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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Was ist der Facharzttitel wert?



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Lava
24.03.2013, 17:04
Was denkt ihr, bedeutet ein Facharzttitel in eurer Fachrichtung? Eigentlich ermächtigt er ja zur Niederlassung (oder?). Man sollte also meinen, es steckt eine Menge Wissen und Fertigkeiten dahinter. Je näher ich allerdings dem Facharzt komme, umso mehr zweifle ich daran, dass ich damit fit für eigenständiges Arbeiten bin. Bei uns (Unfall/Ortho) sind in den letzten Jahren zwei erfahrene Oberärzte gegangen und dafür 3 junge Oberärzte gekommen. Der eine ist jetzt seit etwas vielleicht zwei Jahren Facharzt, die anderen beiden etwas länger. Trotzdem merkt man extrem, wie sehr es ihnen an Erfahrung fehlt. Und irgendwie ist das ja auch logisch: der OP Katalog, den man erfüllen muss, ist ein Witz. Selbst wenn ich alles, was da drin steht, auch tatsächlich selbst gemacht habe, heißt das irgendwie noch gar nichts. Es fehlt auch nicht nur Erfahrung im OP, sondern auch bei Therapieentscheidungen. Speziell einen OA bei uns traue ich mich kaum noch was zu fragen, weils am Ende ja doch oft falsch ist, ich den Patienten anrufen und wieder alles umschmeißen muss... Wann ist man denn wirklich fit? Ist das in nichtoperativen Fächern vielleicht einfacher als in der Chirurgie?

stennadolny
24.03.2013, 17:14
Das ist primär ein deutsches Problem, weil man hier a) nach dem Studienende keine verpflichtende praktische Breitbandausbildung wie etwa in Schweden oder UK oder (de facto) Österreich machen muß, um die Appro zu kriegen.
Und b) weil in D die Facharztausbildung einfach keine ist. Interessiert keinen (Äk, Chefs, Klinikmanagement), wird von Chefärzten mittels Scheinen "gewährt" usw..

Dumm dann nur, wenn die Ehemaligen nicht mehr (als Niedergelassene) oder nur den allergrößten Schotter zuweisen, der maximal wenig Ertrag bei maximalem Aufwand (Hähä !) bringt. Alles schon erlebt.

Häufig reine Spiegelfechterei bzw. Vorwand, damit die Kliniken billiges und williges Jungfleisch als Systemerhalter bekommen. Warum wohl gehen soviele Ösis rasch wieder weg aus dem Land mit ach so flächendeckend zu habenden FA-"Ausbildungs"stellen ? Warum ist die Abwanderung von Ärzten aus D ungebrochen, sogar laut Bundesärztekammer ?

Es geht bloß darum, möglichst geschmeidig an die Scheine zu kommen und die dann meist im internationalen Vergleich eher leichte (mündliche) Facharztprüfung zu absolvieren.

Ab dann "ist man wer".

In Österreich, sagen mir meine Gewährsleute, vermeidet man es zwischenzeitlich, deutsche Facharztabschlüsse einzustellen (auch als Chefarzt), es sei denn, es läßt sich überhaupt nicht vermeiden (= kein Ösi geht dahin).

Wie in der Schweiz ! :-))

In der Psychiatrie ist es so: Wer den FA in der Mindestzeit hat, hat vll. theoretisch (wenn überhaupt) etwas drauf, aber ich würde mich niemals von so jemandem behandeln lassen. Die werden allerdings dann dummerweise OÄ und CÄ, ohne etwas dazuzulernen.

In die Niederlassung geht kein Psychiater, den ich kenne, ohne jahrelanges Angestelltendasein.

Brutus
24.03.2013, 18:45
Das ist primär ein deutsches Problem, weil man hier a) nach dem Studienende keine verpflichtende praktische Breitbandausbildung wie etwa in Schweden oder UK oder (de facto) Österreich machen muß, um die Appro zu kriegen.
Und b) weil in D die Facharztausbildung einfach keine ist. Interessiert keinen (Äk, Chefs, Klinikmanagement), wird von Chefärzten mittels Scheinen "gewährt" usw..
Also das ^^ kann ich jetzt so überhaupt nicht nachvollziehen! Wenn das alles soooo uninteressant wäre, wieso zicken die ÄK dann so rum bei den Nachweisen? Und welche Scheine gewähren CÄ? Habe ich was verpasst? Oder ist das nur in der Psychiatrie so? :-))


Häufig reine Spiegelfechterei bzw. Vorwand, damit die Kliniken billiges und williges Jungfleisch als Systemerhalter bekommen. Warum wohl gehen soviele Ösis rasch wieder weg aus dem Land mit ach so flächendeckend zu habenden FA-"Ausbildungs"stellen ? Warum ist die Abwanderung von Ärzten aus D ungebrochen, sogar laut Bundesärztekammer ?
Also die Abwanderung der Assistenten und FÄ (!) aus Deutschland mit der FA-Anerkennung zu erklären geht wohl am Thema "etwas" vorbei, meinste nicht? Das wird wohl "auch" an evtl. besseren Arbeitsbedingungen / Bezahlung liegen...


