Excalibur420
09.01.2013, 02:09
Anmerkung: zum Schutze meiner Identität und der vielen anderen involvierten Personen ist mein persönlicher Erfahrungsbericht teilweise nicht so präzise, wie sich das vielleicht mancher Leser wünschen wurde.
Ich habe meinen Medizinstudienplatz durch die Härtefallregelung erhalten. Wer noch nicht weiß was das ist: 2% der Studienplatz in Zulassungsbeschränkten Fächern werden an Härtefall vergeben. Die Voraussetzungen und Kriterien einen Medizinstudienplatz, ohne Berücksichtigung der Abiturnote und weiter möglicher studiumsrelevanter Leistungen, zu erhalten finden sich auf der Homepage von http://www.hochschulstart.de
Meine Abiturnote DN von 1,8, erreicht im Abitur für Nichtschüler (Nichtschülerabitur) war zum damaligen Zeitpunkt nicht gut genug, um zeitnah einen Medizinstudienplatz zu erhalten. Auch war meine Bewerbungsstrategie nicht optimal. Ich ging ziemlich naiv davon aus, mit 1,8 schon irgendwie noch einen Studienplatz zu erhalten bis mich dann die harte Realität troff und ich Semester für Semester nur Absagen erhielt.
Ich hatte mich für das Nichtschülerabitur entschieden, da ich es aus gesundheitlichen Gründen es nicht schaffte, auf einer regulären Schule mein Abitur zu erwerben. Somit erfolgte der Erwerb der allgemeinen Hochschulreife schon mit einigen Jahren Verzögerung.
Die Entscheidung Medizin zu studieren hatte ich in einer ziemlich verrückten Stimmung getroffen und mein Umfeld war damals sehr skeptisch, ob mein Vorhaben jemals Erfolg haben werde.
Ich hatte mindestens zwei chronische Erkrankungen zu dem Zeitpunkt. Davon war eine gravierend, sehr gravierend und ich war aufgrund meiner Erkrankung extrem ehrenamtlich in Vereinen engagiert, deren Namen (Deutsche Gesellschaft für "X" ) heißt, wobei "X" für eine beliebige medizinische Fachgesellschaft eingesetzt werden kann. Ich war gut in dem was ich tat, lernte viele viele Ärzte kennen, die mir großes Talent bescheinigten. Viele Menschen förderten mich und ermöglichten mir den Besuch von teuren internationalen Fachkongressen und vernetzten mich weltweit mit der medizinischen Welt. Ich entwickelte viele Kontakte zu führenden Wissenschaftlern und Ärzten auf ihren Gebieten und u.A. auch in dem Bereich, wo ich selbst meine Erkrankungen hatte.
Desto weiter dieser Prozess fortschritt und mich in der Konsequenz durch die ganze Welt auf Kosten Dritter reißen ließ, ich selbst als Autor an Fachbüchern und Referent bei wissenschaftlichen Vorträgen eingebunden war, umso frustrierender wurde es, dass es mir einfach nicht gelang, einen Studienplatz zu erreichen. Das war extrem zermürbend und belastend. Dazu kamen meine gesundheitlichen Probleme.
Aus meinem Umfeld kam dann irgendwann der nachhaltige Vorschlag, doch meine zahlreichen Kontakte zu nutzen und einen Härtefallantrag zu stellen. Irgendwann traute ich mich und sprach einen der führenden Wissenschaftler auf diesem Gebiet an, der auch Chefarzt an einem Universitätsklinikum irgendwo in Deutschland ist. Er kannte meinen Fall schon aus meinen Vorträgen und hatte kein Problem damit, ein entsprechendes Gutachten zu verfassen.
Ich ging davon aus, dass das Gutachten eines Chefarztes einer Universitätsklinik deutlich mehr Gewicht haben würde als das Gutachten meines eigenen Arztes aus einer Provinzstadt. Im Grunde schrieb ich das Gutachten auf Grundlage der vorliegenden Akten und Befunde selbst und schickte es dann dem Professor, zur weiteren Bearbeitung.
Irgendwie war ich ziemlich sicher, mit diesem Gutachten als Härtefall anerkannt zu werden. Umso größer war der Frust und die Enttäuschung, als ich von der Zulassungsbehörde erneut einen Ablehnungsbescheid erhielt. Diesen wollte ich nicht akzeptieren. Ich persönlich war der Meinung, dass mir nicht nur de jure ein Studienplatz nach den Regeln für Härtefälle zusteht sondern dies auch moralisch der Fall wäre. Ich fühlte mich ungerecht behandelt. Ich hatte mich viele ehrenamtlich für 0 Cent engagiert, zwar viele Kontakte gewonnen aber am Ende doch nichts erreicht.
Ich legte Widerspruch gegen den Bescheid ein und beauftragte zwei auf diese Verfahren spezialisierte Kanzleien das Gutachten zu bewerten und mir die Erfolgsaussichten für eine Klage zu nennen. Meine beiden Gründe ein Härtefall im Sinne von Hochschulstart.de zu sein waren 1 (Persönliche Gründe) 1.1: Krankheit mit der Tendenz zur Verschlimmerung, die dazu führen wird, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft die Belastungen des Studiums in diesem Studiengang nicht durchgestanden werden können sowie 1.6: 1.6 Beschränkung in der Berufswahl oder Berufsausübung infolge Krankheit; dadurch Hinderung an einer sinnvollen Überbrückung der Wartezeit. Beide Punkte müssen mit einem ausführlichen fachärztlichen Gutachten Gutachten nachgewiesen werden. Meines war 20 Seiten lang.
