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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wann darf man sterben?



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Lava
07.08.2003, 21:01
Hey,

hab gestern abend die "letzten Atemzüge" einer Sendung über Pflegefälle und wie deren Leben verlängert wird gesehen. Das hat mich schon seeeeehr ins Grübeln versetzt. Ob ich dem Beruf wirklich gewachsen bin. Das hat mich schlagartig an mein Krankenpflegepraktikum erinnert, wo ich fast 2 Monate lang eine Frau gepflegt habe, der es genauso ging wie den Geschöpfen in der Doku. Bettlägerig, nicht in der Lange, sich zu äußern oder sich zu bewegen, in der typischen Lagerungsposition, ständige Schmerzen.... warten auf eine PEG, die die Ärzte der Familie aufgeschwatzt haben. Im KH habe ich es auch andersherum erlebt, dass die Familie auf eine PEG bestanden hat. Ich muss sagen, dass mich das damals streckenweise sehr mitgenommen hat, Tag für Tag diese Frau und noch einige andere zu sehen und so hilflos zu sein. Das ist der Fluch der modernen Medizin!!! Man kann so viel tun, das Leben zu verlängern.... aber ist es das wert? Ich möchte eigentlich nicht urteilen, wann ein Leben unerträglich ist. Wer kann schon wissen, ob die Menschen wirklich sterben wollen? Andererseits.... nur herumliegen mit vielleicht schon dem ein oder anderen Dekubitus..... nee.... mich stimmt schon der Gedanke an sowas sehr traurig. Wieviel hat man als Arzt später damit zu tun? Wird man wirklich so kalt, wie es in der Doku von Angehörigen so oft angeprangert wurde? Werden es in Zukunft immer mehr Pflegefälle? Was kann man tun, jemanden in Würde sterben zu lassen? :-?

Froschkönig
07.08.2003, 21:05
Original geschrieben von Janine
Das ist der Fluch der modernen Medizin!!!

Wohl eher der Fluch der bescheidenen Rechtslage in solchen Fällen ! :-((

Heinz Wäscher
07.08.2003, 21:19
ja, was soll man denn mit diesen Menschen machen?
Keine PEG legen und verhungern lassen?
klingt auch nicht gerade menschlicher
bei den meisten dieser Menschen wird ja auch das meiste auf ein Mindestmaß zurückgeschraubt, soll heißen, daß belastende Untersuchungen (zB Coloskopien) nur kaum stattfinden, daß nur besonders benötigte Medis, wie zB Analgetika und Diuretika verabreicht werden
jedenfalls erleb ich das hier so
desweiteren wird bei ca 85% ein DNR vereinbart

ich bin der Meinung, daß in solchen Fällen, nur Maßnahmen ergriffen werden sollten, wenn sie eine echte Verbesserung der Gesamtsituation des Patienten darstellen