Es geht bloß darum, möglichst geschmeidig an die Scheine zu kommen und die dann meist im internationalen Vergleich eher leichte (mündliche) Facharztprüfung zu absolvieren.
Also ich weiß ja nun wirklich nicht, wie es in der Psychiatrie ist, aber ICH habe keine Scheine von meinem CA bekommen, mit denen ich mich bei der ÄK angemeldet habe. Meine Zeiten habe ich mir erarbeitet. Und das alle FA-Prüfungen im internationalen Vergleich als "leicht" abzuwerten, finde ich gelinde gesagt frech!


Ab dann "ist man wer".
Nee, man ist auch schon vorher wer!


In Österreich, sagen mir meine Gewährsleute, vermeidet man es zwischenzeitlich, deutsche Facharztabschlüsse einzustellen (auch als Chefarzt), es sei denn, es läßt sich überhaupt nicht vermeiden (= kein Ösi geht dahin).
Quellen?
Also meine Quelle ist gerade als OA nach Österreich gegangen. Und dort werden seine Abschlüsse sehr wohl anerkannt.


Wie in der Schweiz ! :-))
Auch dazu habe ich durchaus entgegengesetze Beispiele...


In der Psychiatrie ist es so: Wer den FA in der Mindestzeit hat, hat vll. theoretisch (wenn überhaupt) etwas drauf, aber ich würde mich niemals von so jemandem behandeln lassen. Die werden allerdings dann dummerweise OÄ und CÄ, ohne etwas dazuzulernen.
Also dann breche ich mal eine Lanze für "meine" Frischfacharztkollegen! Von den meisten würde ICH mir jederzeit eine notwendige Narkose machen lassen (übrigens auch von den meisten WBA, die ich im Laufe der Zeit kennengelernt habe).
Aber vielleicht ist da die Psychiatrie auch etwas anderes... :-nix

MissGarfield83
24.03.2013, 19:06
@lava : Auch wenn ich noch im Studium bin kann ich deine Kritik am FA für Ortho/Unfall durchaus nachvollziehen. Ich war letztes Jahr in einer interessanten Sitzung auf dem DKOU in der es um den Generalisten vs. den Spezialisten ging und in der Diskussion die anwesenden CAs durchaus nachvollziehbar der Meinung waren, dass man zwar mit dem FA alles darf, aber nichts so richtig kann und der spezielle Unfallchirurg bzw der spezielle Orthopäde für eine umfassende Ausbildung eher obligat wäre. Den Planungen für das Curriculum des neuen FA traue ich auch nicht so recht über den Weg, da die Eingriffszahlen ja durchaus noch mehr reduziert werden sollen. Was ist er dann noch wert?

EKT
24.03.2013, 20:08
Zumindest in der Psychiatrie ist es so, daß man den FA hinterher geschmissen bekommt.

Das hat zur Folge, daß man ca. 90% der Fachärzte für Psychiatrie/Psychotherapie in die Tonne kloppen und keinem Patienten empfehlen kann. Gruselig ist es, wenn solche Typen zu Ober- und Chefärzten gemacht werden (bzw. sich selbst dazu machen!). Patienten denken ja immer noch: je höher der Rang, desto mehr Expertise ist vorhanden.

Kackbratze
24.03.2013, 22:01
Die neue Unterteilung der Viszeralchirurgie in "allgemein" und "speziell" ist eine Farce. Der allgemeine VCH ist von den Zahlen her peinlich, wenn man tatsächlich eine Karriere in dem Fach anstrebt, ist der spezielle FA Pflicht.

Vermutlich ist das Ziel eher den "neuen" allgemeinen Chirurgen zu schaffen, d.h. "allgemeine VH" + "allgemeine UCH" = OA im Haus der Grund- und Regelversorgung

Also das, was früher der "echte" Chirurg (im Sinne der FA-Ausbildung") abgedeckt haben sollte.

LasseReinböng
25.03.2013, 11:51
War es nicht immer schon so, daß man als Orthopäde/Urologe/HNOler usw. nur ein relativ eingeschränktes operatives Repertoire drauf hatte, wenn man sich direkt nach dem FA niederließ ?

