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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sterbehilfe bei therapieresistenten Depressionen



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badapple
20.05.2013, 18:27
Ich weiss, es ist ein heikles Thema, und wenn man den Begriff "Psychiatrische Euthanasie" verwendet denkt man an furchtbare Verbrechen der juengeren deutschen Geschichte.
Mich interessiert diese Thematik allerdings, und zwar sowohl aus aerztlicher Sicht als auch aus der Pespektive eines Patienten.... und es ist hier natuerlich von schwer Depressiven, therapieresistenten Patienten die Rede die hoellischen seelischen Qualen ausgesetzt sind.
Ich leide an einer Bipolaren Stoerung Typ 2, bin jedoch nicht therapieresistent (andernfalls waere ich wohl laengst aus dem Leben geschieden). Mit grossem Erstaunen nehme ich zur Kenntnis dass viele Patienten mit einem deutlich schlimmeren Krankheitsverlauf (ich hatte zuletzt alle 3 Jahre 2-3 Monate lange schwere depressive Phasen, zusaetlich lag aber auch Alkohl- und Cannabisabusus vor, jetzt bin ich clean und lebe in der Hoffnung dass die schweren Depressionen nicht rezidivieren werden) es doch irgendwie schaffen immer weiterzumachen. Ich habe einen Riesenrespekt vor diesen Menschen, denn ich bin mir nicht mal sicher ob ich mit rezidivierenden schweren Depressionen leben koennte, die sich "nur" alle 3 Jahre fuer ein paar Monate blicken lassen. Der seelische Schmerz ist ja absolut unbeschreiblich und grausam.
In der Schweiz, in den Niederlanden und in Belgien haben Menschen mit sehr schweren therapieresistenten Depressionen ein Anrecht auf Euthanasie. Ich finde dass das eine Selbstverstaendlichkeit ist, denn fuer mich ist es ein Menschenrecht nicht gezwungen zu sein sich vor einen fahrenden Zug zu werfen oder aus dem 6.Stock zu springen (mit dem Risiko ein Schwerstpflegefall zu werden und zusaetzlich andere Menschen zu traumatisieren).
Ich rede hier vor allem als Betroffener und wuerde gerne die Meinung von anderen Foristen hoeren.

LG badapple

EKT
21.05.2013, 16:55
Nach meiner Ansicht ist es oberste Aufgabe eines Arztes, Leiden zu lindern. Daß gerade in der Psychiatrie/Psychotherapie nicht oft von Heilungen auszugehen ist, ist klar. Dennoch kann man auch bei schwersten Störungen begleiten, stützen,es miteinander aushalten, zum Leben ermutigen - und wenn es "nur palliativ" ist.
Niemals jedoch darf es Aufgabe eines Psychiaters sein, seelisches Leid durch eine "Endlösung" zu beenden. Dann hätte der Psychiater seinen Beruf verfehlt. Psychodynamisch verstanden, scheiterte er davor, seinem eigenen "Versagen" ins Auge zu blicken und tötet somit auch sich selbst.
Medizinjuristisch gesehen ist ein Mensch mit psychischer Erkrankung und Wunsch zu sterben nicht frei in seiner Entscheidung: hört sich für Laien möglicherweise anstößig an, ist aber so, wenn man den Mut und Willen hat, das in der Tiefe zu bedenken.

Nurbanu
21.05.2013, 19:32
Medizinjuristisch gesehen ist ein Mensch mit psychischer Erkrankung und Wunsch zu sterben nicht frei in seiner Entscheidung: hört sich für Laien möglicherweise anstößig an, ist aber so, wenn man den Mut und Willen hat, das in der Tiefe zu bedenken.

Ich finde, dein Satz ist auf Anhieb zu verstehen. Natürlich ist der Patient nicht frei in seiner Entscheidung, denn die Entscheidung rührt von seiner Krankheit her. Er bringt sich nicht um, weil er krank ist, wie z.B. ein Krebskranker, sondern die eigentliche Krankheit selbst treibt ihn in den Tod.
Der Krebskranke möchte vielleicht ob seiner Krankheit auch nicht leben, aber er trifft die Entscheidung bei geistiger Gesundheit. Die Entscheidung kommt ja aus dem Kopf und der Psyche, die bei einem psychisch kranken beeinflusst ist (durch die Krankheit selbst). Ohne diese Krankheit würde er vielleicht gar nicht an Suizid denken, wenn er eine andere Krankheit hätte oder ihm die Beine amputiert worden wären.

