PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Das Pflegepraktikum als Indikator



Seiten : [1] 2

WiWi18
26.05.2013, 14:50
Hallo,

ich bin seit längerem dazu entschlossen, Medizin zu studieren.

Da ich jedoch kurz vor einem ersten akademischen Abschluss stehe bleiben natürlich auch immer gewisse Zweifel, da ein Zweitstudium ja auch nach der Zulassung immer so eine Sache ist.

Ich habe mit vielen Medizinern geredet; trotzdem, die Zweifel bleiben. Nun habe ich bereits das Pflegepraktikum zugesagt und frage mich: Kann man währenddessen einigermaßen abschätzen, ob man mit dem Arztberuf einigermaßen klarkommt? Taugt das Pflegepraktikum also als "Gefühls-Indikator", ob man für Medizin geeignet ist? Die Mediziner, mit denen ich geredet habe, meinten mehrheitlich "nein", also dass das Pflegepraktikum eher abschreckt und man sich davon bloß nicht verunsichern lassen soll.
Mal aus einer anderen Perspektive gesehen habe ich die Angst, dass meine Zweifel durch Negativerfahrungen in diesem Praktikum so verstärkt werden, dass ich das Medizinstudium streiche, obwohl ich es eigentlich doch machen will und, wenn ich es angefangen hätte, auch zuende bringen wollte.

Was sagt ihr dazu?

Miss_H
26.05.2013, 15:41
Das Pflegepraktikum hat wenig mit dem Beruf als Arzt zu tun.
Als ein gewisser Indikator dient es trotzdem (meine ganz persönliche Meinung). Du bist wenigstens schonmal im Krankenhaus und bekommst auch einen kleinen Einblick in Arbeitsabläufe. Du kannst schonmal sehen, ob dir das Sprechen und der Kontakt zu den Patienten Spaß macht oder ob sie dich gar nicht interessieren. Leider muss man (auch abhängig von der Klinik) Dinge machen, die einem überhaupt nichts bringen wie z.B. Betten und Nachttische desinfizieren.
Ich glaube so richtig sicher ist man sich nie, ob das wirklich 100% das Richtige ist, was man tut. Ich habe auch schon ein abgeschlossenes Studium und habe dann mein Pflegepraktikum gemacht. Mir hat es richtig gut gefallen. Vorallem auch, weil ich ziemlich gutes Stationspersonal hatte. Ich hatte aber auch Spaß daran mit den Patienten zu sprechen und ihnen behilflich zu sein, außerdem fand ich es spannend verschiedene Krankheitsbilder kennen zu lernen, auch wenn ich keine Ahnung davon hatte.
Einfach mal ausprobieren. Wenn du merkst, dass du keine Lust hast später jeden Tag mit Menschen zu arbeiten, dann lass es. Lass dich aber nicht vom täglichen Patienten waschen, Bettpfannen leeren und desinfizieren abschrecken, denn das später nicht deine Aufgaben. Solltest du eine Station mit desinteressiertem/unfreundlichen Personal erwischen, dann scheu dich nicht bei der PDL zu fragen, ob du nochmal auf eine andere Station wechseln kannst.
So weit meine persönliche Meinung zum Thema.

Sticks
26.05.2013, 15:50
Wenn du wirklich merkst das du Probleme mit kranken Menschen hast, kannst du auch im Labor arbeiten und bekommst von dem Leiden anderer nicht sehr viel mit. Die Fachbereiche sind breit gefächert. Arzt sein ist halt auch nur ein Beruf. Ich verstehe diese ganzen Verkomplikationen nicht.
Oder meinst du mit "klar kommen" die langen Arbeitszeiten, oder der geringe Stundenlohn, das lange stehen im OP, die Allergie gegen Handschuhe oder Desinfektionsmittel, der Überdruck im OP-Saal, die Unbequemen Schuhe oder das schlechte Kantinenessen?

Wenn du dich von einem Praktikum abschrecken lässt welches nicht einmal primär mit dem Arztberuf zu tun hat, gehst du falsch an die Sache ran. Aber wovor hast du angst? Menschen die Krank sind? Immerhin verdanken wir denen unseren Job, muss man doch mal so sagen. Mach das Praktikum um zu sehen wie der Alltag auf Station ist. Wenn es dich abschreckt dann mach weitere als "Arztpraktikant" in verschiedene Fachbereiche.

