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Brutus
17.08.2013, 09:48
@cookie:
Deswegen mache ich dann weder Famulatur, noch PJ an meiner Uni.
Auch Pflegepraktikum hab ich nich an meiner Uniklinik gemacht (aus dem gleichen Grund).
Das mag bei Famulaturen noch gehen, die meisten Unikliniken wollen aber, dass Du zumindest ein Tertial im eigenen Uni- / Lehrkrankenhausverbund machst... Und es kommt sicher auch total gut an, wenn Du alle Tertiale im Ausland machst, und dann zur Prüfung zu Deiner Heimatuni kommst...


Übrigens will ich in die eigene Niederlassung.
Daher ist die Zeit in der Klinik in jedem Falle endlich.
Der ist gut! :-)
Naja, dann viel Spaß beim Entschleunigen in der eigenen Praxis!


Das dürfte in der Klinik so ungefähr jeden Tag passieren und man kann sich davon entweder runterreißen lassen oder einen Weg finden sich zu organisieren.
Und genau DAS funktioniert nicht! Wenn Du als Aktenschubser 10 Akten vor Dir hast, und verschieden Stellen wollen bestimmte Dinge aus den Akten von Dir, dann mag das ja funktionieren. Da kann man sich entschleunigen und alles der Reihe nach machen. DAS funktioniert in der Medizin aber so nicht! Den Menschen auf Deiner Station geht es schlecht! Die Angehörigen können zur Not warten. Aber wenn von Deinen 12 Patienten auf der ITS gerade 10 akut schlecht werden, dann passt Dein System einfach nicht mehr! Dann kannst Du nicht der Reihe nach die Patienten abarbeiten und Dich selbst entschleunigen! Da muss man parallel arbeiten können. Prioritäten setzen, und querbeet immer wieder nach dem Rechten sehen... Und wenn das nicht funktioniert, dann werden eben wieder besagte andere diese Deine Aufgaben übernehmen. Ob dass dann alles so in Deinem Sinne ist, wirst Du am Ende der Schicht von Deinem OA hören...


Der Stress den man sich selbst macht findet fast überwiegend im Kopf statt.
Naja, ein bißchen Streß macht auch die Schwester, die Dir gerade Feuer unterm Hintern macht... :-))


Wenn man es richtig gut hinbekommt, bezieht man seine Umwelt in seinen eigenen Rhytmus mit ein und zwar Stück um Stück.
Herr Richter, ganz ehrlich! Der Patient hat selbst Schuld! Der hat einfach nicht in meinen Rhythmus gepasst!!!


Im Pflegepraktikum hab ich weitgehend selbstständig gearbeitet. Ich wusste was zu machen ist, aber niemand hat mir gesagt, wann es zu machen war.
Zwischendurch bin ich dann zwischen Station und Funktionsabteilung hin und her gerannt und immer kam noch irgendwas dazu, was JETZT noch dringend gemacht werden musste.
Lieber Kyutrexx. Im Pflegepraktikum ist es auch egal, wann die Bettpfanne nun geschrubbt, das dreckige Bett in den Keller geschoben oder das berühmte Eckchen geschrubbt wird... Das ändert sich allerdings dann, wenn Du auf einmal für den Laden verantwortlich zeichnest. Wenn es nur so einfach wäre. Ich habe von 7-16 Uhr Zeit, bis dahin kann ich mir die Zeit wunderbar aufteilen... Möööööööp! Dumm ist nur, dass das eben nicht geht. Morgens wirst Du mit Arbeit zugemüllt, von denen eben viele Sache sofort erledigt werden müssen. Das Abarbeiten der anderen Aufgaben wird Dich bis nachmittags beschäftigen, und dann kommen eben noch neue Aufgaben (Patienten) mit dazu... Aber das wird Dich natürlich nicht betreffen. Du bist ja tiefenentspannt und entschleunigt!


Der Untersucher hat natürlich nicht auf mich gewartet.
Wie konnte er nur? :-))


Wohl aber kann man vieles niederprioritäres sinnvoll umschichten. Nicht alles was zu tun ist, ist gleich wichtig.
Ja, das wird auch so erledigt. Wie o.g. die Angehörigen...


Menschen in der eigenen Umgebung wollen einem natürlich einreden, dass deren Anliegen das wichtigste ist.
Fingerspitzengefühl und Diplomatie bringen einen da aber durchaus schon weiter.
NEIN! Tun sie eben nicht! Wie o.g. kannst Du mit Diplomatie und gaaaaaaanz viel Empathie dem Sachbearbeiter Nummer 2 erklären, warum Du die Akte Nummer 2 erst nach Akte Nummer 1 zu ihm schubst.
Leider funktioniert das mit kranken MENSCHEN leider nicht.