Die Rückmeldungen beider Kanzleien waren positiv. Beide Anwälte mit denen ich sprach gingen nach ihrer Interpretation davon aus, dass hier wohl ein Härtefall gegeben sei und ich damit gute Chancen für Gericht hätte. Beide empfohlen mir die Klage. Ich entschied mich für den deutlich günstigeren Anwalt, der auf mich den gelasseren und erfahrenen Eindruck machte. Die andere Kanzlei wollte da schon für eine Leistung, die sie mir gegenüber noch gar nicht erbracht hatte. Im Zuge dieser Entscheidung hatte ich angefangen, mich intensiv mit Jura und im speziellen den Grundlagen und Richtlinien zu befassen, die irgendwas mit dem Härtefallantrag zu tun haben. Auch recherchierte ich alle mir zugänglichen Urteile und Beschlüsse und bestellte bei den Gerichten die Entscheidungen, welche nicht im Internet veröffentlicht wurden wahren.
Das Ganze wurde immer verzwickter und komplizierter. Wer sich für diesen Weg entscheidet, kann nicht mit einer schnellen Entscheidung rechnen, auch wenn das Verfahren als Eilantrag betrachtet wird. Erst mal ging es nun darum überhaupt zu erfahren, warum die Zulassungsbehörde meinen Härtefallantrag überhaupt abgelehnt hatte. Als meinem Anwalt das Dokument übersendet wurde er mir als PDF weiter schickte kamen mir erst die Tränen und später musste ich lachen.
Die Akte der Zulassungsbehörde war extrem schlampig und voller Rechtschreibfehler. Es wurde z.B. damit argumentiert, dass ich aufgrund der Tatsache, dass ich in der Lage war nach Hawaii zu reisen kein Härtefall sein könne, denn daraus würde ja folgen, dass es mir gesundheitlich gut gehe und die sofortige Zulassung nicht notwendig wäre. Auch wurde mir vorgehalten, dass ich den TMS-Test nicht gemacht hätte um meine Abiturnote zu verbessern, ich damit noch gar nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe, weswegen ich kein Härtefall sein kann. Im Ergebnis wurde zwanghaft und schlampig nach irgendwelchen Gründen gesucht, den Antrag abzulehnen. Praktisch mit keinem einzigen Argument wurde auf die im Gutachten angeführten Punkte und Argumente eingegangen.
Ich hatte mich tierisch über diese Form der Ablehnung geärgert. Es stellte sich heraus, dass die Behörde meinen Namen gegoogelt hatte, so auf meine zahlreichen Aktivitäten in der medizinischen Szene und mein Facebook-Profil gestoßen ist. Alles war irgendwie geeignet schien wurde benutzt um darzustellen, dass ich aufgrund dieser immensen Leistungen doch gar kein Härtefall sein kann.
Mich hatte das sehr geärgert. Auf die im Gutachten angeführten Tatsachen wurde gar nicht eingegangen. Mein Anwalt hatte mir bereits direkt nach der Lektüre des Gutachtens gesagt, dass es das beste Gutachten sei, was er bisher in diesem Bereich gelesen hätte und er war optimistisch, die Angelegenheit für mich im positiven Sinne gewinnen zu können. Dann kam die Entscheidung der 1. Instanz in Gelsenkirchen. Diese lehnte den Widerspruch mit ähnlichen Argumenten wie Hochschulstart.de ab, nur klang die Argumentation geschliffener. Aber auch hier wurde praktisch gar nicht auf das Gutachten eingegangen. Man konnte das Gefühl haben, als wären hier nur schnell irgendwelche Standardsätze zusammen kopiert worden, um schnell eine Entscheidung fallen zu können ohne sich groß mit dem Fall und der dahinter stehenden Persönlichkeit zu beschäftigen.
In der Zwischenzeit war mittlerweile schon ein halbes Jahr vergangen und ich empfand die Situation als zermürbend. Jetzt dürfte es teuer werden aber ich entschied mich sofort dafür mein Glück vor dem Oberverwaltungsgericht Münster in 2. Instanz zu versuchen. Während der Fall dort seinen Lauf nahm tauchten in meinem Fall neue Fakten auf. Eine der beiden Diagnosen, die im 1. Gutachten verwendet wurden schien eine Fehldiagnose zu sein aber dafür eine andere, für meinen Fall sehr viel günstigere Krankheit vorzuliegen.
Mit dem Wissen um diese Tatsache ging es in die 2. Instanz. Der Richter am OWG Münster sah die Sachlage dann etwas anders als das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen und Hochschulstart.de. Der Richter war im Grunde auf meiner Seite schlug einen Vergleich vor: ich belege mit einem kurzen Schreiben meines Arztes die Existenz der anderen Krankheit und bekomme im Gegenzug den Studienplatz an dem von mir gewünschten Ort.
Aus dem kurzen Schreiben wurde dann auf Anraten meines Anwaltes ein ganzes 2. Gutachten zur regulären Bewerbung für das nächste Semester als Härtefall, fals ich in der 2. Instanz scheitern sollte könnte ich auf Basis des 2. Gutachtens dann erneut den Rechtsweg nehmen. Diese Vorgehensweise sollte als zusätzliche Sicherheit dienen.
Mittlerweile war ich gesundheitlich extrem angeschlagen und bei einer Zulassung für das kommende Semester hätte ich den Studienplatz auf keinen Fall annehmen können. Dafür war ich viel zu krank. Man muss aber seine Chancen waren und am Ball bleiben, wenn man sich einmal für diesen Weg entschieden hat, da man sonst am Ende nur einen Verlust.
Auf Grund der falschen Diagnose der ersten Erkrankung schrieb ich ein neues Gutachten mit einem Schwerpunkt auf die neue Diagnose und arbeitete insbesondere den Punkt 1.6 Beschränkung in der Berufswahl oder Berufsausübung infolge Krankheit; dadurch Hinderung an einer sinnvollen Überbrückung der Wartezeit sehr sorgfältig heraus. Mein eigener Arzt hat das Gutachten Korrektur gelesen, hier und da ein wenig korrigiert und am Ende praktisch unverändert unterschrieben. Neben den beiden Hauptdiagnosen waren mittlerweile 4 weitere Nebendiagnosen und insgesamt 30 verschiedene Medikamente im Spiel, die man an mir bereits so ausprobiert hatte.
