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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Natürlicher vs. unnatürlicher Tod



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*dasQ*
15.03.2013, 17:29
Ein Patient wird in einer inneren onkologischen Station stationär aufgenommen zur Diagnostik und Therapie eines in kurzer Zeit stark angewachsenen Lymphknotens am Hals. Für die kommenden Tage ist nähere Diagnostik geplant. Mittags betritt die Schwester das Zimmer und findet den Patienten tot im Bett vor. Die Reanimation bleibt erfolglos.

Der Grund für den plötzlichen und unerwarteten Tod ist den Ärzten nicht bekannt, möglich wäre Atembehinderung durch Kompression der Luftröhre durch den Tumor.

In einem Gespräch mit der Ehefrau wünscht diese, dass keine Obduktion des Patienten vorgenommen werde, sie wolle ihn in Ruhe gehen lassen, habe er schon genug unter einer weiteren tumorösen Erkrankung gelitten und viel mitmachen müssen.

Im Totenschein bestätigt die Stationsärztin: natürlicher Tod.




Wie ist das rechtlich gesehen? Eigentlich handelt es sich ja um einen unnatürlichen Tod, da man den Tod nicht kausal mit einer bestimmten Krankheit in Verbindung bringen kann. Ist es gerechtfertigt, auf Wunsch von Angehörigen den natürlichen Tod anzugeben, um eine solche Obduktion zu verhindern???

Vielen Dank schonmal =)

Liebe Grüße vom Q =)

dreamchaser
15.03.2013, 17:38
Ein nicht-natürlicher Tod ist ein Tod durch Unfall, Suizid, Fremdeinwirkung, medizinische Eingriffe. Wenn dieser Patient keinen medizinischen Eingriff hatte, mit dem man den Tod in Zusammenhang bringen kann, keinen Unfall (z.B. Bolustod beim Essen, im Krankenhaus ist ein Verkehrsunfall ja eher unwahrscheinlich), niemand ein falsches Medikament gegeben hat oder ein Messer in ihn unerlaubt reingesteckt hat, dann ist er eines natürlichen Todes gestorben. Auch wenn die genaue Ursache nicht klar ist. Für die Klärung der Ursache wäre dann eben die Obduktion da (die aber bei einem natürlichen Tod der Zustimmung der Angehörigen bedarf). Der natürliche Tod wurde also wohl nicht auf Wunsch der Angehörigen angegeben, sondern eben sicherlich den Tatsachen entsprechend. Es wurde eben vermerkt, dass keine Obduktion gewünscht ist, wie es eben üblich ist - dadurch wird keine Obduktion verhindert, sie wird einfach nicht gemacht, weil die Angehörigen es nicht wünschen.

*dasQ*
15.03.2013, 17:39
aber eine Fremdeinwirkung beispielsweise kann zum Todeszeitpunkt ja nicht ausgeschlossen werden und keiner weiß genau, weshalb der Patient (unerwarteterweise) verstorben ist. Muss man deshalb nicht einen unnatürlichen Tod annehmen?

dreamchaser
15.03.2013, 17:42
Dafür wird ja die ärztliche Leichenschau durchgeführt, bei der man nach Zeichen für einen nicht-natürlichen Tod sucht. Und hierfür kann man dann eben (zumindest in manchen Bundesländern) "ungeklärt ob natürlich oder unnatürlich" ankreuzen - dann entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob obduziert wird oder nicht.

*dasQ*
15.03.2013, 17:47
dann wäre das Kreuz wohl an dieser Stelle zu setzen gewesen, anstatt natürlich!?

MissGarfield83
15.03.2013, 17:55
Es ist halt ein gewisser Ermessensspielraum dabei - wenn die Krankheitsgeschichte kongruent ist, ich bei der Leichenschau auch nichts finde was auf eine nicht natürliche Todesursache schließen lässt, sich kein weiteres Verdachtsmoment ergibt, dann hätte ich in dem Fall auch einen natürlichen Tod bescheinigt. Bei vorangegangener Tumorerkrankung lässt sich durchaus auf z.b. eine LAE als Todesursache schließen.

Evil
15.03.2013, 18:02
Wie ist das rechtlich gesehen? Eigentlich handelt es sich ja um einen unnatürlichen Tod, da man den Tod nicht kausal mit einer bestimmten Krankheit in Verbindung bringen kann. Ist es gerechtfertigt, auf Wunsch von Angehörigen den natürlichen Tod anzugeben, um eine solche Obduktion zu verhindern???
Rechtlich nicht.
Vom ethischen Standpunkt her kann man darüber lange diskutieren. Wenn Patient (zu Lebzeiten) und Angehörige einer Obduktion ablehnend gegenüberstehen, ist halt die Frage, was höher wiegt: die genaue Ursachenklärungen oder die Totenruhe. Hängt sicher auch davon ab, ob unter den Umständen ein Gewaltverbrechen überhaupt möglich oder wahrscheinlich ist.

