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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Der Allgemeinmediziner/Hausarzt



Lady_89
28.01.2013, 19:47
Hallo liebe (angehenden) Ärzte,

mich würde mal interessieren, wieso die Allgemeinmedizin so unbeliebt ist?? Ich kenne maximal 2 Leute aus meinem Umfeld, die das in Erwägung ziehen (bin im 8. Semester).

Auch ich kann mir vorstellen, später als gut ausgebildeter Hausarzt zu arbeiten und Zusatzbezeichnungen wie Reisemedizin (Impfberatung), Rheumatologie, Akupunktur etc. zu erweben.
Was ich persönlich schätzen würde, wäre die Vereinbarung von Job und Familie!
Wieso wird man schief angeschaut, wenn man sagt, dass man Allgemeinmedizin reizvoll findet?
Geht die Entwicklung eher zu spezialisierten Ärzten? Und wenn ja, wieso ist das so?

Klar, das Problem mit der Budgetierung der gesetzl. vers. Patienten ist mir bekannt (40 Euro,/Quartal, egal wie oft der Pat. kommt). Wenn man jedoch 1000 Patienten bereut, kommt man auf 40.000 Euro/Quartal, grob überschlagen, und die Verwaltung und Kosten für Angestellte etc muss abgezogen werden, sodass wahrsch nur noch 1/4 übrig bleibt...Wisst ihr, ob sich das in den nächsten Jahren ändern wird?
Was empfiehlt ihr als PJ?

Bin gespannt auf eure Meinungen.

Thomas24
28.01.2013, 20:07
Vereinbarkeit von Job und Familie ist bei selbständiger Tätigkeit eher unwahrscheinlich- schliesslich bedeutet selbständig: für alles verantwortlich zu sein, und zwar selbst und ständig :D

D.h. du würdest höchstens als angestellte Ärztin in der Praxis sowas wie geregelte Arbeitszeiten erwarten können.

Lady_89
28.01.2013, 20:13
Ich habe in einer gemeinschaftspraxis famuliert (3 erfahrene Ärzte), also die kamen jeden Tag pünktlich raus und man hatte auch vormittags immer mal zeit für 20min Kaffeepause. Habe von denen gehört, dass es das Beste sei, sich schnellstmöglich niederzulassen, wenn man ein normales Familienleben haben wollte. Die haben auch keinen Rufdienst o.ä. gemacht (befreit) ^^

la Valentina
28.01.2013, 20:14
Btw:
Rheumatologie ist keine Zusatzbezeichnung, sondern ein eigenständiger Facharzt :-)

Jutti
28.01.2013, 23:15
Naja, ich hab in der Allgmed famuliert, Einzelpraxis, Mittagspause voll Hausbesuche, abends bis 17/18 Uhr, ein Tag die Woche bis 19.30 Uhr für die Arbeitnehmer, die es früher nicht schaffen. Klar, wenn man mit mehreren Ärzten ist kann mans ich absprechen, so dass immer einer länger bleibt, aber eins ist klar, wer Zeit hat für so viele Pausen und jeden Tag pünktlich raus kommt, der hat wohl auch nicht soooo viele Patienten, dass am Ende des Monats sooo viel Geld übrig bleibt. Wenn eine Praxis gut läuft, dann ist das Wartezimmer immer besetzt... Fand Allgmed aber auch immer spannend und hab es in Erwägung gezogen. Wie wäre es dann mit Allgmed als Wahlfach im PJ!?

Miyu
29.01.2013, 09:19
Btw:
Rheumatologie ist keine Zusatzbezeichnung, sondern ein eigenständiger Facharzt :-)

Stimmt nur bedingt, denn sowohl orthopaedische als auch paediatrische Rheumatologie sind in der Tat Zusatzbezeichnungen. Aber die VErfasserin bezieht sich wahrscheinlich wirklich auf die internistische.

Peter_1
29.01.2013, 09:56
Vereinbarkeit von Job und Familie ist bei selbständiger Tätigkeit eher unwahrscheinlich- schliesslich bedeutet selbständig: für alles verantwortlich zu sein, und zwar selbst und ständig :D

D.h. du würdest höchstens als angestellte Ärztin in der Praxis sowas wie geregelte Arbeitszeiten erwarten können.