Zünder
25.03.2013, 11:57
Für den Orthopäden reicht es ja, auch wenn das OP Repertoire nicht sonderlich groß ist. Auch wenn man nur Kreuzbänder und TEP´s kann, ist das trotzdem noch sehr einträglich.

Lava
25.03.2013, 14:03
Im niedergelassenen Bereich hast du dann aber viel mit konservativer Orthopädie zu tun und das sind Sachen, die man im Krankenhaus in der Facharztausbildung echt selten lernen kann.

Wie auch immer. Es ging mir auch weniger um die Frage nach Niederlassung, sondern mehr darum, wann man denn im Krankenhaus wirklich oberarztfähig ist!

Miyu
25.03.2013, 14:09
Für den Orthopäden reicht es ja, auch wenn das OP Repertoire nicht sonderlich groß ist. Auch wenn man nur Kreuzbänder und TEP´s kann, ist das trotzdem noch sehr einträglich.

"Nur".

Zünder
25.03.2013, 14:19
Du wird mir doch zustimmen, dass das tatsächlich nur ein kleiner Teil des Spektrums der orthopädischen Chirurgie ist, hmm? Oder noch nicht mehr gesehen?

LasseReinböng
25.03.2013, 14:21
Für den Orthopäden reicht es ja, auch wenn das OP Repertoire nicht sonderlich groß ist. Auch wenn man nur Kreuzbänder und TEP´s kann, ist das trotzdem noch sehr einträglich.


"Nur".

Ich glaube ja eher daß der Assi an solche Eingriffe erst kurz vor dem FA rankommt, wenn überhaupt...

Zünder
25.03.2013, 14:26
Das war in meinen Famu bzw. PeeJay Häusern nicht so.

Lava
25.03.2013, 14:35
Ich bitte darum, hier nicht über die Facharztausbildung zum Unfallchirurgen/Orthopäden zu diskutieren. :-(

Miyu
25.03.2013, 14:52
geaendert.

Giant0777
25.03.2013, 18:31
In meiner Klinik (Chirurgie) laufen die frischen Fachärzte noch ein, zwei Jahre mit wie wir Assistenten. In dieser Zeit operieren sie aber dann doch schon recht große Sachen und dann machen sie auch schon schnell Hintergrunddienste. Netto kommen dann also etwa 10 Jahre zusammen, bis sie ( wenn die Stellen es hergeben ) Oberarzt werden. Ich persönlich finde diesen Zeitraum auch völlig in Ordnung. Also führt zumindest bei uns die Facharztreife nicht automatisch zur Oberarztbefähigung.
Persönlich habe ich den Eindruck, dass man als frischer Facharzt doch eine gewisse Reputation besitzt. Auf der anderen Seite sind wir auch kein universitäres Haus mit 20 Oberärzten, vielleicht macht das ja auch noch einen "gewissen" Unterschied aus.
Die Fachärzte, die ich im Studium an der Uni kennen gelernt habe, waren allerdings auch nicht viel mehr wert, als ein Assi im 3.Jahr :-nix

Brutus
26.03.2013, 08:27
Was denkt ihr, bedeutet ein Facharzttitel in eurer Fachrichtung? Eigentlich ermächtigt er ja zur Niederlassung (oder?).
Vielleicht mal grundsätzlich: mit der Facharztanerkenntnis kannst Du Dich niederlassen. Aber zuerst einmal heißt die Facharztanerkennung, dass Du von dem Moment an EIGENSTÄNDIG arbeiten darfst! Als WBA darfst Du unter Anleitung eines FA arbeiten. Das ändert sich mit dem FA. Bei uns war es so, dass ich morgens erst anfangen durfte, wenn der erste FA im OP eingetroffen war. Selbst wenn das hieß, dass der Patient zwar schon in der Einleitung stand, ich fertig dahinter, angefangen wurde erst dann!


Man sollte also meinen, es steckt eine Menge Wissen und Fertigkeiten dahinter. Je näher ich allerdings dem Facharzt komme, umso mehr zweifle ich daran, dass ich damit fit für eigenständiges Arbeiten bin. Bei uns (Unfall/Ortho) sind in den letzten Jahren zwei erfahrene Oberärzte gegangen und dafür 3 junge Oberärzte gekommen. Der eine ist jetzt seit etwas vielleicht zwei Jahren Facharzt, die anderen beiden etwas länger. Trotzdem merkt man extrem, wie sehr es ihnen an Erfahrung fehlt.
Erst mal spricht es für Dich, dass Du Zweifel hast! Die Frage ist halt, berechtigte Zweifel, oder fängst Du nur das Grübeln an, weil bald eben die eigene Verantwortung kommt? Ich hatte das schon mal irgendwo hier gepostet, aber ich finde, man kann es auch ein paar mal machen:
* die berechtigte Unsicherheit (am Anfang)
* die unberechtigte Sicherheit (nach 1-3 Jahren)
* die berechtigte Sicherheit (kurz vor dem Facharzt)
* die unberechtigte Unsicherheit (etwas nach dem Facharzt, wo du anfängst zu grübeln)
* die berechtigte Sicherheit.
Und was Du mit den OÄ beschreibst, passt ja auch ganz gut in das Schema. Die "Alten" haben eben die Erfahrung und damit die berechigte Sicherheit, die die jüngeren evtl. auch haben (können), sich aber eben Gedanken machen, ob sie wirklich diese Sicherheit haben...


