachwissen (Rechtsprechung!) nicht allzu viel sagen. Was ich mir aber vorstellen kann: Du bist approbierter Arzt und musst in Notsituationen helfen. Dabei wird man allerdings keinen FA-Standard von dir erwarten können (Von der KLINIK aber vielleicht schon, zumindest wenn sie eine Gyn/Geburtshilfe Abteilung betreibt!).

Herzkasperl
04.01.2013, 14:12
Wenn es einen Rufdienst gibt, der in 30 Minuten da ist, eine Nachbarklinik aber in 10 Minuten erreichbar ist mit dem Rettungsdienst, dann muss man einfach den Ar$ch in der Hose haben, diese Patienten direkt weiter zu verlegen. Dürfte der Geschäftsführung und dem "Gynäkologen" nicht gefallen, aber auch so kann man Leute "erziehen"... :-)

Das ist sowieso "Goldstandard", wenn sich irgendwelche Fachabteilungen oder OÄ im Krankenhaus dokumentierbar bockig anstellen, was die Patientenversorgung in ihrem Fachbereich angeht :-) Da reicht meist eine Verlegung und dann ist der Teppich wieder gerade gerückt.

Das mit der Notversorgung ist im konkreten Fall juristisch vergleichsweise banal: Wenn da ein Notfall vor Deinen Füßen ist und Du der im Moment Best-Qualifizierte dafür bist, musst Du nach Deinem besten Können handeln - vollkommen egal, wo das passiert und ob das innerhalb des Arbeitsverhältnisses geschieht. Dienst nach Vorschrift ist dann keine Option mehr. Das geht nur vorher. Anmerkung: jetzt kam noch McDreamy dazwischen: Jepp, genau, das wollte ich auch noch schreiben: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Haftungs- und Straf-rechtlich von Dir persönlich FA-Wissen im Notfall gefragt sein kann, wenn auf Grund Deiner Anstellung und Qualifikation klar ist, dass Du dieses Wissen nicht vorweisen kannst. Ohnehin wird man da zivilrechtlich im Schadensfall auf die Klinik (Organisationsverschulden) losgehen.

WackenDoc
04.01.2013, 14:24
Ich finde aber, dass es ein Unterschied ist, ob ein Patient einfach so in´s "falsche" Krankenhaus geht, oder ob eine Abteilungen dort Leistungen anbietet, die sie eigentlich nicht erbringen kann und das Problem somit auf die Kollegen abgewälzt wird.

Im ersten Fall ist das ja recht einfach: Man macht eine Notfallversorgung nach bestem (Fach-) Wissen und Gewissen. Da wird dann aber auch nur eine Notfallversorgung und keine Versorgung auf Facharztstandard erwartet.
In Fall von Gyn-Patienten dann eben: Zugang legen, Monitoring, Lagerung, Rettungsdienst.

Brutus
04.01.2013, 15:13
Das mit der Notversorgung ist im konkreten Fall juristisch vergleichsweise banal: Wenn da ein Notfall vor Deinen Füßen ist und Du der im Moment Best-Qualifizierte dafür bist, musst Du nach Deinem besten Können handeln - vollkommen egal, wo das passiert und ob das innerhalb des Arbeitsverhältnisses geschieht. Dienst nach Vorschrift ist dann keine Option mehr. Das geht nur vorher.
Jein! Klar ist, dass eine Notfallversorgung in einem fremden Fachgebiet nur nach dem besten Wissen passieren kann.
Allerdings ist der Haken hierbei, dass die Klinik ja anscheinend eine Art "Notdienst" anbietet. Wenn das nicht so wäre, müsste ja der Chirurg nicht die Gyn-/ besser Geb.-Aufnahmen betreuen und die Klinik würde sich keinen Gyn-Rufdienst leisten. Also hat man ja mit der Geburtshilfe nicht so wirklich abgeschlossen. Dazu suggeriert man ja den Patientinnen, dass man trotzdem noch Notfälle behandeln würde, sonst würde man ja nicht so eine "halbe" Geburtshilfe weiterhin betreiben mit tagsüber Hebamme und Gyns, etc... Ist so ein wenig wie "Schwanger light"! Und wenn es eben diese "Dienstanweisung" gibt, in der geregelt wird, dass die Chirurgie die Geburtshilfe mit betreut, DANN wird auch am FA-Standard gemessen.


Anmerkung: jetzt kam noch McDreamy dazwischen: Jepp, genau, das wollte ich auch noch schreiben: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Haftungs- und Straf-rechtlich von Dir persönlich FA-Wissen im Notfall gefragt sein kann, wenn auf Grund Deiner Anstellung und Qualifikation klar ist, dass Du dieses Wissen nicht vorweisen kannst. Ohnehin wird man da zivilrechtlich im Schadensfall auf die Klinik (Organisationsverschulden) losgehen.
Naja, aber auf WEN wird die Klinik die Verantwortung wohl abwälzen? Laut Dienstanweisung ist eben der chirurgische Dienst zuständig. Dann muss er sich eben weiterbilden, so dass er die erforderlichen Qualifikationen bekommt... Nichtsdestotrotz bist Du auf jeden Fall mit dem Übernahmeverschulden dran! Denn mit Ausführung der Dienstanweisung übernimmst Du ja das Organisationsverschulden. :-nix


Ich finde aber, dass es ein Unterschied ist, ob ein Patient einfach so in´s "falsche" Krankenhaus geht, oder ob eine Abteilungen dort Leistungen anbietet, die sie eigentlich nicht erbringen kann und das Problem somit auf die Kollegen abgewälzt wird.
E-BEN! Dann soll die Klinik halt Nägel mit Köppen machen! Geburtshilfe wird öffentlich dicht gemacht! Mit Zeitung und Radio etc... Und dann sollte auch kein irreführendes "Nebenprogramm" stattfinden. Denn wenn ich mir unsere Mitbürger so ansehe, da sind genügend mit dabei, die eben nicht verstehen, dass man tagsüber da eine Hebamme und einen Gynäkologen sieht, aber Nachts auf einmal da mit einem Kind an einer Nabelschnur hängend niemand mehr zuständig sein sollte...

McDreamy
04.01.2013, 15:14
Ich finde aber, dass es ein Unterschied ist, ob ein Patient einfach so in´s "falsche" Krankenhaus geht, oder ob eine Abteilungen dort Leistungen anbietet, die sie eigentlich nicht erbringen kann und das Problem somit auf die Kollegen abgewälzt wird.

Wie ich den TE verstanden habe, gibt es jetzt ja keine Gyn./Geburtshilfliche Abteilung mehr, oder?