Aber ich weiß ... wenn man solche Dinge jahrelang in einem anderen Beruf gelernt hat und ein Gefühl dafür bekommen hat, ist das natürlich in der Medizin nichts wert, weil da ja ALLES anders läuft.
Natürlich arbeiten in der Medizin ja keine Menschen, wie in anderen Berufen.
Auch hat in einer Klinik nicht jeder seine eigene Agenda, die das eigene Handeln bestimmt.
Du verstehst es entweder nicht, oder Du willst es nicht verstehen!
Natürlich arbeiten in der Medizin Menschen wie in anderen Berufen... Das Problem ist, dass sie AN Menschen arbeiten! Und nicht an Akten...


Nur für den Fall ... das nennt man Sarkasmus.
Ich nenne meine Sicht REALISMUS!


Aber es macht eben doch einen erheblichen Unterschied, ob man als Frischling in eine Klinik kommt oder schon Erfahrung mit dem ... naja ... Erfahrungen machen gemacht hat ;) und ein Gefühl dafür hat, welche Probleme auf einen zukommen.
So komm, Butter bei die Fische! Welche Erfahrung hast Du 10 Jahre lang gemacht, dass Du so genau weißt, was für Probleme auf Dich in der spezifischen Situation Klinik auf Dich zukommen werden?
Ich kann 10 Jahre Erfahrung in der Arbeit mit und an Menschen vorweisen! Und ich kann Dir sagen, dass Deine Art nicht funktionieren wird! -> Been there, done that! Hat nicht funktioniert...


Wer dann behauptet, diese Erfahrung aus anderen Berufen wäre nutzlos, DER ist überheblich.
(hast du nicht gemacht, A.d.R.)
Q.E.D.

SteveMcQueen
17.08.2013, 10:07
Das ist ja das schlimmste "in your face" was ich je gesehen habe. :-))

Feuerblick
17.08.2013, 10:11
Erst einmal: Zwischen Entschleunigen und Lahmarschigkeit ist meiner Ansicht nach viel Spielraum. Und mit einigermaßen vernünftiger Selbstorganisation ist ersteres möglich ohne dass man zweiteres sein eigen nennen muss.
ABER, Kyutrexx, du vergisst etwas: DU kannst natürlich durch Organisation dich entschleunigen, aber du arbeitest nicht alleine an/mit dem Patienten. Da gibts das Labor, das die Blutentnahmen früh haben möchte, damit du dein Ergebnis noch zu Zeiten bekommst, in denen du notfalls eine Konsequenz draus ziehen könntest. Da ist der OP, der seine Patienten rechtzeitig und mit allen Werten/Aufklärungen etc geliefert haben möchte. Ein "war mir grad zu stressig, hatte keine hohe Priorität" dürfte dem OP-Koordinator Blutdruck- und Pulsentgleisungen und dir einen ordentlichen Anschiss verursachen. Oder die Radiologie, die sich weigert, ohne entsprechende Anforderung Diagnostik zu betreiben. Das alles fliegt dir auf Station im Sekundentakt um die Ohren. Entschleunigen schön und gut, Prioritäten auch schön und gut, aber letztlich ist das Wichtigste, dass man den Überblick behält und nur das wirklich nicht Dringende verschiebt. Sonst gibts Probleme.
Was die Praxis betrifft: Patienten im 10-Minuten-Takt, nebenher Rezepte/AUs/Überweisungen unterschreiben, Zusatzuntersuchungen anweisen/Organisieren, Telefonate abarbeiten, Anfragen der Kassen, des MDK etc bearbeiten. Glaubst du wirklich, dass es da soviel weniger durcheinander geht? Tut es nicht, kann ich dir aus eigener Erfahrung berichten. Und bevor du auf Berufserfahrung rumreiten möchtest: Biete 19 Jahre in der Patientenversorgung in unterschiedlichen Berufsfeldern. Ich glaube, ich kann und darf das also beurteilen ;-)
Was das PJ angeht: Es soll der große Praxistest sein, bevor man eigenständig als Arzt auf die Menschheit losgelassen wird. Das Wissen ist da, die Praxis fehlt noch. Das ist ja auch okay. Wer aber zu sehr entschleunigt und für Blutentnahmen vier Stunden braucht und/oder dem Stationsarzt 24/7 mit Fragen am Rockzipfel hängt, ist einfach noch nicht soweit, Arzt zu sein. Die meisten Verrichtungen, die von einem PJ erwartet werden, sind simpel und sollten nach ordentlicher Anleitung (!!!!!!!) schnell und selbständig ausgeführt werden können. Unter anderem gehört zur Anleitung auch das Abfragen der 5Rs. Denn ein paar Monate später ist man Arzt und dann kanns unter Umständen mit der Anleitung Essig sein. Da wäre es schon schön, wenn man wichtige Grundlagen so gut beherrscht, dass man sie auch im Schlaf kann. Bewahrt einen vor manch dummem Fehler in der Hektik des Arztalltags. Die wird nämlich trotz bestmöglicher Organisation immer wieder mal aufkommen. Versprochen!

