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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Änderung der EH-Ausbildung in der Bundeswehr



WackenDoc
02.05.2013, 16:01
Vor ein paar Jahren wurde in der Bundeswehr die Ersthelferausbildung den neuen Einsatzerfordernissen angepasst.
Da es durchaus passieren kann, dass ihr im Rettungsdienst mit solchen Ersthelfern zu tun habt, will ich kurz beschreiben, was die können, was nicht und wie ihr deren Fähigkeiten evtl. nutzen könnt.

Hier ein Link um mal einen Einblick zu bekommen:
http://www.sanitaetsdienst-bundeswehr.de/portal/a/sanitaetsdienst/!ut/p/c4/NYvBCsJADAX_KNnWg9WbRQQv9SJovaXtWgJttmSzCuLHuz34Bu YyPHxgRujFIxkHoQnv2Pa8797wiSSQfOc1SQRKT1MawbNESrHD 2_ocPPRBvK02L8bZo5IFhSWoTWtJqrkAD9i64li7yv1XfKvyWu _Kars5N6cLLvN8-AHGeUD6/

Es gibt bei der Bundeswehr zwei Sorten von Ersthelfern: Einsatzersthelfer A (Alphaersthelfer) und Einsatzersthelfer B (Bravoersthelfer, auch kurz "Bravos" genannt).
Die Ausbildung zum Alphaersthelfer bekommt jeder Soldat und beinhaltet im Wesentlichen das, was früher der Helfer im SanDienst war. Für die, die nicht gedient haben, ist es das, was man zivil im "großen" Ersthelferkurs lernt (also nicht der Sofortmaßnahmen am Unfallort, sondern der erweiterte Lehrgang, der 16 Doppelstunden? dauert) plus noch ein paar einsatzspezifische Inhalte.
Alle Ersthelfer bekommen bei uns auch eine Einweisung in psychische Erste Hilfe.

Interessanter für euch sind die Bravoersthelfer: Das sind Nicht-Sanitäter und haben eine erweiterte Ausbildung und werden gerade vor den Einsätzen intensiver weitergebildet.
Zusätzlich zu den Erste-Hilfe-Maßanhmen werden die ausgebildet i.v.-und i.o.-Zugänge zu legen (i.o. normalerweise nur ein spezielles System, was es im Zivilen nicht gibt), Infusionen vorzubereiten, Spannungspneus zu erkennen und mittels Notfallpunktion zu entlasten.
Eine umfangreiche Ausbildung zum Body-Check gehört mit dazu, ebenso werden Bravoersthelfer im ABC-Schema ausgebildet. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Wärmeerhalt und Atemwegssicherung mittels Wendeltubus.

Zusätzlich sind einige Bravos im Umgang mit einem Spineboard, StifNeck und SamSplint ausgebildet- dies geschieht in der Regel im Rahmen von Weiterbildungen, die allerdings je nach Standort variieren.

Was bedeutet das nun für den zivilen Rettungsdienst:
Als erstes solltet ihr euch nicht wundern, wenn ihr auf einen Patienten trefft, der von einem Bravoersthelfer vorversorgt ist. Eigentlich dürfen die die erweiterten Maßnahmen nur im Einsatz anwenden, aber es könnte durchaus passieren, dass einer z.B.Tourniquets oder auch Punktionsnadeln von einer Übung mitgenommen hat und die im Notfall auch anwendet.
Evtl. bekommt ihr auch eine Übergabe, die von dem abweicht, was euch ein normaler Ersthelfer erzählen würde.
Die Jungs (und Mädels) sind in der Regel hochmotiviert und werden sich freuen, wenn ihr irgendeine Aufgabe für sie habt.
ABER: Der Grad der tatsächlich abrufbaren Fähigkeiten variiert erheblich, was im Zusammenhang mit der hohen Motivation prinzipiell zu Konflikten führen kann. Manche haben zwar den Lehrgang gemacht und dort auch teilweise täglich mehrere Viggos gelegt- aber die haben es eben vor allem an jungen Leuten mit guten Venen gelernt und danach oft nicht mehr regelmäßig geübt.
Auch haben die teilweise andere Techniken als im Zivilen üblich- so wird in der Regel gelehrt, die Infusion als geschlossenes System vorzubereiten und die Infusion wird dem Verletzten z.B. unter den Allerwertesten gelegt (und das funktioniert dann nur mit vollständig entlüftetem System) und nicht gehalten.
BLutdruckmessen können die Ersthelfer in der Regel nicht- dafür haben die gelernt, den Blutdruck danach abzuschätzen, wo am Körper sie einen Puls tasten können. Ebensowenig sind die im Umgang mit BZ-Messgeräten geschult. Der Schwerpunkt der Ausbildung liegt in der Versorgung von traumatologischen und nicht internistischen Krankheitsbildern.
Dies unterscheidet sie z.B. von den SanHelfern der Hilfsorganisationen.