Mit diesem zweiten Gutachten gelang mir dann ungeheures: ich wurde aalglatt als Härtefall anerkannt aber bekam nicht wie gewünscht die Stadt, die ich aufgrund meiner Erkrankung als geeignet betrachte und im Ergebnis konnte ich den Studienplatz sowieso nicht annehmen, da ich viel zu krank war. Gleichzeitig erreichte mein Anwalt in 2. Instanz einen für mich positiven Vergleich. Die Zulassungsbehörde stimmte dem Vergleich unter der Bedingung zu, dass ich, um meine Wunschstadt zu erhalten einen Schwerbehindertenausweis vorlege und zweitens die Kosten des Verfahrens tragen werde. Meinen Studienplatz würde ich erhalten, so bald ich den Schwerbehindertenausweis vorlegen würde.
Das war ein kurioser Vergleich und eine kuriose Situation denn plötzlich hatte ich eine art Doppelzulassung. Aufgrund der regulären Anerkennung meines Härtefalls im darauf folgenden Semester hatte ich plötzlich den Rechtsschutz für das Verfahren für das bereits vergangene Semester verloren. Das hatte einige hektische Telefonate zwischen Gericht, Zulassungsbehörde und Anwalt zur Folge. In der Konsequenz wurde ich von der Zulassungsbehörde vor die Wahl gestellt: entweder ich nehme den von ihr zugewiesen Studienplatz in einer Stadt die ich nicht wollte an oder ich verzichte auf diesen Platz und nehme dann den Vergleich an. Die Kosten hätte ich in beiden Fällen so oder so bezahlen müssen.
Die Situation hatte dann ein längeres Telefonat mit meinem Anwalt zur Folge der mir berichtete, dass es so einen Fall noch gar nie gegeben hätte und erhebliche Verwicklungen deswegen entstanden sein. Ich ließ mir die Vor- und Nachteile beider Varianten erklären. Studierfähig war ich zu diesem Zeitpunkt definitiv nicht aber ich könnte mich einfach krank schreiben lassen und dann zum nächsten Semester anfangen oder ich wähle den Vergleich, wobei ich damals aber noch keinen GdB von mindestens 50% nachweisen konnte, es aufgrund der beiden Erkrankungen sehr wahrscheinlich war, mindestens einen GdB von 50% zu erhalten und der Vergleich die Besonderheit enthielt, dass er eben so lange gilt, bis ich die Schwerbehinderung nachweisen kann und ich damit praktisch zu jedem Semester anfangen kann, war ein großes entgegen kommen der Zulassungsbehörde. Mir wurde gesagt, dass dies nicht den üblichen Regeln für einen Härtefall entspricht, da bei einem Härtefall die zwingende Aufnahme zum nächsten Semester vorliegen muss. Durch den Vergleich wurde mir dann de facto unterstellt, dass dieser Umstand per se zu jedem Semester zwingend vorliegt. Mein Anwalt war schlau.
Er hatte mich durch das lange und komplizierte Verfahren sehr gut kennen gelernt und wie ich geahnt, dass ich zum nächsten Semesterbeginn noch nicht studierfähig sein werde und es auch mit der Beschaffung eines Schwerbehindertenausweises in den wenigen noch verbleibenden Monaten sehr eng werden dürfte. Also handelte er diese Sonderregelung für mich aus und es ist genau diese Sonderregelung, von der ich jetzt zum beginnenden Sommersemester profitieren.
Hier kommt nun das Grausame: in der Zwischenzeit hatte sich heraus gestellt, dass auch die zweite maßgebliche Diagnose falsch war. Ich war für einen Zeitraum von ca. 14 Monaten sehr schwer krank und niemand wusste, was ich hatte, bis sich dann heraus stellte, dass die zweite genannte Erkrankung gar nicht vorliegt sondern eine völlig andere Erkrankung, aus einem ganz anderen Fachgebiet und diese durch die jahrelange Behandlung der zweiten, nicht wirklich bestehenden Erkrankung massiv verschlimmert wurde, ich im Ergebnis es nun von meinem aktuellen Arzt schwarz auf weiß habe, dass ich sagenhafte 13 1/2 Jahre völlig falsch diagnostiziert und behandelt wurde.
Und die "neue" Erkrankung war dann auch nicht besser als die vorherige sondern ist zwar sehr viel häufiger, in diesem extremen Ausmaß wie bei mir aber extrem selten. Nun war ich plötzlich richtig schwer krank und irgendwo in einem ausländischen Selbsthilfeforum äußerte ich die Hoffnung, doch wenigstens noch 2-3 Semester studieren zu können. Dann wäre ich schon zufrieden.
Es war Arbeit. Viel Arbeit und es sind viele Groteske und nahezu unglaubliche Dinge geschehen und ich habe es meinem Arzt zu verdanken, der sich auch aufgrund großer persönlicher Sympathie und Wertschätzung für meine Person sehr für meinen Fall engagierte, phasenweise täglich mit mir telefonierte und auch Nachts um 3 Uhr für mich erreichbar war, wenn es denn sein musste.
Nun hat sich mittlerweile mein Gesundheitszustand so weit verbessert, dass die Wahrscheinlichkeit zum Sommersemester studierfähig zu sein groß genug sein wird, dass ich nun anfangen werde. Ich habe im Ergebnis viele Jahre dafür gekämpft und gearbeitet und sehr viele Menschen hatten mich bereits abgeschrieben, inklusive meiner eigenen Familie. Es waren irgendwann nur noch mein Arzt und ich, die an eine positive Wendung glaubten und unter brutalen Qualen und Mühen ist es uns dann gelungen, irgendwann meinen Gesundheitszustand entscheidend zu verbessern mit der Prognose, dass sich die Krankheit an für sich zwar verschlechtern wird, mit aktuell zur Verfügung stehenden Behandlungsoptionen meine Studier- und Arbeitsfähigkeit für die nächsten 3-4 Jahrzehnte aber sehr wahrscheinlich ist, wobei ich aber immer bestimmten Einschränkungen unterliegen werde, die man von außen nicht sieht, dem Kenner aber bei genauerer Beobachtung und Betrachtung irgendwann auffallen würden.
