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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Testat-Wahnsinn



rockhopper
14.05.2013, 10:58
Hi Leute,

ich wollte mal in die Runde fragen, ob das Medizinstudium an jeder Uni von einer so exzessiven Abfragekultur und eher rückständigen "Lehrmethoden" geprägt ist, wie ich es bei uns empfinde.

Ich will jetzt nicht alles schlecht reden- es gibt auch 1-2 gut organisierte Fächer (Anatomie und Biologie zum Beispiel), aber es gibt schon Fächer (die Mehrzahl), in denen mal sich fragt, ob diese ganzen Abfragen überhaupt einen Zweck haben, abgesehen davon, dass man möglichst viele Studenten irgendwie loswerden will, weil sich letztes Jahr angeblich zu viele Leute reingeklagt haben (ca. 60 Leute).

Physiologie-Seminar (Seminar immer ungefähr 1x/Woche):
- Strichliste zur mündlichen Mitarbeit in Seminaren,
- für jeden Seminartag 5-8 mögliche, 20 minütige Referate vorbereiten und auch halten können (ohne zu wissen ob man dran kommt),
- handschriftliche, 10-seitige Hausarbeiten abgeben, wenn man einen Seminartag verpasst (nur bei Krankheit, ansonsten gilt das als Abbruch des Seminars),
- die Dozenzin will uns "gnädigerweise" schon zu Anfang des Seminars sagen, wer das Referat halten muss, wenn wir dann aber nicht unsere 3-Pflichtfragen nach den Referaten stellen und keine angeregte Diskussion entsteht, zieht sie diese großzügige Angebot auch gerne wieder zurück

Physiologie-Praktikum:
- MC-Tests vor jedem Praktikumstag, wenn nicht bestanden, dann Praktikumswiederholung, sonst Fehltag (bei 100%iger Anwesenheitspflicht)

Biochemie-Praktikum (alle 14 Tage):
- benotete, mündliche Abfragen vor der gesamten Praktikumsgruppe (natürlich auch unangekündigt)

etc.

Ich habe vor Medizin schon ein anderes Studium gemeistert und kenne diese hinterweltlichen Lehrmethoden nicht. Ich fühle mich irgendwie so, als müsste ich mich jetzt wieder vom Erwachsenen zum gehorsamen Schüler zurück entwickeln.

Man weiß doch schon seit vielen Jahren, dass man Menschen auf diese Art und Weise nicht dazu bringt und gerne und nachhaltig zu lernen...

Ist das an eurer Uni auch so schlimm?

Viele Grüße,
rockhopper

davo
14.05.2013, 11:42
Ich habe vor Medizin schon ein anderes Studium gemeistert und kenne diese hinterweltlichen Lehrmethoden nicht. Ich fühle mich irgendwie so, als müsste ich mich jetzt wieder vom Erwachsenen zum gehorsamen Schüler zurück entwickeln.

Ich vermute dass man die Leute so dazu zwingen will andauernd mitzulernen, damit große Wissenslücken erst gar nicht entstehen können. In Großbritannien ist das z.B. in jeder Studienrichtung üblich, aus eben diesem Grund.

konstantin
14.05.2013, 12:14
Bin ganz froh, dass wir in der Vorklinik so gebeutelt wurden. Das Physikum und die Lernzeit davor waren deswegen mega entspannt, und ich habe bei vielen Dingen einfach das Gefühl, etwas für's Leben verstanden zu haben. Die größten Probleme jetzt in der Klinik habe ich mit den Sachen, die wir in der Vorklinik am Ende eines Semesters besprochen haben, als man schon genügend Testate bestanden oder Punkte gesammelt hatte, und sich nicht mehr um die Themen geschert hat.

Meine Uni ist hinsichtlich der Testate und Praktika in der Vorklinik sehr extrem, und es schaffen nicht einmal die Hälfte der Studenten in Regelstudienzeit zum Physikum. Jetzt in der Klinik ist es ein einziges Rumgepimmel. Ob man da ist oder nicht ist relativ wumpe, Testate unterm Semester sind zum einen selten und zum andern ein Witz, und am Ende des Semesters lernt man pro Klausur ein, zwei Abende und besteht ohne Probleme. Lerneffekt: NULL. Das ist auch okay so, weil ich nur noch das ernsthaft lerne, was mich interessiert, und das in der Regel daheim tue. Aber ich hätte jetzt überhaupt keine Chance, die Dinge, die mich interessieren, überhaupt zu verstehen, wenn in der Vorklinik nicht so gestresst worden wäre.

edit: Aber im Ernst: Dass es in der Medizin meistens so läuft, ist doch kein Geheimnis. Wer mit Verschulung und Testatstress nichts anfangen kann, soll sich entweder die "richtige" Uni raussuchen oder es bleiben lassen.

ludor
14.05.2013, 12:22
Hey,

also ich studiere auch in Frankfurt (4. Semester) und muss deine Aussagen mal etwas revidieren, nicht dass hier ein falscher Eindruck entsteht.