Brutus
17.08.2013, 10:23
Da die Diskussion hier so gar nichts mehr mit dem ursprünglichen Thema zu tun hat, habe ich sie mal abgekoppelt und in einen eigenen Thread verschoben.
Wenn der TE (Kyutrexx) einen anderen Themennamen vorschlagen möchte, bitte einfach hier reinschreiben, dann kann das geändert werden.

test
17.08.2013, 10:32
GANZ GENAU.
Das meine ich ja ;).

Natürlich muss man in der Medizin erstmal die Erfahrung sammeln und es ist ja dann eine SPEZIFISCHE Erfahrung.

Aber es macht eben doch einen erheblichen Unterschied, ob man als Frischling in eine Klinik kommt oder schon Erfahrung mit dem ... naja ... Erfahrungen machen gemacht hat ;) und ein Gefühl dafür hat, welche Probleme auf einen zukommen.

Wer dann behauptet, diese Erfahrung aus anderen Berufen wäre nutzlos, DER ist überheblich.
(hast du nicht gemacht, A.d.R.)


Immerhin ist es nicht weit hergeholt zu sagen, dass der absolut überwiegende Teil aller Probleme in den dienstleistenden Berufen nicht fachlich-sachlicher Art ist, sondern den Umgang mit Kollegen / Kunden / Mandanten / whatever betrifft ... insbesondere dem, wie du es so trefflich sagst, "Gleichgewicht halten".

Richtig ist, dass Kommunikation und Interaktion zwischen Kollegen, Kunden, Patienten, Angehörigen, Mandaten in zahlreichen Berufen eine zentrale Rolle spielen. Trotz allem liegst du meiner Meinung nach falsch, wenn du meinst, dass diese Interaktion in allen Berufen nach den gleichen Prinzipien ablaufen. Die Begleitumstände, Stressoren, Vielfältigkeit der Interaktionen sind in jedem Berufsfeld anders. Ich finde es überheblich von dir hier ständig altklug über Verhaltensweisen im Krankenhaus zu schreiben und zu urteilen, weil du 10 Jahre im Büro (?) gearbeitet hast.

Auf einem Führungskrafteseminar zu Kommunikation und Mitarbeiterführung hatten wir eine Dozentin, die hauptsächlich mit Ärzten und Hotelmanagern aber auch Managern aus anderen Bereichen arbeitet. Sie hat auch gesagt, dass man die verschiedenen Arbeitsfelder überhaupt nicht vergleichen kann, auch wenn Kommunikation per se natürlich erstmal die gleiche ist. Du wirst in kaum einem anderen Beruf so viele unterschiedliche Personengruppen, Interessen, Anforderungen aus verschiedenen Bereichen bekommen wie in der Medizin und das ist laut dieser Dozentin eine ganz besondere BElastung, die es in den meisten anderen Berufszweigen eben nicht gibt. Es ist eben nicht nur Zeitdruck, Zeitmanagement, Kundenbeschwerden, es gibt daneben eine emotionale KOmponenten, sterbende Patienten, besorgte, nervige, klagende, störende, leidende Angehörige, dazu wirtschaftliche Zwänge, sowohl in Klinik als auch Praxis, MDK Anfragen, KV Anfragen aber auch Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, Patientenanwälte, und dazu noch die ganzen anderen Mitarbeiter mit denen man zusammenarbeiten muß, teils auf gleichgestellter Ebene, teils auf über oder untergeordneter Ebene, auch diese müssen berücksichtigt werden.
Das alles macht den Arzt Beruf zu einem Beruf, der sehr vielfältig ist, multi tasking erfordert und besondere Stressoren beinhaltet. Für viele Menschen macht genau das den Reiz und die Schönheit an dem Beruf aus. Für Menschen, die aber nicht in der Lage sind mit diesem besonderen Stress umzugehen, kann das die Hölle sein und ich habe hier schon einige gesehen, die nach wenigen MOnaten die Segel streichen mußten, weil sie anerkennen mußten, dass sie genau das nicht hinbekommen. Hier einfach zu "entschleunigen" und zu sagen alles richtet sich jetzt nach mir, wird auf Assistenzarzt NIveau meist recht schnell zur Entsorgung in der Probezeit führen. ;-)

