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Relaxometrie
05.10.2013, 12:09
Wie handhabt Ihr es, wenn Ihr im Bereitschaftsdienst gebeten werdet, zu Angehörigen eines Patienten zu kommen, die ein Gespräch "über die Situation" haben möchten?
Ich muß zugeben, daß ich das nicht als meine Aufgabe im Dienst ansehe, sondern daß das ganz klar eine Aufgabe ist, die im Alltagsgeschehen vom Stationsarzt abzuhandeln ist.
Mal abgesehen davon, daß ich es grundsätzlich nicht als die Aufgabe des Dienstarztes ansehe, solche Gespräche zu führen, lehne ich es auch deswegen ab, weil man den genauen Fall als Dienstarzt gar nicht kennt. Man hat schlicht und ergeifend nicht den genauen Einblick in den Fall, kann die Vorgehensweise des Kollegen vielleicht nicht nachvollziehen (obwohl sie Sinn ergäbe, wenn man den Fall genau kennen würde). Und es ist auch nicht auszuschließen, daß "die Situation" schon x-mal mit den Angehörigen bespochen worden ist, und sie es immer und immer wieder erklärt haben wollen.

Ich bin gerade ein wenig erstaunt, weil ich das gestern mit einer ärztlichen Kollegin (arbeitet in einem anderem Haus) besprochen habe, die es ganz klar als Aufgabe des Dienstarztes ansieht, solche Gespräche zu führen.

Mondschein
05.10.2013, 12:18
Von extremen Ausnahmen abgesehen (Bsp 1: Patient droht zu versterben und Angehörige schlagen aufgewühlt auf Station auf, da muss man dann halt hin Bsp 2: Es ist abgesprochen und der gesetzliche Betreuer kann aus irgendeinem Grund nur im Dienst, der weiß dann aber bitte schon telefonisch die relevanten Infos und dass er beim Dienstarzt dann nur die Aufklärung unterschreiben soll, sowas mach ich) lehne ich das auch eher ab. Meistens muss man kurz hinschauen (je nach Schwestern) und dann sag ich, hallo, ich bin "nur" der Dienstarzt, hier ist die Nr. vom Arztzimmer, rufen Sie da bitte zu den normalen Zeiten an.

Feuerblick
05.10.2013, 12:19
Das ist nicht die Aufgabe des Dienstarztes und gehört in die normale Arbeitszeit. Einzige Ausnahme sind Neuaufnahmen bzw. die akut veränderte Situation, wenn während es Dienstes eine Intervention notwendig wird. Für alles andere gibt es Stationsärzte und Visiten.

Merlins Erbe
05.10.2013, 12:52
"Routinegespräche" auf der Normalstation à la "wann kommt die Schwiegermutter denn nach Hause und wie wird der Blutdruck den jetzt behandelt? Ja, ich weiß, sie ist schon 3 Wochen da, ich war zwar nie da, aber jetzt Samstag um 15.00 würde ich gerne mal nen Arzt sprechen" gehören in die Regeldienstzeit.
Auch auf der ITS versuchen wir, die Routine-, Aufklärungs- und Verlaufsgespräche mit den Angehörigen in der Regelzeit zu absolvieren. Gerade auch Gespräche über Therapiezieländerungen gehören nicht in die Hand des Diensthabenden, da wir 24Std und nicht Schichtdienst haben. Der Diensthabende kennt die Pat. daher bei weitem nicht so gut.
Bei Neuaufnahmen natürlich oder unvorhergesehenen (!) Verschlechterungen muß der Dienstkollege natürlich ran. Aber das ist halt so.
Aber: die seit 5 Tagen geplante Tracheotomie-Aufklärung muß nicht vom Diensthabenden um 19.00 gemacht werden.

andréw
05.10.2013, 15:39
Da wir hier im 3-Schicht-System auf Intensiv arbeiten, werden bei uns zu jeder Tages- und Nachtzeit Angehörigengespräche geführt. Der "Hausdienst", der im Bereitschaftsdienst arbeitet, hat nix mit solchen Dingen zu tun.

Fr.Pelz
05.10.2013, 16:46
Ich schließe mich Feuerblick und Mondschein an und füge hinzu, dass die Schwestern das auch wissen, dass Dienstarzt xy den Fall nicht kennt und gleich sagen, dass sich die Angehörigen mit dem Stationsarzt unterhalten müssen.
Es nützt den Angehörigen ja auch Null komma nichts, wenn sich jemand erst durch die Doku quälen muss, bevor er ein einigermaßen qualifiziertes Statement abgeben kann und bei komplexen Fällen und/oder schlampiger Doku hilft selbst das nicht.

Kackbratze
05.10.2013, 17:07
Notfälle und akute Verschlechterungen ausgenommen verweigere ich ansonsten im Dienst die Gespräche.
Cool finde ich dann immer um 19:45 den Satz "ich kann nicht zu anderen Zeiten, ich arbeite, wissen sie?"

andréw
05.10.2013, 17:09
Wie schon geschrieben, gibt es dieses Problem bei uns auf Intensiv nicht, aber auch nur weil wir im Schichtbetrieb arbeiten.