Rieke21
07.08.2003, 21:35
Hallo Janine,
habe zwar noch in keinem Krankenhaus gearbeitet (außer im Alter von 14 Jahren ein 3 Wöchiges Schulpraktikum) aber ich habe meinen Vater sterben sehen. Er war sein ganzes Leben lang kerngesund, von jetzt auf gleich war er totkrank, von oben bis unten voller Krebs. Vom ersten "unwohl fühlen" (Arzt meinte, Erkältung) über die Diagnose "Bronchialkarzynom (oder wie man das schreibt)- inoperabel-, Methastasen in Lunge u. Leber, Gehirntumor - ebenfalls inoperabel - bis zu seinem Tod vergingen nur 15 Tage. (2 Monate vorher war er bei nem Lungenspezialisten, weil er Atemprobleme hatte, der ihn als völlig gesund nach Hause schickte...... ob es nun Unaufmerksamkeit des Arztes war, lasse ich dahingestellt, da man uns erklärt hat, dass grade Bronchialkarzynome sehr schnell wachsen sollen...)
Davon 4 Tage künstliches Koma, dann schien es langsam ein bißchen aufwärts zu gehen, am 14.1.00 die erste Chemo (man machte uns Hoffnung auf noch 1 Jahr Lebenserwartung), die Chemo vertrug er gut, mittags ist er das erste mal aufgestanden,hatte gute Laune, machte Pläne, etc. 2 Std. später war er schon nicht mehr " er selbst" redete wirres Zeug, erkannte uns nicht mehr und lag dann ca. 24 Stunden lang im Sterben. Es waren "nur" 24 Stunden, ich möchte nicht wissen, wie es Leuten ergeht, die das wochen oder gar Monate mitmachen, aber seit dem ich ihn da so hab liegen sehen, und diese absolute Hilflosigkeit gespürt habe, bin ich überzeugter denn je von aktiver Sterbehilfe. So pervers das auch klingen mag, aber grade in den letzten Stunden haben wir uns so sehr gewünscht, dass er endlich stirbt. Ich weiß nicht, ob er Schmerzen hatte, ich denke nicht, er war vollgepumpt mit Morphium, hat im Schnitt alle 10 Sekunden geatmet, weißte, du sitzt da und zählst die Sekunden zwischen den Atemzügen, in der Hoffnung, er hört endlich auf mit aller Kraft am Leben festzuhalten. Viele haben mich wegen dieser Denkungsweise für "pervers, abartig, gefühlskalt etc." gehalten, aber wenn man einen Menschen, den man über alles liebt, so leiden sieht, setzt Egoismus ("ich will nicht dass er stirbt") schlagartig aus, und du wünschst Dir, etwas tun zu können.......
Sorry fürs voll labern, sollte eigentlichgar net so lang werden... und ich habe garantiert auch nix neues erzählt, aber bei solchen Themen werd ich bißchen sentimental -sorry-

Gruß, Rieke

Lava
07.08.2003, 21:40
Was bedeutet DNR?

Hm..... viele verweigern ja irgendwann die Nahrungsaufnahme. Ich würde das als Wunsch, zu sterben deuten. OK; verhungern ist nicht schön.... aber dahinvegetieren auch nicht. Sowas sollte vielleicht vorher in einer Patientenverfügung (oder wie das heißt) ausgemacht werden. Leider hab ich es auch erlebt, dass es nicht mal Angehörige gab, die sich noch für den Pat hätten einsetzen können.

Froschkönig
07.08.2003, 21:42
Original geschrieben von Janine
Was bedeutet DNR?

"Do Not Resuscitate"
Im Falle eines Falles wird keine Wiederbelebung versucht

Heinz Wäscher
07.08.2003, 21:43
DNR = Do Not Resuccinate/ Reanimate

Vereinbarung, daß nicht reanimiert werden soll, meist auch mit gleichzeitiger Ablehnung intensivmedizinischer Maßnahmen

ehemalige Userin 24092013
08.08.2003, 00:48
.....auf meiner Station erlebe ich solche Dinge recht oft.
Ich habe Patienten, die mit unter über 90 sind und die bekommen noch einen Mitralklappenersatz.......ect...und dann gehts los....sie werden vielleicht noch verlegt auf Normalstation, kommen dann aber einen Tag später wieder wegen resp. Insuff. oder, oder, oder....und dann werden sie nicht mehr verlegt....sie bleiben da, irgendwann stellt sich vielleicht noch ein akutes Nierenversagen ein............und so geht es immer weiter.......es wird volle Therapie gefahren.
Ja ich hab es sogar schon erlebt, dass man bei einem Patienten NA pur auf 100ml/h laufen lässt und das über Tage, nur leider ohne Erfolg.....alles ohne Erfolg.
Ich frage mich.....was das manchmal für einen Sinn macht.....Pat. ständig ex- und wieder intubieren.....und so weiter.....sie werden gequält...sind recht flach sediert....haben Schmerzen...werden gebettet...gewaschen...alles wird kontrolliert....alles wird bestimmt...zwischendurch gehts hin und wieder mal in den OP, es wir ein Picco gelegt....es wird ein neuer Sheldon gelegt.....und doch ist es eigentlich schon absehbar, dass der Patient sterben wird.
Also warum das Alles????
Ich denke die Antwort "weil Ärzte es net ertragen jemanden sterben zu lassen und net heilen zu können" ist nicht so ganz richtig.....seltenerweise aber doch wieder zutreffend.
Wie Frosch es es schon gesagt hat.........die bescheidene Rechtslage ist es, die sich bezüglich Sterbehilfe seit Jahren nicht geändert hat und meiner Meinung nach auch auf einem "veralteten" Stand ist......und ja zum Teil sind es auch die Angehörigen..die es nicht wahr haben wollen, jemanden so zu verlieren...trotz aller Aufklärungsgespräche........ect.

