PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Realität Deluxe und völlig überfordert- hab ich versagt? ..Gerne vorallem an Gyns



sunnysunday
20.04.2013, 21:42
Liebes Forum,

ich habe mich hier neu angemeldet, war bisher nicht aktiv. Also nur zum Lesen ;-)
Weiss gerade nicht wirklich, mit wem ich über mein Problem reden soll, möchte als Berufsanfänger auch bei meinen Kollegen nicht dumm dastehen, da ist es mir hier anonym lieber..

Ich bin sehr überfordert :-(
Ich mache meinen FA als Gyn, arbeite seit 2 Jahren in einem christl. Krh auf der Geb.Hilfe.
Gestern hatte ich als 1.Hilfe eine junge Patn, genau mein Alter, die wegen starken Regelschmerzen bei erster Regel nach Geburt kam. US unauffällig, vag. Untersuchung auch, was die Schmerzen angeht.
ABER.. rund um die Vagina kleine und grössere Hämatome. Sie wollte die vag. Untersuchung auch nicht, aber habe dazu geraten um alles gründlich abklären zu können der Schmerzen wegen.
Habe aus Reflex auf die Hämatome angesprochen, was wohl schon der erste ungeschickte Schachzug war, so direkt und unvermittelt :-/ Sie sagte, sie sei "hingefallen". Also solche Hämatome kann man nicht mal bekommen, wenn man breitbeinig auf keine Ahnung was fällt, das ist unmöglich. Ihre gesamte Körpersprache sagte auch eher, dass es Gewalteinwirkung war. Sehr zurückhaltend, ängstlich, wollte vag. Untersuchung nicht sondern am liebsten nur Schmerzmittelklopper, um die Schmerzen wegzuballern..
Habe das "hingefallen sein" dann so hingenommen, wusste nicht, was ich sagen soll.
Patn wird sicher nochmals in die Klinik kommen, schon allein wegen Hüftscreening des Neugeborenen.
Sie hatte eine Sect., aber es ist ausgeschlossen dass die Hämatome daher kommen, die waren ganz frisch und eine Sect. macht auch nicht solche Häm.

War das unterlassene Hilfeleistung meinerseits? Ich hätte mehr bohren müssen oder? Ich hab da eine junge Frau gehen lassen, die offensichtlich Gewalt erfahren hat, und habe nichts unternommen. Mache mir große Vorwürfe.
Wenn das hier jemand auf Station wüsste von den OÄ oder der Chef, die werfen mich doch raus? Muss ich das melden?
Ich habe sowas noch nie erlebt und auch noch nie mitbekommen bei Kollegen.
Bin völlig am Ende, auch psychisch weil ich noch nie mit Gewalteinwirkung an Pat konfrontiert war bisher. Fällt mir gerade auch ganz schwer ,da Distanz zu wahren. Denke jetzt an die Patn und wie es ihr geht und mache mir Gedanken und wie gesagt Vorwürfe.
Werde die Patn sicher nochmals sehen, sollte ich das Gespräch suchen?

HILFE! Danke!!!!!!
S.

Feuerblick
20.04.2013, 21:59
Gegenfrage: Was hättest du denn unternehmen KÖNNEN, wenn die Patientin dir von Gewalteinwirkung berichtet hätte, aber keine Anzeige hätte erstatten wollen? :-nix

Moorhühnchen
20.04.2013, 22:35
Ich nehme an, so ergeht es jeden Tag Polizisten, die zu häuslicher Gewalt gerufen werden und mitansehen müssen, daß die Frauen größtenteils wieder zurückkehren ohne Anzeige zu erstatten. Traurig aber wahr!
Du hast Deinen Teil getan und Hilfe angeboten - ob die Frau sie annimmt oder ablehnt, steht nicht in Deiner Macht! :-?