Relaxometrie
05.10.2013, 17:10
Freut mich, daß Ihr das auch so seht, daß man -selbstverständlich abgesehen von Notfällen und plötzlichen Zustandsverschlechterungen- als Bereitschaftsdienst-Arzt nicht für "normale Angehörigengespräche" zuständig ist.
Im Gespräch mit besagter Kollegin dachte ich ja schon, ich sei ein Unmensch.

andréw
05.10.2013, 17:11
Bist Du keineswegs

Relaxometrie
05.10.2013, 17:14
Ich sehe ja durchaus das Anliegen der Angehörigen und finde auch, daß es ihnen wirklich nicht leicht gemacht wird, ein ihn zustehendes Gespräch zu führen. Dieser organisatorische Mangel muß aber innerhalb des Tagesgeschäftes gelöst werden (Personalschlüssel ändern????????).

andréw
05.10.2013, 17:16
Merkt man spätestens dann, wenn man selbst mal als Angehöriger in diese Situation kommt. Dann sieht man dann, wie schwierig es ist, an irgendwelche Info´s zu kommen.

Feuerblick
05.10.2013, 17:20
Ganz ehrlich? So manche Angehörige sollten lieber mal mit dem Patienten sprechen. Bei wachen, orientierten und einigermaßen differenzierten Patienten hab ich den Angehörigen das auch mal gesagt. Ich hatte immer das Gefühl, dass viele Angehörige sich gerne "wichtig" machen, weil sie dem Arzt mit dem Gesprächswunsch zeigen wollen, wie sehr sie sich um Omma/Oppa/Gatte/Gattin kümmern... Wenn ich dem Patienten bei der Visite gerade erst ausführlich all seine Fragen beantwortet habe, muss ich nicht eine Stunde später seiner Ehefrau das gleiche nochmal erzählen!

Relaxometrie
05.10.2013, 17:23
Merkt man spätestens dann, wenn man selbst mal als Angehöriger in diese Situation kommt. Dann sieht man dann, wie schwierig es ist, an irgendwelche Info´s zu kommen.
So ist es. Aber auch ohne das bisher erlebt zu haben, kann man sich ja in deren Lage hineindenken. Und ich finde es furchbar, wie sehr sich die Angehörigen quälen müssen, um an Infos heranzukommen.
Je komplizierter und infauster die Prognose des Patienten ist, desto mehr haben der Patient und seine Angehörigen meiner Meinung nach das Recht, mindestens drei Gespräche in Ruhe führen zu können: zu Beginn des Aufenthalts, ein Zwischengespräch und ein planendes Gespräch zum Ende des Aufenthaltes (wie geht es weiter, wie kann die ambulante Versorgung aussehen?). Die Gespräche müssen ja nicht ewig dauern. Aber so, wie es offensichtlich an vielen Kliniken läuft, ist es schlicht und ergreifend ätzend.

Feuerblick
05.10.2013, 17:29
...aber nur, wenn der Patient selbst nicht in der Lage ist, die Dinge zu begreifen. Und dann nur mit einem festen Termin! Einfach mal vorbeikommen würde man auch beim eigenen Arzt oder beim Bankberater nicht! :-meinung (und ja, ich hatte durchaus schon einige Angehörige im KH und habe NIE bei einem Kollegen an der Tür gestanden und Auskünfte haben wollen!)

Relaxometrie
05.10.2013, 17:36
...aber nur, wenn der Patient selbst nicht in der Lage ist, die Dinge zu begreifen. Und dann nur mit einem festen Termin! Einfach mal vorbeikommen würde man auch beim eigenen Arzt oder beim Bankberater nicht!
Ja, das ist selbstverständlich.
Nur muß einem als Arzt dann auch die Möglichkeit gegeben werden, diese Termine einzuhalten. Wenn man zusätzlich zu seiner eigenen Station dann aber oft morgens in der Besprechung erfährt, welche Station man für den Tag noch vertreten darf, und dort dann Neuaufnahmen sind, kann man das mit den Gesprächsterminen mit Angehörigen wieder in die Tonne kloppen :-kotz

Feuerblick
05.10.2013, 17:48
DAS allerdings gehört dann zu den Dingen, bei denen man als Arzt dann auch mal "Geht nicht" sagen sollte. Und zwar zum Chef und nicht zu den Angehörigen!

