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][truba][
02.04.2013, 11:24
Hallo,

hatte in diesem Semester viel mit diesem Thema zu tun und mich dazu entschlossen in den Ferien für jedes Familenmitglied eine zu erstellen. Nun sitze ich hier an meinem Laptop und muss feststellen, das es ziemlich schwer ist. Noch dazu hab ich immer im Ohr das die Medien sagen "Vordrucke" und die Kollegen meistens "Vordrucke sind blöd". Nun hab ich hier ein paar Textbausteine aus dem Internet, die Vorstellungen meiner Familie (erstmal grob) und weiß gar nicht wie es angehen soll. Noch dazu hab ich bisher keine "richtige" Patientenverfügung gelesen.

Könnt Ihr mir kurz darlegen was ihr wichtig findet, was unbedingt drin stehen muss und was man sich sparen kann? Ich hoffe auf ein paar hilfreiche Antworten.

Vielen Dank!

LG Thomas

WackenDoc
02.04.2013, 11:49
Ich hab erst vor 2 Wochen einen Patientenverfügung von einem Patienten gesehen, weil ich ihn dazu beraten sollte.
Hatte er aus dem Internet.
Dabei waren jeweils verschiedene Möglichkeiten vorgegeben und der Patient musste nur noch ankreuzen, was er denn will und ggf. noch Sonderwünsche handschriftlich ergänzen.

Das war fein säuberlich aufgedröselt, in welchen Situtationen das Ganze überhaupt gelten sollte und dann jede Maßnahme einzeln. Also von Beatmung über Ernährung über Flüssigkeit bis zur Antibiotikagabe.
Am Ende war noch nen Passus, welcher Angehörige bei der Entscheidung zu Rate gezogen werden soll und noch nen Absatz, wo der Patient die Verfügung jeweils aktualisieren konnte.

Ich weiss aber nicht mehr wo genau er das her hatte.

Ich fand das ganz gut, weil das nicht so nen kompletter Pauschaltext war, sondern sich der Patient mit jedem Aspekt einzeln befassen musste.

Letztendlich muss für den Arzt der am Ende entscheidet ersichtlich sein, ob die Situation, in der sich der Patient befindet, die Situation ist, die der Patient gemeint hat, als er die Verfügung unterschrieben hat.

Evil
02.04.2013, 15:21
Einige Ärztekammern bieten da einen Leitfaden zur Erstellung an:

http://www.aekwl.de/fileadmin/medizin_und_gesundheit/doc/Patientenverfügung_2012_internet.pdf

Schädelspalter
02.04.2013, 15:22
Am Ende war noch nen Passus, welcher Angehörige bei der Entscheidung zu Rate gezogen werden soll

Das geht Richtung Vorsorgevollmacht und ist auf jeden Fall eine sehr sinnvolle Sache, so können auch Personen, die familiär etwas größeren Abstand haben, jedoch aus anderen Gründen die Interessen des Patienten vertreten sollen (wie in deinem Fall ... da angehender Mediziner), mit ins Boot geholt werden.

Problem ist ja häufig, dass der Patient sehr kategorische Ansichten "nie an Maschinen angeschlossen werden" hat, Patientenverfügungen sich oft in versch. Spezialfälle verrennen und unter Umständen beides nicht wirklich passt.

Daher finde ich die Patientenverfügung in Kombination mit einer Vorsorgevollmacht den besten Weg, hier kann halt der Bevollmächtigte bei Zweifelsfällen gemäß dem mutmaßlichen (und hoffentlich gemeinsam anhand Gesprächen und den Situationsbeschreibungen in der PV erarbeitetem) Willen handeln, auch wenn für die spezielle Situation die PV nicht 100% passend ist.

dreamchaser
02.04.2013, 17:43
Ich habe eine Patientenverfügung für mich selbst geschrieben, welche auf Familienmitglieder übernommen haben. Habe mir hierfür eine Vorlage aus dem Internet genommen und einige spezifische Dinge eingefügt.
Habe eine Musterversion, die ich hier gerne zur Verfügung stellen kann - der Text ist jedoch sehr lang.