*dasQ*
15.03.2013, 18:06
alles nich so einfach :-)

Brutus
15.03.2013, 18:48
Vom ethischen Standpunkt her kann man darüber lange diskutieren. Wenn Patient (zu Lebzeiten) und Angehörige einer Obduktion ablehnend gegenüberstehen, ist halt die Frage, was höher wiegt: die genaue Ursachenklärungen oder die Totenruhe. Hängt sicher auch davon ab, ob unter den Umständen ein Gewaltverbrechen überhaupt möglich oder wahrscheinlich ist.
Vielleicht sollte man die pathologische und die rechtsmedizinische Obduktion voneinander trennen. Der Patient IM KH unterschreibt ja in der Regel mit dem Aufnahmevertrag, dass er im Fall seines Todes mit einer Obduktion einverstanden ist, um die Todesursache zu klären. Geht es also NUR darum, dass man aus akademischem Zwecke die Todesursache wissen will, dann kann man m.E. schon den Angehörigen nachgeben...
Wenn es sich um eine ungeklärte / unnatürliche Todesursache handelt, dann haben die Angehörigen keine Wahlmöglichkeit, da hier ein höheres Rechtsgut im Vordergrund steht.
In dem hier vorliegenden Fall kann man m.E. schon einen natürlichen Tod NACH vollständiger Leichenschau OHNE Zeichen einer Fremdverschuldung bescheinigen.
:-meinung

Relaxometrie
15.03.2013, 19:18
Ist es gerechtfertigt, auf Wunsch von Angehörigen den natürlichen Tod anzugeben, um eine solche Obduktion zu verhindern???
Nein, ist es nicht.
Insbesondere dann nicht, wenn der Arzt, der den Totenschein ausfüllt, den Patienten und dessen familiäres Umfeld nicht kennt.

mainzer
27.03.2013, 09:26
weiteres beispiel, bei dem man schnell auf die nase fallen kann...
patient wird bei femur-fraktur (sturz) stationär chirurgisch aufgenommen, operiert und erleidet im stationären verlauf eine lae...anzukreuzen wäre rechtlich richtig "unnatürlicher tod", bzw. "todesursache ungeklärt", da er ja beim primären ereignis auch "gefallen worden" sein könnte.. ;-)....wissen viele nicht..

daher beschränke ich mich im notarztdienst auf immer auf vorläufige l-scheine....für 30€ tue ich mir keinen stress an, zumal man die patienten noch weniger kennt, als seine patienten auf station...

Relaxometrie
27.03.2013, 09:45
anzukreuzen wäre rechtlich richtig "unnatürlicher tod", bzw. "todesursache ungeklärt", da er ja beim primären ereignis auch "gefallen worden" sein könnte.. ;-)....wissen viele nicht..
Da am Anfang der Kausalkette ein Unfall steht, ist auch der unnatürliche Tod anzukreuen, wenn der Patient alleine gestürzt ist, also nicht "gefallen worden" ist. Von daher ist die Überlegung, ob gefallen, oder "gefallen worden", unerheblich.

Brutus
27.03.2013, 09:52
patient wird bei femur-fraktur (sturz) stationär chirurgisch aufgenommen, operiert und erleidet im stationären verlauf eine lae...anzukreuzen wäre rechtlich richtig "unnatürlicher tod", bzw. "todesursache ungeklärt", da er ja beim primären ereignis auch "gefallen worden" sein könnte.. ;-)....wissen viele nicht..
Es gibt einen mittlerweile emiritierten Professor für Rechtsmedizin in NRW, der tingelt immer noch durch die Lande und verkündet, dass JEDER im KH verstorbene Patient einen unnatürlichen Tod erlitten hat! Wenn man will, wird man IMMER einen Grund für zumindest eine nicht geklärte Ursache finden.
:-meinung
Die Situation oben dürfte ja mittels der Anamnese schnell geklärt werden können, sollte am besten sogar bei der Aufnahme dokumentiert sein.
Manchmal sollte man die Kirche aber auch im Dorf lassen. Ich kann mich an BAA erinnern, die nach ein paar Tagen ITS verstorben sind, wo ernsthaft diskutiert wurde, eine unnatürliche Todesursache zu kreuzen, weil ja eine OP stattgefunden hat!


daher beschränke ich mich im notarztdienst auf immer auf vorläufige l-scheine....für 30€ tue ich mir keinen stress an, zumal man die patienten noch weniger kennt, als seine patienten auf station...
Das ist ja auch legitim. Bei unbekannten Patienten mache ich das i.d.R. auch, es sei denn, da liegt die 104j Patientin in ihrem Bett und es liegen keine Anzeichen für ein fremdverschulden vor. Oder die Krankenakte ist vor Ort und die Kausalkette ist nachvollziehbar.

FirebirdUSA
27.03.2013, 16:08
Die Situation oben dürfte ja mittels der Anamnese schnell geklärt werden können, sollte am besten sogar bei der Aufnahme dokumentiert sein.
Das ist doch völlig egal! Es war ein Sturz am Anfang der Kausalkette und damit per se ein unnatürlicher Tod. Die Polizei wird so einen Fall natürlich i.d.R. relativ schnell einstellen.