Ich glaube ich weiß mittlerweile alles, was man als Laie über den Härtefall wissen kann. Jeder der wie ich die wahnwitzige Idee es zu versuchen sollte sich mindestens ein halbes Jahr vor Fristablauf mit einem qualifizierten Arzt und Anwalt zu besprechen. Ich musste für meine Gutachten nichts bezahlen, da sie zu 95% von mir stammten und am Ende nur von jeweiligen Ärzten noch überarbeitet und nachgeschärft wurden. Um einen Härtefall auf dem Rechtsweg durchzusetzen kann man mit Kosten zwischen 3.000 und 5.000 EUR. In meinem Fall waren es etwa 2.400 EUR. Dazu kommt der Stress, der Frust der Niederlagen und dann, irgendwann ganz am Ende der Sieg.
Eine Anmerkung von mir: die Aussage von Hochschulstart.de Nicht jede Beeinträchtigung, mag sie auch als hart empfunden werden, rechtfertigt eine Zulassung als Härtefall. Vielmehr müssen in Ihrer Person so schwerwiegende gesundheitliche, soziale oder familiäre Gründe vorliegen, dass es Ihnen auch bei Anlegung besonders strenger Maßstäbe nicht zugemutet werden kann, auch nur ein Semester auf die Zulassung zu warten. Es muss also eine besondere Ausnahmesituation vorliegen. ist als eine juristische Aussage zu verstehen.
Irgendwo steht dann weiter: Eine außergewöhnliche Härte liegt (nach der Definition des § 15 Satz 2 der
Vergabeverordnung Stiftung und der „Richtlinien des Verwaltungsausschusses für Entscheidungen über Anträge
auf sofortige Zulassung in der Quote für Fälle außergewöhnlicher Härte und über Anträge auf achteilsausgleich“) vor, wenn in der eigenen Person liegende besondere soziale oder familiäre Gründe die sofortige Aufnahme des Studiums zwingend erfordern; d. h. wenn aus den persönlich vorliegenden Gründen eine Verzögerung des Studienbeginns auch nur um ein Semester unzumutbar ist
Jetzt ist die Frage doch folgende: wann ist die Verzögerung um auch nur ein Semester unzumutbar? Im Grunde kann man immer einen Grund finden, wann sie eben doch zumutbar ist. Mich hat diese Frage lange beschäftigt, denn ich habe mich dafür interessiert, an welcher Stelle der Strich gezogen wird. Im Ergebnis hat mich die Lektüre des Grundgesetztes und das Nachschlagen vieler juristischer Fachbegriffe diesen Aspekt verständlich gemacht.
Ich bin aber kein Anwalt, der diesen Sachverhalt hier vollständig und alle Aspekte abdeckend darstellten könnte. Deswegen würde ich jedem empfehlen, der sich nun ernsthaft überlegt solch einen Antrag zu stellen, sich ca. ein halbes Jahr vor Fristablauf mit einem auf Härtefälle spezialisierten Anwalt zu beraten.
Meine Recherchen haben dazu geführt, dass die Kriterien wirklich sehr sehr streng gibt aber mit genauer Kenntnis der Materie jemand als Härtefall anerkannt werden würde, der bei schlampiger Vorbereitung sonst keine Chance gehabt hätte. Auch ist der psychische Stress, den man in so einem Verfahren ausgesetzt ist enorm. Dazu kommt dann weiter die Bewältigung der eigenen individuellen Ausnahmesituation. Es ist ein langer langer Weg zum Ziel.
Würde ich bei dem was ich heute weiß wieder diesen Weg gehen? Ja, würde ich weil ich habe auf diesem Weg Erfahrungen gemacht und Erfahrungen machen müssen, die meine Persönlichkeit haben extrem stark werden lassen.
Ich hätte es aber nicht gemacht, wenn es in meinem Leben noch irgendwas anderes relevantes außer Medizin gibt. Früher hatte man gewitzelt, dass ich nicht mal einen Schulabschluss schaffen werde und nun werde ich Medizin studieren und auch dies schaffen. Ich habe u.A. die Krankheit einfach nicht aufgeben zu können. Ich bin unendlich stur und am Ende unendlich belastbar und psychisch stark. Mein Arzt weiß als einer der wenigen Personen was ich für eine bestimmte Erkenntnis Monat um Monat ausgehalten habe und jedes Gefühl ausgeschaltet stumm leidend mit der puren Logik als Richtungsweiser gegangen bin.
In der Konsequenz habe ich den Bezug zu jeglichem "normalen" Leben verloren. "Normal" gibt es für mich nicht mehr. Man lebt nur einmal und ich möchte eben unbedingt Medizin studieren. Die Inhalte und Herausforderungen in Studium und Beruf waren der Motor, der Antrieb warum ich einfach nicht aufhören konnte, dieses Ziel zu verfolgen. Ich kann einfach nicht aufgeben. Wenn ich mich für etwas entschieden habe, so ziehe ich es dann auch durch.
Ich glaube nicht, dass mich so schnell noch mal etwas umhaut oder zurück schrecken lässt. Diese Erfahrung hat mich verändert und wird wohl noch ein reichlich komplexes, rechtliches Nachspiel haben aber vielleicht auch nicht, denn darum geht es am Ende irgendwie gar nicht mehr. Man könnte an meinem Fall viel lernen aber gleichzeitig würde ich damit auch meine Anonymität aufgeben, wäre der Öffentlichkeit ausgesetzt und könnte zum Spielball von vielen verschiedenen Interessengruppen werden. Mir ist das schon mal passiert und es war nicht angenehm. Jetzt wünsche ich mir das zurück, was es für mich all die Jahre nicht mehr gab und von dem ich vorhin sagte, dass es so nicht existiert: ein Stückchen Normalität.
