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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Medizinstudium abgebrochen---ein paar Eindrücke



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Ex-Medi
20.06.2013, 21:31
Hallo liebe Leute. Quasi als letzten Akt dieses Lebensabschnitts habe ich mich dazu entschlossen ein paar Zeilen zu schreiben. Vielleicht helfen Sie ja irgendjemandem weiter.

Zuerst zu mir: Bin jetzt 27 Jahre alt und dies war definitiv keine ganz so leichte Entscheidung , aber für mich definitiv die Richtige. Hab mit Wartezeit (4Jahre) und 4 Jahren Studium einiges an Zeit liegen lassen, aber Medizin hat für mich einfach keinen Sinn mehr gemacht und wollte nicht noch mehr Zeit für etwas opfern was mir nie gelegen hat.

Wo im Studium befand ich mich? Ich hab noch das zweite klinische Semester abgeschlossen , aber anschließend nicht mehr die Motivation gefunden zum 3. klinischen anzutreten. War dann 1 Jahr noch eingeschrieben ohne irgendwelche Scheine gemacht zu haben.

Wie ist der theoretische Teil einzustufen? Nicht so schwer. Die meisten die Abi machen, eine durchschnittliche Intelligenz aufweisen und auch mal die Disziplin haben längere Lernphasen durchzumachen schaffen das Studium. Ich kenne so einige die das Studium abgeschlossen haben und definitiv keine Leuchten sind und meiner Meinung nach an intellektuell anspruchsvollen Studiengängen gescheitert wären. Medizin besteht hauptsächlich daraus , Dinge auswendig zu lernen. Intellektuell kaum anspruchsvoll, es sei denn man hat ein Gedächtnis wie ein Sieb.

Wie ist der praktische Teil einzustufen? Hier trennt sich meiner Meinung nach die Spreu vom Weizen. Ich persönlich habe die Klinik gehasst. Jeder Tag in der Klinik hat mich geradezu traurig gemacht. War immer froh wenn ich da raus war. Ich kann mir auch irgendwie überhaupt nicht vorstellen wer gerne in einem Krankenhaus seine Tage verbringt--aber scheinbar gibt es diese wirklich. Ich hab mich etwas von meinem sozialen Umfeld belabern lassen und jede Menge Zeit damit verloren.
Ein sehr gefährlicher Rat , welcher mich dazu bewogen hat trotzdem anzufangen/weiterzumachen war der typische Ratschlag:"Es wird besser". Hat für mich nie zugetroffen und muss sagen, dass ich diesen Ratschlag auch für gefährlich halte da viele Leute , welche früh merken das Medizin und die Patienten- bzw. Krankenhauswelt nichts für Sie ist , alleine durch diesen Ratschlag immens viele Jahre ihres Lebens investieren (10-20 Jahre) etc. um am Ende festzustellen dass für Sie fast nichts besser geworden ist. Wenn Ihr frühzeitig feststellt dass das ganze mit Patienten und Krankenhaus euch irgendwie nicht liegt, bzw. sogar widerstrebt seid sehr vorsichtig mit dem "Es wird besser" Gedanken---was soll daran besser werden wenn Ihr irgendwann dann ganz alleine für Patienten zuständig seid und 10 Stunden täglich im Krankenhaus zubringt und auch noch Dienste schieben müsst?


Wenn eure Motivation für ein Medizinstudium vor allem aus den folgenden Punkten besteht solltet Ihr es euch vielleicht nochmal überlegen:

a)Geld---man verdient gut als Arzt, aber wenn man die Arbeit nicht mag bzw. Sie einem nicht liegt ist es es definitiv nicht wert. Ich hab einiges an Jobs nebenbei gemacht und selbst die einfachsten Jobs (Fahrdienste,Kellnern,Nachhilfe etc.) haben mir deutlich mehr Spaß gemacht. Das Gehalt ist sicher und gut---aber für die meisten kann es meiner Meinung nach nicht als lebenslange Motivation für diesen Beruf reichen.

b)Soziales Ansehen---der Beruf Arzt ist praktisch in allen Ländern unter den Top 5 in diversen Ansehens-Ranglisten und mag den einen oder anderen Abiturienten locken, aber dies ist auch kein guter Grund das Studium bzw. den Beruf anzupeilen. Davon kann man sich im Alltag praktisch gar nichts kaufen.....Das soziale Ansehen bzw. Prestige hat damals, zumindest unterbewusst meine Entscheidung beeinflusst , aber im Nachhinein null Befriedigung gebracht. Lieber ein Job der wenig soziales Ansehen hat aber dafür Spaß macht als umgekehrt.

c)sicherer Job---lockt wohl den ein oder anderen und mag in der heutigen Zeit für viele wichtig sein. Muss dazu sagen dass praktisch alle meine Freunde die etwas anderes studiert haben, auch alle zeitnah einen guten Job bekommen haben und fast alle die schon länger im Beruf sind auch ihre Jobs behalten.

d)Menschen helfen---stellt dies die Hauptmotivation dar kann ich auch sagen dass es definitiv nicht ausreichend ist für diesen Beruf (meiner Meinung nach). Es gibt etliche helfende Berufe mit viel weniger Stress/Aufwand etc.