Ich würde es mir persönlich auch überhaupt nicht anmaßen irgendjemanden in einer Bank, einem Hotel, einer Unternehmensführung oder sonst wo, erzählen zu wollen, wie einfach doch ihre Probleme zu lösen wären, würde sie die Prinzipien anwenden, die für mich in meiner bisherigen Erfahrung im Klinikalltag funktionieren. So was ist einfach überheblich. :-meinung

Kyutrexx
17.08.2013, 10:43
Und mit einigermaßen vernünftiger Selbstorganisation ist ersteres möglich ohne dass man zweiteres sein eigen nennen muss.
Das ist es, worauf ich hinausmöchte.
Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Es gibt keinen perfekten Ablauf, keinen perfekten Tag, keine Fehlerlosigkeit.

Aber man kann Einfluss auf seine Umwelt nehmen oder sich von der Umwelt völlig vereinnahmen lassen.


Das macht dann am Ende des Tages den Unterschied zwischen erschöpft sein - oder ausgebrannt sein.

Ne Anmerkung zur Niederlassung:
Ich weiß durchaus, wie es in niedergelassenen Praxen hergeht.
Da ich jedoch mit Bürokratie sozusagen (beruflich) "großgeworden" bin, ist das kein Problem.
Außerdem läuft es nicht in jeder Praxis so ab wie von dir beschrieben.
Wie schnell man arbeitet hängt überwiegend davon ab, wieviel man verdienen will.

Auch da ist man selbst derjenige, der entscheidet.


Bei all diesen Diskussionen hier habe ich immer das Gefühl, als wäre es eine unabänderliche Tatsache, wie die Umwelt funktioniert.
Man hat immer Einfluss auf seine (Arbeits)Umgebung und man hat immer eine Wahl.
Der Trugschluss scheint nur manchmal zu sein, dass es Wahlmöglichkeiten gibt, mit denen keinen Konsequenzen einhergehen.
Mit jeder Wahl gehen Konsequenzen einher.

Meine bisherige Erfahrung ist: wenn man sich bewusst macht, dass man auf alles einen Einfluss hat (und dass jede Wahl Konsequenzen hat), LEBT es sich mit jeder Entscheidung die man trifft deutlich leichter.


Letztlich geht es doch am Ende des Tages darum, wie man mit dem, was man getan hat, lebt. Sei es mit der Handlung selbst oder den daraus erwachsenen Konsequenzen.


Der PJler hat in dem Moment wohl die Entscheidung getroffen, ohne Nachfrage weiterzumachen und das hingelegte Medikament zu spritzen.
Das wird ihm vermutlich sein Leben lang in Erinnerung bleiben. Wohl vermutlich vornehmlich, weil er in dem Moment die Situation über ihn hereinbrechen ließ.

Eine - für ihn - völlig andere Lage wäre es gewesen, wenn er selbst das falsche Medikament ausgesucht hätte.


Ich weiß nicht wie ihr am Ende eines Tages eure Entscheidungen bewertet, aber ich bewerte sie danach, ob ich sie sie BEWUSST getroffen habe - unter wissentlicher Überlegung, welche Konsquenzen daraus erwachsen.

Manchmal gibts schließlich auch Dilemma-Situationen, in denen keine der Wahlmöglichkeiten gut ist, sodass man sich nur für das geringere Übel entscheiden kann.

Zu solchen Situationen gehören dann auch solche, wo man sich bewusst machen muss, dass andere für einen das Ruder übernehmen. Aber auch das ist dann eine bewusste Entscheidung.


Trotz allem liegst du meiner Meinung nach falsch, wenn du meinst, dass diese Interaktion in allen Berufen nach den gleichen Prinzipien ablaufen.
Die spezifischen Probleme sind brancheneigen, jedoch - je mehr die Menschen unter Stress geraten (unter extremen Stress), desto mehr fallen sie in einfache Muster zurück.

Da ist es wurscht, ob derjenige n Kittel oder eine Robe an hat.

In Extremsituationen verhalten sich Menschen meist nach einfach vorhersehbaren Mustern.


Ich würde es mir persönlich auch überhaupt nicht anmaßen irgendjemanden in einer Bank, einem Hotel, einer Unternehmensführung oder sonst wo, erzählen zu wollen, wie einfach doch ihre Probleme zu lösen wären, würde sie die Prinzipien anwenden, die für mich in meiner bisherigen Erfahrung im Klinikalltag funktionieren.
Niemand hat hier von PROBLEME LÖSEN gesprochen.

Es geht ums Minimieren der Probleme und das Vermeiden gröbster Fehler.

Und ... wie oben geschrieben ... darum am Ende des Tages nicht ausgebrannt, sondern höchsten erschöpft zu sein, weil man das, was man macht, BEWUSST macht und sich nicht von der Welle, die einen umgibt, mitreißen lässt.