Salut!
Ich habe meinen Medizinstudienplatz durch die Härtefallregelung erhalten. Wer noch nicht weiß was das ist: 2% der Studienplatz in Zulassungsbeschränkten Fächern werden an Härtefall vergeben. Die Voraussetzungen und Kriterien einen Medizinstudienplatz, ohne Berücksichtigung der Abiturnote und weiter möglicher studiumsrelevanter Leistungen, zu erhalten finden sich auf der Homepage von http://www.hochschulstart.de
Meine Abiturnote DN von 1,8, erreicht im Abitur für Nichtschüler (Nichtschülerabitur) war zum damaligen Zeitpunkt nicht gut genug, um zeitnah einen Medizinstudienplatz zu erhalten. Auch war meine Bewerbungsstrategie nicht optimal. Ich ging ziemlich naiv davon aus, mit 1,8 schon irgendwie noch einen Studienplatz zu erhalten bis mich dann die harte Realität troff und ich Semester für Semester nur Absagen erhielt.
Ich hatte mich für das Nichtschülerabitur entschieden, da ich es aus gesundheitlichen Gründen es nicht schaffte, auf einer regulären Schule mein Abitur zu erwerben. Somit erfolgte der Erwerb der allgemeinen Hochschulreife schon mit einigen Jahren Verzögerung.
Die Entscheidung Medizin zu studieren hatte ich in einer ziemlich verrückten Stimmung getroffen und mein Umfeld war damals sehr skeptisch, ob mein Vorhaben jemals Erfolg haben werde.
Ich hatte mindestens zwei chronische Erkrankungen zu dem Zeitpunkt. Davon war eine gravierend, sehr gravierend und ich war aufgrund meiner Erkrankung extrem ehrenamtlich in Vereinen engagiert, deren Namen (Deutsche Gesellschaft für "X" ) heißt, wobei "X" für eine beliebige medizinische Fachgesellschaft eingesetzt werden kann. Ich war gut in dem was ich tat, lernte viele viele Ärzte kennen, die mir großes Talent bescheinigten. Viele Menschen förderten mich und ermöglichten mir den Besuch von teuren internationalen Fachkongressen und vernetzten mich weltweit mit der medizinischen Welt. Ich entwickelte viele Kontakte zu führenden Wissenschaftlern und Ärzten auf ihren Gebieten und u.A. auch in dem Bereich, wo ich selbst meine Erkrankungen hatte.
Desto weiter dieser Prozess fortschritt und mich in der Konsequenz durch die ganze Welt auf Kosten Dritter reißen ließ, ich selbst als Autor an Fachbüchern und Referent bei wissenschaftlichen Vorträgen eingebunden war, umso frustrierender wurde es, dass es mir einfach nicht gelang, einen Studienplatz zu erreichen. Das war extrem zermürbend und belastend. Dazu kamen meine gesundheitlichen Probleme.
Aus meinem Umfeld kam dann irgendwann der nachhaltige Vorschlag, doch meine zahlreichen Kontakte zu nutzen und einen Härtefallantrag zu stellen. Irgendwann traute ich mich und sprach einen der führenden Wissenschaftler auf diesem Gebiet an, der auch Chefarzt an einem Universitätsklinikum irgendwo in Deutschland ist. Er kannte meinen Fall schon aus meinen Vorträgen und hatte kein Problem damit, ein entsprechendes Gutachten zu verfassen.
Ich ging davon aus, dass das Gutachten eines Chefarztes einer Universitätsklinik deutlich mehr Gewicht haben würde als das Gutachten meines eigenen Arztes aus einer Provinzstadt. Im Grunde schrieb ich das Gutachten auf Grundlage der vorliegenden Akten und Befunde selbst und schickte es dann dem Professor, zur weiteren Bearbeitung.
Irgendwie war ich ziemlich sicher, mit diesem Gutachten als Härtefall anerkannt zu werden. Umso größer war der Frust und die Enttäuschung, als ich von der Zulassungsbehörde erneut einen Ablehnungsbescheid erhielt. Diesen wollte ich nicht akzeptieren. Ich persönlich war der Meinung, dass mir nicht nur de jure ein Studienplatz nach den Regeln für Härtefälle zusteht sondern dies auch moralisch der Fall wäre. Ich fühlte mich ungerecht behandelt. Ich hatte mich viele ehrenamtlich für 0 Cent engagiert, zwar viele Kontakte gewonnen aber am Ende doch nichts erreicht.
Ich legte Widerspruch gegen den Bescheid ein und beauftragte zwei auf diese Verfahren spezialisierte Kanzleien das Gutachten zu bewerten und mir die Erfolgsaussichten für eine Klage zu nennen. Meine beiden Gründe ein Härtefall im Sinne von Hochschulstart.de zu sein waren 1 (Persönliche Gründe) 1.1: Krankheit mit der Tendenz zur Verschlimmerung, die dazu führen wird, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft die Belastungen des Studiums in diesem Studiengang nicht durchgestanden werden können sowie 1.6: 1.6 Beschränkung in der Berufswahl oder Berufsausübung infolge Krankheit; dadurch Hinderung an einer sinnvollen Überbrückung der Wartezeit. Beide Punkte müssen mit einem ausführlichen fachärztlichen Gutachten Gutachten nachgewiesen werden. Meines war 20 Seiten lang.
Die Rückmeldungen beider Kanzleien waren positiv. Beide Anwälte mit denen ich sprach gingen nach ihrer Interpretation davon aus, dass hier wohl ein Härtefall gegeben sei und ich damit gute Chancen für Gericht hätte. Beide empfohlen mir die Klage. Ich entschied mich für den deutlich günstigeren Anwalt, der auf mich den gelasseren und erfahrenen Eindruck machte. Die andere Kanzlei wollte da schon für eine Leistung, die sie mir gegenüber noch gar nicht erbracht hatte. Im Zuge dieser Entscheidung hatte ich angefangen, mich intensiv mit Jura und im speziellen den Grundlagen und Richtlinien zu befassen, die irgendwas mit dem Härtefallantrag zu tun haben. Auch recherchierte ich alle mir zugänglichen Urteile und Beschlüsse und bestellte bei den Gerichten die Entscheidungen, welche nicht im Internet veröffentlicht wurden wahren.