SuperSonic
26.05.2013, 16:23
Ich habe mein KPP auch nach einem ersten Studienabschluss abgeleistet und obwohl ich das Praktikum ziemlich bescheiden fand, hat es mich nicht von meinem Studienwunsch abgehalten. Wieso auch? Es hat nur wenig mit der späteren Arzttätigkeit zu tun. Auch deswegen, da einem als Mediziner sehr viele Türen offen stehen. Man muss nicht im Krankenhaus Dienste schieben oder sich in einer Praxis niederlassen... Wenn man die Lernerei und Ausbeutung nach 6,5 Jahren überstanden hat, kann man alles Mögliche machen! ;-)

Leelaacoo
26.05.2013, 17:09
Wenn man die Lernerei und Ausbeutung nach 6,5 Jahren überstanden hat, kann man alles Mögliche machen! ;-)

Süß....

LG Lee (net bös sein, aber das Studium hat tatsächlich nur begrenztes Vorbereitungspotential und "überstanden" ist sehr hoch gegriffen...und ein KPP hat mit dem späteren Schaffen auch nicht viel mehr zu tun...)

Absolute Arrhythmie
26.05.2013, 17:13
Wenn man die Lernerei und Ausbeutung nach 6,5 Jahren überstanden hat, kann man alles Mögliche machen! ;-)

Ich glaube realistischer wäre es zu sagen: Wenn man die Lernerei und Ausbeutung nach 6,5 Jahren überstanden hat, fangen Lernerei und Ausbeutung erst so richtig an :D

SuperSonic
26.05.2013, 18:31
Mit "alles Mögliche machen können" meinte ich, dass man nach dem Examen nicht zwingend als Assistenzarzt im Krankenhaus weitermalochen muss, sondern dass einem viele Wege offenstehen. Das hätte ich wohl besser formulieren sollen.
Dass man nach 6,5 Jahren Studium nicht alles kann (im Sinne von drauf hat), war natürlich nicht gemeint und das ist mir auch nicht erst jetzt, zwischen Hex und Approbation, bewusst geworden... ;-)

Miss_H
26.05.2013, 18:49
Dann ist aber die Frage, ob man tatsächlich Medizin studieren will. Denn wenn man schon ein Studium hinter sich hat, dann möchte man sehr wahrscheinlich als Arzt tätig sein (so ist meine persönliche Erfahrung). Ansonsten kann man auch mit seinem Erststudium und geschickter Wahl des Berufs zu seinem Ziel kommen.

WiWi18
26.05.2013, 19:31
Vielen Dank erst einmal.

Noch einmal konkret zu meinen Interessen:

Ich habe große Lust aufs Medizinstudium, ich finde die Inhalte extrem interessant (wie gesagt, habe mich gründlich über das Studium informiert und mir z.B. auch Unterlagen organisiert).

Ob ich Arzt werden will - keine Ahnung. Ich kriege immer eine leichte Gänsehaut, wenn ich an Krankenhäuser denke. Und genau darauf zielte meine Frage ab.

Leelaacoo
26.05.2013, 19:55
Was soll man da dann sagen? Man studiert, um Arzt zu werden...6 Jahre sind im Vergleich mit einer späteren Tätigkeit nicht viel. Reines Interesse am Stoff kann man anders ausleben. Wenn ich dir sage, dass ich im klinischen Alltag häufig nicht mal die Zeit zum Nachdenken fand, geschweige denn zum "Detektivspielen" oder zum "Zusammenhänge erstellen", sondern schlicht und einfach mit vielen anderen Dingen beschäftigt war wie Briefe, Bürokratie, Chefwünsche, Angehörigenwünsche, Pflegewünsche, Besprechungen, Anordnungen nach OA-RS, Telefonaten, Rehaanträgen etc.

Das alles ist zu ertragen, vorausgesetzt, man zieht aus den kleineren Dingen seinen persönlichen Profit, bei mir war das immer dann doch die gelentliche Freude über eine richtige Diagnose mit demensprechendem Therapieerfolg (je nach Fach selten bis häufig), der Umgang mit netten Leuten (seltener Patienten, eher Rettungsdienst, Kollegen, Pflege), das gelegtnliche Gefühl, nach nem schlimmen ITS-Nachtdienst eine geordnete, stabile Station übergeben zu können...oft kommt das nicht vor, häufiger ist man frustriert (weil es gerade mit dem Studium wenig zu tun hat) und die verantwortung ist enorm groß und wächst eher...
Dennoch ist es MEIN Job, das Studium war eher Mittel zum Zweck...wenn es bei dir andersrum sein sollte und du eher Abneigung gegen die klinische Tätigkeit hegst (mit den Negativseiten wie wenig Respekt vor dir als studierter Mensch, vielen organisatorischen Dingen, die in keiner Dr.House-Serie vorkommen, ordentlich Druck und wenig Dank und gelegentliche beschwerden, auch wenn du dir den A**** aufgerissen hast, dafür rel. sicherer Job, ein Gehalt, mit dem man leben kann -ohne jetzt reich zu werden- und eher sich bessernde Arbeitsbedingungen)...dann ist ein zweitstudium zumindest fraglich...denn wissen wirst du es leider definitiv erst hinterher. Ich habe es selbst damals nicht geglaubt, aber selbst das PJ (am Ende des Studiums, näher an der ärztlichen Tätigkeit) ist kein endgültiger Indikator für die Arbeit als Arzt (glaubt man immer erst hinterher, ist aber so...ich war ERSCHLAGEN am Anfang).
Wenn du dir die Arbeit vorstellen kannst..dann studiere. Aber studiere nicht ein Zweitstudium, weil dich Anatomie und Pathologie interessieren. Da kann man auch einfacher an bessere Jobs kommen.