Wenn einer dieser Gründe oder eine Kombination aus diesen 4 Gründen den Großteil eurer Motivation ausmachen solltet Ihr es euch nochmal durch den Kopf gehen lassen. Wer ist tatsächlich für das Studium/Beruf geeignet?Jemand der spezifisch gerne mit Patienten arbeitet, jemand dem es Spaß macht Patienten aufzunehmen, sie zu untersuchen, sich mit Krankheiten 80% seiner Lebenszeit zu beschäftigen, auch Nachts aufsteht um Untersuchungen durchzuführen, zu operieren,notfallmäßig tätig zu werden etc. ---jemand der gerne bereit ist jegliche Art von Leuten in alle Körperöffnungen reinzuschauen,jede Stelle des Körpers (auch teilweise ohne Handschuhe) zu berühren, jemandem dem es Spaß macht mit dem Stethoskop das Herz und die Lungen abzuhören, den Bauch abzuklopfen,sich die Schleimhäute anzusehen, jemand der gerne mit Spritzen hantiert,Blut abnimmt, Verbände legt und wechselt,Wunden näht,sich Röntgenbilder anschaut,Arztbriefe schreibt,nichts gegen eklige Wunden,Körpergerüche,Flüssigkeiten etc. hat oder zumindest damit sehr gut umgehen kann. Dazu jemand der bereit ist ein hohe Verantwortung jede einzelne Sekunde seines Berufslebens zu tragen.Jemand der sich sehr gut vorstellen kann 70% seiner wachen Lebenszeit in einem Krankenhaus zu verbringen. Dazu noch neben Diensten etc. , Fortbildungen zu besuchen um immer auf dem neuesten Stand zu sein. Konnte man dass alles vorher wissen?Ganz bestimmt , aber das meiste hat bei mir erst richtig in der Klinik/Famulatur durchgeschlagen.

Die unter a)b)c)d) genannten Gründe sollten meiner Meinung nach nur einen verschwindend geringen Teil eurer Motivation ausmachen....vielleicht 10-20%.

Wie kann man all dies in Erfahrung bringen ohne soviel Zeit zu investieren?Hmm gute Frage. Das Krankenpflegepraktikum ist sicherlich ein guter Anfang....zieht dieses Praktikum gewissenhaft durch und bewertet ob es euch zusagt. Stellt euch folgende Fragen:

a)Wie empfinde ich das Krankenhaus?Geh ich gerne hin?Gefällt mir die Arbeitsatmosphäre bzw. die Atmosphäre dort generell?

b)Wie empfinde ich die Patienten? Unterhalte ich mich gerne mit diesen?Pflege ich Sie gerne(natürlich wollt Ihr nicht Pfleger werden aber Ihr werdet als Arzt jeden Tag in engsten körperlichen Kontakt mit kranken bis sehr kranken Menschen kommen , deswegen ist diese Frage nicht unerheblich)?

c)Wie gehe ich mit Krankheit jeden Tag um? Zieht es mich runter oder motiviert es mich eher?

d)Beobachtet die Ärzte ganz genau und versucht soviel wie möglich zu machen anstatt euch drumherum zu drücken. Wenn Ihr den Arzt bei der Aufnahme/Untersuchung/Operation beobachtet...was empfindet Ihr dabei?Entsteht ein großer Drang am liebsten selber BLut abzunehmen,mit dem Stethoskop das Herz, die Lungen abzuhören?Würdet Ihr selber gerne den Bauch untersuchen?Würdet Ihr gerne selber mit dem Reflexhammer die Reflexe testen?Geht Ihr gerne in den Op und wollt ganz nah dabei sein?Geht Ihr morgens gerne auf Visite mit? Beschäftigt ihr euch gerne mit Krankheiten?

Oder gehört Ihr eher zu der Gruppe die sich sagt: "Krankenpflegepraktikum....naja ich krieg die 3 Monate schon irgendwie um. Bock hab ich überhaupt nicht drauf...Patienten interessieren mich auch nicht so wirklich sehr , aber dafür kann ich abends auf der Party sagen ich sei angehender Arzt."

Oder zum Beispiel: " Was macht denn der Arzt da?Packt dem Patienten mit bloßer Hand an die schwitzige Fußsohle und tastet mit seinen Fingern irgendwelche Leistenpulse ab? Warum nimmt der keine Handschuhe? Und warum riecht es hier die ganze Zeit nach Desinfektionsmittel und wieso ist die ganze Atmosphäre hier so bedrückend?"