Das Ganze wurde immer verzwickter und komplizierter. Wer sich für diesen Weg entscheidet, kann nicht mit einer schnellen Entscheidung rechnen, auch wenn das Verfahren als Eilantrag betrachtet wird. Erst mal ging es nun darum überhaupt zu erfahren, warum die Zulassungsbehörde meinen Härtefallantrag überhaupt abgelehnt hatte. Als meinem Anwalt das Dokument übersendet wurde er mir als PDF weiter schickte kamen mir erst die Tränen und später musste ich lachen.
Die Akte der Zulassungsbehörde war extrem schlampig und voller Rechtschreibfehler. Es wurde z.B. damit argumentiert, dass ich aufgrund der Tatsache, dass ich in der Lage war nach Hawaii zu reisen kein Härtefall sein könne, denn daraus würde ja folgen, dass es mir gesundheitlich gut gehe und die sofortige Zulassung nicht notwendig wäre. Auch wurde mir vorgehalten, dass ich den TMS-Test nicht gemacht hätte um meine Abiturnote zu verbessern, ich damit noch gar nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe, weswegen ich kein Härtefall sein kann. Im Ergebnis wurde zwanghaft und schlampig nach irgendwelchen Gründen gesucht, den Antrag abzulehnen. Praktisch mit keinem einzigen Argument wurde auf die im Gutachten angeführten Punkte und Argumente eingegangen.
Ich hatte mich tierisch über diese Form der Ablehnung geärgert. Es stellte sich heraus, dass die Behörde meinen Namen gegoogelt hatte, so auf meine zahlreichen Aktivitäten in der medizinischen Szene und mein Facebook-Profil gestoßen ist. Alles war irgendwie geeignet schien wurde benutzt um darzustellen, dass ich aufgrund dieser immensen Leistungen doch gar kein Härtefall sein kann.
Mich hatte das sehr geärgert. Auf die im Gutachten angeführten Tatsachen wurde gar nicht eingegangen. Mein Anwalt hatte mir bereits direkt nach der Lektüre des Gutachtens gesagt, dass es das beste Gutachten sei, was er bisher in diesem Bereich gelesen hätte und er war optimistisch, die Angelegenheit für mich im positiven Sinne gewinnen zu können. Dann kam die Entscheidung der 1. Instanz in Gelsenkirchen. Diese lehnte den Widerspruch mit ähnlichen Argumenten wie Hochschulstart.de ab, nur klang die Argumentation geschliffener. Aber auch hier wurde praktisch gar nicht auf das Gutachten eingegangen. Man konnte das Gefühl haben, als wären hier nur schnell irgendwelche Standardsätze zusammen kopiert worden, um schnell eine Entscheidung fallen zu können ohne sich groß mit dem Fall und der dahinter stehenden Persönlichkeit zu beschäftigen.
In der Zwischenzeit war mittlerweile schon ein halbes Jahr vergangen und ich empfand die Situation als zermürbend. Jetzt dürfte es teuer werden aber ich entschied mich sofort dafür mein Glück vor dem Oberverwaltungsgericht Münster in 2. Instanz zu versuchen. Während der Fall dort seinen Lauf nahm tauchten in meinem Fall neue Fakten auf. Eine der beiden Diagnosen, die im 1. Gutachten verwendet wurden schien eine Fehldiagnose zu sein aber dafür eine andere, für meinen Fall sehr viel günstigere Krankheit vorzuliegen.
Mit dem Wissen um diese Tatsache ging es in die 2. Instanz. Der Richter am OWG Münster sah die Sachlage dann etwas anders als das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen und Hochschulstart.de. Der Richter war im Grunde auf meiner Seite schlug einen Vergleich vor: ich belege mit einem kurzen Schreiben meines Arztes die Existenz der anderen Krankheit und bekomme im Gegenzug den Studienplatz an dem von mir gewünschten Ort.
Aus dem kurzen Schreiben wurde dann auf Anraten meines Anwaltes ein ganzes 2. Gutachten zur regulären Bewerbung für das nächste Semester als Härtefall, fals ich in der 2. Instanz scheitern sollte könnte ich auf Basis des 2. Gutachtens dann erneut den Rechtsweg nehmen. Diese Vorgehensweise sollte als zusätzliche Sicherheit dienen.
Mittlerweile war ich gesundheitlich extrem angeschlagen und bei einer Zulassung für das kommende Semester hätte ich den Studienplatz auf keinen Fall annehmen können. Dafür war ich viel zu krank. Man muss aber seine Chancen waren und am Ball bleiben, wenn man sich einmal für diesen Weg entschieden hat, da man sonst am Ende nur einen Verlust.
Auf Grund der falschen Diagnose der ersten Erkrankung schrieb ich ein neues Gutachten mit einem Schwerpunkt auf die neue Diagnose und arbeitete insbesondere den Punkt 1.6 Beschränkung in der Berufswahl oder Berufsausübung infolge Krankheit; dadurch Hinderung an einer sinnvollen Überbrückung der Wartezeit sehr sorgfältig heraus. Mein eigener Arzt hat das Gutachten Korrektur gelesen, hier und da ein wenig korrigiert und am Ende praktisch unverändert unterschrieben. Neben den beiden Hauptdiagnosen waren mittlerweile 4 weitere Nebendiagnosen und insgesamt 30 verschiedene Medikamente im Spiel, die man an mir bereits so ausprobiert hatte.