MissGarfield83
17.08.2013, 10:43
Ich weiß durchaus, wie es in niedergelassenen Praxen hergeht. [..]

Wie schnell man arbeitet hängt überwiegend davon ab, wieviel man verdienen will.
Auch da ist man selbst derjenige, der entscheidet.

Darf ich dich fragen ob du das in ner Privatpraxis gesehen hast? Für ne Praxis mit Kassenzulassung ist dein Statement absoluter Schwachsinn. Wenn du ne gut laufende PRaxis mit einem gewissen Patientenstamm hast wirst du arbeiten bis das Wartezimmer leer ist, denn abgewiesene Patienten versauen dir schnell den Ruf. Und wenn du den einmal weg hast ... für Privatpatienten gilt das umso mehr - die haben teilweise noch höhere Ansprüche an die Verfügbarkeit und Zuwendung "ihres" Arztes. Bei einer Kassenpraxis ist es durchaus so dass du ab einem gewissen Zeitpunk für Umme arbeitest, da dir deine Leistungen nicht mehr vergütet werden, aber die Patienten trotzdem mehrfach kommen um ihre Beschwerden zu lindern. Ab da kann ein Patient durchaus ein Minusgeschäft sein - aber du hast dann ja einen Versorgungsauftrag und kannst dem Patienten nicht einfach sagen - kommen sie im nächsten Quartal wieder. *kopfschüttel*

Feuerblick
17.08.2013, 10:52
Auch in einer Praxis kannst du die Patientenmenge nur in geringem Umfang steuern (es sei denn, du möchtest nur Private nehmen). Denn am Ende des Tages musst du schon soviel Geld übrig haben, dass nicht nur du deine Miete (Praxis und Wohnung) und dein Essen zahlen kannst sondern auch deine Mitarbeiter. :-nix Aber schön, dass du schon so viel Erfahrung gemacht hast... ganz toll. Ich wünsche dir von Herzen, dass du NICHT auf die Nase fällst, wenns als Arzt dann ernst wird für dich und du merkst, dass all deine schlauen Gedanken leider so gar nicht passen und dass du leider doch gezwungen bist, dich an deine Arbeitswelt anzupassen und nicht umgekehrt. Und glaub mir, du bist nicht der erste, der das erkennen muss, obwohl ers vorher doch soviel besser wusste.

Kyutrexx
17.08.2013, 11:03
Ich wünsche dir von Herzen, dass du NICHT auf die Nase fällst, wenns als Arzt dann ernst wird für dich und du merkst, dass all deine schlauen Gedanken leider so gar nicht passen und dass du leider doch gezwungen bist, dich an deine Arbeitswelt anzupassen und nicht umgekehrt. Und glaub mir, du bist nicht der erste, der das erkennen muss, obwohl ers vorher doch soviel besser wusste.
Danke.

Und falls du denkst, ich gehe davon aus schon alles zu Wissen: mitnichten.
Aber ich gehe definitiv davon aus mehr zu wissen, als jemand der zum ersten Mal die Arbeitswelt betritt - und dementsprechend gehe ich an die Sache ganz anders heran.

Nämlich mit der Erwartung, dass die Klinik eine lebensfeindliche Umgebung ist, in der jeder zunächst auf sich selbst schaut, meistens kein einziger Plan so hinhaut, wie ihn jemand aufgestellt hat und für die menschliche Komponente in der Hektik meist so gut wie keine Zeit bleibt.

Du kannst davon ausgehen, dass ich keinerlei beschönigte Erwartungen oder irgendwelche kullerbunten Vorstellungen davon habe, dass irgendwas mystisches über einer Klinik schwebt, sondern dass es die meiste Zeit nur harte Arbeit und viel Stress ist.

Feuerblick
17.08.2013, 11:27
Das ist eine gute Voraussetzung... Denn auch innerhalb verschiedener Sektoren der Patientenversorgung sind die Dinge sehr, sehr unterschiedlich gelagert. Da nutzt es dir nicht viel, dass du die Arbeitswelt kennst, denn du kennst DIESEN Bereich nicht aus eigener Erfahrung. Glaub mir... sehen und selbst machen sind zwei sowas von verschiedene Paar Schuhe :-nix Du wirst dir trotz aller Erfahrung vorkommen, als würdest du zum allerersten Mal überhaupt arbeiten.

Kyutrexx
17.08.2013, 11:56
Du wirst dir trotz aller Erfahrung vorkommen, als würdest du zum allerersten Mal überhaupt arbeiten.
Inhaltlich: ja. Eindeutig.
Organisatorisch: ja.