Letzteres sollten als Warnsignale dienen , welche man nicht so ganz leicht abtun sollte. Mehr fällt mir momentan nicht ein. Wünsche euch alles Gute und möchte abschließend anmerken dass dies nicht als Demotivation dienen sollte...es gibt durchaus viele , zumindest äußerlich, glückliche und zufriedene Ärzte und es gibt hier im Forum sicherlich auch Leute die absolut geeignet für diesen Beruf sind und definitiv damit glücklich werden.

Gruß

Laelya
20.06.2013, 22:33
natürlich wollt Ihr nicht Pfleger werden aber Ihr werdet als Arzt jeden Tag in engsten körperlichen Kontakt mit kranken bis sehr kranken Menschen kommen , deswegen ist diese Frage nicht unerheblich?


falsch!!! es gibt soviele fachbereiche, in denen du keinen patientenkontakt haben musst und nochmal einige fachbereiche, wo auch ein enger Kontakt nicht notwendig ist




Oder gehört Ihr eher zu der Gruppe die sich sagt: "Krankenpflegepraktikum....naja ich krieg die 3 Monate schon irgendwie um. Bock hab ich überhaupt nicht drauf...Patienten interessieren mich auch nicht so wirklich sehr , aber dafür kann ich abends auf der Party sagen ich sei angehender Arzt."

Das Pflegepraktikum sagt gar nichts aus, es ist wie gesagt ein "Pflege"praktikum. Das was es uns meiner Meinung nach beibringen soll, ist der respektvolle Umgang mit dem Pflegepersonal, sodass man als "Halbgott" in Weiß nicht der Meinung ist über allen zu stehen

Allgemein finde ich, dass dein Beitrag nicht wirklich betrachtet, wie umfangreich und individuell jeder Fachbereich der Medizin ist. Krankenhaus und Praxis ist nicht alles. Mit einem Medizinstudium kann man auch noch mehr anfangen, als "bloß" Visite zu machen.

Aber natürlich ist das nur meine Meinung

Feuerblick
20.06.2013, 23:03
Naja, dieses "man kann mehr mit einem Medizinstudium anfangen als nur Visite machen" ist immer noch in aller Munde. Tatsache ist, dass man in der Regel als gerade frisch Approbierter nur sehr wenig anderes anfangen kann als erst mal Assistenzarzt zu werden. Das wurde ja auch in anderen Threads schon zur Genüge diskutiert.

Auf einen Aspekt möchte ich nochmal hinweisen:
Wie empfinde ich die Patienten? Unterhalte ich mich gerne mit diesen? Darüber sollte man immer mal wieder gut nachdenken, denn hier liegt oft der Hase im Pfeffer. Patienten können einem manchmal unsäglich auf die Nerven gehen und Gespräche mit Patienten machen für die meisten Fachärzte doch einen großen Teil des Jobs aus. Wenn man sich nicht vorstellen kann, sich mit Omma Meier über den Hund der Tochter ihres Schwagers zu unterhalten, dann sollte man sich zumindest gut überlegen, welche Fachrichtung man sich aussucht...

Herzchirurg_90
20.06.2013, 23:07
Hallo ExMedi,

erstmal muss ich sagen, dass ich es wirklich toll von Dir finde, dass Du hier als einer der das Studium abgebroche hat im Forum schreibst!

Jetzt frage ich mich NUR ob Du durch eine Klausur mehrmals durchgefallen und somit vom Studium exmatrikuliert wurdest oder Du wirklich von Dir aus das Studium abgebrochen hast ;).
Denn wenn Du es bis ins 3 klinische Semester schaffst, frage ich mich wie man dann "kurz vorm Ende" aufgibt ... Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Du von dem "Druck" "Im nächsten Semester wirds besser" so in deiner Entscheidung bedränkt wurdest ( .... irgendwie ergibt das für mich keinen Sinn ;) (und als "Unselbstbewusst/ keine eigenen Entscheidungen treffen könne" erscheinst Du mir jetzt auch nicht !) Interessieren würde mich dann noch an welcher Uni Du studiert hast!

Um zurück zum eigentlichen Thema zu kommen hoffe ich für jeden angehenden Medizinstudenten, dass er sich ausgebiebig mit der Materie "Medizinstudium und Beruf als Arzt" beschäftigt hat und WEIß was auf Ihm zukommen könnte ( Ich will nicht wissen wie vielen es so ergeht wie Du EXmedi ---> Zeigt das nicht wiedereinmal das an dem ganzen "Vergabesystem" der Medizinstudienplätze deutliche Mängel zu finden sind? Wären vorgeschlagene "Assesment-Center" doch nicht das richtige für die Auswahl der Bewerber??? !
Wie man an diesem Beispiel sieht, "verschwendet" man nur kostbare Zeit die man gut in einen anderen Studium investieren könnte!