Bleibt es also fast nur.....es irgendwie hin zu nehmen....und wenigstens schmerztherapeutisch im Sinne des Patienten zu handeln.
Was die eigene Psyche angeht......tja.....man darf über einige Dinge nicht zu viel nachdenken.....man sollte die Einfühlsamkeit und das Menschliche in sich bewahren aber man sollte auch mit der nötigen Distanz an solche "Fälle" gehen.
Es gibt Dinge, die kann man eben nicht ändern und nicht wieder in den "Normalzustand" bringen.


Gruss Kaddel

luckyblue
08.08.2003, 14:36
Ich war früher auch immer ein Befürworter der Legitimierung der Sterbehilfe, habe davon mittlerweile allerdings aus zwei Gründen ein wenig Abstand genommen:

1) Wer die Grundlage für legale Sterbehilfe schafft, kultiviert möglicherweise auch den Nährboden für eine "sozialverträgliche" Reduktion der medizinischen Versorgung im Alter. Der gerade entfachte "Krieg der Generationen" um Hüftgelenke und Zahnprothesen lässt in der Materie viel Uncooles erwarten. Wenn unter dem Deckmantel der Menschlichkeit die finanzielle Misere im Gesundheitswesen auf den Rücken der Alten gesund gestoßen wird, kann das Abendland einpacken. Mir ist diese drohende Gefahr der tolerierten Minderversorgung zu groß.

2) Hinter einer spanischen Wand auf den Tod warten, ihn sehen hinter der Mauer präziser Maschinen - wer will das schon? Niemand wohl, der im Vollbesitz seiner geistigen und physischen Fähigkeiten steht und so noch Hoffnung hat, dass Fortuna ihr Füllhorn über ihm ausschüttet. Denn welche Perspektive könnte so ein Dasein noch bieten, welche Ziele, welcher Anschein von Freude und so was wie Liebe stünden dem Menschen noch offen ohne die Kraft seiner Muskeln, die Wachheit der Sinne und das Vermögen der Mitteilung seiner Gefühle? Aber was fühlt wirklich, wem das Schicksal eines Hirnschlages ereilt? Verlassen ihn tatsächlich die Lebensgeister oder klammert er an dem letzten Rest Leben wie an einem Strohhalm, will er wirklich sterben und rührt deshalb keinen Bissen mehr an - oder will er leben und isst nichts mehr, weil er es nicht mehr kann? Wie wollen wir den tatsächlichen Willen eines Kranken im situativen Kontext seines Schicksals beurteilen, wenn wir nicht sicher sein können, ihn richtig zu deuten, weil sowohl der Patient als auch die Ärzte der Signalsprache des kranken Körpers nicht mächtig sind?

ehemalige Userin 24092013
08.08.2003, 15:12
Original geschrieben von luckyblue
[B]Aber was fühlt wirklich, wem das Schicksal eines Hirnschlages ereilt?B]


Eben!

Wir denken aus unserem "gesunden" Verstand mit gesunden Körpern.....was wäre wenn ich z.B. ein Pflegefall werden würde???
Die momentane Antwort ist klar....Nein! So will ich nicht leben auf keinen Fall.
Aber ist man erstmal ein Pflegefall denkt man plötzlich anders...man sieht vieles mit anderen Augen...ja vielleicht weiss man dann sogar, was das Leben eigentlich bedeutet, wie schön es ist....wie lebenswert es doch ist.......man bekommt Dinge mit, die man vorher vielleicht nie so wahr genommen hätte......

Und trotzdem denke ich eine ewig lange quälende Therapie bei Menschen, die ihr leben gelebt zu haben scheinen, ja die zum Teil selbst noch äussern können "Ich mag nicht mehr", ist nicht unbedinngt im Sinne dieser Menschen.