Evil
21.05.2013, 20:57
Dagegen kann man einwenden, daß bei therapieresistenten Depressionen angesichts eine palliativen Therapiesituation und sehr starkem Leidensdruck die äußeren Bedingungen sehr wohl vergleichbar mit einer Krebserkrankung sind.
Vereinfacht gesagt, die Motive des depressiven Patienten sind nicht die richtigen, die Sterbehilfe an sich aber genauso richtig oder falsch wie bei jedem anderen Patienten in einer palliativen Situation.

Wobei ich persönlich so oder so nicht viel von Sterbehilfe halte, denn wenn man einmal damit anfängt, wird es unmöglich, die Grenzen festzusetzen. In seltenen Fällen würde ich einen Patienten vielleicht nur halbherzig von einem Suizid abhalten, aber niemals unterstützen.

badapple
22.05.2013, 12:01
Nach meiner Ansicht ist es oberste Aufgabe eines Arztes, Leiden zu lindern. Daß gerade in der Psychiatrie/Psychotherapie nicht oft von Heilungen auszugehen ist, ist klar. Dennoch kann man auch bei schwersten Störungen begleiten, stützen,es miteinander aushalten, zum Leben ermutigen - und wenn es "nur palliativ" ist.

Es ist natuerlich nicht von Patienten die Rede die im Rahmen einer akuten schweren Depression suizidale Gedanken haben, hier geht es um schwerstkranke depressive Patienten bei denen alle Therapien versagen und die3 deswegen Jahr fuer Jahr schwersten psychische Qualen ausgesetzt sind. Wohlgemerkt, ich schreibe in diesem Thread vorwiegend als Betroffener. Ich hatte letztens "nur 2-3" Monate lange schwere depressive Phasen, in Abstaenden von 3 Jahren. Mir ist bewusst dass ich einen softeren Krankheitsverlauf habe als viele andere Menschen mit Bipolarer Stoerung, aber schon in meinem Fall frage ich mich des oefteren ob so ein Leben eigentlich Sinn macht. Ich will erst gar nicht daran denken wie es Menschen ergeht die mehrere Phasen pro Jahr erleben. Niemand darf diese Mensche zwingen unter furchtbaren Qualen zu ueberleben. Das entspricht mMn durchaus psychischer Folter. Ich wuerde Verwandte oder Freunde die sich in einer derartigen Situation befinden sofort in die Schweiz fahren.


Medizinjuristisch gesehen ist ein Mensch mit psychischer Erkrankung und Wunsch zu sterben nicht frei in seiner Entscheidung: hört sich für Laien möglicherweise anstößig an, ist aber so, wenn man den Mut und Willen hat, das in der Tiefe zu bedenken.

Wenn ich regelmaessig schwere depressive Phasen kann ich aber waehrend ich mal euthym bin durchaus entscheiden das mein Leben nicht mehr lebenswert ist. In diesem Fall bin ich also durchaus frei in meiner Entscheidung. Und wenn ich chronisch schwer depressiv werde habe ich auch ein Anrrecht auf Euthanasie, selbst wenn ich in dem Moment nicht "frei" entscheiden kann.

Schade das die Gesetzgebung in Deutschland ziemlich restriktiv ist, aber hierzulande ist es sogar noch viel schlimmer (Stichwort: Vatikan)-

EKT
22.05.2013, 19:45
Es ist natuerlich nicht von Patienten die Rede die im Rahmen einer akuten schweren Depression suizidale Gedanken haben, hier geht es um schwerstkranke depressive Patienten

Daß du das meinst, habe ich schon verstanden.


Ich will erst gar nicht daran denken wie es Menschen ergeht die mehrere Phasen pro Jahr erleben. Niemand darf diese Mensche zwingen unter furchtbaren Qualen zu ueberleben. Das entspricht mMn durchaus psychischer Folter.

Leider ist es häufig eben nicht so, daß Menschen mit langen anhaltenden Depressionen oder Bipolaren Erkrankungen adäquat behandelt wurden. Natürlich kann und will niemand jemanden zwingen zu leben, jedoch ist es nicht Aufgabe eines Arztes zu töten oder beim Töten zu helfen.


Ich wuerde Verwandte oder Freunde die sich in einer derartigen Situation befinden sofort in die Schweiz fahren. Schade das die Gesetzgebung in Deutschland ziemlich restriktiv ist

In welcher Funktion tust du hier eigentlich deine Weisheiten kund?