Lizard
02.04.2013, 19:55
Oh, da wäre ich durchaus dran interessiert. Ich versuche schon seit Ewigkeiten eine PV für mich zu erstellen. So einfach ist das aber gar nicht. Im KH höre ich öfter sinngemäß:"Ja der Herr XY hat zwar eine Patientenverfügung, die aber diesem speziellen Fall nicht greift."
Alle Eventualitäten kann man aber auch schlecht einbringen. :-nix

abcd
02.04.2013, 19:56
Auf der Seite der Bundesärztekammer gibt es Links zu Musterformularen und weitere Informationen.
http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=2.60.1769

dreamchaser
02.04.2013, 20:06
So, hier mal mein Text...freue mich auf Diskussion und weitere Vorschläge (ach ja: das Ganze wurde geprägt durch meine Intensivzeit und natürlich darf jeder die Dinge für sich selbst anders sehen und niederschreiben).

PATIENTENVERFÜGUNG

Ich, xxx, geboren am xx in xxx, bestimme hiermit für den Fall, dass ich meinen Willen nicht mehr bilden oder verständlich äußern kann, folgende Vorgehensweise.

Situationen, für die die Verfügung gelten soll

Dies gilt für den Fall, dass ich
- mich unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozess befinde
- mich im Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit befinde, selbst wenn der Todeszeitpunkt noch nicht absehbar ist
- infolge einer Gehirnschädigung meine Fähigkeiten, Einsichten zu gewinnen, Entscheidungen zu treffen und mit anderen Menschen in Kontakt zu treten nicht mehr möglich sein wird, selbst wenn der Todeszeitpunkt noch nicht absehbar ist. Dies gilt für eine direkte Gehirnschädigung, z.B. durch einen Unfall, einen Schlaganfall oder durch eine Entzündung ebenso wie für eine indirekte Gehirnschädigung, z.B. nach Reanimation, Schock oder Lungenversagen/Multiorganversagen. Es ist mir bewusst, dass in solchen Situationen die Fähigkeit zu Empfindungen erhalten sein kann und dass ein Aufwachen aus diesem Zustand nicht ganz auszuschließen, aber unwahrscheinlich ist. Nach Abwägung mit den behandelnden Ärzten kann überlegt werden, ob durch eine Rehabilitation eine deutliche Verbesserung des Zustandes möglich ist und hiernach erneut entschieden werden.
- Infolge eines weit fortgeschrittenen Hirnabbauprozesses (z.B. Demenz) auch mit ausdauernder Hilfestellung nicht mehr in der Lage bin, Nahrung und Flüssigkeit auf natürliche Weise zu mir zu nehmen.

Festlegung zum Umgang bestimmter ärztlicher Massnahmen

In den oben beschriebenen Situationen wünsche ich, dass intensivmedizinische Massnahmen unterlassen werden und palliative Massnahmen zur Linderung von Schmerzen, Atemnot und Hunger und Durst durchgeführt werden. Bei der Gabe von Schmerzmedikation bzw. Opiaten zur Linderung von Atemnot nehme ich die atemdepressive Wirkung selbiger in Kauf, auch wenn das meine Lebenszeit ungewollt verkürzen kann.
Im Rahmen einer Akuterkrankung sollte eine künstliche Ernährung durchgeführt werden. Sollte jedoch ein irreversibler Zustand einer Schädigung wie oben beschrieben, vorliegen, so sollte die Ernährung über Sonden jeglicher Art beendet werden, auch wenn hierdurch mein Tod in Kauf genommen wird. Spätestens nach einer Rehabilitationsmassnahme sollte diese Massnahme bei fehlender Besserung meines Zustandes durchgeführt werden.
Reanimationsmassnahmen lehne ich nicht grundsätzlich ab, jedoch sollten diese bei einem unbeobachtenen Kreislaufstillstand zeitnah beendet werden. Sollte es im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes zu einem (erneuten) Kreislaufstillstand kommen, so sollten Reanimationsmassnahmen unterlassen werden.
Eine künstliche Beatmung sollte nur zur Überbrückung einer vorübergehenden respiratorischen Insuffizienz erfolgen. Sollte sich zeigen, dass eine komplette Entwöhnung von der Beatmung nicht möglich ist (auch nicht nach Weaning in einer Fachklinik), so sollte die Beatmung unter Gabe einer sedierenden Medikation beendet werden. Sollte eine Grunderkrankung vorliegen, welche eine respiratorische Insuffizienz nicht nur vorübergehend bedingt, so sollte die Beatmung schnellstmöglich beendet werden (z.B. Extubation) und auf eine Reintubation verzichtet werden.
Eine Dialysebehandlung sollte nur dann begonnen werden, wenn hierdurch die Möglichkeit einer Verbesserung meines Zustandes besteht. Sollte ich entweder aus o.g. Gründen nicht in der Lage sein, über die Fortsetzung einer Dialysebehandlung zu entscheiden oder sollte sich kein Zustand trotz der Dialysebehandlung nicht rasch bessern, so sollte diese umgehend beendet werden.