Ich für meinen Teil muss wirklich sagen, dass die Tätigkeit als Arzt mir doch sehr liegen würde ;)! Entscheidend an der ganzen Sache ist mit Sicherheit auch mit welchen (beruflichen) Vorstellungen (Fachrichtung, Arztpraxis eröffnen ...) man das Studium aufnimmt (würde ich jetz so meinen). !

Gruß,
H.

PS. Patientengespräche:
Die waren immer ganz schön interessant und amüsant als ich mein 4wöchiges Pflegepraktikum aufgrund der Ausbildung machen musste! Ich war auf der Ortho .... der Großteil der "Schwestern" (ich war der einzige "Pfleger" auf der Station) war ein Albtraum (jedes Mal waren sie auf 180, wenn man nur etwas gefragt hat ...)!
Da waren die Patienten wirklich ein toller Ausgleich zu diesen "Görren" :D

@Ärzte: Die waren doch wirklich das allerletzte ... die haben das Pflegepersonal nicht mal mit dem "Po" angeguckt (sorry für diese Anmerkung aber so war es wirklich) - so viel zum Sozialverhalten einiger Ärzte ...

Vergessen werde ich nur nicht als mir die Schwester das Gerät zur Blutdruckmessung in die Hand gedrückt und mich in Zimmer X geschickt hat um den Blutdruck des Patienten zu messen ohne irgendwie eine Anmerkung wie ich denn das machen solle gab ( selbst "Schülerin" war sie aber noch nie .... echt total assoziales Verhalten)

Na ja, glücklicherweise hatte ich mir einige Wochen vorher ein Buch aus der Bib ausgeliehen, indem das wichtigste zum Thema "Pflege" drinnstand.
Die Untersuchung am Patienten hatte ich dann natürlich auch richtig durchgeführt ;)
Wirklich viel gelernt habe ich während der Zeit nicht (eher wurde mein Wunsch Medizin zu studieren noch stärker) ... eher selbst beigebracht durch "Selbststudium" ( ... und all das geschah in einer UNIKLINIK ... soviel zum Thema Lehre ;) )

Coxy-Baby
20.06.2013, 23:23
Ach der scHerzchirurg ist wieder unterwegs und verteilt Weisheiten.... Es ist immer wieder genial wie Leute die noch nicht eine Stunde Medizinstudium hinter sich gebracht haben hier schwadronieren "...dass Ihnen die Tätitgkeit als Arzt liegt" ,köstlich, auf die Idee, dass es auch Abbrecher gibt die vor einigen Jahren auch so gedacht haben kommen sie nicht.
Meine Meinung zur Thematik: Mann kann sich mit Studium und Arzt vorher auseinander setzen bis man schwarz wird, den Kram hinter sich zu bringen und dann malochen zu gehen ist dann doch nochmal ne ganz andere Hausnummer, ich für meinen Teil kann mittlerweile die gesamt Bandbreite verstehen , also Studienabbrecher, Leute die gar nicht im KH arbeiten wollen, nicht an Patienten etc....und damit viel Erfolg im weiteren Leben des Threaderstellers.

Laelya
20.06.2013, 23:30
beschäftigt hat und WEIß was auf Ihm zukommen könnte

Man kann es gar nicht wissen, das wurde schon versucht dir mehrmals beizubringen.
Du kannst noch so oft im OP herumgehopst sein, du kannst dir nicht vorstellen wie es ist als Arzt zu arbeiten, bis du es tust. Genauso wie du dir keine Meinung über das Studium erlauben solltest, ehe du es nicht selbst absolvierst.

Man kann Mutmaßungen anstellen, aber mehr auch nicht

daCosta
21.06.2013, 00:09
Jeder Tag in der Klinik hat mich geradezu traurig gemacht. War immer froh wenn ich da raus war. Ich kann mir auch irgendwie überhaupt nicht vorstellen wer gerne in einem Krankenhaus seine Tage verbringt--aber scheinbar gibt es diese wirklich. Ich hab mich etwas von meinem sozialen Umfeld belabern lassen und jede Menge Zeit damit verloren.
Ein sehr gefährlicher Rat , welcher mich dazu bewogen hat trotzdem anzufangen/weiterzumachen war der typische Ratschlag:"Es wird besser". Hat für mich nie zugetroffen und muss sagen, dass ich diesen Ratschlag auch für gefährlich halte da viele Leute , welche früh merken das Medizin und die Patienten- bzw. Krankenhauswelt nichts für Sie ist , alleine durch diesen Ratschlag immens viele Jahre ihres Lebens investieren (10-20 Jahre) etc. um am Ende festzustellen dass für Sie fast nichts besser geworden ist.