Und irgendwie ist das ja auch logisch: der OP Katalog, den man erfüllen muss, ist ein Witz. Selbst wenn ich alles, was da drin steht, auch tatsächlich selbst gemacht habe, heißt das irgendwie noch gar nichts. Es fehlt auch nicht nur Erfahrung im OP, sondern auch bei Therapieentscheidungen. Speziell einen OA bei uns traue ich mich kaum noch was zu fragen, weils am Ende ja doch oft falsch ist, ich den Patienten anrufen und wieder alles umschmeißen muss... Wann ist man denn wirklich fit? Ist das in nichtoperativen Fächern vielleicht einfacher als in der Chirurgie?
Glaube ich nicht. Denn die Entscheidungen müssen ja auch in konservativen Fächern getroffen werden. Das Problem ist halt, wie Du schon sagst, dass immer mehr zusammengestrichen wird, eigentlich "zusammenhängende" Dinge gestückelt werden, um wieder einen "neuen" Superfacharzt zu erfinden. Und letztendlich bleiben nur noch superspezialisierte Leute übrig, die nur noch ein Körperteil / Organ / etc. können... Und dann wird es natürlich immer schwieriger, eine Entscheidung zu treffen, die mal den "ganzen" Patienten betrifft...

Sebastian1
26.03.2013, 08:59
Ich denke, neben dem, was Brutus sehr zutreffend schreibt, ist der Facharzt ja auch nicht der Moment der ultiomativen Erleuchtung. Für mich bedeutet es (dann hoffentlich bald mal ;), dass ich hinreichend Expertise habe, um einschätzen zu können, was ein Patient benötigt - und ob er es von mir bekommen kann oder ich jemanden brauche, der sich damit auskennt :-)). Es bedeutet hingegen NICHT, dass ich alles, was mein Fachgebiet zu bieten hat, perfekt beherrsche.

Evil
26.03.2013, 09:22
Es spricht ja auch nichts dagegen, die Weiterbildungszeit ein wenig zu verlängern, um zusätzliche Erfahrungen zu sammeln und das eigene Spektrum und damit die Sicherheit zu erweitern, so wie z. B. Kackbratze oder ich es getan haben. Man darf dann halt nicht knapp kalkulieren à "ich muß schnellstmöglich diese oder jene Praxis übernehmen".

Lava
26.03.2013, 12:52
Ich habe ein bisschen den Eindruck, als würde von unseren Oberärzten erwartet, dass sie das alles schon irgendwie machen. OK, im OP wird schon darauf geachtet, dass jeder nur das operiert, was er auch wirklich kann. Bei größeren Sachen assistieren die Jungoberärzte erstmal und dürfen dann später selbst operieren, während ein erfahrener OA assistiert. Im Dienst, in der Notaufnahme, bei der Stationsbetreuung oder in der Sprechstunde sind sie aber schon ziemlich auf sich gestellt. Und da gibt es eben die Typen, die beim Chef oder einem der anderen OÄ nachfragen - es gibt aber auch die, die einfach irgendwas machen und entscheiden... wo selbst ich erkenne, dass das jetzt vielleicht nicht so klug ist. Ihr habt recht, ein bisschen hab ich Bammel davor, irgendwann mit dem Titel dazustehen und mich hilflos zu fühlen. Ich fände es auch wichtig, dass man als Facharzt erstmal noch weiter lernen kann (vor allem im OP), ohne gleich die Verantwortung eines Oberarztes zu tragen. In meiner Abteilung gibt es halt keine Fachärzte unter den Assistenten, daher weiß ich nicht, ob sich deren Aufgabenbereich von meinem unterscheiden würde. Im April kommt ein Kollege aus einer Rotation zurück, der bald facharztreif ist. Mal sehen, wie es dem so ergeht. Als FA genau die gleiche Schei*e wie jetzt zu machen als WB-Assi, darauf hätte ich nämlich keinen Bock.