Manchmal sollte man die Kirche aber auch im Dorf lassen. Ich kann mich an BAA erinnern, die nach ein paar Tagen ITS verstorben sind, wo ernsthaft diskutiert wurde, eine unnatürliche Todesursache zu kreuzen, weil ja eine OP stattgefunden hat!

Das kann man jetzt so oder so sehen... eigentlich geht es ja auch darum mögliche Fehler in der Behandlung ggf. zu finden bei denen ein Patient ggf. überlebt hätte.
Das es natürlich wenig Sinn macht jeden auf Station verstorbenen finalen Tumorpatienten als unnatürlich zu definieren ist aber klar.

Lava
27.03.2013, 17:21
Die Frage ist, wie weit darf der Sturz, also der Unfall, zurück liegen? Neulich ist bei uns ein sehr alter, sehr kranker Mann friedlich im Schlaf gestorben. Mein leitender OA meinte, ich müsse trotzdem die Kripo informieren, DENN er sei ja vor 2 Jahre gestürzt, hat damals einen Fixateur interne bekommen, dann vor einigen Wochen eine Metallentfernung und war jetzt wieder stationär wegen einer Wundheilungsstörung.... MEIN GOTT, man kanns auch übertreiben! Der Mann war einfach mal alt und krank! Ich hätte ihn damals, vor einigen Wochen, am besten gar nicht aufgenommen, sondern wieder zurück nachhause geschickt, dann wär er wahrscheinlich dort schon in Ruhe gestorben. Aber nee, ich hab mich nicht getraut, den Hutzelopa mit Leukos und CRP heimzuschicken.... :-nix

SuperSonic
27.03.2013, 17:41
Es gibt keine zeitliche Beschränkung für die Kausalkette.
Ich zitiere aus dem AllEx: "Spättodesfolgen nach Traumata und Todesfälle im Zusammenhang mit ärztlichen Eingriffen gehören zur Gruppe 'nichtnatürlicher Tod'!"

Das mag im von dir genannten Fall übertrieben erscheinen, ist aber die einzig korrekte Vorgehensweise...

Brutus
27.03.2013, 18:00
^^ Ähhm, ja. Dann sollten wir aber konsequenter Weise das Feld "natürlicher Tod" abschaffen und wie o.g. Professor gefordert am besten IMMER (auch im häuslichen Umfeld) einen ungeklärten Tod ankreuzen! Wenn ich mich heute saftig auf den Bart lege, operiert werde, und in 15 Jahren an einer LAE versterbe... WER will denn nachweisen, dass die nicht ursächlich auf den Sturz zurückgeht???
Und wenn jetzt jemand sagt: "Naja, 15 Jahre...." Wo wollen wir denn die Grenze setzen, bis zu dem der Tod ungeklärt und ab dem er dann natürlich sein sollte?

Und zum Schluß noch ein sehr weiser Spruch eines Kollegen: "Weißt Du, sie sterben nicht, weil sie gefallen sind... Sie fallen, weil sie sterben!"

Leelaacoo
27.03.2013, 18:31
So gesehen können alle mit Sectio geborenen ja nie natürlich sterben....:-D Da sag mal einer, die Hebamme war nimmer schuld...

LG Lee

WackenDoc
27.03.2013, 18:39
@Lava: Die Frage ist, ob die Todesursache mit der Wundheildungsstörung in Zusammenhang steht: Also wenn er so oder so gestorben wäre, dann wohl eher natürlich.
Wenn er an ner LAE gestorben ist, die er bekommen hat, weil er aufgrund der Wundheilungsstörung bettlägrig war, dann isses eher unnatürlich.
Im Zweifel halt ungeklärt.

Ich find es übrigens auch doof, dass es da wo ich fahre keine vorläufigen Totenscheine gibt. Wir müssen immer gleich die richtigen ausfüllen. Naja- bisher hab ich "natürlich" angekreuzt, wenn der Tod "schlüssig" war (alter, kranker Patient, auch wenn das Pflegepersonal im Altersheim denjenigen um die Ecke gebracht haben könnte). Zum Glück hatte ich bisher noch nicht so viele, wo ich alleine entscheiden musste.

Ich tu mich bei alten Leuten, dafür dann immer schwer, was die Todesursache angeht. Erst recht, wenn die vorher nicht präfinal waren.
Herzkreislaufstillstand als Folge von hohem Alter als Folge von Geburt am... (so 80-90 Jahre zuvor) kann man ja schlecht schreiben.

Leelaacoo
27.03.2013, 19:45
Na ja, so gesehen ist die Todesursache per se immer die Geburt...ohne gibts die Kausalkette nicht...

(aber das ist natürlich nur gesponnen...ich mach das situationsabhängig und vernunftgesteuert, wie wohl jeder im KH. Sonst kann man der Kripo ja gleich ein eigenes Zimmer auf Station einrichten)