O.k. ich hab da aber mal ne andere Frage.
Kann sein, dass ich das in dem Todesstrafenthread nicht mitbekommen habe, oder es einfach nicht zur Sprache kam.

Aktive und Passive Sterbehilfe....die Unterschiede sind mir schon klar.
Aber wie genau definiert man das im Einzelfall???
Wenn ich z.B gebeten werde irgendwas zum Sterben zu besorgen und ich mach das dann auch und gebe es dem jenigen....ist es ja schon irgendwo aktiv......nimmt dieser Mensch das von mir besorgte Mittelchen nun selbst.....dann war es sein freier Wille.....also wieder passiv.
Ja was denn nun????:-nix


Gruss Kaddel

Lava
08.08.2003, 20:39
Das gilt tatsächlich als passiv. Ich denke, man würde schon einen großen Schritt nach vorn machen, wenn man das Thema Sterben und Sterbehilfe nicht nur diskutiert, sondern in bestimmten Fällen zur Normalität macht. Es müssen ja nicht unbedingzt neue Gesetze geschaffen werden, aber Personen könnten z.B. auf die bestehenden Möglichkeiten stärker hingewiesen werden. Es müsste irgendwelche Berater geben, die zu den Betroffenen und Familien hingehen, bevor es zu spät ist. Es könnte auch mehr Hospize geben oder es sollte Weiterbildungen für Ärzte geben, damit sie lernen, mit solchen Situationen evtl. besser umzugehen.

luckyblue
09.08.2003, 10:17
Zwar gibt es offenbar keine allgemeingültige Nomenclatur der Sterbehilfe, aber ich versuche mich trotzdem mal an einer rechtlichen Einteilung der Materie. Dabei tritt auch zutage, dass eigentlich viel mehr an Sterbehilfe zulässig ist, als man gemeinhin annimmt.

1. Sterbehilfe durch Unterlassen lebenserhaltender Maßnahmen
a) Passive Sterbehilfe im weiteren Sinne - „Hilfe zum Sterben“ --> zulässig
b) Passive Sterbehilfe im engeren Sinne – „Hilfe beim Sterben“ - passive Euthanasie --> zulässig
2. Sterbehilfe durch aktives Tun
a) Aktive Euthanasie
aa) Indirekte Euthansie --> zulässig
bb) Direkte Euthanasie --> unzulässig
3. Tötung auf Verlangen
a) täterschaftliche Tötung auf Verlangen --> unzulässig
b) Quasi-mittäterschaftliche Tötung auf Verlangen --> unzulässig
c) Geschehenlassen einer Selbsttötung auf Verlangen --> unzulässig, aber straflos

Allgemein: Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen Sterbehilfe (1. & 2.) und Tötung auf Verlangen (3.). Sterbehilfe erfüllt, sofern sie unzulässig ist, den Tatbestand des Totschlags, Tötung auf Verlangen ist ein eigener Tatbestand im Strafgesetzbuch. Die Differenzierung ist relevant für die Höhe der Strafe und der unterschiedlichen Motivation der Beteiligten geschuldet.

Zu 1.: Sterbehilfe durch Unterlassen lebenserhaltender Maßnahmen ist zulässig unter Bedingungen (vgl. unten).
Sterbehilfe durch Unterlassen liegt vor, wenn der Todeseintritt des Opfers durch die Untätigkeit des „Täters“ begünstigt wird. Strafrechtlich relevant unter dem Gesichtspunkt des Totschlages wird eine derartige Unterlassung nur dann, wenn der Täter zum Opfer in einem verantwortungsstiftenden Verhältnis steht. Man bezeichnet dieses Verhältnis auch als „Garantenstellung“: Für den „Täter“ resultiert aus dieser Beziehung die Pflicht, mit seinen – kraft des gesellschaftlichen Verhaltenskodexes gebotenen - Handlungen für das Wohlergehen des „Opfers“ zu garantieren. Das Unterlassen dieser Schutzhandlungen vonseiten des „Täters“ in Garantenstellung wird daher genauso verstanden, als wenn der Täter gerade die Tat (hier also Totschlag) begangen hätte, die oder deren Erfolg er vermöge seiner Schutzhandlungen verhindern sollte. Dementsprechend macht er sich strafbar, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die eine Strafe konterkarieren.