Organspende

Ich stimme einer Entnahme meiner Organe nach meinem Tod zu Transplantationszwecken zu. Komme ich nach ärztlicher Beurteilung bei einem Hirntod als Organspender in Betracht und müssen dafür ärztliche Massnahmen durchgeführt erden, die ich in meiner Patientenverfügung ausgeschlossen habe, dann geht die von mir erklärte Bereitschaft zur Organspende vor. Auch wenn sich ein Hirntod erst in den nächsten Tagen abzeichnen sollte, so stimme ich notwendigen organerhaltenden Massnahmen zu, damit eine Organspende nach Einsetzen des Hirntodes möglich ist.

Aussagen zur Verbindlichkeit, Auslegung, Durchsetzung und zum Widerruf

Ich erwarte, dass der in meiner Patientenverfügung geäußerte Wille zu bestimmten ärztlichen und pflegerischen Massnahmen von den behandelnden Ärzten und dem Behandlungsteam befolgt wird. Meine Bevollmächtigte soll dafür Sorge tragen, dass mein Wille durchgesetzt wird.
In Situationen, die in dieser Patientenverfügung nicht konkret geregelt sind, ist mein mutmasslicher Wille möglichst im Konsens aller Beteiligten zu ermitteln. Dafür soll diese Patientenverfügung als Richtschnur massgeblich sein. Die letzte Entscheidung über anzuwendende oder zu unterlassende ärztliche Massnahmen liegt bei meiner Bevollmächtigten.

Hinweise auf weitere Vorsorgeverfügungen

Ich habe zusätzlich zur Patientenverfügung eine Vorsorgevollmacht erteilt und den Inhalt dieser Patientenverfügung mit der von mir bevollmächtigten Person besprochen:
Xxxxx

Schlussbemerkungen

Mir ist die Möglichkeit der Änderung und des Widerrufs einer Patientenverfügung bekannt. Ich bin mir des Inhalts und der Konsequenzen meiner darin getroffenen Entscheidungen bewusst und habe die Patientenverfügung in eigener Verantwortung und im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte ohne äußeren Druck erstellt.
Diese Patientenverfügung gilt solange, bis ich sie widerrufe.




Um meinen in der Patientenverfügung niedergelegten Willen zu bekräftigen, bestätige ich diese nachstehend in vollem Umfange.



_________________________________

ehem-user-02-08-2021-1033
02.04.2013, 23:39
Deine Patientenverfügung ist sehr differenziert.

Das Problem bei Patientenverfügungen ist leider in der Praxis, dass sie oftmals nicht sorgfältig gelesen werden und manchmal schlicht übersehen werden.
Darüberhinaus kennt man im Vorfeld in der ärztlichen Entscheidung meist nur 3 große Kategorien:
- Intubation ja/nein
- Nierenersatzverfahren ja/nein
- Reanimation ja/nein

Insgesamt ein wirklich schwieriges Thema!

Brutus
03.04.2013, 01:31
Insgesamt ein wirklich schwieriges Thema!