Aber eben nicht zwischenmenschlich.

Ich gehöre definitiv nicht zu den Schnellstartern, die alles auf Anhieb hinbekommen.


Wenns aber darum geht was zu bekommen das ich brauche, Leute zu vertrösten ohne dass sie sich vor den Kopf gestoßen fühlen oder jemandem Kritik anzubringen (auch, ohne dass derjenige sich vor den Kopf gestoßen fühlt) oder einfach grad mal was zu organisieren, dass vom Verhandlungsgeschick abhängt oder Patienten zu beruhigen, da ist kein Problem.

Durchsetzungsvermögen, Diplomatie und dergleichen Dinge sind da eben universelle Eigenschaften, die eben den Berufsanfänger vom menschlich Erfahrenen unterscheiden.

Diese wiederum erleichtern den Alltag dann ERHEBLICH, wenn man sich so eben - wie bereits gesagt - seine Umwelt etwas mehr in die Richtung rückt, wie man es braucht.

In dem Zusammenhang mal ein Beispiel: im Pflegepraktikum hat man ja eigentlich nun wirklich überhaupt keine Bedeutung.
Man ist das unterste Rädchen.
Nunja, irgendwann ergab sich mal, dass die Chefärztin zufällig keine Schwester parat hatte, um mit einem äußerst schwierigen Patienten umzugehen (keiner auf Station, sondern einer, der auf selbige kommen sollte).
Also schickte sie mich los.
Das Ende vom Lied war, dass ich genau das durchgesetzt hab, was die Chefin wollte (war ne ziemlich vertrackte Kiste).
Daraufhin setzte sie mich vermehrt auf solche Dinge an.
Plötzlich gab es dann auch ein shift in Richtung solcher Aufgaben. So hatte ich auch plötzlich mehr Entscheidungsspielraum - und mehr Rückhalt.

Sowas lernt man entweder im Laufe seines (Berufs)Lebens oder man hat gar eine Ader dafür.
Die meisten Berufsanfänger haben sie nicht.

Ich sollte in dem Zusammenhang noch erwähnen, dass ich selbst auch Leute mit ausgebildet hab.
Wenn man dann zudem noch häufiger mit den "großen" zusammen am Verhandlungstisch saß, baut man jegliche Berührungsängste ab.


Aber eben gerade solche Dinge ... etwas zu organisieren, etwas dringend zu bekommen, Leute zu vertrösten, umzustimmen, Chefs gnädig zu stimmen, Konflikte zu lösen (die z.B. gerade die Arbeit behindern), das spielt überall eine Rolle.
Wenn man sowas kann, dann schafft man sich schnell eine ganz andere Umgebung.
Gerade weil eben - wie es schon angesprochen wurde - Ressourcen, Zeit und Personal knapp sind. Immer.

Indem man wiederum Rückhalt schafft, entschleunigt man sich auch irgendwo. Weil man an personellem Wert gewinnt.

Ein Chef, der einen für die Fähigkeiten schätzt (ich rede hier von Fähigkeiten, nicht von der Persönlichkeit) und womöglich sogar hier und da auf einen angewiesen ist, wird einen auch nicht mehr einfach grundlos zur Sau machen.


Das klingt natürlich alles sehr ... kalkuliert.
Sowas PLANT man aber logischerweise nicht (das geht eh immer schief). Aber man sollte Gelegenheiten erkennen und sie nutzen und sich so seine Bonuszeit verschaffen, um die eigene Arbeit zu erleichtern.

Also anders gesagt: Rückhalt schafft Entschleunigung, weil die Umgebung positiver auf einen reagiert bzw. weniger negativ (um mal die Pessimistenseite zu bedienen).



Hier kommt aber was ins Spiel, dass vorher schon angesprochen wurde.
Das beschriebene gilt nicht ausnahmslos für alle Bereiche.

Das gilt natürlich nur dort, wo VIEL Kommunikation stattfindet und der tägliche Kampf mit der Arbeit in einem konstanten Fluss von Geben und Nehmen ist.

Hat man hingegen z.B. eine so gut wie eigenständige Funktionsabteilung, die im Wesentlichen nicht auf den Rest der Klinik angewiesen ist, funktioniert das nicht.
Hier zählt dann z.B. nur Endoskop rein, Endoskop raus, fertig, nächster. Oder was auch immer.


Insofern stimme ich dir da bezüglich der unterschiedlichen Sektoren zu, sodass der Threadtitel lauten müsste: Entschleunigung im Stationsalltag grundsätzlich möglich?

Grundsätzlich: juristisch für "es gibt Ausnahmen" ;).

