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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Anästhesie - Todesfälle während OPs



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throni
10.08.2013, 13:03
Ich hätte mal eine Frage an die Anästhesieerfahrenen unter euch, die man sicherlich nicht pauschal beantworten kann, aber vielleicht kann sich ja der ein oder andere dazu äußern. Man ist ja als Anästhesist, natürlich zusammen mit dem Operatuer, dafür zuständig, dass der Patient das ganze Prozedere auch überlebt. Aber was sind denn häufige Todesursachen während Operationen, und wie läuft das dann von anästhesistischer Seite ab? Verbluten öfter Patienten und man kommt mit Volumensubstitution und Akrinor usw. nicht hinterher? Setzt das Herz aus und man bekommt es nicht wieder in Gang? Außerdem liest man ja auch immer wieder, dass Patienten an der Narkose selbst versterben. Hat man für solche Situationen feste Schemata, die man abspult, und wenn die nicht mehr greifen hört man auf? Und vor allem: wie entscheidet man, wann man aufhört? Ich kann mir mich in solchen "Ausnahmesituationen" nur schwer vorstellen und habe einen Heidenrespekt davor, finde Anästhesie als Fach aber schon sehr interessant, deshalb mein Interesse. Danke für eventuelle Antworten!

Brutus
10.08.2013, 13:47
Lieber throni,
wie Du selbst schon gesagt hast, kann man Deine Fragen nicht pauschal beantworten!
Zuerst einmal: an der Narkose selbst versterben keine Patienten. Es können natürlich immer allergische Reaktionen auf die Medikamente, Probleme bei der Atemwegssicherung, Beatmung, Kreislauf, usw, usf. auftreten.
Aber so wie Du es hier schreibst ist es eher der Klassiker: Nee, ich möchte keine Narkose, weil mein Vater an der Narkose gestorben ist. - Was hatte Dein Vater? - Der hatte einen geplatzten Darm. Aber der ist in der Narkose geblieben. DIE haben den umgebracht... -> Einer von vielen Klassikern aus der Prämedikation!
Häufig ist der Exitus in tabula aber eh nicht. Und warum die Patienten dann versterben? Meistens, weil sie schon extrem krank auf den Tisch gezerrt wurden. Patienten in einer fulminanten Sepsis, die als ultima ratio noch eine OP bekommen sollen... Das rupturierte BAA... Meistens ist es aber auch eine Kombination aus vielen Ursachen!
Ob es nun eine nicht beherrschbare Blutung, maligne HRST oder sonstwelche Ursachen waren, ist eigentlich auch egal. Die Situation ist für alle echt bescheiden. Denn auch wenn die Prognose noch so schlecht war, einen Patienten WÄHREND einer OP zu verlieren ist einfach schei$$e!
Gott sei Dank ist das aber auch verdammt selten!
Und der Vorteil ist, dass man zumindest am Anfang mit solchen Dingen nicht alleine gelassen wird! In der Anästhesie ist ind er WBZ ja immer noch ein OA im Hintergrund. Und die Operateure sind ja auch noch mit im Saal. Und letztendlich wird dann im TEAM entschieden, wie man weiter vorgeht.

Miss
10.08.2013, 14:36
Wie Brutus schon sagte, direkt an der Narkose verstirbt man nicht.
Wenn es Komplikationen wie Blutung gibt, kommt Unterstützung dazu, Anästhesiepflege und ein weiterer Anästhesist, wenn man noch *kleiner* ist, dann halt auch noch OA-Unterstützung. Da haben dann alle alle Hände voll zu tun, aber das schafft man schon. (hours of boredom, minutes of thrill and seconds of horror...)
Meist ist, wie gesagt, halt dann doch eher das Problem, daß die Patienten eine fulminante Sepsis haben und aufgrund von schweren Vorerkrankungen das nicht mehr kompensieren können, auch bei maximaler Katecholamintherapie und und...
Im OP versterben die Patienten doch sehr selten, sondern meist auf ITS, wo man dann im Team bespricht, inwieweit die Therapie aufrechterhalten werden soll (unter Berücksichtigung von Prognose, Vorerkrankungen und Wille des Patienten/der Angehörigen).

