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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fallbeispiel Gastro zur Prüfungsvorbereitung



LJGibbs
13.06.2013, 20:23
Leider habe ich im Fach Innere eine mündliche Prüfung bei einem der Oberärzte der Gastroenterologie gewonnen. Im Vorgespräch hat er mir vier Fallbeispiele mitgegeben, von denen eins in der Prüfung wohl detailliert (und wohl eher Praxis orientiert) durchgeprüft wird. Während ich drei Fälle anhand von Altprotokollen gut lösen konnte, wäre ich bei folgendem über ein wenig Input froh, da mir in der Gastroenterologie leider Erfahrung aus Famulaturen fehlt.

Fallbeschreibung
Sie sind niedergelassener Allgemeinmediziner in einer ländlichen Hausarztpraxis. In Ihrer Sprechstunde stellt sich ein 24 Jahre alter Patient vor, der über Blähungen und ein Druckgefühl im Bauch klagt, die in wechselnder Ausprägung seit 8 Monaten bestehen. Der Patient gibt an, dass sich die Beschwerden bei und nach dem Essen, sowie im Liegen verstärken. Zusätzlich klagt über häufige, hörbare Bauchgeräusche. Stuhlauffälligkeiten werden verneint. Sonstige Vorerkrankungen oder familiäre Vorbelastungen liegen nicht vor.

Körperliche Untersuchung
AZ/EZ: gut; BMI 20; Temperatur (rektal): 36,9°C
Kopf: Pupillen rund, isokor, lichtreaktiv
Hals: Schilddrüse normal groß, keine tastbaren Knoten; keine vergrößerten LK; Mundhöhle und Rachen bei Inspektion unauffällig
Cor: Herztöne rein, regelmäßig, keine VTNG; HF 70/min; RR 120/70; alle peripheren Pulse tastbar
Lunge: vesikuläres Atemgeräusch über allen Lungenlappen, regelrechte Atemverschieblichkeit, AF 12/min
Abdomen: Bauchdecke weich, kein Druckschmerz, keine Abwehrspannung; lebhafte Darmgeräusche; Leber, Gallenblase und Milz nicht tastbar
Nieren: kein Klopfschmerz
Rektal: Ampulle frei, Darmwand verschieblich, Prostata nicht vergrößert, kein Blut am Fingerling
Neurologie: orientierend unauffällig

Fragen
1. Benennen Sie die Leitsymptome/das Leitsymptom des Patienten mit medizinischem Fachbegriff!

Intestinale Gasbeschwerden oder (chronischer?) Meteorismus

2. Nennen Sie bei diesem (!) Patienten wahrscheinliche Differentialdiagnosen, die diagnostisch abgeklärt werden müssen!

Nahrungsmittelunverträglichkeiten (Laktose, Fructose), Sprue, CED, Reizdarm bzw. funktionelle Blähungen, Cholezystitis (?), Pankreatitis (?), exokrine Pankreasinsuffizienz (?)

3. Welche diagnostischen Maßnahmen sollten bei dem Patienten durchgeführt werden und welche Differentialdiagosen sollen mit dem jeweiligen Verfahren ausgeschlossen bzw. bestätigt werden? Geben Sie die Untersuchungen in der Reihenfolge Ihrer Durchführung an!

Blutbild (Ausschluss Entzündung, Beurteilung Pankreasfunktion), Abdomensonographie (Ausschluss Cholezystis und Pankreatitis), Stuhluntersuchung (Ausschluss Infektionen, Pankreasinsuffizienz), H2-Atemtest (Ausschluss Laktose- und Fructoseintolleranz), Gastroskopie (Ausschluss Sprue)

Koloskopie ja/nein? (sind keine Diarrhoen in der Anamnese und deutlich zu jung für Kolonkarznom)

Macht man bei einem so jungen Patienten überhaupt so viel Diagnostik oder ist das evtl. eine Fangfrage?

4. Welche Therapeutika verschreiben Sie dem Patienten zur Symptomlinderung und warum?
Buscopan (krampflösend), Entschäumer (bauen Darmgase ab)

Ich wäre Euch sehr dankbar, wenn Ihr meine Lösungsvorschläge verbessern und kommentieren würdet. Gerade auf den Prüfungsteil mit dem Fallbeispiel kann man sich ja gut vorbereiten und da will ich schon mal einen guten Eindruck machen, vorallem da es eine Nachprüfung ist. (war in der Klausur leider irgendwie nicht so erfolgreich)