Wenn ich regelmaessig schwere depressive Phasen kann ich aber waehrend ich mal euthym bin durchaus entscheiden das mein Leben nicht mehr lebenswert ist. In diesem Fall bin ich also durchaus frei in meiner Entscheidung.


Und genau das ist fachlich falsch und zeigt, daß du von der Materie keine Ahnung hast (wohlgemerkt, es ist fachlicher Unsinn, von der ethischen Seite ist hier noch gar nicht die Rede!!!)

Nurbanu
22.05.2013, 21:07
Jetzt mal unabhängig von der ethischen oder medizinischen Seite:

Im Grunde bedeutet deine "Forderung", dass Ärzte (ganz normale Menschen!) zu Mördern werden sollen. Denn sie sollen ja ein Medikament verabreichen, mit der Absicht, den Tod herbeizuführen.

Das finde ich krass.

Als Gegenforderung stelle ich dann, dass sich Menschen, die nicht mehr leben wollen, sich bitte selbst umbringen und keine weitere Person in diese Tötung miteinbeziehen.

Relaxometrie
22.05.2013, 21:31
Dagegen kann man einwenden, daß bei therapieresistenten Depressionen angesichts eine palliativen Therapiesituation und sehr starkem Leidensdruck die äußeren Bedingungen sehr wohl vergleichbar mit einer Krebserkrankung sind.
Das sehe ich auch so.
Warum sollte man einem psychiatrisch kranken Patienten den Leidensdruck absprechen?
Ich verstehe es, daß Patienten mit langjährig therapierefraktären Depressionen nicht mehr leben möchten und würde mir auch nicht anmaßen, ihnen vorzuschreiben, daß sie leben müssen, wenn man ihnen keine Heilung anbieten kann.
Allerdings würde ich mich an der Sterbehilfe (aktiv/passiv/indirekt) nicht beteiligen.


Und genau das ist fachlich falsch und zeigt, daß du von der Materie keine Ahnung hast (wohlgemerkt, es ist fachlicher Unsinn, von der ethischen Seite ist hier noch gar nicht die Rede!!!)
Was ist fachlich falsch daran, daß ein euthmyer Patient die Lage erkennt und zu dem Enschluß kommt, daß er eine schwere depressive Episode nicht nochmal erleben möchte?

Hellequin
22.05.2013, 21:32
Im Grunde bedeutet deine "Forderung", dass Ärzte (ganz normale Menschen!) zu Mördern werden sollen. Denn sie sollen ja ein Medikament verabreichen, mit der Absicht, den Tod herbeizuführen.

Rein rechtlich gesehen ist das aber nicht Mord, sondern Tötung auf Verlangen. Um Mörder zu sein, muss man (nach Strafgesetzbuch § 211) "aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oderum eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen töten".

SuperSonic
22.05.2013, 21:53
Rechtlich gesehen ist die Praxis in der Schweiz (Medikamentencocktail wird bereitgestellt, der Patient nimmt diesen selber ein) auch keine Tötung auf Verlangen, sondern Beihilfe zum Suizid - an und für sich auch in Deutschland nicht strafbar, aber man könnte z. B. aufgrund unterlassener Hilfeleistung verklagt werden...

EKT
23.05.2013, 10:00
Was ist fachlich falsch daran, daß ein euthmyer Patient die Lage erkennt und zu dem Enschluß kommt, daß er eine schwere depressive Episode nicht nochmal erleben möchte?

Die Formulierung beinhaltet schon einen Denkfehler. Wer sich das Leben nehmen will, kann gar nicht euthym sein. Jemand, der gut behandelt aus einer Depression herausgekommen ist, freut sich zu leben. Anderenfalls wäre er ja nicht euthym.

Muriel
23.05.2013, 10:25
Fachfremd und laienhaft sehe ich das anders. Wenn über Jahre hinweg immer wieder solch lange Phasen der Depressionen auftreten und die Wahrscheinlichkeit, dass es wieder so kommt, nun mal äußerst hoch ist, dann kann ich schon verstehen, dass auch in Phasen relativen Wohlbefindens die Patienten, so froh und glücklich sie momentan sein mögen, ganz genau wissen, dass sie das nie wieder erleben möchten. Ist für mich ähnlich wie bei malignen Erkrankungen zwischen zwei belastenden Chemozyklen oder dergleichen.

morgoth
23.05.2013, 11:53
Die Formulierung beinhaltet schon einen Denkfehler. Wer sich das Leben nehmen will, kann gar nicht euthym sein. Jemand, der gut behandelt aus einer Depression herausgekommen ist, freut sich zu leben. Anderenfalls wäre er ja nicht euthym.