Wie könnt ihr solche Ersthelfer einsetzen:
Eine gute Möglichkeit besteht in der Unterstützung wenn zusätzliche Hände gebraucht werden- z.B. bei einem MANV.
Da kommen so Maßnahmen wie Absicherung, Blutstillung, Wärmeerhalt, aber auch Überwachung von leichterer Verletzten in Betracht.
Ich kann mir auch gut einen Einsatz als "Scrat" (manuelle Immobilisierung der HWS) in Betracht wenn sonst dafür nicht genug Helfer zur Verfügung stehen würden.
Manchmal muss man das Wissen nochmal "anstupsen", da es durchaus passieren kann, dass sie Angesichts eines echten zivilen Patienten (also ein anderes Szenario als was wir im Schwerpunkt ausbilden) vergessen, was sie gelernt haben.

Und um euch noch mehr zu verwirren, gibt es darüber hinaus noch Combat First Responder in 3 Stufen- die haben eine Ausbildung die über die EH-Ausbildung hinaus geht. Die sind aber seltener, deswegen gehe ich da nicht genauer drauf ein.

Meine Ausführungen sollen euch einen kleinen Einblick geben um somit die Zusammenarbeit zwischen unseren Ersthelfern und dem Rettungsdienst zu verbessern.
Ich würde mich über Erfahrungsberichte freuen, falls ihr mal als Rettungsdienst mit so einem Ersthelfer zu tun hattet.

Dragon82
02.05.2013, 21:51
Du hast es ziemlich gut erfasst: die ganzen erweiterten Maßnahmen, die die Bravos auf ihrem zweiwöchigem Lehrgang erlernen, dürfen nur im Auslandseinsatz im Rahmen der Notkompetenz verwendet werden. In Deutschland ist das - wie die Entlastungspunktion bei den Einsatzersthelfern A - eher hundepfui.

Und ob man bei einem MANV gerade ein paar solche zur Hand hat? Ich glaube eher nicht.

Ein interessanter Nebenaspekt der neuen Sanitätsausbildung ist, dass nun in der Ausbildung "Einsatzersthelfer A" jährlich einen eintägigen Kompetenzerhalt (es gibt vier verschiedene Module, die abwechselnd absolviert werden müssen) besuchen muss, damit man die Qualifikation weiter behält (bei Bravo müsste ich jetzt lügen). Das ist ein Novum, der alte Helfer im SanDienst war unbegrenzt gültig.

Viele Grüße


dragon82

WackenDoc
03.05.2013, 01:46
Auch die Bravos müssen regelmäßig auf den Auffrischungskurs, sonst verlieren sie ihre Qualifikation.

Das mit dem MANV war nur ein Beispiel. Es sollte verdeutlichen, dass es eben Ersthelfer gibt, die besser ausgebildet sind als die meisten und deren Fähigkeiten man -wenn auch im begrenzten Umfang- nutzen kann, wenn Not am Mann ist.

EKT
10.05.2013, 20:14
BLutdruckmessen können die Ersthelfer in der Regel nicht- dafür haben die gelernt, den Blutdruck danach abzuschätzen, wo am Körper sie einen Puls tasten können. Ebensowenig sind die im Umgang mit BZ-Messgeräten geschult.

Letzteren schätzen sie einfach gustatorisch indem sie ein paar Blutstropfen auf der Zunge zergehen lassen.

WackenDoc
10.05.2013, 21:33
Genau- und um den Blutdruck zu messen stellen die sich mit nem speziellen Maßband neben nen blutenden Patienten und schauen wie hoch es spritzt.

Muriel
10.05.2013, 21:41
Erinnert mich an diese tollen Physikklausuren damals bei uns. Die mit Trapper John und dem Ohr auf den Gleisen und so :-D