Evil
17.08.2013, 12:09
Das klingt ja im Kern theoretisch alles gar nicht so schlecht, allein es fehlt der Praxistest. Wie wär's, wenn wir die ganze heiße Luft hier mal nicht weiter aufblasen, sondern einfach auf das Ergebnis warten, wenn Du Deine Theorien umzusetzen versuchst.

Ich wette um einen Kasten König Ludwig dunkel, daß das Entschleunigen nur zu maximal 50% umsetzbar ist, ohne die Arbeitsqualität merkbar zu beinträchtigen :-))
In ca 5 Jahren reden wir dann weiter, dann solltest Du die ersten Erfahrungen als Assi gemacht haben.

MissGarfield83
17.08.2013, 12:13
Kyutrexx, mal ehrlich ... du laberst hier rum. Nur weil einmal im Pflegepraktikum was funktioniert hat wie du es dir vorgestellt hast, ist es doch durchaus was anderes später als verantwortlicher Arzt zu arbeiten. Einen Aspekt in einer spezifischen Situation zu beherrschen ist etwas anderes als ärztlich Tätig zu sein ... wie Feuerblick und Brutus schon sagten - Arztsein besteht nicht nur aus dem beherrschen einer Situation - sondern aus dem gleichzeitigen Beherrschen verschiedenster Anliegen & Faktoren. Etwas sehen und darüber reden ist etwas anderes als es getan zu haben und darüber zu reden.

Kyutrexx
17.08.2013, 12:35
Nur weil einmal im Pflegepraktikum was funktioniert hat wie du es dir vorgestellt hast, ist es doch durchaus was anderes später als verantwortlicher Arzt zu arbeiten.
Es hat mein Berufsleben über funktioniert.

Sonst würde ich nicht so ausführlich drüber sprechen.


Im ärztlichen Alltag wird es später auch so oder so ähnlich klappen.

Sicher nicht ganz so effektiv, aber solange Menschen Menschen bleiben wird es immer klappen sich dadurch Ruhe zu verschaffen, dass man sich wertvoll macht.

Diese Fertigkeiten dafür, kann man eben auch in einem anderen Beruf erlernen.



Mir ist allerdings ganz arg schleierhaft, warum das so schwer nachzuvollziehen ist.
Womöglich gehört ihr, die hier gerade so vehement dagegen sprechen, auch nicht zu den Charakteren, die einfach auf andere zugehen und ihre Dinge durchdrücken.
Womöglich habt ihr ein völlig anderes Verständnis davon, wie ich das meine.


An dem Punkt sehe ich hier ein dead end, da hier m.E. zu unterschiedliche Vorstellungen aufeinanderstoßen, die man erstmal im Einzelnen aufdröseln müsste.
In einem persönlichen Gespräche würde das vermutlich nicht lange dauern, in einem Forum ist das ein Kraftakt.

Ist aber kein Problem.
Ihr habt eure Ansichten dargelegt und die generelle Ansicht ist, dass eine Entschleunigung nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich ist.

Es wird sich zeigen, wer richtig liegt.

Bedenkt dabei aber insgesamt immer eins: all das hier beschriebene ist extrem davon abhängig, wie der einzelne Mensch eingestellt ist.
Nimm ein graues Mäuschen, das ihr ganzes Leben lang immer schön brav und artig war und schmeiß es in den Schmelztiegel namens Klinik. Die Chancen stehen gut, dass sie zerfleischt wird und freiwillig gegangen wird.
Dann gibt es eben Charaktere, die sich alles so biegen wie sie es brauchen.


Ich möchte aber vermeiden, dass ihr hier eure Persönlichkeit darlegen müsst, um zu argumentieren.
Eure Beiträge habe ich in jedem Falle aufmerksam verfolgt und behalte sie im Hinterkopf.
In einigen Jahren wird sich dann zeigen, wer richtig lag.

Feuerblick
17.08.2013, 12:51
Unser Unverständnis rührt daher, dass wir (teilweise durchaus nach Arbeitsleben auch in anderen Berufen als dem des Arztes) die Erfahrung machen mussten, dass all die tollen Erfahrungen einem im Beruf des Arztes nur sehr begrenzt helfen und dass man eben nicht all das auch als Arzt umsetzen kann. Leider magst du das nicht verstehen, weil du nicht akzeptieren kannst, dass es auch andere Leute mit großem Erfahrungsschatz gibt, die dir vielleicht ein bißchen etwas voraus haben. Schade... aber in einem Punkt hast du recht: Diese Diskussion führt jetzt und hier zu nichts. Wir sprechen uns nochmal, wenn du deine ersten Wochen als Assistenzarzt hinter dir hast.