Jemand der sich sehr gut vorstellen kann 70% seiner wachen Lebenszeit in einem Krankenhaus zu verbringen. Dazu noch neben Diensten etc. , Fortbildungen zu besuchen um immer auf dem neuesten Stand zu sein. Konnte man dass alles vorher wissen?Ganz bestimmt , aber das meiste hat bei mir erst richtig in der Klinik/Famulatur durchgeschlagen.

Das Krankenpflegepraktikum ist sicherlich ein guter Anfang....zieht dieses Praktikum gewissenhaft durch und bewertet ob es euch zusagt. Stellt euch folgende Fragen:



Gut, wenn man überhaupt keinen Spaß daran hat morgens ins Krankenhaus zu maschieren, ist Medizin wirklich nichts für einen.

Der Satz "es wird besser" trifft insofern zu, dass die ersten 3 Jahre absolute Grundlagen vermitteln auf einem hohen Niveau.
Interessant werden diese Basics, wenn man die Zusammenhänge in der Klinik kennt.

Medizin ist Vielfalt: Chirurgische Fächer, internistische Fächer, Neurologie, Pädiatrie, Auge, Arbeitsmedizin, Transfusionsmedizin, Radiologie, Umwelt-Hygiene, Mibi, Labormedizin: Je nach Fach hat man sehr unterschiedliche Arbeitszeiten, sehr unterschiedlichen Patientenkontakt bis garkeinen, unterschiedliche Erfolgsaussichten, man hat entweder Patientenbetreuung oder keine usw usw.
Ich kann aber verstehen, dass keins von den Fächern einem Spaß macht.


Zum KPP: Das ist halt ein Pflegepraktikum, wo die Pflege im Vordergrund stehen soll und Einblicke in die Pflege gemacht werden, theoretisch zumindest soll das so sein. Ich würde allen empfehlen dieses Praktikum im Ausland zu machen oder auf einer Station/Klinik, wo man bereits gute Kontakte hat bzw.die einen guten Ruf hat. Das KPP hängt wie so vieles sehr vom Personal ab. Medizinische Zusammenhänge versteht man im KPP eh noch nicht.
Ob einem Medizin gefällt, merkt man in den Famulaturen und Blockpraktika eigentlich erst richtig. Das ist das erste Mal, in der die ganze Theorie in der Praxis angewendet sieht.

Ex-Medi
21.06.2013, 03:47
Einige Anmerkungen: Also akademsich bin ich nicht gescheitert. Habe das Physikum im ersten Anlauf mit ner 2 bestanden und all schwierigeren klnischen Fächer wie Mibi,Pharma,Klischi etc. auch. War im Zivi im Krankenhaus,im KPP und innerhalb von 2 Famulaturen und muss einfach sagen dass ich die Zeit gehasst habe.

Der Vorgänger hat es bereits angemerkt---ganz richtig wissen tut man es erst wenn man tatsächlich Blockpraktika/Famulaturen macht. Vorher bleibt alles im Rahmen von Spekulation leider.

Und natürlich gibt es Nischen in der Medizin , aber ich bin nicht so wirklich der Nischentyp. Wenn ich schon soviel Zeit/Arbeit in ein Fach investiere dann nicht um am Ende irgendein Randfach zu machen mit welchem ich mich über Wasser halten kann.
Bei mir kam erschwerend dazu dass ich mich mit der Materie in der Klinik weniger gern auseinander gesetzt habe als in der Vorklinik.

Möchte auch niemandem zu Nahe treten, aber Operationen einfach nur zu beobachten und "toll" zu finden sagt herzlich wenig darüber aus ,ob man für die Chirurgie geeignet ist. Kenne Leute die schon Probleme mit Blut abnehmen hatten aber gerne im OP rumgelungert haben und sich OPs angeschaut haben. Kenne viele Leute die in der Vorklinik meinten , dass für Sie nichts als Chirurgie in Frage kommt und mittlerweile (nach 1 Jahr mit Diensten,Stationsarbeit,OP,Notfälle etc. sich es überhaupt nicht mehr vorstellen können in der Chirugie jemals wieder zu arbeiten und froh sind da raus zu sein) entweder in ein ganz anderes Fach gewechselt haben oder der klinischen Medizin ganz den Rücken gekehrt haben.

@Möglichkeiten nach dem Studium: Ohne Facharzt und Doktortitel sind diese meines Wissens nach extrem begrenzt.

Ex-Medi
21.06.2013, 03:49
Und was Die Zulassungsvorausetzungen angeht---ich denke da wird sich nicht viel tun. Die Amis machen schon viel diesbezüglich und trotzdem schaffen es viele ungeeignete Leute rein...die dann innerhalb ihrer rotations im 3ten bzw. 4ten Jahr merken das Sie im völlig falschen Film sind.