Pflaume
05.10.2013, 19:16
In der Inneren habe ich anfangs Angehörigengespräche in der Bereitschaftszeit meistens verweigert. Probleme habe ich dabei weniger mit den Angehörigen als vielmehr mit dem Chef bekommen, der vehement die These vertreten (und, so muß man zugeben, auch selbst gelebt!) hat, daß man für Angehörige immer ein Wort übrig haben muß, wenn nicht gerade wirklich "die Hütte brennt". Ich habe es selbst erlebt, wie der Chef auch abends und am Wochenende Angehörigen (von Nicht-Privat-Patienten) ein paar freundliche Worte zu Patienten gesagt hat, die er nur aus der Besprechung kannte. Er sagte, daß Freundlichkeit und Ansprechbarkeit wichtig für den Ruf des Hauses und für die Zahlen sei, hat das ausdrücklich gefordert, und es gab für Assistenten auch gelegentlich Gespräche mit dem Chef, wenn sich Angehörige beschwert haben. Einmal mußten eine Kollegin und ich gemeinsam zur Geschäftsführung (!), weil ein Vater aus Rache einen zweiseitigen Beschwerdebrief mit frei erfundenen (!) Vorkommnissen geschickt hatte, nachdem meine Kollegin und ich ihm in der vor Kranken berstenden Notaufnahme ein Arztgespräch über seine volljährige, voll orientierte, voll aufgeklärte, bestens versorgte und auch nachträglich mit der Behandlung absolut zufriedene Tochter verweigert hatten. Mit der Zeit habe ich den Eindruck gewonnen, daß es insgesamt nicht wesentlich weniger Arbeit macht, sich mit nachträglichen Beschwerden rumzuschlagen, als Angehörigen und Patienten mit scheißfreundlichem Gesicht ein paar aufmunternde Allgemeinplätze entgegenzutröten und wieder zu gehen.

Manche Leute kommen wirklich jeden Tag an oder zu unverschämten Zeiten mit unverschämten Anliegen, und ich hatte schon Patienten und Angehörige, die mich Samstagabends um 21 Uhr haben anpiepen lassen und mir nach Verweis darauf, daß in der Akte schon 4 Angehörigengespräche in den letzten 3 Tagen vermerkt sind, ganz offen gesagt haben, daß sie bewußt jeden Dienstarzt antanzen lassen, um sich "mehrere Meinungen anzuhören und daraus dann eine statistische Gesamtmeinung bilden zu können" (echtes Zitat!).

Da der Kontakt zu mir als Dienstarzt im allgemeinen über das Pflegepersonal hergestellt wird, versuche ich darum zuerst herauszubekommen, ob der fragende Angehörige auch derjenige ist, mit dem die Dinge besprochen werden sollen, oder ob es nur der dritte oder vierte Sohn diese Woche ist, der nun auch mal nen Arzt sprechen möchte, ob es aus Sicht des Pflegepersonals Gesprächsbedarf gibt und wie sich der Angehörige verhält. Auf der Auskunft basierend sortiere ich nur noch wenige Gespräche mit kompletter Verweigerung aus, bei den anderen finde ich entweder übers Telefon oder, wenn es zeitlich möglich ist, persönlich wenigstens ein paar freundliche Allgemeinplätze, unter Umständen unter Benutzung der im PC verfügbaren Informationen. Gerade dann, wenn man nicht der Stationsarzt ist, kann man Angehörigengespräche schnell abwürgen und dabei trotzdem das Gefühl geben, sich ihnen gewidmet zu haben. Das führt oft dazu, daß der Stationsarzt später gar nicht mehr belästigt wird, denn wie andere hier schon schrieben, geht es den allermeisten gar nicht um echte Information, sondern nur darum, ihrer "Sorge" um den Angehörigen Ausdruck verschafft zu haben und zuhause erzählen zu können, daß sie mit einem Arzt gesprochen haben. Da reichen 1-2 Minuten scheißfreundliches Gesicht und 1 bis 2 frei aus den Fingern gesogene Komplimente über den Angehörigen, den man gerade das erste Mal sieht, absolut aus, selbst wenn man sagen muß, daß er "noch nicht über den Berg" ist. Man darf nur nicht den Fehler machen, Dinge zu sagen, die dem Stationsarzt hinterher Probleme machen könnten, deshalb alles möglichst wischiwaschi halten.

Man ärgert sich natürlich, wenn man sich dann mal mehr Mühe gibt und sich im Verlauf des Gesprächs herausstellt, daß der Angehörige einen mal wieder komplett verarscht hat und alles längst mit dem Stationsarzt besprochen war, aber insgesamt finde ich meinen Weg zur Zeit die beste Lösung. Ich komme damit übrigens auch beim Pflegepersonal super an.

Feuerblick
05.10.2013, 19:20
Gerade solche Angehörigen sollten IMMER an den Stationsarzt verwiesen werden. Damit können sie nämlich niemanden mehr verarschen und man erspart sich eine Menge Ärger!!!

Pflaume
05.10.2013, 19:27
Gerade solche Angehörigen sollten IMMER an den Stationsarzt verwiesen werden. Damit können sie nämlich niemanden mehr verarschen und man erspart sich eine Menge Ärger!!!
ja klar, meistens klappt das ja auch (über Infos vom Pflegepersonal), aber manchmal rutscht einem - z.B. wenn das Pflegepersonal gewechselt hat und etwas nicht übergeben worden ist - halt doch einer durch, bis man irgendwo in der Akte den entsprechenden Vermerk findet, oder bis sie sich selbst verplappern.