Das Arzt-Patienten-Verhältnis ist ein Beispiel für eine Garantenstellung. Trotzdem kann die Sterbehilfe durch Unterlassen zulässig sein. Voraussetzung dafür ist zweierlei: Erstens muss die Nichtaufnahme oder Beendigung der Intensivbehandlung dem ausdrücklichen Patientenwillen („Patientenverfügung“) oder seiner mutmaßlichen Einwilligung in den Therapieabbruch entsprechen, wobei an das Vorliegen einer mutmaßlichen Einwilligung einwilligungsunfähiger Patienten strenge Maßstäbe gestellt werden und im Zweifel der Schutz des Lebens Vorrang hat. Zweitens ist eine aussichtslose Prognose erforderlich. Das ist dann der Fall, wenn kein Anlass zur Hoffnung auf Heilung mehr besteht und die therapeutischen Maßnahmen nur auf die Verzögerung des Todeseintritts zielen. Die Priorität wird allerdings wohl beim Patientenwillen gesetzt. Zunehmend wird das Primat der Patientenverfügung auch für Minderjährige akzeptiert. Umstritten ist hier jedoch die Gewichtung zwischen mutmaßlicher Einwilligung der einwilligungsunfähigen Patienten in den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen und der Entscheidung der gesetzlichen Vertreter.

Zulässige Sterbehilfe durch Unterlassen (der Weiterbehandlung) ist wohl auch der „tätige Behandlungsabbruch“ – also etwa die Anordnung auf Verzicht der Reanimation oder die Reduktion der parenteralen Ernährung.

Zu 1a): Die passive Sterbehilfe im weiteren Sinne („Hilfe zum Sterben“) betrifft die Fälle, in denen der Sterbevorgang noch nicht begonnen hat. Hier wird deutlich, dass der Patientenwille zur Unterlassung lebensverlängernder Therapie schwerer wiegt als die Aussichtslosigkeit der Therapie.

Zu 1b): Die passive Sterbehilfe im engeren Sinne („Hilfe beim Sterben“) betrifft die Fälle, in denen der Sterbevorgang bereits begonnen hat.

Zu 2: Indirekte Euthanasie wird überwiegend für zulässig gehalten, Direkte Euthanasie ist unzulässig.
Aktive Euthanasie ist gegeben, wenn die Sterbehilfe nicht aus dem Unterlassen einer Handlung, sondern aus der Durchführung einer Handlung resultiert.

Zu 2aa): Indirekte Euthanasie betrifft den Fall, dass die Durchführung einer Handlung eine Lebensverkürzung zwar in Kauf nimmt, in erster Linie jedoch auf Schmerzlinderung und eine Erleichterung des Sterbens zielt . Die Zulässigkeit ist umstritten, im Ergebnis aber wohl akzeptiert. Die Argumentation für die Zulässigkeit stellt vor allem auf die soziale Verträglichkeit und Gebotenheit der Handlung ab: Eine Rechtfertigung aus Notstand (drohende Gefahr eines schmerzvollen Todes soll durch entsprechende Medikation gebrochen werden) sowie aus Pflichtenkollision (Pflicht zur Lebenserhaltung versus Pflicht zur Leidensminderung) soll hier greifen.

Zu 2bb): Direkte Euthanasie betrifft den Fall, dass die Durchführung der Handlung auf eine Lebensverkürzung zielt . Damit wird der Tatbestand des Totschlags erfüllt. Fraglich ist, ob der Totschlag durch Notstand gerechtfertigt ist. Dies wird aber generell verneint, und zwar aus zwei Gründen: Erstens wird die Unverfügbarkeit des Lebens postuliert – das Individuum soll über sein Leben nicht wie über sein Eigentum verfügen können. Zweitens mangele es am überwiegenden Interesse der aktiven Tötung, wenn darüber hinaus die Teilnahme an einer bloßen Selbsttötung (vgl. 3.) oder ein Behandlungsabbruch möglich sind.
Die Bestrafung der aktiven Euthanasie ist noch sehr umstritten. Es wird ein übergesetzlicher Schuld- oder Strafausschluss diskutiert.