Fr.Pelz
10.08.2013, 16:31
Ich habs bisher erst einmal erlebt, dass ein Patient bei einer OP gestorben ist und derjenige ist regelrecht verblutet. Die betroffene Arterie ließ sich einfach nicht klemmen/ligieren oder sonst wie chirurgisch angehen (natürlich mit allen herbeigerufenen Fachkompetenzen). Die Anästhesisten haben ebenfalls immer mehr Oberärzte dazu beordert und vor allem natürlich Konserven...
Irgendwann hieß es "drücken" und wir als Chirurgen haben uns mit der OP-Pflege und der Anästhesie-Pflege beim Reanimieren abgewechselt. Irgendwann meinte der gefäßchirurgische OA "lasst sie ziehen" und der leitende Anästhesist stimmte zu.
Ein zwei Pfleger hörten nicht auf rumzuwuseln aber die meisten (und der Saal war sehr voll) wurden dann ruhig und haben entweder auf den Patienten oder auf den Monitor mit der EKG-Ableitung geguckt.
Was genau die Anästhesisten vorher an Maßnahmen ergriffen hatten, kann ich dir leider nicht sagen.
Wir haben danach noch den Schnitt zugenäht.

Was schon öfter passiert ist, ist dass ein Patient während der OP schlecht geworden ist - und dann mit allen kreislaufunterstützenden Mitteln noch auf die ITS verfrachtet wurde, weil es ja ein forensischer Unterschied ist, ob jemand im OP verstirbt oder nicht. Bei Exitus in tabula muss die Kripo gerufen werden und der OP darf - da er als Tatort gilt- nicht gereinigt oder sonstwie verändert werden. Die Details dazu kenne ich allerdings auch nicht und wäre froh, wenn sie jemand erklären könnte.

Sebastian1
10.08.2013, 18:44
weil es ja ein forensischer Unterschied ist, ob jemand im OP verstirbt oder nicht. Bei Exitus in tabula muss die Kripo gerufen werden und der OP darf - da er als Tatort gilt- nicht gereinigt oder sonstwie verändert werden. Die Details dazu kenne ich allerdings auch nicht und wäre froh, wenn sie jemand erklären könnte.

Das halte ich so erstmal für nicht richtig, und so ist es bei keinem Patienten gelaufen, den ich miterlebt hätte, der auf dem OP-Tisch verstorben ist. Es handelte sich dabei ausnahmslos um schwerstkranke Patienten, bei denen der operative Eingriff eine absolute Ultima ratio war. Wenn jemand aufgrund schwerster Sepsis bei einer versuchten Fokussanierung die OP nicht überlebt, ist das noch lange keine unnatürliche Todesursache. Dann müsste ich ja bei jedem Verstorbenen auf der Intensiv auch die Kripo einschalten (die würde sich bedanken), der wird zwar in der Regel grad nicht operiert, aber eben mit andeen konservativen und invasiven medizinischen Maßnahmen behandelt....

Fr.Pelz
10.08.2013, 19:40
Hm wie gesagt, mir wurde nur mal so dahin geworfen bekommen, dass man immer versucht die Leute aus dem OP zu holen, weil Tod im OP die Kripo nach sich zieht... habs aber auch noch nirgends gelesen oder als Dienstanweisung o.ä bekommen.

Bille11
10.08.2013, 19:49
primär versucht man, die leute aus dem op zu holen, weil es für angehörige angenehmer ist, zu hören, dass sie auf der intensivstation verstorben sind, dass man alles getan habe und dass sie in ruhe abschied nehmen können.. (anstatt nicht in einen dreckigen op mehr zum toten zu duerfen)

die kripo muss bei 'unklaren todesursachen' (die durchaus auch mal bei versterben auf dem op tisch vorliegen) hinzugezogen werden. weiterhin haben einzelne häuser spezielle hauspolitiken, ab wann eine unklare todesursache vorliegt (oder ob jmd 'einfach' am massiven herzinfarkt bei kardialer ischämie im rahmen sepsis, herzinsuffizienz, khk und hypovolämie verstorben ist..) - es ist manchmal einfacher für die beteiligten personen (ja, nicht nur chirurgen und anästhesisten, die ganze pflege gehört dazu..!), sich von dem ereignis distanzieren zu können, wenn die kripo hinzugezogen wird..

