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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Manchmal hilft der Zufall weiter



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WackenDoc
07.01.2013, 17:44
Ich hab mal wieder nen Fall für euch, der zumidnest für die beteiligten Besatzungen ganz interessant war und wo uns ein Zufall auf die richtige Diagnose brachte:

Also ihr werdet als NEF in das örtliche Altersheim gerufen. Einsatzstichwort: Bewusstlose Person, V.a. Apoplex.
Ihr fahrt da also hin und seid 5min vor dem RTW da.
1. Problem: Finde den Patienten- die Pflegekräfte, die ihr finden könnt, wissen von nicht.Telefonieren aber wenigstens mal mit dem anderen Wohnbereich.
Endlich Patientin gefunden. 87 Jahre alt, liegt im Bett, die Altenpflegerin berichtet, dass sie nicht ansprechbar in nem Stuhl sitzend aufgefunden und daraufhin in ihr Bett gebracht wurde.
Weitere Infos bekommt ihr nur auf Nachfrage- so wie im richtigen Leben.

Ersa
07.01.2013, 17:47
Kurzer Blick auf die Patientin - atmet? Hautkolorit? Spontanbewegung? Patientin ansprechen. Dann Hand an den Puls, während die Pflegekraft gefragt wird:
wann zuletzt vorher gesehen? wie ist der Grundstatus, was für Vorerkrankungen liegen vor?

WackenDoc
07.01.2013, 17:59
Ja, Patientin atmet unauffällig. Hautkolorit unauffällig. Öffnet spontan die Augen. Reagiert mit Fixierung des Blicks auf Ansprache, ansonsten keine Reaktion. Keine weiteren spontanen Bewegungen.
Puls ca. 100 unregelmäßig, aber ohne Pausen, kräftig.
Zeitlicher Ablauf- als die Pflegekräfte das Mittagessen vorbereitet hatten, sass sie im gleichen Raum und war so wie immer- beginnende Demez, ansonsten altersentsprechend und orientiert. 10 min später wurde sie wieder gesehen und sass im Stuhl in sich zusammengesackt und hat auf Ansprache nicht reagiert.

Vorerkrankungen:
- DM Typ II mit Metformin behandelt.
- art. HTN- ACE-Hemmer, Betablocker, Diuretikum
- alte LWK-Frakturen- Durogesic-Pflaster und orale Bedarfsmedikation.
ansonten zumidnest keine relevanten Vorerkrankungen

*milkakuh*
07.01.2013, 18:13
Ok, dann mal weiter im Programm...

RR? sp02? BZ? Körpertemperatur?
Wann wurde der BZ das letzte Mal kontrolliert? Wie waren die Werte in den letzten Tagen? Welche Medikamente hat sie heute schon eingenommen? Klebt auch wirklich nur ein Durogesic-Pflaster?

Klart die Pat. jetzt etwas auf oder ist ihr Zustand gleichbleibend? Trinkt die Dame genug? Gibt es Zeichen einer Exikkose?

WackenDoc
07.01.2013, 18:17
RR 130/80, SpO2 95% unter Raumluft, Körpertemperatur 36,5
Das mit dem BZ ist so ne Sache- wird nicht regelmäßig kontrolliert, letzte Mahlzeit war das Frühstück, Mittagessen stand grad an- war so ca. 12 Uhr, bisher keine BZ-Probleme bekannt. Durch die Pflege noch kein BZ gemessen, Medikamente so wie immer genommen. Ja, Durogesic-Pflaster gibbet nur eins.
Patientin ist in der kurzen Zeit wo ihr jetzt da seid unverändert, keine stehenden Hautfalten, natürlich trinkt sie genug ;-)

Miss
07.01.2013, 18:24
Hörgeräte sind auch drin, und sie möchte nicht einfach nur mal in Ruhe schlafen? :-D
BZ-Kontrolle ist jetzt auf jeden Fall mal angesagt :-meinung
Fällt sonst irgendwas auf an ihr? also erstmal neurologisch? (auf den ersten Blick? Seitendiff. o.ä.)

Trinkt genug? pinkelt genug?

Und die HF wurde doch bestimmt auch mit angezeigt?

WackenDoc
07.01.2013, 18:35
Hörgeräte hat sie gar keine-ist aber ne gute Idee.
Das mit der Urinproduktion ist aus der Pflege nicht zuverlässig raus zu bekommen,zumindest ist nichts besonderes aufgefallen. Trinken so wie immer (also auch nicht die ganz zuverlässige Angabe zu bekommen).
Für ne manifeste Exsikkose gibt´s aber zumindest klinisch keinen Hinweis.

BZ 116mg/dl, achso- auch bei der Pulsoxymetrie ist der Puls unregelmäßig mit einer Frequenz von 100-110.