Zu 3.: Tötung auf Verlangen ist unzulässige Sterbehilfe, das bloße Geschehenlassen einer frei verantwortlichen Selbsttötung allerdings straflos.
Die Tötung auf Verlangen unterscheidet sich von den oben dargestellten Formen der Sterbehilfe in der Motivation sowohl des Opfers als auch des Täters: Das Opfer muss mit ausdrücklichem und ernstlichem Verlangen den Täter zur Tötung bestimmen, der Täter muss sich diese Motivation als entscheidenden Tatantrieb zu eigen machen. „Verlangen“ ist mehr als Einwilligung, „ausdrücklich“ meint unmissverständliche Äußerung, „ernstlich“ setzt überlegte Kundgabe und intellektuelles Vermögen voraus.

Dass die Tötung auf Verlangen einen eigenen Tatbestand im Strafgesetzbuch erfüllt und dementsprechend einer niedrigeren Strafandrohung als ein herkömmlicher Totschlag unterliegt, erklärt sich aus der besonderen Konfliktlage des Täters und der Motivation des Opfers. Die Bestrafung der Tötung auf Verlangen sowie die Verfassungsmäßigkeit der Gesetzesvorschrift ist nach wie vor umstritten.

Zu 3a): Täterschaftliche Tötung auf Verlangen meint Fremdtötung . Die zum Tode führende Handlung liegt bis zum Schluss allein in der Macht des Täters .

Zu 3b): Quasi-mittäterschaftliche Tötung auf Verlangen liegt vor, wenn die Tötung gemeinschaftlich vollzogen wird. Der letzte Handlungsschritt liegt beim Suizidenten und begründet daher eine Selbsttötung . Diese Zuordnung ist allerdings umstritten. Der Bundesgerichtshof setzt die quasi-mittäterschaftliche Tötung der täterschaftlichen Tötung gleich.


Wenn ich z.B gebeten werde irgendwas zum Sterben zu besorgen und ich mach das dann auch und gebe es dem jenigen....ist es ja schon irgendwo aktiv......nimmt dieser Mensch das von mir besorgte Mittelchen nun selbst.....dann war es sein freier Wille.....also wieder passiv.

Nach dieser Kategorisierung entspricht das Beispiel also nicht der passiven Sterbehilfe, sondern der quasi-mittäterschaftlichen Tötung auf Verlangen.

Zu 3c): Geschehenlassen einer Tötung auf Verlangung bedeutet, dass jemand eine frei verantwortliche Selbsttötung auf Verlangen geschehen lässt, aber nicht irgendwie unterstützt . Dies ist auch in Garantenstellung anscheinend straflos.

harlekyn
09.08.2003, 12:57
Sterbehilfe erlaubt hin oder her....ich hab für mich, nachdem ich jetzt zwei Jahre lang das Elend in Pflegeheimen und Im KH gesehen hab, beschlossen, das keiner der mir nahe steht ein solches Schicksal erleiden muß. Wenn es an der Zeit ist zu gehen, (PEG Sonde, künstliche Beatmung, dauernd unter Katecholamienen, nicht mehr fähig sich zu äußern,) werde ich dafür sorgen, das es vorbei ist.
Auch wenn es meine Oma oder soetwas ist. Gerade dann! Ich sehe es als meien Pflicht, ihr Leiden zu ersparen.
Moderne Medizin ist alles gut schön. Leben erhalten ist schön. Aber ich denke auch "die Alten" definieren Leben nicht als rumliegen und wehrlos auf das Ende warten....

SidVicious
13.09.2005, 13:07
Hallo,

ich denke in vielen Krankenhäusern wird die passive Sterbehilfe doch längst praktiziert. Wie kann ich es als Arzt zB. verantworten einem Patienten mit Bronchial-Ca Morphium zu geben, wo ich doch weiß, dass Morphium Atemdepressiv wirkt?
Naja muß jeder selber wissen ich persönlich würde als Arzt niemals einer bitte des Patienten nachkommen ihm beim sterben zu helfen. Ich möchte neimanden Töten.