Ich gebe dir Recht, dass die Anfragemethoden hier manchmal etwas fragwürdig sind, aber so schlimm wie von dir dargestellt nun wirklich nicht.




Physiologie-Seminar (Seminar immer ungefähr 1x/Woche):
- Strichliste zur mündlichen Mitarbeit in Seminaren,
- für jeden Seminartag 5-8 mögliche, 20 minütige Referate vorbereiten und auch halten können (ohne zu wissen ob man dran kommt),
- handschriftliche, 10-seitige Hausarbeiten abgeben, wenn man einen Seminartag verpasst (nur bei Krankheit, ansonsten gilt das als Abbruch des Seminars),
- die Dozenzin will uns "gnädigerweise" schon zu Anfang des Seminars sagen, wer das Referat halten muss, wenn wir dann aber nicht unsere 3-Pflichtfragen nach den Referaten stellen und keine angeregte Diskussion entsteht, zieht sie diese großzügige Angebot auch gerne wieder zurück


Also so extrem ist es sicher nicht.
Es gibt zumindest auch einige Dozenten wo man sich freilich melden kann um ein Referat zu halten. So war es im Seminar bei mir. Wir konnten uns dann vorher in der Gruppe absprechen (meist über FB) wer welches Referat im Vorfeld übernimmt. Der Dozent gehörte damit sicherlich zu den "Netteren" aber ich habe noch von keinem! aus dem Semester gehört, bei dem es im Seminar wirklich dazu kam dass er oder sie eine Hausarbeit anfertigen musste. Auch als wir mal vertretungsweise bei einem anderen Dozenten hatten, lief es genauso ab.
Plichtfragen und angeregte Diskussion gab es nicht.



Physiologie-Praktikum:
- MC-Tests vor jedem Praktikumstag, wenn nicht bestanden, dann Praktikumswiederholung, sonst Fehltag (bei 100%iger Anwesenheitspflicht)


Dieser MC-Test wurde schon seit ein paar Semestern abgeschafft. Als "Ersatz" dessen wurde es eingeführt dass man zu Beginn des Praktikums aufgerufen wurde um kurz die anstehenden Versuche zu erläutern. Aber auch alles halb so wild, da man dafür lediglich das Skript durchlesen muss, ohne zu viel Detailwissen. Was in meinen Augen auch durchaus Sinn macht, bevor man mit den Versuchen beginnt...



Biochemie-Praktikum (alle 14 Tage):
- benotete, mündliche Abfragen vor der gesamten Praktikumsgruppe (natürlich auch unangekündigt)


Diese Abfragen existieren so tatsächlich. Sind aber auch halb so wild. Zum einen gibt es Fragenkataloge der früheren Semester an denen man sich sehr gut orientieren kann (da die Dozenten eh immer das gleiche fragen) und zum anderen läuft die Benotung wirklich mehr als fair ab.

Ich weiß nicht in welchem Semester du bist, aber lass sich nicht von solchen Ankündigungen (sei es von Seiten der Kommilitonen oder von den Dozenten) verrückt machen.
In der Realität sieht es in der Regel wirklich anders aus.

In wie fern diese Abfragen dazu beitragen aus uns fleißige und gute Studenten, geschweige denn gute Ärzte zu machen steht auf einem ganz anderen Blatt.

Aber bis dahin heißt es locker bleiben und nicht alles so ernst nehmen was an den Unis so kursiert!

Mit dieser Einstellung kommt man eigentlich immer ganz gut durch;)

LG

Strodti
14.05.2013, 12:29
Das hört sich nach der üblichen Dynamik von Semestergerüchten an ;-)

Monsunfisch
14.05.2013, 16:04
Das klingt nicht anders als bei unserer auch (und anderen Unis sicherlich ebenso). Testate sind nervig, und ich finde sie nicht sonderlich hilfreich, denn ich hamstere Wissen am Tag vorher an und verdränge es am Prüfungstag schon wieder aus meinem Kopf.
Uns wurde von unserem Histo-Prof ein Satz gesagt, den ich als unglaublich hilfreich gegen diese "Wofür lernen wir so Zeug eigentlich?" Einstellung empfinde, gerade in Fächern wie Physik und Chemie: Es geht nicht um das Wissen, sondern es geht darum, zu lernen, wie man möglichst viel Wissen aufnehmen kann. Denn wenn an einem Tag der zwanzigste Patient zu einem kommt, sollte man später immernoch wissen, wer Kandidat Nummer 6 war, was er hatte, was es für Probleme gab etc.