Neurologischer Status: beide Arme initial auf Aufforderung gar keine Reaktion, im Verlauf eine ganz zarte Bewegung- ob das wirklich seitengleich ist, ist nicht zu beurteilen.
Beine bewegt sie auf Aufforderung gar nicht. Auch keine Reaktion auf Schmerzreize an den Beinen zu bekommen. Kein Babinski.
So ganz langsam wird sie aber minimal "wacher"- also Augen hatte sie ja vorher spontan geöffnet, jetzt schaut sie gezielter und wie gesagt, eine minimale Reaktion der Arme.
Pupillen isokor, symmetrisch, mittelweit, regelrechte Lichtreation
So langsam geht euch aber auch der Geruch nach Stuhl auf den Zeiger.

*milkakuh*
07.01.2013, 18:53
Stehen vielleicht ein paar Fläschen mit Hochprozentigem rum? Alkoholgeruch? Vielleicht hat sie ja ne Alkoholintoxikation? ;-)

Coxy-Baby
07.01.2013, 18:55
Ekg? VHF-> Apo?
Das Durogesic Pflaster in der richtigen Stärke?

Miss
07.01.2013, 19:00
Also ihr werdet als NEF in das örtliche Altersheim gerufen... Das ist hoffentlich ein blöder Witz, oder? Es gibt mehr als ein Altersheim vor Ort? Wenn ich an die 200 denke, ich mittlerweile besucht habe...und das war nur ein Bruchteil :-oopss


1. Problem: Finde den Patienten- die Pflegekräfte, die ihr finden könnt, wissen von nicht.Telefonieren aber wenigstens mal mit dem anderen Wohnbereich.

:-))

Aber ich will Deinen Thread nicht kaputt machen...bin nur gerade soooo unkreativ, weil total schlafentzügig.

Ähm. Stuhl. Riecht besonders?
Käme eine Elektrolytentgleisung aufgrund einer Diarrhoe in Frage?

Macht sie überhaupt solch einen Eindruck, dass man sie mitnehmen muß?

WackenDoc
07.01.2013, 19:00
Kein Alkoholgeruch, im Zimmer stehen auch keine Flaschen rum.
EKG ist bis auf eine Tachyarrhythmia absoluta unauffällig. Allerdings ist diese nicht vorbeschrieben.

Ja das Durogesic ist in der richtigen Stärke.

Patientin wird weiter etwas "besser", sprechen tut sie aber immer noch nicht. Aber immerhin seid ihr euch sicher, dass die Kraft der Arme seitengleich, wenn auch vermindert ist.

@Miss: LOL, ne wir wussten schon in welches, war eins der größeren.
Also der Stuhl riecht halt eklig.
E-Lyt-Entgleisung kann schon sein. Diarrhoe war aber nicht vorbekannt. Und im EKG zumindest keine Zeichen für Kalium-Entgleisungen oder Magnesiumentgleisungen.
Aber wo wir schon dabei sind (vor allem für die Kollegen im Studium und vor den Prüfungen): Was machen die Entgleisungen dieser beiden E-Lyte denn für EKG-Veränderungen?

Mitnehmen ist ne gute Frage: Sie hat ne plötzlich aufgetretene Bewusstseinsstörung und ist jetzt so ca. 30min nach dem Ereignis noch nicht wieder so wie sonst. In der Situation haben wir uns - ehrlich gesagt- die Frage gar nicht gestellt gehabt.

*milkakuh*
07.01.2013, 19:05
Hat sie vielleicht Schlaftabletten genommen und es hat keiner gemerkt? Oder andere Medikamente, die sie zur Verfügung hatte? Entweder unabsichtlich weil sie es nicht gerafft hat oder in suizidaler Absicht?

WackenDoc
07.01.2013, 19:24
Ist unbekannt. Zumindest keine offensichtlichen Hinweise. Befragen können wir sie nicht.

Brutus
07.01.2013, 19:52
Nur mal so ins blaue geschossen: Geruch nach Stuhl, plötzlich nicht erweckbar, Vitalwerte alle im "normalen" Rahmen, fragliche Parese der Extremitäten... Hat die unter Umständen einfach mal gekrampft? Ist zwar nicht bekannt bei ihr. Aber kann ja trotzdem sein, dass sie ein Erstereignis einer Epilepsie hatte. Die können ja auch mal eine Parese postiktal haben...
Aber wenn sie gekrampft hat, haben das die Pflegenden bestimmt nicht gesehen, oder? :-))

WackenDoc
07.01.2013, 20:03
Das Pflegepersonal hat nichts gesehen. Aber der Ablauf war ja, dass sie ca. 10min unbeobachtet war und dann nicht ansprechbar (jaja, ich weiss, dass man auch nen Stein ansprechen kann, aber ihr wisst ja ,was ich meine).
Also der Zucker war´s zumindest nicht, RR im Normbereich, der Puls erklärt den Zustand auch nicht. Zumindest haben wir keine einseitige Parese. Pupillen passen. Geruch nach Stuhl haben wir auch.
Inzwischen sind wir ja auch so weit, dass sie wenigstens äußern kann, dass sie keine Schmerzen hat, auch wenn eine weiterführende Kommunikation nicht möglich ist.
Ja, der Gesamteindruck spiegelt "postiktal" ganz gut wieder.