THawk
13.06.2013, 21:49
Sind doch ganz gute Ideen, die du so hast. Cholezystitis halte ich für unwahrscheinlich, aber man kann's mal erwähnen. Wichtig wäre erstmal noch eine gezieltere Nahrungsmittel-Anamnese.
Bei der Diagnostik wird es wirr:
- Wie schätzt du mit dem Blutbild Pankreasfunktion ab? Und wenn Infektion (z.B. CED) würde ich auch ein CRP mitmachen. In dem Zusammenhang auch an Hämokult-Test denken.
- Eine Pankreatitis ist keine sonographische Diagnose! (Das Pankreas kann sich sonogr. auffällig darstellen, aber das ist primär eine Labor-gestützte Diagnose!)
- Du weißt was man im Stuhl untersucht bzgl. der exokrinen Pankreasinsuff? Und was wegen Infektion?
- Wegen Zöliakie könnte man auch erstmal Antikörper machen (welche?). Wobei wir da großzügig spiegeln würden. Ich halte es für eine der sehr wahrscheinlichen DDs.
- Kolo-Indikation je nach Untersuchungsbefunden und (sofern du es machen willst) laborchemischen Auffälligkeiten für CED (Stuhluntersuchung!)

Warum sollte man bei einem jungen Patienten nicht so viel Diagnostik machen? Man will ja nicht nur das Colon-Ca erkennen. Das Alter ist doch gerade auffällig - in dem Alter ist eine ausgeprägte abdominelle Symptomatik nicht so häufig.

LJGibbs
13.06.2013, 22:16
@Thawk
Vielen Dank für deinen Input. Habe die Diagnostik, insbesondere Labor und Stuhluntersuchung noch mit deinen Hinweisen etwas ausführlicher geschrieben:

a) Labor: Kleines Blutbild, Lipase (wg. Pankreatitis), Leberwerte (wg. Cholestase), CRP (wg. CED/Cholezystitis), antiTransglutaminase & antiEndomysium - AK (Sprue)

b) Stuhluntersuchung: Pankreas-Elastase (wg. Pankreasinsuffiziens), Hämocult (wäre das beim jungen Patient ein Hinweis auf CED?), Calprotectin (CED, oder ist das zu teuer?), Viren, Bakterien, Parasiten, Pilze (macht man das alles oder gibt es eine Art "Screening-Wert", bevor man auf alle möglichen Erreger testet?)

Bezüglich der Frage nach der Diagnostik bei jungen Patienten habe ich mich wohl ein bisschen davon verwirren lassen, dass im Herold bei Stuhlveränderungen und unspezifischen Symptomen immer erst ab 45 eine Endoskopie (dann zum Ausschluss eines Karzinoms) empfohlen wird. Dass man die anderen DD natürlich trotzdem ausschließen muss, hatte ich irgendwie kurzzeitig ausgeblendet.

WackenDoc
14.06.2013, 05:32
Da die Lokalisation bisher nicht bekannt ist und Stuhlauffälligkeiten fehlen:
Gastritis und Reflux mit im Hinterkopf behalten. Das mach auch die beschriebenen Beschwerden: Typisch nach dem Essen und im Liegen. Die Darmgeräusche sind dafür auch nicht untypisch.
Fehlende Stuhlauffälligkeiten machen auch eine CED unwahrscheinlich. Die meisten Patienten mit Lactoseintoleranz haben auch Durchfälle (allerdings nicht alle, ist abhängig von der Ausprägung)

Eine wichtige DD sind noch funktionielle Darmbeschwerden.

Entscheidend ist aber die genauere Anamnese.

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14.06.2013, 13:32
Ein paar weitere Gedanken...
Nochmal dezidiert bei dem fikitvem Patienten nachfragen:
Ernährungsgewohnheiten (Frühstück, Mittag, Abend), bestimmte Nahrungsmittel gerne/vermieden, Nahrung-Symptom-Assoziation, Reflux-Beschwerden/Übelkeit, Stuhlfarbe/-Form, Geruch & -Konsistenz beschreiben lassen evtl. auch "Stuhl-Visite" (Fettstuhl bei exo. P-Insuff.). Stuhlfrequenz auch nachts (bisher wurde Diarrhö ja nicht so richtig beschrieben). Bschwerden auch Nachts oder oder nur postprandial.
Familienanamnese (Autoimmunerkrankungen wie T1D, Hashi --> assoz. mit Zöliakie...) und Umfeld-Anamnese (mlgw. Hinweis auf infektiolog. Geschehen). UND Medikamenten-Anamnese!!!

@ Labor: Man darf initial ruhig ein Diff.-BB sprich GBB machen. Interessanter als CRP (eh meist in der Routine mit drin) fände ich im Zusammenhang mit CED und Co. eine BSG, weil preiswert und sehr sensitiv! Endomysium- und Transglutaminase-AK halte ich primär für überambitioniert. Wenn, dann erstmal einen. Da würde ich mich wg. hohe Sensi und Spezi eher für die Transglutaminase entscheiden... Unser Haus macht immer noch gerne Gliadin-AK mit (CAVE: IgA-Mangel).