John Silver
11.08.2013, 09:03
Die Geschichte mit der KriPo stimmt so tatsächlich nicht. KriPo, Forensik etc. kommen erst dann ins Spiel, wenn für das Versterben des Patienten keine natürliche Ursache zu erkennen ist. Wenn ein gesunder junger Mann bei einer Leistenhernien-OP verstirbt, ist es eben eine ganz andere Kiste, als wenn ein alter, klappriger Opa mit einem rupturierten BAA auf dem Tisch bleibt.

Ansonsten kann ich Brutus nur zustimmen. Fälle, in denen halbwegs gesunde Menschen im Rahmen einer OP sterben, sind extrem selten. Meist liegt die Ursache in einer allergischen Reaktion mit nicht beherrschbaren Folgen. Die meisten Fälle, in denen Patienten im OP versterben, werden durch nicht beherrschbare natürliche Ursachen bedingt; als Beispiele sind bereits das rupturierte BAA oder eine nicht stillbare arterielle Blutung angeführt worden, es kann sich auch um ein schweres Polytrauma handeln, oder penetrierende Verletzungen wie Messerstiche. Man kann also sagen, dass in den allermeisten Fällen die Menschen im OP versterben, deren Todesursache mit der Narkose oder der OP nicht zusammenhängt, sondern denen man zwar mit der OP zu helfen versucht, es aber nicht mehr kann, weil irgendwann unsere Grenzen erreicht werden.

Lava
12.08.2013, 17:41
Ich hab es in viereinhalb Jahren einmal erlebt, dass jemand beim Zementiere vom Schaft einer Duokopfendoprothese verstorben ist. Ein anderes mal hab ich es erlebt, dass jemand asystol wurde, aber der kam nach kurzem Drücken schnell wieder.

Bei uns in der Unfallchirurgie müssen wir leider *immer* die Polizei informieren, da ja immer ein Unfall vorausgegangen ist. :-nix

Kackbratze
12.08.2013, 17:52
Warum gilt der natürliche Vorgang "Tod" zu den Dingen, die im Krankenhaus bloss nicht in Narkose passieren dürfen?
Patienten, Angehörige und auch (wie hier im Thread) Studenten und Kollegen haben da irgendwie den Horror vor und teilweise komische Vorstellungen bzgl. der Ursache.
Ich verstehe das teilweise echt nicht. :-nix

Fr.Pelz
12.08.2013, 17:58
Hab mich heute mit den Anästhesisten unterhalten, die meinten auch dass man eigentlich nicht die Kripo rufen müsse, wenn jemand in tabula im Rahmen seiner Grunderkrankung versterbe - es aber in unserer Klinik seit neuestem "von oben" so gewünscht sei und man deswegen jetzt aus Unsicherheit heraus Immer die Polizei informiere.

throni
15.08.2013, 07:50
Danke schonmal für die Antworten! Mich würde noch interessieren, wie das mit der oberärztlichen Supervision aussieht. Auf einer normalen Station hat man ja im Normalfall Zeit und bespricht sein Handeln im Nachhinein mit dem Oberarzt oder auch mal vorher, wenn es nicht so dringend ist. Das dürfte im OP ja oft nicht möglich sein. Gibt's dann also immer Fachärzte, die keine eigenen Narkosen machen sondern nur im Hintergrund warten und hinzukommen, wenn es irgendwo brennt?

Brutus
15.08.2013, 12:29
Ähhhm! Was machst Du noch gleich? Hattest Du das mal irgendwo erzählt? :-nix
Im OP wird kein Assistenzarzt ALLEINE Narkosen machen! Da ist entweder ein FA / OA anwesend oder es findet keine OP statt! -> Facharztstandard!
Das maximale der Gefühle war im Dienst, wenn zeitgleich eine Notsectio oder ein anderer Notfall reinkam, dass der Assistent die laufende Narkose des FA übernommen hat und dieser dann zu dem anderen Notfall gegangen ist, der aber im gleichen OP Trakt operiert wurde!
Also auch dort war immer die Möglichkeit gegeben, dass man sich austauschen konnte. Und als "kleiner" Assistent wird man auch nicht in eine solche Lage gebracht, dass man (allein) entscheiden muss, was passiert!