Gruß
SidVicious

MichaelHH
13.09.2005, 13:29
Wo hast Du denn den alten Thread hergekramt?

Was das Morphium angeht, so ist es ein unglaublich segensreiches Medikament und ich würde seine Anwendungsweise differenzierter betrachten, da in vielen Fällen die atemdepressive Wirkung lediglich eine untergeordnete Rolle spielt.

Patienten mit akutem Myokardinfarkt, Lungenödem, unruhige Patienten mit Zeichen der respiratorischen Insuffizienz und auch der von Dir angesprochene Patient mit Bronchial-Ca befinden sich allesamt in einer Situation, wo sie O2 dringend nötig haben. Trotzdem trägt die Unruhe und das Angstgefühl über einen erhöhten Sympathikustonus dazu bei, den Sauerstoffverbrauch noch zu erhöhen und diese Patienten profitieren von Opiaten, da es aufgrund des sedierenden Effektes tatsächlich zu einem gesteigerten O2-Angebot z.B. an das ischämische Herzgewebe kommt. Daher auch die Indikation von Morphin beim akuten Myokardinfarkt. So kann auch der von Dir beschriebene Patient mit Bronchial-Ca von Opiaten in vernünftiger Dosierung profitieren, ohne dass dies unter den Stichpunkt passive Sterbehilfe fallen würde.

Schöne Grüße,

Michael

SidVicious
13.09.2005, 15:09
Hi,

da hab ich mich wohl mit meinem Wissen win wenig weit aus dem Fenster gelehnt. Trotz alle dem hatte ich in meinem Krankenhaus das gefühl, dass sobald die Patienten Morphium bekommen haben dann relativ schnell verstorben sind. Vieleicht war das aber auch eine eher subjektive empfindung.

Gruß
Sid Vicious

UPS der ist wirklich alt

Rico
13.09.2005, 18:35
Trotz alle dem hatte ich in meinem Krankenhaus das gefühl, dass sobald die Patienten Morphium bekommen haben dann relativ schnell verstorben sind. Vieleicht war das aber auch eine eher subjektive empfindung.Nee, das kann ja schon sein.
Die Gabe von Morphin bei infauster Prognose ist die einzige in Deutschland legale aktive, lebensverkürzende Maßnahme, die Du als Arzt machen darfst, bzw. sogar sollst.
Die Atemdepression als relative Kontraindikation des Morphins ist z.B. dann vernachlässigbar, wenn Du stärkste Tumorschmerzen hast, die Du anders nicht in den Griff kriegst, dann stellt die Schmerzfreiheit des Patienten das höhere Palliativtherapeutische Ziel dar, als es eine evt. Lebensverlängerung ohne Mo aber unter Schmerzen darstellt (nebenbei verursacht der Schmerzreiz auch einen gewissen Atemantrieb, sodaß die Patienten mehr Mo tolerieren, bevor die NW zum Tragen kommen).

Wenn der patient die Schmerztherapie nicht explizit ablehnt, dann steht diese Situation rechtlich (da gibt's entsprechende Gesetze und Urteile zu) und IMO auch ethisch auf so festen Füßen, daß es daran eigentlich nix zu deuteln gibt. Ich jedenfalls würde nicht zögern, das Leben eines Patienten (immer bei infauster Prognose natürlich) so etwas zu verkürzen, wenn dies um den Preis einer besseren Lebensqualität in diesem letzten Lebensabschnitt geschiet. :-meinung

Rugger
13.09.2005, 20:18
Zum Thema: Link. (http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,374505,00.html)

R.

Evil
13.09.2005, 20:34
nebenbei verursacht der Schmerzreiz auch einen gewissen Atemantrieb, sodaß die Patienten mehr Mo tolerieren, bevor die NW zum Tragen kommen Genau, Schmerz und Atemdepression heben sich gegenseitig auf. Für alle Opiate gilt, daß bei nur ausreichender Analgesie i.d.R. die Atmung suffizient ist, es sein denn, der Patient ist noch zusätzlich sediert oder hat eine schwerwiegende Lungenerkrankung.

DoktorW
13.09.2005, 20:36
Zum Thema: Link. (http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,374505,00.html)

R.

sehr ergreifend!!!