Zumal man selbst ja durch die (meist negativen) Erfahrungen auf der ITS mit dem Thema konfrontiert wird. Ich habe damals selbst überlegt, wie man am Besten eine PV schreibt. Wir haben das auch lange mit dem OA diskutiert. Und es kommt eben auch auf die Situation an. Natürlich will man selbst nicht so dahinsiechen wie einige der Langzeitbeatmeten auf der Station. Andererseits sind eben die Vordrucke der PV nicht wirklich so differenziert, dass sie den individuellen Patientenwillen erfassen / wiedergeben können. Und selbst eine PV zu schreiben fand ich nicht wirklich einfach. Bei einer Fortbildung zum Thema berichtete der Dozent, dass er selbst über einen Zeitraum von über einem Monat an seiner PV gebastelt hat, bis sie seinem Anspruch genügte. Vor allem bei jungen Patienten, die ja erstmal keine lebensbedrohenden Krankheiten haben, ist das Thema ja sehr schwierig.
Insofern: Respekt für die o.g. PV!

][truba][
03.04.2013, 10:13
Hallo,

ich freue mich das ihr hier so rege teilgenommen habt!
Wie gesagt sitze ich nun daran und komme kaum über die ersten Sätze hinaus!

Vielen Dank Dreamchaser und alle anderen für die Hinweise zu dem Thema!
Vielleicht komme ich ja damit schon etwas weiter :)

LG Thomas

*milkakuh*
03.04.2013, 10:23
Ich habe auch eine ähnliche Patientenverfügung wie dreamcheaser für mich erstellt, die von einigen Familienangehörigen übernommen wurde. Meine Eltern liegen mir deswegen nämlich schon ewig in den Ohren ;-) Nach einer Fortbildung zu diesem Thema habe ich mich nochmal auf der Seite des Bundesministerium für Justiz (http://www.bmj.de/) belesen und die dortigen Textbausteine verwendet. Zum Thema Patientenverfügung findet man hier alles: http://www.bmj.de/DE/Buerger/gesellschaft/Patientenverfuegung/_doc/_doc.html.

ehem-user-02-08-2021-1033
03.04.2013, 11:17
Zum Thema Patientenverfügung findet man hier alles: http://www.bmj.de/DE/Buerger/gesellschaft/Patientenverfuegung/_doc/_doc.html.

Und da beginnt doch wieder das Dilema... :-?

Exemplarisch 2 Zitate (man kann das auch fortführen):

Künstliche Beatmung
In den oben beschriebenen Situationen wünsche ich
→ eine künstliche Beatmung, falls dies mein Leben verlängern kann.
oder
→ dass keine künstliche Beatmung durchgeführt bzw. eine schon eingeleitete Beatmung eingestellt wird, unter der Voraussetzung, dass ich Medikamente zur Linderung der Luftnot erhalte. Die Möglichkeit einer Bewusstseinsdämpfung oder einer ungewollten Verkürzung meiner Lebenszeit durch diese Medikamente nehme ich in Kauf.

Ok, jemand wünscht keine künstliche Beatmung...
Der Patient entwickelt ein Delir und geht pulmonal in die Knie...
Wie siehts mit NIV aus?
Was versteht der mediznische Laie unter künstlicher Beatmung?
Will er keine Langzeitbeatmung in Verbindung mit einer Tracheotomie oder will er nichtmal NIV?


Dialyse
In den oben beschriebenen Situationen wünsche ich
→ eine künstliche Blutwäsche (Dialyse), falls dies mein Leben verlängern kann.
oder
→ dass keine Dialyse durchgeführt bzw. eine schon eingeleitete Dialyse eingestellt wird.
Was versteht der mediznische Laie unter Dialyse?
3 Mal die Woche mit dem Taxi zur Dialyse gefahren zu werden? Einen Dialyse-Shunt zu bekommen?
Oder einen Shaldon gelegt zu bekommen um dann temporär an eine HF angeschlossen zu werden?


infolge einer Gehirnschädigung meine Fähigkeit, Einsichten zu gewinnen,
Entscheidungen zu treffen und mit anderen Menschen in Kontakt zu
treten, nach Einschätzung zweier erfahrener Ärztinnen oder Ärzte (können
namentlich benannt werden) aller Wahrscheinlichkeit nach unwiederbringlich
erloschen ist


Ich glaube, dass der Durchschnittsbürger hier keine Intensivmediziner namentlich bennen wird, sondern seinen Hausarzt und noch einen anderen Arzt...
Und das bringt einen in der Situation nicht wirklich weiter...
Vielleicht besser als nix, aber auch viel Raum für Interpretationen.