@ Stuhl:
In der Regel heißt die Anforderung hier "Stuhl auf allg. pathogene Keime", das sind dann die übrigen Verdächtigen wie Salmonelle, Shigellen und Co dabei. Haemoccult kann man machen - kost quasi nix. Viren/Pilze halte ich für überflüssig, da keine Anamnese für vir. Gastroenteretiden bisher und kein Hinweis auf relevante Immunsupression (Pilze...) - außerdem findest du Pilzsporen überall, ohne passendes Setting/Klinik kann man sich IMO Pilzdiagnostik sparen. Elastase kann man diskutieren - ohne passende Vorgeschichte, ohne Fettstühle (die ich sehen will!!) und ohne Hinweis auf Malnutrition halte ich eine exo. P-Insuff. für eher weit hergeholt...

@ Geräte-Diagnostik:
Sono: Klar. Endoskopie: Etwas hausabhängig. Angesichts der geschilderten Anamnese halte ich ÖGD auch im Hinblick auf die wichtigen DDs Gastritis (ABC... Hier vor allem Typ-B/H.P.Gastritis) und Reflux-Beschwerden für vorrangig. Kolo würde ich jetzt eher später b.B. nachschalten.
Zu den Atemtests: Ich halte die für recht überflüssig. Weil schwierig zu bewerten. Es gibt ja nicht die Intoleranz per se, sondern jeder (!!) hat ne individuelle Verträglichkeitsgrenze. In der Regel ist das eine Frage von Substratmenge vs. Enzym-Restbestand. Wir machen gerne Provokationstests bzw. Auslassversuche. Bringt dem Pat. insofern auch mehr, als das er sich an seine Toleranzschwelle heranarbeiten kann...

Ansonsten wie schon von Kollegen geschrieben RDS/funkt. Darmbeschwerden als Ausschlussdiagnose. Bei uns würde ich routinemäßig unseren Psychologen mal rumschicken. Manchmal holt der noch das ein odere andere mehr an möglicher Stress-Anamnese als Ursache heraus bzw. "ent-pathologisiert" die Situation für den Patienten.


@Medis:
Buscopan finde ich so lala - haben im Sono schon nach Buscopan komplett atone Darmabschnitte gesehen, finde daher die Wirkung für ein freiverkäufliches Präparat stellenweise grenzwertig... Außerdem hat der keine konkreten Kolik-Beschwerden.
Entblähend kann man gut machen, da auch "nur" physikalisches Wirkprinzip. SabSimplex bspw. zu den Mahlzeiten. Wenn sich doch noch etwas mehr Richtung Reflux herausarbeiten lässt evtl. nen PPI. Als weitere Eskalation Domperidon zu den Mahlzeiten. Der 3er SabSimplex, PPI, Domperidon "reißt" symptomatisch ganz schön viel... ist aber schon etwas polypharmazeutisch für nen "Hausarzt" der du ja sein solltest laut Beschreibung.

Ich tippe mal der will in der Prüfung hier auf Reflux/Gastritis/H.P.-Eradikation und DD Zöliakie hinaus.

THawk
14.06.2013, 17:04
Bzgl. Hämokult: Ja, das nutzt du bei CED, da sich mit steigender Entzündungsaktivität auch Blut im Stuhl befindet. Calprotectin oder Laktoferrin machen wir bei höhergradigem CED-Verdach auch mit, ist aber (wie schon gesagt wurde) sicher nicht die wahrscheinlichste DD.

Ich wäre auch für ein Großes-Blutbild, klar. Aber da stehen wir Kinderärzte eh drauf ;-)

Pilze u. Viren würde ich auch nicht machen aus ebengenannten Gründen.

Im Kindesalter ist bzgl. der Zöliakie definitive Empfehlung die GTG-Ak. Und nur die. Natürlich immer verbunden mit einem IgA um den IgA-Mangel auszuschließen.

WackenDoc
14.06.2013, 17:47
Ich rate meinen Patienten auch von Test auf Lactoseintoleranz ab. So wirklich bringt die Diagnose nur was in Ausnahmefällen und die Patienten müssen eh herausfinden, was sie in welchen Mengen an Lactose vertragen.

An sich kann man nen Selbsttest machen: Wer 1/2-1 Liter Milch trinken kann, ohne dass er Probleme bekommt, hat keine Intoleranz. Ok, bei entsprechenden Symptomen, können noch andere Bestandteile die "schuldigen" sein, aber die sind deutlich seltener.
Fructoseintoleranz kann man entsprechend auch selber grob testen.