Kann ich so pauschal nicht unterschreiben, kommt halt darauf an wie man sich organsiert (Gemeinschaftspraxis7Einzelpraxis, angestellt, MVZ), wo man tätig ist (Land, oder Stadt) und wie viele PAtienten man hat. Ich selber bin als Einzelkämpfer städtisch niedergelassen, komme meistens halbwegs pünktlich raus, versuche Hausbesuche Mittw., oder Freitag nachmittag zu erledigen und kann mich vom Einkommen her absolut nicht beklagen. Wenn man sich in einer Gemeinschaftspraxis niederlässt, dann kann man sich sogar noch freier einteilen und die Zeiten sind noch besser planbar. Natürlich kann das Ganze auch komplett anders aussehen, wenn man als Einzelkämpfer mit großem Patientenstamm irgendwo im nirgendwo, ohne geregelten Dienst und mit weiten Hausbesuchsfahrstrecken niedergealssen ist, da kann es durchaus sein, dass man nach ein paar Jahren nicht mehr weiss wie die eigene Frau aussieht.
Man sollte halt vorher genau schauen was für einen selber das richtige ist und wie man sich organisiert.
Ich persönlich habe seit der Niederlassung deutlich weniger Stress wie im Krankenhaus und arbeite auch weniger, ausserdem macht der Job deutlich mehr Spass!
Zum Klischee der vollen Praxis sei noch zu sagen: eine volles Wartezimmer ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit einem "guten" Arzt, oder einem grossem Patientenstamm, sondern auch abhängig davon wie organisiert eine Praxis ist (Terminsystem versus keines) und natürlich "saisonabhängig".

Peter_1
29.01.2013, 13:32
Wieso wird man schief angeschaut, wenn man sagt, dass man Allgemeinmedizin reizvoll findet?
Geht die Entwicklung eher zu spezialisierten Ärzten? Und wenn ja, wieso ist das so?

Ob man schief angeschaut wird wenn man die Fachrichtung interessant findet kann einem persönlich ja völlig schnuppe sein. Ich denke es liegt vor Allem an falschen Vorstellungen von der Allgemeinmedizin ("kann nur Schnupfen und Husten", für echte Krankheiten braucht es dann doch sowieso einen Spezialisten, verdient wie eine Kirchenmaus, muss Tag und Nacht ackern usw.). Weiterhin wird die Allgemeinmedizin an der Uni schlecht oder gar nicht repräsentiert und dann kommt noch die ganze Negativpropaganda der eigenen Kollegen dazu. Wenn man sich das so anhört, dann kann man ja denken: die armen Hausärzte, bei denen gibt es zuhause nur trockenes Brot und die Kinder müssen barfuß zur Schule gehen. Natürlich ist ein Teil des Gemoseres über die schlechte Bezahlung, die Bürokratie, die Regresse durchaus sehr berechtigt, aber ganz so düster wie es manchmal gemalt wird ist es dann doch nicht. Was in der Tat wirklich düster ist, das sind die Nachwuchszahlen, das wundert aber auch nicht, wenn mittlerweile jeder junge Kollege sofort sämtliche (vermeintlichen) Nachteile der Allgemeinmedizin parat hat, aber keinerlei Ahnung hat was diesen Beruf eben auch einzigartig schön macht.

Ich fange deswegen mal mit Positivpropaganda an.
Die Hausarztmedizin ist schön weil sie sehr vielfältig ist, wir arbeiten am Tag Beratungsanlässe aus zig verschiedenen Fachgebieten ab und können im Gegensatz zum Klischee auch 80% dieser Beratungsanlässe selber lösen. Wenn wir unser Fach ernst nehmen, dann müssen wir diff.diagnostisch fit sein und diese diff.diagnostische Detektivarbeit macht sehr viel Freude.
Unsere Patienten sind uns meist sehr viel mehr verbunden und dankbarer, als ich es in anderen Fachgebieten erlebt habe. Wir haben die Freiheit eigene Schwerpunkte zu setzen, z.B. über eine der vielfältigen Zusatzbezeichnungen, Weiterqaulifikationen, je nachdem was uns persönlich als Steckenpferd Spass macht.
Als selbstständig niedergelassener Arzt gestaltet man sein eigenes Arbeitsumfeld und auch seine Art Medizin zu machen, man ist keiner direkten Hierarchie unterworfen. So das reicht erst mal :-D