Mit diesem zweiten Gutachten gelang mir dann ungeheures: ich wurde aalglatt als Härtefall anerkannt aber bekam nicht wie gewünscht die Stadt, die ich aufgrund meiner Erkrankung als geeignet betrachte und im Ergebnis konnte ich den Studienplatz sowieso nicht annehmen, da ich viel zu krank war. Gleichzeitig erreichte mein Anwalt in 2. Instanz einen für mich positiven Vergleich. Die Zulassungsbehörde stimmte dem Vergleich unter der Bedingung zu, dass ich, um meine Wunschstadt zu erhalten einen Schwerbehindertenausweis vorlege und zweitens die Kosten des Verfahrens tragen werde. Meinen Studienplatz würde ich erhalten, so bald ich den Schwerbehindertenausweis vorlegen würde.
Das war ein kurioser Vergleich und eine kuriose Situation denn plötzlich hatte ich eine art Doppelzulassung. Aufgrund der regulären Anerkennung meines Härtefalls im darauf folgenden Semester hatte ich plötzlich den Rechtsschutz für das Verfahren für das bereits vergangene Semester verloren. Das hatte einige hektische Telefonate zwischen Gericht, Zulassungsbehörde und Anwalt zur Folge. In der Konsequenz wurde ich von der Zulassungsbehörde vor die Wahl gestellt: entweder ich nehme den von ihr zugewiesen Studienplatz in einer Stadt die ich nicht wollte an oder ich verzichte auf diesen Platz und nehme dann den Vergleich an. Die Kosten hätte ich in beiden Fällen so oder so bezahlen müssen.
Die Situation hatte dann ein längeres Telefonat mit meinem Anwalt zur Folge der mir berichtete, dass es so einen Fall noch gar nie gegeben hätte und erhebliche Verwicklungen deswegen entstanden sein. Ich ließ mir die Vor- und Nachteile beider Varianten erklären. Studierfähig war ich zu diesem Zeitpunkt definitiv nicht aber ich könnte mich einfach krank schreiben lassen und dann zum nächsten Semester anfangen oder ich wähle den Vergleich, wobei ich damals aber noch keinen GdB von mindestens 50% nachweisen konnte, es aufgrund der beiden Erkrankungen sehr wahrscheinlich war, mindestens einen GdB von 50% zu erhalten und der Vergleich die Besonderheit enthielt, dass er eben so lange gilt, bis ich die Schwerbehinderung nachweisen kann und ich damit praktisch zu jedem Semester anfangen kann, war ein großes entgegen kommen der Zulassungsbehörde. Mir wurde gesagt, dass dies nicht den üblichen Regeln für einen Härtefall entspricht, da bei einem Härtefall die zwingende Aufnahme zum nächsten Semester vorliegen muss. Durch den Vergleich wurde mir dann de facto unterstellt, dass dieser Umstand per se zu jedem Semester zwingend vorliegt. Mein Anwalt war schlau.
Er hatte mich durch das lange und komplizierte Verfahren sehr gut kennen gelernt und wie ich geahnt, dass ich zum nächsten Semesterbeginn noch nicht studierfähig sein werde und es auch mit der Beschaffung eines Schwerbehindertenausweises in den wenigen noch verbleibenden Monaten sehr eng werden dürfte. Also handelte er diese Sonderregelung für mich aus und es ist genau diese Sonderregelung, von der ich jetzt zum beginnenden Sommersemester profitieren.
Hier kommt nun das Grausame: in der Zwischenzeit hatte sich heraus gestellt, dass auch die zweite maßgebliche Diagnose falsch war. Ich war für einen Zeitraum von ca. 14 Monaten sehr schwer krank und niemand wusste, was ich hatte, bis sich dann heraus stellte, dass die zweite genannte Erkrankung gar nicht vorliegt sondern eine völlig andere Erkrankung, aus einem ganz anderen Fachgebiet und diese durch die jahrelange Behandlung der zweiten, nicht wirklich bestehenden Erkrankung massiv verschlimmert wurde, ich im Ergebnis es nun von meinem aktuellen Arzt schwarz auf weiß habe, dass ich sagenhafte 13 1/2 Jahre völlig falsch diagnostiziert und behandelt wurde.
Und die "neue" Erkrankung war dann auch nicht besser als die vorherige sondern ist zwar sehr viel häufiger, in diesem extremen Ausmaß wie bei mir aber extrem selten. Nun war ich plötzlich richtig schwer krank und irgendwo in einem ausländischen Selbsthilfeforum äußerte ich die Hoffnung, doch wenigstens noch 2-3 Semester studieren zu können. Dann wäre ich schon zufrieden.
Es war Arbeit. Viel Arbeit und es sind viele Groteske und nahezu unglaubliche Dinge geschehen und ich habe es meinem Arzt zu verdanken, der sich auch aufgrund großer persönlicher Sympathie und Wertschätzung für meine Person sehr für meinen Fall engagierte, phasenweise täglich mit mir telefonierte und auch Nachts um 3 Uhr für mich erreichbar war, wenn es denn sein musste.
Nun hat sich mittlerweile mein Gesundheitszustand so weit verbessert, dass die Wahrscheinlichkeit zum Sommersemester studierfähig zu sein groß genug sein wird, dass ich nun anfangen werde. Ich habe im Ergebnis viele Jahre dafür gekämpft und gearbeitet und sehr viele Menschen hatten mich bereits abgeschrieben, inklusive meiner eigenen Familie. Es waren irgendwann nur noch mein Arzt und ich, die an eine positive Wendung glaubten und unter brutalen Qualen und Mühen ist es uns dann gelungen, irgendwann meinen Gesundheitszustand entscheidend zu verbessern mit der Prognose, dass sich die Krankheit an für sich zwar verschlechtern wird, mit aktuell zur Verfügung stehenden Behandlungsoptionen meine Studier- und Arbeitsfähigkeit für die nächsten 3-4 Jahrzehnte aber sehr wahrscheinlich ist, wobei ich aber immer bestimmten Einschränkungen unterliegen werde, die man von außen nicht sieht, dem Kenner aber bei genauerer Beobachtung und Betrachtung irgendwann auffallen würden.