McDübel
17.08.2013, 13:29
Ich frage mich ja Kyutrexx, ob Du später wohl mal Probleme damit haben wirst, wenn Du Anweisungen von (deutlich) jüngeren Kollegen erhältst, die eben nicht auf eine/deine 10-jährige Berufserfahrung (die Du ja immer wieder betonst) zurückgreifen können...? Ich fürchte...:-nix

Kyutrexx
17.08.2013, 13:58
Anweisungen?
Unkritisch. Wer länger dabei ist, wird schon wissen, wie der Laden läuft.

Kritisch wirds allerdings, wenn jemand der deutlich jünger ist dann eventuell meint mir Vorträge halten zu müssen, wie man mit Menschen (Patienten und Kollegen) umgeht, z.B. weil er meine Herangehensweise beobachtet und nicht versteht und sie für Unbedarftheit - nach seiner Ansicht - hält.
Oder meint, mir Vorträge darüber halten zu müssen, was das Arztsein (angeblich) bedeutet oder überhaupt wie das Leben so ist oder sein soll.

PRIND
17.08.2013, 16:18
Ist doch unfug.... Jeder Mensch macht seine Erfahrungen und hat Dinge erlebt, die ihn geprägt haben und seinen Blickwinkel definieren. Klar, wer 10 Jahre älter ist hat wohl vermutlich mehr erlebt und gesehen von der Welt, es aber gleich "kritisch" zu finden, wenn ein jüngerer Kollege - der in dem Bereich allerdings erfahrener ist als man selbst - einem Tips im Umgang mit Patienten gibt, halte ich für ziemlich überheblich ....

Fakt ist, dass man sich vielleicht ein wenig bremsen sollte und versuchen muss von erfahreneren, aber auch von unerfahreneren Kollegen zu lernen. Dieses hirarchische Denken á la "Ich bin älter / schon XX Jahre im Berufsleben, du hast mir nichts zu sagen" führt bei mir ehrlich gesagt zu ziemlichem Fremdschämen...

Ja auch ich habe schon zuvor eine Berufsausbildung absolviert, einige Jahre in dem Beruf gearbeitet und gehe stark auf die 30 zu ... Doch den Ball flach zu halten, sich und seine Kompetenzen nicht zu überschätzen, und vor allem dieTips und Hilfestellungen - natürlich auch von jüngeren Ärzten oder Studenten - anzunehmen, ist meiner Meinung nach sehr wichtig. Denn man kann von den Erfahrungen und Denkweisen anderer Menschen nur profitieren.

Sebastian1
17.08.2013, 16:59
[tl;dr]...

Um mal den Advocatus diaboli zu spielen...

...ich darf mich ja nun inzwischen auch Facharzt nennen und hab auch vorher einen anderen Beruf (wenngleich "artverwandt") ausgeübt. Ich kenne den Stress, der durchaus im Arbeitsalltag entstehen kann, gut. Im Moment darf ich einen der Stationshansel auf ITS geben, wohl einem der Orte im Krankenhaus, an dem man oft Notfälle hat und oft mit vielen Leuten kommunizieren muss (Pflege, Patienten, Angehörige, Vorgesetzte, Kollegen, andere Abteilungen, Krankenkassen, Rettungsdienst etc. pp.)

Ich muss Kyutrexx bei allen langatmigen Postings zumindest insofern Recht geben, als dass wohl jeder von uns Kollegen kennt, die, wenn es mal stressig wird, schnell den Kopf verlieren und Prioritäten schlecht setzen. Oft sind das dann auch die Kollegen, die sich überfordert fühlen und mit einem schlechten Gefühl und/oder Überstunden nach Hause gehen. (Und oft gerne Leute, die noch nicht allzu lange dabei sind und den Umgang damit erst lernen müssen).

Auf der anderen Seite hilft es enorm, sich vom allgemeinen "ogottogott" ein wenig zu befreien und strukturiert zu arbeiten, auch und gerade im Notfall. Kaum etwas läuft bei erfahrenen Teams so strukturiert und ohne Diskussionen ab, wie echte Notfälle (klare Aufgabenstrukturen, klare Ansagen), zB bei Reanimationen, Atemwegsnotfällen o.ä... gerade, wenn ich da auch noch das Ruder in der Hand habe, weil ich als Notarzt draussen alleine stehe oder mein Hintergrund-OA noch draussen ist, ist es wenig hilfreich, selbst in Chaos zu verfallen und dabei dann ggfs eben auch Fehler zu machen.

Ich denke, darüber sind wir uns einig, und ich hab' das Gefühl, als ob Kyutrexx nix anderes sagen wollte...

Feuerblick
17.08.2013, 17:02
*grins* Warum sagt er es dann nicht? Mir fällt da immer dieses alte Schild in Telefonzellen ein "Fasse dich kurz".