Evil
21.06.2013, 08:41
@Möglichkeiten nach dem Studium: Ohne Facharzt und Doktortitel sind diese meines Wissens nach extrem begrenzt.
Da stimme ich Dir vollkommen zu. Hat man erstmal die Facharztausbildung hinter sich gebracht, eröffnen sich eine Menge Möglichkeiten, u.a. auch die, ohne weiteren Patientenkontakt zu arbeiten. Aber davor haben die Götter die Mühle der Assistentenzeit gesetzt, und die ist echt nicht ohne.
Die meisten Fachärzte waren mit ziemlicher Sicherheit (auch ich!) schonmal an einem Punkt, wo sie alles in Frage gestellt haben und kurz davor waren, den gewählten Ausbildungsweg aufzugeben.

Ex-Medi
21.06.2013, 14:33
Naja...im Großen und Ganzen ist Medizin meiner Meinung nach eben NICHT nicht so vielfältig wie es sich manche vorstellen. Die Basics sind überall ähnlich.

Anamnesegespräch
körperliche Untersuchung
Blutabnahme/Labor
weitere Untersuchungen
Diagnose
Therapie

Meiner Meinung nach ist der Tenor, dass wenn man z.B. die inneren Organe gar nicht mag (also Innere ausschließt) dann mit HNO oder Auge glücklich wird eher "Augenwischerei". Natürlich kann es sein dass man in der einen Fachrichtung besser zurecht kommt als in der anderen aber insgesamt ist das Setting relativ ähnlich.

Möchte ich gerne im Krankenhaus oder in einer Praxis arbeiten?
Möchte ich mich gerne mit Patienten unterhalten ,diese körperlich untersuchen, invasiven Eingriffen unterziehen, Diagnosen stellen und Therapien verordnen?
Bin ich bereit den größten Teil meines Lebens mich mit Krankheiten zu beschäftigen?
Bin ich bereit in meinen besten Jahren zu 90% mit Rentnern zu tun zu haben?

Wenn die Antworten auf diese Fragen eher nein als ja sind....sollte man sich gewarnt fühlen.

Und das 0/8/15 Argument mit es wird besser-->Klinik-->Wissen anwenden-->etc. ist meistens falsch und gefährlich obendrein. Da werden Leute welche eigentlich null Bock auf Patienten/Klinik und Medizin haben ermuntert weiterzumachen um dann ein paar Jahre später festzustellen, dass Sie immer noch im Krankenhaus,mit Patienten,Stress,Krankheit etc. zu tun haben. Die Fälle dass Leute gar keinen Bock auf Patienten/Krankenhaus etc. hatten und dann im Rahmen einer Famulatur/Blockpraktikums umgestimmt wurden sind glaub ich eher sehr selten.

Feuerblick
21.06.2013, 15:30
Möchte ich gerne im Krankenhaus oder in einer Praxis arbeiten?
Möchte ich mich gerne mit Patienten unterhalten ,diese körperlich untersuchen, invasiven Eingriffen unterziehen, Diagnosen stellen und Therapien verordnen?
Bin ich bereit den größten Teil meines Lebens mich mit Krankheiten zu beschäftigen?
Bin ich bereit in meinen besten Jahren zu 90% mit Rentnern zu tun zu haben?
Nun, DAS sind meines Erachtens aber Fragen, die man sich stellen sollte, bevor man das Studium beginnt. Denn ein Arzt untersucht nun einmal Patienten, stellt Diagnosen und beschäftigt sich in seinem Job naturgemäß mit Krankheiten. Wer sich diese Fragen nicht vor Studienbeginn stellt, der hat irgendwie nicht mitbekommen, was ein Arzt tut und irgendwie was falsch verstanden. DAS ist ja nun auch für Laien kein Geheimnis :-meinung

davo
21.06.2013, 15:35
Zuerst einmal möchte ich dir für deinen Bericht danken - denn der ist sicher für sehr viele von uns hilfreich, und die meisten die ein Studium abbrechen wären wahrscheinlich nicht bereit dann noch einen ausführlichen Bericht darüber zu schreiben. Insofern find ich das toll. Sicher einer der interessantesten Beiträge die ich bisher hier gelesen habe.

Aaaber:


Naja...im Großen und Ganzen ist Medizin meiner Meinung nach eben NICHT nicht so vielfältig wie es sich manche vorstellen. Die Basics sind überall ähnlich.

Anamnesegespräch
körperliche Untersuchung
Blutabnahme/Labor
weitere Untersuchungen
Diagnose
Therapie

Meiner Meinung nach ist der Tenor, dass wenn man z.B. die inneren Organe gar nicht mag (also Innere ausschließt) dann mit HNO oder Auge glücklich wird eher "Augenwischerei". Natürlich kann es sein dass man in der einen Fachrichtung besser zurecht kommt als in der anderen aber insgesamt ist das Setting relativ ähnlich.