*milkakuh*
03.04.2013, 11:38
Du hast schon Recht, ich habe die Empfehlungen auch nur als Vorlage genommen und daraus eine Patientenverfügung ähnlich wie die von Dreamcheaser gebastelt. Aber ganz ohne Vorlage hätte ich das nicht hinbekommen.

Peter_1
06.04.2013, 18:29
U
Ich glaube, dass der Durchschnittsbürger hier keine Intensivmediziner namentlich bennen wird, sondern seinen Hausarzt und noch einen anderen Arzt...
Und das bringt einen in der Situation nicht wirklich weiter...
Vielleicht besser als nix, aber auch viel Raum für Interpretationen.

Na, ja: in der Regel würde sich doch der Intensivmediziner dann mit dem Hausarzt oder dem namentlich genannten Arzt in Verbindung setzen und besprechen, Kommunikation auch mal extern des Krankenhauses hilft!
Die Klausel greift ja nur im Falle einer Entscheidung in der man wirklich Zeit hat Prognosen zu eruieren. Ich glaube nicht, dass ein namentlich genannter Arzt sich darüber hinwegsetzen würde, wenn der Neurologe sagt: der Herr Müller hat gute Chancen in 2 Wochen ohne Defizit aufzuwachen! Der Hausarzt kann eine wichtige Quelle für den Intensivmediziner sein, da der Hausarzt oftmals einiges dazu beitragen kann, wenn es darum geht den mutmaßichen Willen eines Patienten zu eruieren. Gerade bei älteren Patienten ist der Tod und persönliche Einstellungen dazu ein häufiges Thema in der Hausarztpraxis.
Ich jedenfalls habe schon manchmal Nachfragen von Krankenhauskollegen bekommen und auch umgekehrt im Krankenhaus angerufen (oft fragen die Angehörigen den bekannten Hausarzt!) um Angehörige beraten zu können. Ich fand diese Art von kollegialer Zusammenarbeit sehr befruchtend.

Mit die besten Vorsorgemappen gibt es meiner Meinung nach übrigens von Lothar Fietzek Verlag (lönnt ihr euch ergooglen), da diese Vorsorgemappen auch eine Vorsogevollmacht und eine Betreuungsverfügung enthalten, diese wichtigen Bestandteile werden nämlich oft vergessen. Ausserdem wird wirklich alles relevante zum Thema lang und breit erklärt in dem beiliegendem Heftchen.

P.S: kein Interessenskonflikt, ich habe keine Verflechtungen mit dem genannten Verlag :)

Relaxometrie
06.04.2013, 21:07
Ich stehe der Sache mit den diversen schriftlichen Äußerungen absolut kritisch gegenüber und halte die Entwicklung für realitätsfern und falsch. Es lässt sich nicht jede Eventualität des Sterbens Jahre im Voraus festlegen.
Eine Vorsorgevollmacht, in der man eine Person bestimmt, die Dinge für einen regelt, wenn man es selbst nicht mehr kann, halte ich noch für sinnvoll. Eine Betreuungverfügung ist auch hilfreich.
Aber eine Patientenverfügung halte ich für das Ergebnis von 1. Regelungswut und 2. von Mißtrauen gegenüber Ärzten. Erfahrene (Intensiv-)Mediziner und Angehörige des Patienten könnten in einem sinnvollen Dialog sehr viel bessere Entscheidungen treffen, als es jede noch so ausgefeilte Patientenverfügung jemals kann.
Nur leider wird diese eigentlich sehr einfache Lösung heutzutage kaputtgeredet und nicht akzeptiert, weil man sich als Arzt vielleicht Allmachtsphantasien vorhalten lassen muß. Und Anghörige könnten entweder Erbschleicherei betreiben (die wollen dann, daß gar nicht mehr gemacht wird), oder können nicht loslassen und verlangen, daß alles macht wird, selbst wenn es absolut sinnlos ist.