In der genannten Anamnese steht übrigens, dass keine Stuhlauffälligkeiten berichtet wurden. Also gehen wir mal davon aus, dass da nichts ist (ok, um sicher zu gehen sollte man nach Blut, Schleim und Veränderungen seit Beginn der Symptome fragen)

LJGibbs
16.06.2013, 09:36
Vielen Dank für Eure ausführlichen Antworten. Die helfen mir wirklich sehr.

Der Patient hat laut Fallbeispiel ja keine Diarhoen. Welche DDs werden dadurch eher unwahrscheinlich? Ihr hattet ja schon gesagt, dass CED dann eher untypisch sind, eine Lactose-/Fructose-Intoleranz aber manchmal ohne Diarrhoen daherkommt. Gibt es Sprue und RDS bzw. funktionelle Darmstörungen auch (manchmal) ohne Diarrhoen?

Als eine wichtige DD wurde ja noch die Gastritis (insbesondere Typ B) genannt. Ist das auch noch wahrscheinlich, falls der Patient keine Refluxbeschwerden hat? (nach Refluxbeschwerden kann man ja den Prüfer bzw. fiktiven Patienten bestimmt einfach fragen)

Auf welche DD würde es eher hinweisen, wenn der Patient nicht nur postprandial, sondern anhaltend die Beschwerden hat? (die Fragen postprandial/permanent kann ich ja dann auch den Prüfer bzw. fiktiven Patienten fragen)

Eine Koloskopie wurde ja einhellig erst nachrangig bei Bedarf als nötig erachtet. Was wären aus den ganzen Untersuchungen Indikationen, doch noch eine Koloskopie zu machen?

WackenDoc
16.06.2013, 10:04
Lactoseintoleranz ohne Diarrhoe ist möglich. Der Pathomechanismus ist ja die Verwertung der Lactose (oder Fructose) durch Bakterien. Und die dabei entstehenden Gase machen die Beschwerden. Durchfall ist zwar häufig aber nicht zwingend.

Natürlich kommen funktionielle Darmstörungen ohne Durchfall vor. Die Symtome sind dabei sehr vielfältig.

Ja, Gastritis gibt es auch ohne Reflux. Zum Reflux kommt es ja vor allem bei Problemen mit dem Mageneingang. Man kann auch ne Gastritis haben, ohne dass die Säure in den Ösophagus aufsteigt. Die beiden Krankheitsbilder kommen zwar oft zusammen vor und die Behandlung ist ähnlich- es sind aber 2 verschiedene Krankheitsbilder.

Ich würde primär neben der gezielten Anamnese, Labor und Sono (körperliche Untersuchung ist ja schon gelaufen) erst einmal eine Gastroskopie machen.
Jahhaaaa, ich weiss- man kann bei jungen Menschen auch erstmal die Gastritis behandeln und schauen, ob die Therapie anschlägt. Aber wenn die Beschwerden schon so lange bestehen, würde ich da schon reinschauen wollen. Soo aufwändig ist das ja nicht.

Eine Colo würde ich bei Stuhlauffälligkeiten und wenn bei der sonstigen Untersuchung nichts wegweisendes heraus kommt, machen.

NaddyB
25.06.2013, 02:57
Huhu,

Laktoseintoleranz hat ca. 2/3 Diarrhoe und ca. 1/3 Blähungen/Meteorismus als Hauptsymptom. Fruktoseintoleranz etwa umgekehrt.
Da die Beschwerden bereits beim Essen auftreten, würde ich eher nicht auf eine Malabsorption tippen. Da muss der Zucker ja erst mal im Dickdarm ankommen.
Wie wäre es mit SIBO? Da geht es auch schon mal nach 10 Minuten ab. Kann z.B. nach Antibiosen oder Enteridien auftreten, oder nach PPI. Wenn das vor 8 Monaten angefangen hat, mal den Patienten hierzu befragen.

Ansonsten mal Atemtest mit Fruktose und in der ersten Stunde 10-minütiges Messintervall. Dann hat man die Fruktoseintoleranz abgeklärt und SIBO mit großer Wahrscheinlichkeit auch.

Der Rest wurde ja schon soweit aufgezählt.

Liebe Grüße
Nadine

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26.06.2013, 16:57
Wobei ne Dünndarmfehlbesiedelung therapeut. recht 'tricky' ist. Da ist viel Frustration vorprogrammiert und zum Teil auch viel 'Stigmatiserung'/gedankliche Eineengung/Kreisen mit dabei. Insbesondere in Patientenforen und wenn man kein konkretes Auslöseereignis hat. Quasi je nach Philosophie die 'Fibromyalgie des Darmes'.... Würde ich eher ungern in den Mund nehmen - in der Prüfung schon mal gar nicht :-)