flopipop
29.01.2013, 14:44
naja, das mit geregelten arbeitszeiten ist so ne sache...die meisten hausärzte machen mittags zu und dann nachmittags nochmal auf bis 19-20.00 uhr....wenn man ein "allrounder" in der medizin ist, bedeutet das letzendlich, dass man als hausarzt von jedem fachgebiet fundiertes halbwissen besitzt. damit kann man die meisten kleineren probleme selbständig lösen und die großen probleme können erkannt und der facharztbehandlung überlassen werden. das ist einer der aspekte, warum mir persönlcih das fachgebiet nicht liegt. es kommt mir vor, man wäre treotz des gut ausgebildeten "klinsichen blickes" eher generalist, als spezialist mit vielem gerede, psychokram und papierkram. diejenigen, die den intensiven patientenkontakt schätzen mögen dabei aufblühen, für mich wäre das nichts. außerdem kann man nicht so viel abrechnen, wie z.b. ein internist, wobei die hausärzte natürlich nciht zu den ärmsten der bevölkerung zählen. wenn man als hausarzt einigermaßen verdienen will, muss man kram wie akkupunktur und chinesische medizin anbieten, aber ich kann nicht meinen patienten etwas andrehen, woran ich selbst nicht glaube. ich kann mir vorstellen, dass dieses fachgebiet aus diesen gründen für viele unattraktiv erscheint.

Evil
29.01.2013, 15:02
Vereinbarkeit von Job und Familie ist bei selbständiger Tätigkeit eher unwahrscheinlich- schliesslich bedeutet selbständig: für alles verantwortlich zu sein, und zwar selbst und ständig :D

D.h. du würdest höchstens als angestellte Ärztin in der Praxis sowas wie geregelte Arbeitszeiten erwarten können.
Au contraire! Ich kann die Beiträge von Peter1 nur unterschreiben, bei mir läuft es ähnlich (Einzelpraxis städtisch) und kann mich vom Verdienst her nicht beklagen. Zeitaufwand ist auch ok, nicht mehr als in der Klinik, und das Beste: deutlich weniger Dienste :-))
Organisation ist alles!

la Valentina
29.01.2013, 15:46
Stimmt nur bedingt, denn sowohl orthopaedische als auch paediatrische Rheumatologie sind in der Tat Zusatzbezeichnungen. Aber die VErfasserin bezieht sich wahrscheinlich wirklich auf die internistische.


Ja, das stimmt natürlich, aber ich bin jetzt auch davon ausgegangen, dass die Threaderstellerin den internistischen Rheumatologen meinte. Die meisten Hausärzte sind ja eher Allgemeinmediziner oder Internisten und weniger Orthopäden oder Pädiater.

Peter_1
29.01.2013, 16:12
bedeutet das letzendlich, dass man als hausarzt von jedem fachgebiet fundiertes halbwissen besitzt. damit kann man die meisten kleineren probleme selbständig lösen und die großen probleme können erkannt und der facharztbehandlung überlassen werden. das ist einer der aspekte, warum mir persönlcih das fachgebiet nicht liegt. es kommt mir vor, man wäre treotz des gut ausgebildeten "klinsichen blickes" eher generalist, als spezialist mit vielem gerede, psychokram und papierkram. diejenigen, die den intensiven patientenkontakt schätzen mögen dabei aufblühen, für mich wäre das nichts. außerdem kann man nicht so viel abrechnen, wie z.b. ein internist, wobei die hausärzte natürlich nciht zu den ärmsten der bevölkerung zählen. wenn man als hausarzt einigermaßen verdienen will, muss man kram wie akkupunktur und chinesische medizin anbieten, aber ich kann nicht meinen patienten etwas andrehen, woran ich selbst nicht glaube. ich kann mir vorstellen, dass dieses fachgebiet aus diesen gründen für viele unattraktiv erscheint.

Dein Beitrag zeugt von fundiertem Halbwissen was die Allgemeinmedizin angeht.

1. nein man muss nicht irgendwelchen Hokuspokus machen um Geld zu verdienen, ich selber mache evidenzbasierte Medizin ohne Hokuspokus und kann nicht klagen.
2. meinst Du mit "Internist" hausärztlicher, oder fachärztlicher Internist, falls ersteres, dann besteht kein relevanter Unterschied in der Abrechnungsmöglichkeit, falls zweiteres: klar wir machen ja auch keine Herzkatheter, Kolos oder Gastros und haben einen ganz anderen Auftrag!
3. falls für dich "größere Probleme" ausschliesslich definiert sind als hochspezialisierte Apparatemedizin und spez. oper. Medizin dann hast Du Recht, die Patienten sehen das meist ganz anders.
4. gesundes Halbwissen hat man was spezialistische Medizin angeht (das ist aber auch nicht unser Job),
wir haben jedoch ein eigenes Fachwissen als Allgemeinmediziner mit eigenen Leitlinien, eben für unseren Fachbereich, so wie jede andere Disziplin auch. Dieses Fachwissen haben eben andere Fachärzte nicht, die Allgemeinmedizin ist keine Sonder-/, oder Anhängselmedizin der Spezialisten, sondern ein eigenes Fachgebiet.