Also tun wir uns den Krampf an, Patientenverfügungen zu formulieren. Da ich aber den Lauf der Dinge nicht ändern kann, und auch von Patienten gefragt werde, wie sie denn eine Patientenverfügung formulieren sollen, möchte ich da einen Weg finden und habe ein paar Fragen:

Wie oft konnten sich diejenigen von Euch, die Patienten behandeln, die eine Patientenverfügung geschrieben habe, tatsächlich im Fall der Fälle an den Inhalten der Verfügung orientieren? Wie oft ist es vorgekommen, daß Ihr/Eure Oberärzte/der Chef gesagt habt/haben, daß die Patientenverfügung unklar formuliert ist, oder überhaupt nicht gültig ist? Wie oft ist eine Patientenverfügung erst im Nachhinein aufgetaucht, und es wurde bereits eine Behandlung eingeleitet, die laut Patientenverfügung gar nicht gewollt war? Und was habt Ihr dann unternommen? Die "nach bestem Wissen und Gewissen" begonnene Behandlung abgebrochen, oder es weiterlaufen lassen, weil man nun halt schonmal damit angefangen hat?

Hellequin
06.04.2013, 22:09
Ich sehe es beiweitem nicht so kritisch wie du. Man kann sicherlich über die Qualität vieler Patientenverfügungen streiten, aber die breite öffentliche Diskussion darüber, hatte in meinen Augen den vielleicht viel wichtigeren Nebeneffekt das sich sowohl die Bevölkerung als auch die Ärzteschaft deutlich mehr mit dem Sinn und Zweck von maximaltherapeutischen Massnahmen bei eingeschränkter Lebenserwartung und Lebensqualität auseinandersetzt. Die tatsächlich daraus gezogenen Konsequenzen mögen dann von Fachrichtung zu Fachrichtung und von Abteilung zu Abteilung variieren. Bei uns ist es aber schon so das wir wesentlich mehr palliative Therapieansätze bei ausgeprägten Ischämien/Blutungen haben als vor ein paar Jahren. Gleiches gilt für die Anlage von PEG-Sonden, die gibt es bei uns mittlerweile nur noch extrem selten.

Am hilfreichsten bzw. aussagekräftigsten fand ich bisher frei formulierte Verfügungen (nochmals Chapeau! an dreamchaser). Selbstverständlich kann man nie jede Situation oder Eventualität abbilden aber sie ermöglicht im besten Fall eine Aussage über den mutmasslichen Willen. Sie ersetzt natürlich nicht das Gespräch mit den Angehörigen/Bevollmächtigten aber sie bietet oftmals eine gute Diskussionsgrundlage.

ehem-user-02-08-2021-1033
06.04.2013, 23:47
Na, ja: in der Regel würde sich doch der Intensivmediziner dann mit dem Hausarzt oder dem namentlich genannten Arzt in Verbindung setzen und besprechen, Kommunikation auch mal extern des Krankenhauses hilft!
Die Klausel greift ja nur im Falle einer Entscheidung in der man wirklich Zeit hat Prognosen zu eruieren.

Ne, ne langsam...
Ich finde es nicht verwerflich, wenn man sich beim Hausarzt über dessen Vorerkrankungen erkundigt und dann beiläufig auch etwas über die Person des Patienten erfährt. Das sollte doch der Normalfall sein.

Aber wenn man den Text wortwörtlich auslegt, dann endet es im Nonsens.
"Also der Hausarzt von der Frau Maier, war auch der Meinung, dass das mit der ECMO in der Konstellation nix bringen würde... Dann stellen wir hier mal die Therapie ein." :-oopss

Weil letztendlich beurteilt ja nicht der Hausarzt die Ausweglosigkeit der medizinsichen Situation, sondern der Intensivmediziner.Der Text suggeriert aber genau das Gegenteil!
Und es geht nicht um die Wertvorstellung des Patienten, wie du es ausgeführt hast.
Deswegen finde ich die Formulierung ein bischen... na ja....