Testate finde ich persönlich nicht dramatisch. Und generell scheinen Medizinstudenten eine Meinung innezuhaben, die vor besonderen Talent im Jammern strotzt. Es gibt mE (ohne selbst Erfahrung darin zu haben) sehr viel anstrengendere Studiengänge als die Medizin, ich nenne einmal Physik oder Ingenieurwesen. Ich bin kein Fleißstudent, aber ich gehe mit der Einstellung ran, wenn die Prüfung klappt, hab ich genug getan, wenn nicht, hab ich Pech gehabt, bin selber schuld und strenge mich in der zweiten eben mehr an. Und jede Prüfung ist machbar, denn der Ärztemangel rührt nun wirklich nicht daher, dass das Studium nicht schaffbar wäre. Also immer mit der Ruhe!

ehemaliger User_29072015
14.05.2013, 20:05
Testate sind klar nervig, aber m.M. nach auch von dem Aspekt gut, dass man von vorne herein am Ball bleiben muss.

mathematicus
15.05.2013, 09:06
Testate sind klar nervig, aber m.M. nach auch von dem Aspekt gut, dass man von vorne herein am Ball bleiben muss.

Dann muss man aber auch kontinuierlich mitlernen. Ich gehöre eher zu der Sorte, die ein paar Tage vorher das Bulimielernen anfängt :D Bin gespannt, wie viel Wissen bis zur Klausur wieder verschwunden ist^^

rockhopper
15.05.2013, 10:04
Vielen Dank für eure Antworten bisher.

Leider sind das keine Gerüchte, sondern die Fakten, die uns unsere Dozentin so weitergegeben hat (kann man auch auf der Website der Physiologie nachlesen). Das mit den MC-Fragen scheint bei ihr noch nicht angekommen zu sein, zumind. hat sie die Info so an uns weitergegeben. Das mit der Hausarbeit kann sein, dass ich es verwechselt habe und eher zum Praktikum gehört. Es wäre natürlich super, wenn sie nur schlecht informiert war und es in Wirklichkeit ein bisschen "angenehmer" gestaltet ist.

Ihr habt recht, das mit den Gerüchten ist teilweise echt nervig- meine Schilderungen beziehen sich nur auf das, was ich wirklich mit meinen eigenen Ohren gehört habe ;).

Naja, wenn es an anderen Unis auch so abläuft, muss ich mir ja zumindest nicht mehr die Sorge machen, dass es an der Uni liegt ;).

Nicht, dass hier der falsche Eindruck entsteht: Ich will mich vor nichts drücken und bin auch dazu in der Lage, sehr ausdauernd und "hart" zu arbeiten. Allerdings ist es schon so, dass ich solche Strukturen zwischendurch mal kritisch hinterfrage und mit anderen Menschen abgleiche. Kritisch hinterfragen heißt ja nicht, dass man gleich eine Revolution starten muss.

Nessiemoo
15.05.2013, 16:39
Das habe ich auch von vielen Unis gehört... finde es eigentlich inerseits gut, weil man doch was lernt, andererseits ist es doch nur Stress pur und man ist ja auch nicht mehr in Grundschule, wo man jeden Tag die Hausaufgaben abgeben musste.

Das finde ich in Heidelberg echt locker

1. Semester:
-5 Anatomie Testate, 2 davon schriftlich ( das wars dann aber mit Anatomie - keine Klausur o.ä)
- Chemie: etwas schlimmer - 10 Aufgabenblätter abgeben und da genügend hohe Punktzahl kriegen (man wird aber fast immer durchgewunken durch die netten Hiwis) um zum Praktikum zugelassen zu werden - da wird man vor jedem Praktikumtag geprüft (das fand ich doof, andererseits hätte ich so nie die Redoxgleichungen gelernt)... dafür wenn man da durchkommt, schafft man die Chemie Klausur locker (bei uns haben vielleicht 10 leute aus 300 durchgefallen)
2. Semester:
- 5 Physikprotokolle + ein Referat zu einem bestimmten Thema. Die Physikprotokolle wurden schon teilweise streng kontrolliert, aber das haben ja Na-Wi studenten ja viel schlimmer. Theoretisch könnte man zu jedem Thema spontan abgefragt werden, es wurde aber nie gemacht.
Ein ZellBio Powerpoint - Präsi, über ein Thema das man seit Semesteranfang schon wusste und 3 Biochemie - Protokolle und eine grosse Klausur am Ende.
3. Semester: 4 Biochemie Protokolle und ein 10 - min Powerpoint-Präsi in Physio (konnte man je nach Seminarleiter entweder frei wählen oder es wurde irgendwie vorbestimmt)
4. Semester: 2 Protokolle und noch ein Physio Präsi.
Vom 2-4 Semester musste man dann noch ein Powerpoint-Vortrag für die integrierten Seminare machen, das konnte dann entweder Anatomie, Physio, Biochemie oder klinische Fälle sein.

Und am Ende des Semesters immer halt eine grosse Klausur - dann war es jedem überlassen ob, wie und wann man dafür lernt.