Wollt ihr noch was an Diagnostik? Machen wir noch was vor Ort? Haben wir wichtige DDs übersehen? Vielleicht was Diazepam, dass sie nicht nochmal krampft?

Mitnehmen oder nicht und wohin mit ihr?- Wir haben folgende Auswahl:
- das kleine örtliche Krankenhaus mit ner guten internistischen Abteilung incl. Intensiv, keine Neuro ca. 5min Fahrt.
- ca. 30min Fahrt zwei große Kliniken jeweils mit Neuro, Stroke, CT, Intensiv, Innere.
Spezielle Regelungen gibt es nicht vor Ort.

Miss
07.01.2013, 20:14
oh, schlauer Brutus :-)

Also, wenn wir das vernünftig ausschließen wollen bw. Diagnostik empfehlen, dann brauchen wir schon ne vernünftige Neuro mit Bildgebung. Momentan ist die Dame ja stabil, da macht ne halbe Stunde Anfahrt ja nix. Unter den Umständen: Zugang ja, Medikation nein. Neurologen finden es gar nicht witzig, wenn man ihnen ihre Patienten vor Begutachtung sinnlos (und länger -Diazepam) abschießt. Ich würde höchstens was bei Bedarf bereit legen. Aber eher Midazolam (ich persönlich), da kürzer wirksam.

Manche Internisten bei uns geben mal gern Antiepileptika, alle Anästhesisten hingegen Benzos (kennen sie halt ;-))

Miss_H
07.01.2013, 20:18
E-Lyt-Entgleisung kann schon sein. Diarrhoe war aber nicht vorbekannt. Und im EKG zumindest keine Zeichen für Kalium-Entgleisungen oder Magnesiumentgleisungen.
Aber wo wir schon dabei sind (vor allem für die Kollegen im Studium und vor den Prüfungen): Was machen die Entgleisungen dieser beiden E-Lyte denn für EKG-Veränderungen?

Ich musste leider meine Physiounterlagen nochmal raus holen.
Zu wenig zu lang, zu viel zu kurz. Haben wir zu wenig Kalium oder Calcium dann ist das AP zu lang und anders rum.

Brutus
07.01.2013, 20:20
Sehe ich so wie Miss. Lieber in die Neuro, auch wenn es etwas länger dauert...
Medis? Nöö. Wenn sie wieder krampfen sollte, will ICH das sehen! Und wenn, dann lieber Diazepam als Midazolam. ICH finde, das wirkt besser. Noch lieber, wenn vorhanden: 2mg Tavor i.v. wirkt noch besser, weniger Schläfrigkeit, etc...

WackenDoc
07.01.2013, 20:30
So ungefähr:
hohe T-Wellen: Hyperkaliämie, flache T-Wellen: Hypokaliämie.
ST-Streckenverkürzung: Hyperkalzämie, ST-Streckenverlängerung Hypokalzämie
Magnesium geht eher auf die QT-Zeiten.Hypomagnesiämie verlängert, Hypermagnesiämie verkürzt.
Hypokaliämie und Hypomagnesiämie können auch noch Torsades de pointes machen- hängt dann mit verlängerten QT-Zeiten zusammen.

Ja, so haben wir das auch gemacht: Viggo gelegt, bischen Flüssigkeit um den Zugang offen zu halten. Keine Medis- wenn der Krampfanfall vorbei ist, gibt es keine Indikation für. Für die Neuro des weiter entfernten Hauses haben wir uns auch entschieden und mit V.a. Z.n. Krampfanfall angemeldet. Wenn es sich dann doch als Apoplex herausgestellt hätte, wäre sie da ja auch nicht verkehrt gewesen.
Erstmalige Krampfanfälle sind ja eine Indikation zur Einweisung, bei bekanntem Krampfleiden ist eine spätere Vorstellung beim behandelnden Neurologen möglich, sofern die Umstände stimmen.

Sodele-wenn es das gewesen wäre, wäre es ja schon fast zu einfach gewesen. Und der Threadtitel sagt ja auch, dass der Zufall ne Rolle bei der Diagnosefindung gespielt hat.

Was für DDs fallen euch denn spontan ein? Kleiner Tip: Nur mit den Angaben kann man fast nicht drauf kommen- aber ich hab euch bis jetzt nichts verschwiegen, sondern der Einsatz war genau so abgelaufen.

Coxy-Baby
07.01.2013, 20:49
Depression?