Ohjee, ist das deine Definition von euthymer Stimmung?

Evil
23.05.2013, 14:18
Die Formulierung beinhaltet schon einen Denkfehler. Wer sich das Leben nehmen will, kann gar nicht euthym sein. Jemand, der gut behandelt aus einer Depression herausgekommen ist, freut sich zu leben. Anderenfalls wäre er ja nicht euthym.
Das ist keine Schlußfolgerung, sondern ein Axiom, was aber in sich nicht logisch ist. Das bedeutet nämlich, daß jeder Suizidwunsch per se von Dir als pathologisch und nicht diskutabel erachtet wird. Ist natürlich relativ bequem, so erspart man sich weiteres Denken und Du kannst Dich eigentlich aus dem Thema verabschieden.

Erinnert mich daran, wie ein Mathematiker einen Tiger fängt: er setzt sich in einen Käfig, definiert alles außerhalb als "gefangen", und schon hat er einen. Sogar mehrere :-))

EKT
24.05.2013, 05:47
Das bedeutet nämlich, daß jeder Suizidwunsch per se von Dir als pathologisch ... erachtet wird.

Genau so ist es, bis auf wenige Ausnahmen (z.B. altruistischer Suizid). Ich weiß, daß das im laienhaften Verständnis kaum begreifbar ist. Es erfordert ein klein wenig psychologisch-philosophische Beschäftigung mit dem Thema.

Tut mir leid, wenn ich damit entsprechende Weltsichten erschüttere....

Übrigens hat das nichts mit moralischer Verurteilung eines Suizid(versuchs) zu tun, ganz im Gegenteil.

Evil
24.05.2013, 06:33
Ich weiß, daß das im laienhaften Verständnis kaum begreifbar ist. Es erfordert ein klein wenig psychologisch-philosophische Beschäftigung mit dem Thema.
Um ehrlich zu sein halte ich da Deine Ansicht (und teilweise die psychiatrische Lehrmeinung) für beschränkt.
Suizid bedeutet ja, die eigene Nicht-Existenz der Existenz vorzuziehen und das in die Tat umzusetzen. Es gibt zahleiche Strömungen der Philosphie und Religion (z. B. Buddhismus, denn das Nirwana stellt ja strenggenommen auch nicht anderes dar, wenngleich es da nicht um das physische Ende geht), und die allesamt als pathologisch hinzustellen und gegenteilige Ansichten als "laienhaft" zu bezeichnen... nun, das schaut stark nach überheblicher Borniertheit aus.

Anscheinend haben die Psychiater da einen eigenen Käfig, ähnlich wie im Beispiel der Mathematiker ;-)

Coxy-Baby
24.05.2013, 07:21
Glücklicherweise hat ja keine Fachrichtung die Allwissenheit gepachtet...
Ich persönlich finde es schwierig, Suizid immer als Pathologie abzutun, wenn man orientierte Menschen die inhaltlich und formal da sind, jetzt psychisch krank darstellt weil sie in der finalen Phase einer Erkrankung/Chronische Schmerzen etc. sind greift das auch zu kurz. Ich persönlich kann es verstehen wenn Patienten an einem Punkt ihrer Erkrankung erkennen, dass sie das Leben in der aktuellen Form nicht aushalten und deshalb die Nichtexistenz (?) vorziehen. Das Einzige was daran für mich diskutabel ist, ist ob und wie Ärzte in dieses Setting passen.

Hier ein wie ich finde interessanter Artikel bei SpOn http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/sterbehilfe-in-belgien-taube-und-blinde-zwillinge-waehlen-den-tod-a-877696.html

Absolute Arrhythmie
24.05.2013, 10:38
Mir erscheint es, als wären Psychiater hinsichtlich eines Suizids ähnlich eingestellt wie Chrirugen, wenn ihnen jemand auf dem Tisch stirbt - sie erliegen dem Gefühl "verloren" zu haben.
Das finde ich traurig und sehr schade.