LG Lee

Coxy-Baby
26.05.2013, 19:58
Wow lee.... Hart und sehr realistische Beschreibung...

Miss_H
26.05.2013, 20:04
Ich muss Lee zustimmen. Was interessiert dich denn an Medizin? Vielleicht gibt es das was dich interessiert als eigenen Studiengang. Falls du merkst, dass du nicht Arzt werden will, nicht mit kranken Menschen arbeiten möchtest oder dich schon der Gedanke ans Krankenhaus nervt, dann sollste du das mit dem Medizinstudium lassen oder auf jeden Fall nochmal überdenken. Denn neben 3 Monaten KPP, gibt es noch 4*4 Wochen Famulatur und 1 Jahr PJ (auch wenn es nicht wirklich gut genug auf den späteren Beruf vorbereitet, ist es ein hoher "praktischer" Anteil). Und wenn dir das kein Spaß macht, dann macht das Studium auch wenig Spaß.
Also erzähl uns doch was dich interessiert. Hier im Forum gibt es viele Zweitstudenten, dir da vielleicht einen besser passenden Studiengang vorschlagen können.

Snowcake
26.05.2013, 22:20
Auch zu mir sagten die Ärzte mehrheitlich "nein", sprich ein Pflegepraktikum dient nicht oder mehrheitlich schlecht als Indikator und ich muss sagen, ich hoffe sehr, dass es so ist.
Ich bin gelernte Kinderkrankenschwester und habe meine Ausbildung als quälend erlebt (obwohl ich dachte, es sei mein Traumberuf). Ich war ziemlich froh, als ich das Examen in der Tasche hatte und auch sicher, dass ich nicht mehr in der Pflege arbeiten möchte. Ich bin dann zeitnah in eine Praxis "geflüchtet", wo mir die Arbeit sehr viel Spaß macht.
Das Interesse für Medizin ist nach wie vor da, daher kam das Medizinstudium für mich durchaus noch in Frage.
Ich denke, es gibt so viele verschiedene Wege und Möglichkeiten nach dem Studium, da sollte das Pflegepraktikum nicht als Maßstab für alles gelten. Es sei denn, man kann so gar nicht mit Patienten und Krankenhaus...dann wird es kritisch :-)

WiWi18
27.05.2013, 17:16
Vielen Dank für eure Antworten.
Besonders auch an Lee, obwohl gerade deine Antwort etwas an meiner Frage vorbeiging.
Ich mache mir wenig Illusionen über den Krankenhausalltag, ich stelle ihn mir als hart und anstrengend vor. Glaub mir, ein Zweitstudium nimmt man nicht auf, weil man Dr. House cool fand. Es ist nicht so, dass ich eine Abneigung gegen die Klinik empfinde, es ist nur so, dass ich mir vorstellen kann, dass dem so ist. Die Frage ist nun, ob das (sicher vorhandene) Interesse am Fach mit der Neigung zu einer klinischen Tätigkeit einhergeht - ich will also genau das, wovor du mich gewarnt hast, vermeiden.

Die Frage ist, ob man das mit dem KPP herausfinden kann oder zumindest eine grobe Einschätzung davon kriegen kann.
Hinzu kommt, dass ich mir wegen meiner groben Ungeschicklichkeit doch erhebliche Sorgen mache, ob ich dem Arztberuf gerecht werde. Klar muss nicht jeder Chirurg werden. Aber meine Grobmotorik sucht schon ihresgleichen.

Sticks
27.05.2013, 17:24
Die Frage ist, ob man das mit dem KPP herausfinden kann oder zumindest eine grobe Einschätzung davon kriegen kann.
Hinzu kommt, dass ich mir wegen meiner groben Ungeschicklichkeit doch erhebliche Sorgen mache, ob ich dem Arztberuf gerecht werde. Klar muss nicht jeder Chirurg werden. Aber meine Grobmotorik sucht schon ihresgleichen.