Ich glaube ich weiß mittlerweile alles, was man als Laie über den Härtefall wissen kann. Jeder der wie ich die wahnwitzige Idee es zu versuchen sollte sich mindestens ein halbes Jahr vor Fristablauf mit einem qualifizierten Arzt und Anwalt zu besprechen. Ich musste für meine Gutachten nichts bezahlen, da sie zu 95% von mir stammten und am Ende nur von jeweiligen Ärzten noch überarbeitet und nachgeschärft wurden. Um einen Härtefall auf dem Rechtsweg durchzusetzen kann man mit Kosten zwischen 3.000 und 5.000 EUR. In meinem Fall waren es etwa 2.400 EUR. Dazu kommt der Stress, der Frust der Niederlagen und dann, irgendwann ganz am Ende der Sieg.
Eine Anmerkung von mir: die Aussage von Hochschulstart.de Nicht jede Beeinträchtigung, mag sie auch als hart empfunden werden, rechtfertigt eine Zulassung als Härtefall. Vielmehr müssen in Ihrer Person so schwerwiegende gesundheitliche, soziale oder familiäre Gründe vorliegen, dass es Ihnen auch bei Anlegung besonders strenger Maßstäbe nicht zugemutet werden kann, auch nur ein Semester auf die Zulassung zu warten. Es muss also eine besondere Ausnahmesituation vorliegen. ist als eine juristische Aussage zu verstehen.
Irgendwo steht dann weiter: Eine außergewöhnliche Härte liegt (nach der Definition des § 15 Satz 2 der
Vergabeverordnung Stiftung und der „Richtlinien des Verwaltungsausschusses für Entscheidungen über Anträge
auf sofortige Zulassung in der Quote für Fälle außergewöhnlicher Härte und über Anträge auf achteilsausgleich“) vor, wenn in der eigenen Person liegende besondere soziale oder familiäre Gründe die sofortige Aufnahme des Studiums zwingend erfordern; d. h. wenn aus den persönlich vorliegenden Gründen eine Verzögerung des Studienbeginns auch nur um ein Semester unzumutbar ist
Jetzt ist die Frage doch folgende: wann ist die Verzögerung um auch nur ein Semester unzumutbar? Im Grunde kann man immer einen Grund finden, wann sie eben doch zumutbar ist. Mich hat diese Frage lange beschäftigt, denn ich habe mich dafür interessiert, an welcher Stelle der Strich gezogen wird. Im Ergebnis hat mich die Lektüre des Grundgesetztes und das Nachschlagen vieler juristischer Fachbegriffe diesen Aspekt verständlich gemacht.
Ich bin aber kein Anwalt, der diesen Sachverhalt hier vollständig und alle Aspekte abdeckend darstellten könnte. Deswegen würde ich jedem empfehlen, der sich nun ernsthaft überlegt solch einen Antrag zu stellen, sich ca. ein halbes Jahr vor Fristablauf mit einem auf Härtefälle spezialisierten Anwalt zu beraten.
Meine Recherchen haben dazu geführt, dass die Kriterien wirklich sehr sehr streng gibt aber mit genauer Kenntnis der Materie jemand als Härtefall anerkannt werden würde, der bei schlampiger Vorbereitung sonst keine Chance gehabt hätte. Auch ist der psychische Stress, den man in so einem Verfahren ausgesetzt ist enorm. Dazu kommt dann weiter die Bewältigung der eigenen individuellen Ausnahmesituation. Es ist ein langer langer Weg zum Ziel.
Würde ich bei dem was ich heute weiß wieder diesen Weg gehen? Ja, würde ich weil ich habe auf diesem Weg Erfahrungen gemacht und Erfahrungen machen müssen, die meine Persönlichkeit haben extrem stark werden lassen.
Ich hätte es aber nicht gemacht, wenn es in meinem Leben noch irgendwas anderes relevantes außer Medizin gibt. Früher hatte man gewitzelt, dass ich nicht mal einen Schulabschluss schaffen werde und nun werde ich Medizin studieren und auch dies schaffen. Ich habe u.A. die Krankheit einfach nicht aufgeben zu können. Ich bin unendlich stur und am Ende unendlich belastbar und psychisch stark. Mein Arzt weiß als einer der wenigen Personen was ich für eine bestimmte Erkenntnis Monat um Monat ausgehalten habe und jedes Gefühl ausgeschaltet stumm leidend mit der puren Logik als Richtungsweiser gegangen bin.
In der Konsequenz habe ich den Bezug zu jeglichem "normalen" Leben verloren. "Normal" gibt es für mich nicht mehr. Man lebt nur einmal und ich möchte eben unbedingt Medizin studieren. Die Inhalte und Herausforderungen in Studium und Beruf waren der Motor, der Antrieb warum ich einfach nicht aufhören konnte, dieses Ziel zu verfolgen. Ich kann einfach nicht aufgeben. Wenn ich mich für etwas entschieden habe, so ziehe ich es dann auch durch.
Ich glaube nicht, dass mich so schnell noch mal etwas umhaut oder zurück schrecken lässt. Diese Erfahrung hat mich verändert und wird wohl noch ein reichlich komplexes, rechtliches Nachspiel haben aber vielleicht auch nicht, denn darum geht es am Ende irgendwie gar nicht mehr. Man könnte an meinem Fall viel lernen aber gleichzeitig würde ich damit auch meine Anonymität aufgeben, wäre der Öffentlichkeit ausgesetzt und könnte zum Spielball von vielen verschiedenen Interessengruppen werden. Mir ist das schon mal passiert und es war nicht angenehm. Jetzt wünsche ich mir das zurück, was es für mich all die Jahre nicht mehr gab und von dem ich vorhin sagte, dass es so nicht existiert: ein Stückchen Normalität.
Salut!