Klar, wenn ein psychisch erkrankter Mensch sich zu einem Suizid entschließt, ist das sehr schlimm, und würde mich, als Mitarbeiter in einem Psychiatrie-Team, hart treffen. ABER man muss das schon etwas auseinander zerren. Da gibt es die Patienten, die akut depressiv sind, und sich im Rahmen ihrer aktuellen Krankheit - als Folge dieser - suizidieren. Dies muss soweit möglich verhindert werden, da der Suizid Folge der Erkrankung ist, und der Patient ja eventuell anderer Meinung bzgl seines Weiterlebens wäre, wenn er "gesund", also euthym, wäre.
Anders liegt der Fall mMn bei chronischen Patienten, zB mit therapieresistenten rez. depressiven Episoden, etc, etc.
Ich denke schon, dass jeder Mensch, der Herr seiner Sinne und geschäftsfähig ist, frei ist in seinen Entscheidungen. Ob man da von anderen (zB Ärzten) verlagen kann diesen Wunsch zu unterstützen?
Tja, das ist mMn eher eine Frage, die jeder mit sich selbst ausmachen muss. Anderen hier seine persönliche ethische und moralische Weltsicht aufzudrängen, halte ich für vermessen.

Peter_1
24.05.2013, 15:40
@ EKT: Wenn alles ausser der "altruistische" Suizid (was auch immer das im Einzelfall heisst) pathologisch wäre, was ist dann mit dem Krebspatienten im Endstadium, der beschliesst sich zu suizidieren, weil er keine Lust mehr auf den sowieso nicht aufzuhaltenden Verfall hat (selbst wenn die SYmptome kontrolliert werden können)? Mir erscheint da Deine Denkweise deutlich zu dogmatisch, aber gegen Dogmatik ist kein Kraut gewachsen. Auch der Schluss: es gibt keine therapierefraktären Depressionen (sondern nur unzureichend behandelte) passt da rein, die Psychiatrie als einzige med. Fachrichtung, die zumindest bei Depressionen keinerlei therapeutischen Fehlschläge kennt, dies erscheint mir doch recht gewagt. Ich habe noch in keiner klinischen Fachrichtung hundertprozentige Erfolgsraten gesehen, aber ich bin auch kein Psychiater.

Relaxometrie
24.05.2013, 18:57
Die Formulierung beinhaltet schon einen Denkfehler. Wer sich das Leben nehmen will, kann gar nicht euthym sein.
Glücklicherweise sind Deine Luftschlösser in der Realität irrelvant, denn ein leidender Mensch kann ohne Rücksprache mit seinem behandelnden Psychiater Suizid begehen.

Meiner Meinung nach kann jemand, der sich das Leben nehmen möchte, sehr wohl euthym sein. Bzw. den Suizid während einer euthymen Phase planen und dann später umsetzen, wenn das unter Euthymie antizipierte Ereginis eintritt.
So wie Muri schrieb:
"auch in Phasen relativen Wohlbefindens die Patienten, so froh und glücklich sie momentan sein mögen, ganz genau wissen, dass sie das nie wieder erleben möchten. Ist für mich ähnlich wie bei malignen Erkrankungen zwischen zwei belastenden Chemozyklen oder dergleichen."

Ich denke, daß wir uns alle einig sind, daß es tragisch ist, daß manche Menschen den Suizid als richtigen Ausweg aus einer aus ihrer Sicht ausweglosen Situation sehen.
Aber es ist vermessen und zynisch, einer Person befehlen zu wollen, daß sie zu leben hat, solange man nicht selbst das Leid durchgemacht hat, welches der potentielle Suizident durchmacht.
Suizide und Suizidwünsche sollten Ärzte, aber auch alle anderen Personen, dazu bringen, die Hilfestellungen und Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern (Forschung, verbesserte Palliativversorgung auch am Wohnort.......). Solange ein final kranker Patient aber für sich entscheidet, daß sämtliche Angebote einer Palliativversorgung für ihn zwar rein logistisch zur Verfügung stehen, er sie aber nicht als ausreichend erachtet, kann ich akzeptieren, daß er Suizid begehen möchte. Das sehe ich dann auch nicht als Niederlage für die Ärzteschaft an, sondern als noch bestehendes Mißverhältnis zwischen dem, was der aktuelle Stand der Heilkunde (Schulmedizin und alle alternativen Verfahren) hergibt, und dem Maß an Leidensfähigkeit eines Patienten.
Es sollte (und kann ja trotz psychiatrischer Luftschlösser glücklicherweise nicht) niemandem vorgeschrieben werden, wie lange und unter welchen Umständen er zu leiden hat.