Stephie84
20.04.2013, 22:47
Hallo S.,
ich bin auch Assistentin in der Gyn. Du solltest dich erst mal runterfahren, dich wird keiner feuern. Ich glaub, dir dass du mit der dem plötzlichen Konfrontiertsein von annehmbarer sexueller Gewalt bei der Patient überfordert warst. Trotzdem hast du es nicht so falsch gehandelt. Du hast die Patientin darauf angesprochen und ihr somit eine Brücke gebaut, hätte sie reden wollen. Sicher wäre noch mehr möglich gewesen wie auf Hilfsangebote aufmerksam machen, auch Spurensicherung/Dokumentation ohne zwingende Anzeige usw. Wenn die Frau volljährig war und so klingt es, bist du juristisch so oder so aus dem Schneider. Es ist ja ein freies Land hier und man darf und sollte keine Frau zu einer Anzeige drängen bzw. Handlungen durchführen, die sie nicht möchte (z.B. wäre eine nicht gewünschte Vergewaltigungsdokumentation ja schon wieder Körperverletzung).
Wenn du die Frau noch mal siehst, würde ich wieder die Gesprächs- und Hilfsbereitschaft signalisieren aber keinen zu großen Druck ausüben. Wenn du den dringenden Verdacht auf Gewalt hat und sie dich gar nicht an sich ranlassen möchte, würde ich es dabei belassen, mögliche Hilfestellen zu benennen und zu sagen, dass sie sich jederzeit wieder an die Klinik wenden kann. Wie macht ihr das denn sonst in eurer Klinik? Ihr habt ja vielleicht euren Standard dazu... In meiner Klinik gibts hin und wieder Dienste, in denen 2,3 Sexualdelikte pro Nacht anstehen, da ist ein Schema sehr hilfreich. Allerdings genau die Situation, die du erlebt hast, hatte ich selbst noch nie.
Auch wenn die Gesamtsituation wie du sie schilderst sehr nach Gewalt klingt, würde ich nicht ganz ausschließen, dass die Verletzungen selbst beigebracht oder durch härtere sexuelle Praktiken verursacht worden sind.
Viele Grüße und Kopf hoch...

Mondschein
20.04.2013, 22:49
Also ich kenn euer Betriebsklima nicht, aber ich denk, dass du das generell schon mal einen Oberarzt oder erfahreneren Kollegen fragen kannst und dabei eben berichten, dass du keinen ganz sicheren Anhalt aber eben so ein ungutes Bauchgefühl und diese und jene Befunde erhoben hast.
Wenn du die Patientin nochmal siehst, kannst du ja anbieten, dass sie sich bei Problemen jeder Art gerne an eure Klinik wenden kann, ohne konkrete "Beschuldigungen" (vielleicht streitet sie häusliche Gewalt ab, falls was vorgefallen ist und es der Partner war, das kommt ja vor, vielleicht kommt sie dann gar nicht mehr), sondern eher so durch die Blume?
Aber zwingen wirst du niemanden können, Hilfe in Anspruch zu nehmen! Ich find nicht, dass du - so wie dus beschrieben hast - was falsch gemacht hast (sag ich jetzt allerdings ohne jede Gyn-Erfahrung).

sunnysunday
21.04.2013, 09:33
Danke für die Antworten. Mir ging es schon nach dem Schreiben merklich besser, weil ich es "teilen" konnte..

Ich finde einfach, ich hätte auf Hilfsangebote aufmerksam machen müssen, ihr anbieten sollen, daß sie mit mir sprechen oder jederzeit zu uns ins Haus kommen kann (auch wenn wir solche Delikte immer weitergeben und das bei uns gar nicht machen, aber zumindest könnten wir als ein ihr vertrautes Haus ja erster Ansprechpartner für sie sein..), ihr vielleicht die ein oder andere Adresse mitgeben usw..
Ich habe einfach GAR NICHT reagiert, als sie sagte, sie sei nur hingefallen. Obwohl sie da schon Tränen in den Augen hatte. Fühle mich einfach menschlich als Arschloch, so jemanden dann gehen gelassen zu haben.
Von ärztlicher Seite her.. naja, da fühl ich mich auch mies :-/
Ich weiß, da kann mir jetzt auch keiner helfen.. Aber bin trotzdem immernoch fix und alle :-(

WackenDoc
21.04.2013, 10:32
Manchmal ist es aber einfach nicht an der Zeit es an- oder auszusprechen.
Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass sie nicht weiss, dass du ihre Ausrede nicht geglaubt hast.
Womöglich war sie ganz froh, dass du sie (noch) nicht damit konfrontiert hast.

Du hast doch selber gesagt, dass sie nochmal wiederkommt. Das wäre doch die Gelegenheit vorbereitet in so ein Gespräch zu gehen.

Ich hoffe mal, dass ihr eine guter Supervision habt: Dann solltest du nämlich tatsächlich mit deinem Oberarzt sprechen-aber mit dem Ziel, dass er dir Hilfestellung für das anstehende Gespräch mit der Patientin gibt.

Balintest du schon? So eine Problematik ist wäre ein typischer Fall für die Balintgruppe.