Nein, ich glaube eine grobe Einschätzung wird schwierig. Denn was neben dem gefallen oder nicht gefallen an dem Fach berücksichtigt werden muss ist die Klinik selber. Es kann durchaus sein das du das Praktikum in einem Haus machst indem es keine schlimmen Fälle gibt oder noch viel viel wichtiger das Arbeitsklima einfach super ist. Alle verstehen sich gut, die Ärzte sind cool und behandeln alle Schwestern nett, die Arbeit ist gerade easy weil es ein Sommerloch gibt, und das Essen in der Kantine hat drei Sterne. Genau so gut kann es umgekehrt sein. Und das Bild in einer anderen Klinik ist auf einmal genau das Gegenteil.

Ich hatte in meinem Beruf vorher auch sehr viel gefallen, trotzdem gab es eine Klinik die ich in der Ausbildung kennen gelernt habe, bei der ich lieber Arbeitslos gewesen wäre als dort zu arbeiten.
Wenn du also sooooo große Zweifel hast, dann mach mehrere Praktika in mehreren Häusern. Glaub mir, die Unterschiede sind wie Tag und nacht!

WiWi18
27.05.2013, 17:30
Ich hatte in meinem Beruf vorher auch sehr viel gefallen, trotzdem gab es eine Klinik die ich in der Ausbildung kennen gelernt habe, bei der ich lieber Arbeitslos gewesen wäre als dort zu arbeiten.
Wenn du also sooooo große Zweifel hast, dann mach mehrere Praktika in mehreren Häusern. Glaub mir, die Unterschiede sind wie Tag und nacht!


Ich studiere bisher BWL, Schwerpunkt Controlling.
Nachdem ich die Praxis kennengelernt habe würde ich, um mich deines Vergleiches zu bedienen, lieber arbeitslos als Controller. Das liegt weniger am Fachlichen, es ist das "ganze Paket", was mich auch davon abhält, in der BWL mein Glück zu suchen.
Ich will diesmal schlicht verhindern, dass mir bei Medizin dasselbe passiert, bzw., dass ich vom Regen in die Traufe gerate.

Herzkasperl
27.05.2013, 17:39
Da würde ich dann doch mal eine professionelle Beratung empfehlen.

Klinik, KPP etc. hin oder her. Am Ende bist Du vollkommen ziellos und in Deiner Selbsteinschätzung offensichtlich sehr unsicher. So etwas lässt sich erfahrungsgemäß mit professioneller Beratung am ehesten in den Griff bekommen.

Leelaacoo
27.05.2013, 17:45
Ich wollte mit meinem vorhergehenden Beitrag eher sagen, dass KEINER vorher weiß, wie der Arztberuf so ist ;-) Weder die frisch nach dem Abi noch diejenigen, die schon in der Pflege gearbeitet haben und auch nicht die Arztkinder (bin ja selbst eines;-) )...es ist einfach anders, plötzlich selbst verantwortlich zu sein. Auf diese Ungewissheit musst du dich entweder einlassen, wenn du dir die klinische Arbeit generell vorstellen kannst (vielleicht auch mal mit Niedergelassenen sprechen?)...oder eben nicht studieren, wenn deine Unsicherheiten so gravierend sind. Denn ein wenig Hoffnung und Begeisterung benötigt man später definitiv, um mit dem Realitätsschock umzugehen...aber es ist ja nicht aussichtslos! Viele werden auch BWL studieren und dann einen riesen Realitätsschock erleiden...wahrscheinlich mehr als in der Medizin, wie ich den Eindruck habe. Aber ne garantierte Vorgehensweise zum "Abchecken" einer Eignung wird dir niemand niemals nie geben können.

LG Lee

Sticks
27.05.2013, 17:57
Also ich kann dir nur empfehlen dir den Alltag anzuschauen. Mehrere Kliniken, mehrere Fachbereiche. Viel mit Ärzten reden. Es werden unterschiedliche Meinungen erzählt. Der eine sagt nie wieder, die anderen können sich nichts anderes vorstellen. Mach dir ein umfangreiches Bild! Hier wirst du eher Meinungen finden die für ein Studium sprechen, und die wenigen hier sind schon fertig und berichten aus dem Alltag-und darauf kommt es ja an. Das Studium dauert ja nur 6 Jahre.

Leelaacoo
27.05.2013, 18:13
Also ich kann dir nur empfehlen dir den Alltag anzuschauen. Mehrere Kliniken, mehrere Fachbereiche. Viel mit Ärzten reden. Es werden unterschiedliche Meinungen erzählt. Der eine sagt nie wieder, die anderen können sich nichts anderes vorstellen. Mach dir ein umfangreiches Bild! Hier wirst du eher Meinungen finden die für ein Studium sprechen, und die wenigen hier sind schon fertig und berichten aus dem Alltag-und darauf kommt es ja an. Das Studium dauert ja nur 6 Jahre.

Ähm...ich z.B. bin seit 7 Jahren "fertig" ;-)

LG Lee