Evil
15.08.2013, 14:20
Im OP wird kein Assistenzarzt ALLEINE Narkosen machen! Da ist entweder ein FA / OA anwesend oder es findet keine OP statt! -> Facharztstandard!
Das maximale der Gefühle war im Dienst, wenn zeitgleich eine Notsectio oder ein anderer Notfall reinkam, dass der Assistent die laufende Narkose des FA übernommen hat und dieser dann zu dem anderen Notfall gegangen ist, der aber im gleichen OP Trakt operiert wurde!
Bitte was? Als ich noch Narkosen gemacht hab (ca 7 Jahre her), gab es im OP nicht immer FÄ als Springer, die man zur ständigen Verfügung hatte, jedenfalls nicht bei Patienten bis ASA III und unkomplizierten Eingriffen (Hernie, ASK, ...).
Und im Dienst war ein OA im Hintergrund, 20 min entfernt. Gyn und Kreißsaal waren erstmal meine Sache (1. Dienst im 7. WB-Monat).

Brutus
15.08.2013, 14:49
Also ich durfte als WBA keine Narkosen machen, solange ich alleine im OP war! Erst mit Erscheinen eines FA / OA durfte ich am Morgen beginnen. Und wenn am Nachmittag die OP so langsam zu Ende gingen, dann wurde peinlich genau drauf geachtet, dass immer ein FA bis zum Schluss drin geblieben ist. Und während der OP war wohl kein Springer da, aber es war zumindest immer so, dass, wenn Probleme auftraten, ein FA irgendwo dringlich ausgelöst wurde, und kurz helfen konnte.
Im Dienst war IMMER ein FA anwesend. Und in der Klinik, wo ich später gearbeitet habe, musste der FA VOR Einleitung ins Haus kommen. Sonst wurde die OP nicht gestartet. :-nix

Fr.Pelz
15.08.2013, 16:27
Also bei uns machen die WBA s die Narkosen auch recht schnell alleine (im ersten Jahr), im gleichen Trakt (also maximal 5 Säle weiter) ist aber immer irgendwo ein OA, der im Notfall seinen Pfleger allein lässt.

Peter_1
15.08.2013, 17:40
Bezüglich des "Facharztstandards" gibt es ja immer mal Missverständnisse. Das ist nicht gleichbedeutend damit dass ein FA anwesend sein muss, es bedeutet nichts anderes als dass ein Eingriff nach dem Stand eines FA durchgeführt werden muss. Er kann auch durch einen Assi durchgeführt werden. Wenn der Assi keine Versorgung nach FA-stand gewährleisten kann, dann muss ein FA hinzugezogen werden. Das ist mit Facharztstandard gemeint.

Brutus
15.08.2013, 18:07
Stimmt schon. FA-Standard kann auch ein WBA ist fortgeschrittenster Weiterbildung haben. Ob man das aber nach einem Jahr WB bescheinigen kann, wage ich mal zu bezweifeln. Mein damaliger Chef hat sich da auf eine Linie mit dem damaligen Chef der DGAI/BDA Prof. von Aken gestellt: Es finden keine OP statt, wenn nicht ein FA im OP anwesend ist...
Und die Argumentation ist deutlich einfacher, wenn mal wirklich was passieren sollte. :-nix

EKT
15.08.2013, 18:09
Im Gegensatz dazu der "Facharztstatus", der die tatsächlich persönliche Leistung durch einen Facharzt erfordert (insbesondere in spezialfachärztlichen Gebieten relevant).

test
15.08.2013, 19:14
Eigentlich bedeutet Facharztstandard juristisch, dass entsprechend dem aktuellen Stand der Wissenschaft vorgegangen wird. Der Begriff führt also etwas in die Irre. Der aktuelle Stand der Wissenschaft bedeutet tatsächlich der aktuelle Stand der Wissenschaft und ist nicht an Leitlinien oder ähnliches gebunden, da diese auch überholte Inhalte enthalten können.