Thomas24
29.01.2013, 16:25
3. falls für dich "größere Probleme" ausschliesslich definiert sind als hochspezialisierte Apparatemedizin und spez. oper. Medizin dann hast Du Recht, die Patienten sehen das meist ganz anders.
4. gesundes Halbwissen hat man was spezialistische Medizin angeht (das ist aber auch nicht unser Job),
wir haben jedoch ein eigenes Fachwissen als Allgemeinmediziner mit eigenen Leitlinien, eben für unseren Fachbereich, so wie jede andere Disziplin auch. Dieses Fachwissen haben eben andere Fachärzte nicht, die Allgemeinmedizin ist keine Sonder-/, oder Anhängselmedizin der Spezialisten, sondern ein eigenes Fachgebiet.

Das ist so ein bischen ein deutsches Problem mit dem Vorurteil das die Allgemeinmedizin ein bischen sowas der "Arzt für Husten, Schnupfen, Heiserkeit" wäre, und man bei "richtigen Problemen" zum "richtigen Spezialisten" müsste.
In anderen Gesundheitssystemen (z.B. UK) ist der GP sehr hoch angesehen und respektiert.

Lady_89
29.01.2013, 16:39
Okay, vielen Dank für die ersten Meinungen.
Vielleicht gibt es ja noch andere Stellungsnahmen.
Ich bin auch der Meinung, dass man zB als fertiger Internist mit der Spezialisierung Endokrinologie nur Schilddrüsen und seltener Nebennieren/Hyperparas (zumindest ambulant), war mal einige Tage in solch einer Praxis, es war stinklangweilig, immer das gleiche, immer SD-Sonos. Mich reizt eben auch die Vielfalt, und ich würde auch eher das Arbeiten im MVZ oder in einer Gemeinschaftspraxis bevorzugen.
Kann mir jemand sagen, wie viel ein angesteller Assistenzarzt (Hausarzt-Praxis) anfangs verdient? dafür gibts es ja keine Tarifverträge, oder doch? Mehr oder weniger als in der Klinik? Unter Berücksichtigung der Arbeitszeiten natürlich auch.

CYP21B
29.01.2013, 17:21
Dass Allgemeinmedizin so extrem unbeliebt ist kann ich in meinem persönlichen Umfeld so gar nicht erkennen. Da gab es mit steigender Semesterzahl immer mehr, vor allem weibliche, Interessenten an dem Fachgebiet. Eine Rolle spielten da oft Überlegungen wie Familienverträglichkeit, aus der Klinik rauskommen und eben das "unselektionierte" Patientengut.

Ich denke mal, wenn man sich für den Bereich begeistern kann ist es nicht so falsch dass mal in Auge zu fassen. Der Weg ist da zu Beginn der Facharztausbildung ja noch nicht so sehr festzementiert. Für mich wäre es rein gar nichts weil ich einfach absolut in den OP möchte, keine Lust auf zumindest gefühlt ~50% psychosomatische Patienten habe und ich mich der politischen Willkür nicht so alternativlos ausliefern möchte.

toupi
30.01.2013, 08:08
Als Assistenzarzt in der Hausarztpraxis verdienst Du hier in Berlin nciht weniger als 3500 brutto (IPAM-Förderung durch KV und Ärztekammer). In anderen Bundesländern gibt es zum Teil ähnliche Programme.
Aus meinem Studium weiss ich, dass es verschiedene Arten gibt, seine HAusarztpraxis zu führen. Habe sowohl den eher langweiligen Routinebetrieb mit Husten Schnupfen etc kennengelernt, als auch den sehr vielschichtigen Allrounder. Von daher kann ich Dir nur raten, mehrere Betriebe anzusehen.

LasseReinböng
30.01.2013, 13:43
So schlecht finde ich die Allgemeinmedizin nicht. Wo der Allgemeinmediziner Husten und Schnupfen kuriert, hat der niedergelassene Pneumologe eben Tag ein Tag aus seine Asthma-bronchiale- und COPD-Patienten. Beim Orthopäden rennen die Rücken-Leute rum, beim Psychiater die ausgeburnten Lehrerinnen mit lila Halstuch. Alltag gibts überall. :-)

Jeru
07.11.2015, 06:58
Hallo
Und wie hast du dich entschieden? Bist du jetzt in der Allgemeinmedizin tätig?