Meine Bekannte in der Radiologie oder meine Bekannte in der Pathologie sehen das anders ;-) Es gibt schon genug Fachbereiche die wirklich "ganz anders" als z.B. Innere sind. Das traue ich mir zu zu sagen obwohl ich noch nicht einmal mit dem Studium angefangen habe. Die mussten "nur" die Blockpraktika und das PJ überleben, und dann wars großteils vorbei mit dem Patientenkontakt.

Es gibt glaub ich viele Leute die mit ihrer Studienwahl nicht zufrieden sind und die das erst spät im Studium, oder erst nach einigen Jahren im Job merken. (In jeder anderen Studienrichtung genau wie in Medizin.) Es ist wohl sinnvoller sich diesen Probleme zu stellen und eine Veränderung zu suchen als zu jemandem zu werden der jeden Tag frustriert ist und nur noch mangels Mut zu Alternativen zur Arbeit geht. Insofern sicher eine gute Entscheidung, aber eine die vielen wohl zu riskant gewesen wäre.

Eines kann man daraus jedenfalls sicher lernen: im Medizinstudium gibt es meiner Wahrnehmung nach viele Leute die die "Theorie" hassen (Vorklinik plus erstes klinisches Semester), aber denen die Praxis gefällt (Famulatur usw.) - für die gilt wirklich das angesprochene Mantra dass es "besser wird". Wenn es hingegen umgekehrt ist und man, wie in deinem Fall, ein Problem mit der Praxis hat dann ist das natürlich etwas ganz anderes, und sollte ein Warnsignal sein.

Ex-Medi
21.06.2013, 16:53
Naja viele Dinge werden einem 100% bewusst wenn man tatsächlich drin steckt. Wenn man zuhause sitzt und sich denkt: "Anamnesegespräche führen,Beschwerden auflisten,Untersuchungen durchführen" etc., denkt man sich halt :"ja klar, hört sich völlig ok an."---wenn man dann tatsächlich sowas macht kann es durchaus sein dass man feststellt das es einem null Spaß macht.---zumal ich persönlich glaube dass den wenigsten Leuten bewusst ist dass tatsächlich 80-90% der Patienten jenseits der 60 Jahre sind. Gerade hier wird medial vieles verzerrt. Wenn man nicht gerade Pädiatrie macht ist Medizin wirklich ne Seniorenveranstaltung. Als ob man halt als Arzt in einem Altersheim arbeitet.


Was Radio und Patho angeht: Also ich möchte mal behaupten (rein vom Gefühl her) dass diejenigen die Patho aus "Verlegenheit" machen ihren Job ziemlich hassen werden. Patho setzt sich auf ne fundamentale Art und Weise mit Krankheiten auseinander und Sektionen etc. gehören zum Alltag. Meiner Meinung nach wird jemand dem die Klinik und ihr Schwierigkeiten nicht liegt in der Patho eher noch unglücklicher.

Radio---wenn man sich tatsächlich auf die Diagnostik beschränkt , könnte viele Probleme halbwegs umschiffen. Muss man dann halt mit sich ausmachen dass man sein Leben lang schwarz-weiß Bilder sich anschaut und befundet. Ansonsten kann es eine Nische sein für den ein oder anderen.

Ex-Medi
21.06.2013, 17:01
Und ich kann nur betonen dass Bockpraktika/PJ überleben sich nicht so wild anhört , aber in der Realität gibt es noch und nöcher Veranstaltungen die man hassen wird. Praktika---über 6-7 Jahre Studium , welche viele Leute wie ich nicht mochten/bzw. man sich durchgequält hat:

Krankenpflegepraktikum (3 Monate)
Anatomie (etliche Stunden an einer Leiche rumschneiden,diese komplett verunstalten,teilweise extrem unwürdig was da abläuft)
Famulaturen (4 Monate)
Blockpraktika (die großen: Allgemeinmedizin,Innere,Chirurgie,Gyn,Kinder,Notfa ll= 12 Wochen , dazu noch diverse andere HNO,Auge,Neuro,Infektio,Derma,Rechtsmedizin in kleinerem Ausmaß)===insgesamt ein netto Aufwand von 4-5 Monaten
Praktisches Jahr (11Monate netto)

Das sind netto 2-3 Jahre an praktischen Veranstaltungen.....das ist nicht "mal schnell hinter sich gebracht"....außerdem sind diese über das Studium und in jedem Semester verstreut so dass einem kaum ein Semester Spaß macht.....möchte nur drauf hinweisen weil diese Dinge vielen nicht bewusst sind.

Das Medizinstudium ist wohl DAS Studium mit den meisten Pflichtveranstaltungen und dem geringsten Freiraum.

par
21.06.2013, 17:47
Vielen Dank, Ex-Medi, für deine Mühe einer Schilderung!
Darf ich dich fragen, welchen Weg du nun einschlagen wirst?
Ich fände es interessant, welche Alternative jmd. mit deiner Sichtweise für sich sieht!
Natürlich nur, wenn du magst :-)

Miss_H
21.06.2013, 18:09
Das Medizinstudium ist wohl DAS Studium mit den meisten Pflichtveranstaltungen und dem geringsten Freiraum.

Schonmal etwas anderes studiert? Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass mein Biostudium mindestens genau so von Pflichtveranstaltungen geprägt war.
Und wenn einem etwas keinen Spaß macht, dann kommt es einem auch lang vor. (Bei mir war das zum Beispiel der Pflanzenbestimmungskurs.)

par
21.06.2013, 18:27
Schonmal etwas anderes studiert? Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass mein Biostudium mindestens genau so von Pflichtveranstaltungen geprägt war.
Es stimmt schon, dass andere Studiengänge INSGESAMT weniger verschult sind.
Meist hat man viele (nur) Pflichtkurse bis zur Zwischenprüfung des Bachelors u. evtl. durch den gesamten BA, aber spätestens im Master hat man eigentlich sehr viele Freiheiten. Medizin ist ja wirklich bis zum letzten Semester durchgeplant (vllt. die zwei Wahlfächer ausgenommen :D)


Und wenn einem etwas keinen Spaß macht, dann kommt es einem auch lang vor. (Bei mir war das zum Beispiel der Pflanzenbestimmungskurs.)DAS stimmt allerdings :-oopss :-))

Miss_H
21.06.2013, 19:19
Es stimmt schon, dass andere Studiengänge INSGESAMT weniger verschult sind.
Meist hat man viele (nur) Pflichtkurse bis zur Zwischenprüfung des Bachelors u. evtl. durch den gesamten BA, aber spätestens im Master hat man eigentlich sehr viele Freiheiten. Medizin ist ja wirklich bis zum letzten Semester durchgeplant (vllt. die zwei Wahlfächer ausgenommen :D)

Es ist die Frage was man unter Freiraum versteht. Freiraum=Wahlfreiheit bei Veranstaltungen, dann gibt es keinen schlimmeren Studiengang als Medizin.
Aber das mit den Pflichtveranstaltungen ist gerade im Bachelor/Master-System (und besonders in naturwissenschaftlichen Studiengängen) extrem.

Melina93
21.06.2013, 19:25
Naja viele Dinge werden einem 100% bewusst wenn man tatsächlich drin steckt. Wenn man zuhause sitzt und sich denkt: "Anamnesegespräche führen,Beschwerden auflisten,Untersuchungen durchführen" etc., denkt man sich halt :"ja klar, hört sich völlig ok an."---wenn man dann tatsächlich sowas macht kann es durchaus sein dass man feststellt das es einem null Spaß macht.---zumal ich persönlich glaube dass den wenigsten Leuten bewusst ist dass tatsächlich 80-90% der Patienten jenseits der 60 Jahre sind. Gerade hier wird medial vieles verzerrt. Wenn man nicht gerade Pädiatrie macht ist Medizin wirklich ne Seniorenveranstaltung. Als ob man halt als Arzt in einem Altersheim arbeitet.


Was Radio und Patho angeht: Also ich möchte mal behaupten (rein vom Gefühl her) dass diejenigen die Patho aus "Verlegenheit" machen ihren Job ziemlich hassen werden. Patho setzt sich auf ne fundamentale Art und Weise mit Krankheiten auseinander und Sektionen etc. gehören zum Alltag. Meiner Meinung nach wird jemand dem die Klinik und ihr Schwierigkeiten nicht liegt in der Patho eher noch unglücklicher.

Radio---wenn man sich tatsächlich auf die Diagnostik beschränkt , könnte viele Probleme halbwegs umschiffen. Muss man dann halt mit sich ausmachen dass man sein Leben lang schwarz-weiß Bilder sich anschaut und befundet. Ansonsten kann es eine Nische sein für den ein oder anderen.



Was willst du denn jetzt machen? Weil ich finde deinen Bericht sehr interessant, aber du meinst ja immer, dass Medizin sehr monoton ist, aber welcher Job hat auf Dauer denn keinen Alltag?
Machst du dann doch irgendetwas Verwandtes, damit sich die ganze Warterei und das Studium etwas gelohnt haben?
Würdest du sagen du hattest einen falschen Eindruck vom Studium oder warst du generell einfach schlechter informiert?
Sorry für die ganzen Fragen, aber das ist wirklich spannend mal so eine Sicht zu hören.