Peter_1
07.04.2013, 10:30
"Also der Hausarzt von der Frau Maier, war auch der Meinung, dass das mit der ECMO in der Konstellation nix bringen würde... Dann stellen wir hier mal die Therapie ein." :-oopss

Weil letztendlich beurteilt ja nicht der Hausarzt die Ausweglosigkeit der medizinsichen Situation, sondern der Intensivmediziner.Der Text suggeriert aber genau das Gegenteil!
Und es geht nicht um die Wertvorstellung des Patienten, wie du es ausgeführt hast.
Deswegen finde ich die Formulierung ein bischen... na ja....

1.
Bitte lesen was ich geschrieben habe, nämlich: ein namentlich in der Verfügung genannter Arzt würde sich wohl kaum über die Prognose/Meinung des behandelnden Intensivmediziners hinwegsetzen. Übrigens geht es bei dem Satz ausschliessich um "irreversible" Hirnschäden.

2.
Natürlich geht es um die Wertvorstellungen des Patienten.

3. Man sollte sich mit den Patientenverfügungen halt mal wirklich genau befassen (gerade als Intensivmediziner), die seriösen und gut gemachten Verfügungen gelten ausschliesslich für infauste Prognosen in denen der Sterbeprozess nur aufgehalten würde, oder für Fälle einer irreversiblen schwersten Hirnschädigung. Für alle Fälle in denen der Intensivmediziner eine Prognose sieht gelten sie explizit nicht!!! Wenn Herr Müller nach dem Herzkatheter ins temproräre Nierenversagen kommt, dann wird er wohl dialysiert werden wollen (so keine der genannten Zustände vorliegen). Wenn Herr Müller im KH einen Herzinfarkt erleidet und sonst keine irreversible Hirnschädigung hat, oder ein Malignom im Endstadium (!), dann muss er auch trotz Patientenverfügung reanimiert werden, ja sogar falls nötig an die heilige ECMO angeschlossen werden, da die PAt.verfügung für diese Fälle eben explizit nicht gilt! Der Intensivmediziner muss seinen Job also schon machen, die Patientenverfügung entbindet den behandelnden Arzt eben nicht davon sich Gedanken über die medizinische Prognose und die Anwendbarkeit der Patientenverfügung zu machen.
Auch in Notfallsituationen wird wohl manchmal nicht erst nach der genauen Formulierung in der PAt.verfügung gesucht weden können, wenn diese vorher nicht bekannt war (!), da gilt halt auch nach wie vor: erst mal handeln, Medizin einstellen geht immer, aber wieder von den Toten aufwecken geht nicht mehr.

4. Es gibt auch richtig schlechte Patientenverfügungen, die das Papier nicht wert sind auf denen sie stehen.

ehem-user-02-08-2021-1033
07.04.2013, 10:51
1.
Übrigens geht es bei dem Satz ausschliessich um "irreversible" Hirnschäden.


Die auch bei einem länger anhaltenden "schockigen MAP" entstehen können....
oder einer septischen Embolie... oder oder

Postulierte Hirnschäden sind eher die Regel, denn die Ausnahme, als Begründung für die Einstellung einer Therapie. Aus ihnen leitet sich nicht selten die infauste Prognose ab. (Wenn man von hypermultimorbiden Patienten, auf Anschlag laufenden Katecholaminen mit Blaufärbung der Extremitäten oder schwersten Traumatan absieht...)

Ich glaube wir reden grade aneinander vorbei.

Ich meine einfach den Satz:

infolge einer Gehirnschädigung meine Fähigkeit, Einsichten zu gewinnen,
Entscheidungen zu treffen und mit anderen Menschen in Kontakt zu
treten, nach Einschätzung zweier erfahrener Ärztinnen oder Ärzte (können
namentlich benannt werden) aller Wahrscheinlichkeit nach unwiederbringlich
erloschen ist
Also die 2 namentlich benannten Ärzte (in der Realität: Hausarzt und lieblings Orthopäde) sollen die Irreversibilität der Hirnschädigung feststellen.

Du hast selbst gesagt, dass dies nicht von denen alleine entschieden werden kann.
Und das sehe ich auch so.

Nur zeigt es einfach, wie weit solche Formulierungen an der Realität vorbei gehen...
Und das war der Punkt, den ich eigentlich mit der Sammlung meiner Zitate ansprechen wollte.
Kein Hausarzt-Bashing... Wie du es vielleicht Mißverstanden hast.:peace: