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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Der Hospizgedanke



Fr.Pelz
05.11.2013, 14:41
Hallo,
von Kinderhospizen hat man schon häufiger gehört, dass dort auch schwerkranke Kinder temporär bleiben, z.B damit es mal eine Pause gibt von der häuslichen Pflege. Sie gehen nicht prinzipiell zum Sterben dorthin. So wie ich es bisher verstanden habe, kann das mit Erwachsenen ähnlich sein, z.B jemand ist stark pflegebedürftig, aber voraussichtlich wird er nicht in den nächsten Wochen versterben. Da die Pflege zuHause aber nicht dauerhaft geleistet werden kann (und vielleicht sogar für eine Kurzzeitpflege zu aufwändig ist) kann er einige Zeit ins Hospiz und dann wieder von dort entlassen werden, wenn die häusliche Situation es zulässt und er gerne nach Hause möchte.

Wir hatten gerade folgenden Fall: relativ junge Frau mit maligner Grunderkrankung (T4) wurde notoperiert, hatte dann einen langen postoperativen Verlauf mit Sepsis und anderen Komplikationen. Sie hat sich erstaunlich gut erholt und es wurde sich über die tumorspezifische Therapie Gedanken gemacht, weil sie doch "zu gut" wurde um sie selbstverständlich nur palliativ zu behandeln. Sie hat also nach langem Für und wider und einigen Gesprächen mit ihr und Angehörigen und im Tumorboard leitliniengerecht eine Bestrahlung erhalten, die sie auch erstaunlich gut weggesteckt hat und soll, nach einem Intervall von einigen Wochen re-evaluiert werden, ob man sie sogar operiert (was eine relativ kreislaufbelastende Operation wäre). Im günstigsten, wenn auch sehr unwahrscheinlichen Fall ist dann eine R0-Resektion möglich.
Für dieses Intervall muss sie nicht im KH bleiben, für häusliche und Kurzzeitpflege ist es aber zu aufwändig (Wundversorgung, iv.-Schmerztherapie, keine Angehörigen, die für Pflege in Frage kämen) sodass die Idee aufkam, sie ins Hospiz zu verlegen und zur Re-evaluation wieder stationär aufzunehmen. Das wurde diskutiert, dass es nicht dem Hospizgedanken entspräche, wenn eine weitere Therapie vorgesehen ist.

Wie sind eure Erfahrungen und Wissensstände, was das angeht? Kann man Erwachsene wirklich NUR im Hospiz unterbringen, wenn absehbar ist, dass es keine 2 Monate mehr dauert? Oder sollten Hospizplätze auch denen zugänglich, die tatsächlich von dem angenehmen Umfeld profitieren können, statt denen die vielleicht nur noch vor sich hinvegetieren?


(Details der Fallgeschichte wurden verändert)

Relaxometrie
05.11.2013, 16:22
Ein Hospiz ist, soweit ich das bisher mitbekommen habe, tatächlich "zum Sterben" gedacht. Was nicht bedeutet, daß dies auch 100% der Patienten dort tun. Aber wohl doch die allermeisten.
Für Deine Patientin wäre mMn eher eine Palliativstation geeignet. Entgegen der landläufigen Annahme sind diese Stationen nicht "nur zum Sterben" gedacht, sondern auch um bei Patienten, die nur noch palliativ versorgt werden können, eine bestmögliche Symptomkontrolle zu gewährleisten, die später auch zu Hause weitergeführt werden kann. Und da sind engagierte Abteilungen wirklich gut und erfinderisch, wie ich aus unserem Kurs im Studium mitgenommen habe.
Daß sich bei Eurer Patientin vielleicht sogar (wenn auch unwahrscheinlich) nochmal eine Chance auf Heilung ergibt, bedeutet ja nicht, daß sie jetzt nicht erstmal palliativ versorgt werden kann.

Brutus
05.11.2013, 19:32
Das Problem ist sowohl auf der Palliativstation als auch im Hospiz die Finanzierung!
Im KH auf einer Palliativstation wird man trotz palliativer Komplexbehandlung ziemlich schnell in die roten Zahlen kommen. Und so wie ich das verstanden habe, soll die Patientin ja schon über einen längeren Zeitraum eingestellt und therapiert werden. :-nix
Im Hospiz ist es so, dass die Patienten für einen Zeitraum von 6 Monaten dort "wohnen" können. Normalerweise versterben die meisten Patienten innerhalb dieser Zeit dort. Wir haben es aber immer wieder erlebt, dass Patienten sich wieder "bekrabbelt" haben, wenn man erstmal aufhört mit der Maximaltherapie den Organismus zu quälen. Diese Patienten sind dann nach 6 Monaten wieder ausgezogen. Es gibt aber in immer mehr Städten Palliativpflegedienste sowie Palliativmediziner, die sich auch in häuslicher Umgebung vernünftig um die Patienten kümmern!

alex1
05.11.2013, 23:38
Ein weiterer Unterschied ist die medizinische Versorgung im Hospiz versus Palliativstation.
Während in der Palliativstation eigene Palliativmediziner arbeiten, gibt es im Hospiz keine "eigene" Ärzte, die Hausärzte kümmern sich in der Regel um ihre Patienten dort. So eine Art Belegbetten-System.
Für deinen konkreten Fall, wenn man tatsächlich an eine weitere onkologische Behandlung denkt, sollte man eher eine gute medizinische Versorgungssituation auswählen.

Interessenshalber: Was ist das für ein Malignom? Lunge?

dantheg
06.11.2013, 00:59
Ich kann nur von meiner Erfahrung aus berichten (USA) aber wenn in Zukunft eine Therapie gewünscht wird dann macht es keinen Sinn eine Hospiz einzubeziehen. So wie es sich anhört braucht sie einen Aufenthalt in einem Rehakrankenhaus oder in einem Pflegeheim wo sie ihre Therapien in den nächsten Paar Wochen bekommen kann um danach für weitere Therapien fit zu sein. Die Mitarbeiter in einer Hospiz werden auch einen anderen Zugang zu Symptomen haben als jetzt "normale" Schwestern etwa ... da wird beispielsweise nicht unbedingt nach Lungenembolie oder Pneumonie geforscht wenn Atemnot auftritt sondern naja halt Morphin gespritzt ... ist sicherlich nicht im Sinne der Patientin. Ich denke dass eine Begleitung von einem Palliativmediziner durchaus Sinn macht bei Patienten die Erkrankungen in späten Stadien haben (sei es Krebs, Herzinsuffizienz, Lungenfibrose usw). Aber eine Hospiz sollte man erst einschalten wenn es wirklich ums Sterben geht.

mainzer
06.11.2013, 09:53
wie wäre eine kombination aus ambulanter pflege (pflegestufe?) und sapv (spezieller ambulanter palliativ-versorgung?
oder ist an ein eigenständiges bewältigen des alltags daheim im moment gar nicht zu denken?

Fr.Pelz
06.11.2013, 19:51
Zuhause wäre es extrem schwierig für die Patientin, da sie durch eine Verletzung quasi querschnittsgelähmt ist (es kommt im Ergebnis aufs Selbe raus) Der Partner war schon mit der Krankenhaussituation überfordert und hat überhaupt nicht gepeilt, worum es geht, Pflege kann der sich auch nicht vorstellen. Und es müssen halt täglich Verbände gewechselt werden, die Schmerzpumpe bestückt werden etc, die Schmerzpumpe läuft über einen ZVK, das ist ja auch problematisch zu Hause. An unsere hauseigene Palli haben wir auch gedacht, aber aus unerfindlichen Gründen wollte das der CA nicht - aber wenn du, Brutus sagst, dass das teuer werden würde, weiß der das vermutlich.

SusiSorgenlos
06.11.2013, 20:05
Mh, also wir haben Patienten auch schon mit SAPV nach Hause entlassen, die in einer ähnlichen Situation waren (immobil, schmerzpumpe).....was ist denn dir Idee deines Chefs, was mit ihr passieren soll? Gibt es vielleicht Pflegeheime, die auch Palliativpflege übernehmen? Was ist denn der Wunsch der Patientin? Wie Jung? Was für ein Tumor? M-Stadium? Und warum hat sie solche Schmerzen?

Fr.Pelz
06.11.2013, 20:37
Naja, ich bin mir unsicher, ob man nicht gegen seine Schweigepflicht handelt, wenn man hier Details veröffentlicht, die den Fall erkennbar machen, vor allem weil es keine Nullachtfuffzehn-Tumorpatientin ist, die standardmäßig nach Leitline behandelt wird.
Mir geht es ja auch weniger um den konkreten Fall als mehr um die "Gesinnung" eines Hospizes… Ob es z.B mehr so ist, dass die Mitarbeiter eines Hospizes sagen "wenn noch irgendein, und sei es noch so geringer, kursiver Ansatz verfolgt wird, machen wir das nicht mit"
Ich kann mir z.B vorstellen, dass die Patienten im Hospiz miteinander sprechen und wenn einer sagt, dass er noch einen Hoffnungsfunken hat, das unangenehm für die anderen Patienten ist…
Was dantheg schreibt, gibt natürlich auch zu denken. Im schlimmsten Fall wäre die Patientin sogar schlechter aufgehoben, da das Personal dort vielleicht nicht so geschult ist, ggf doch noch therapierbare Krankheiten zu detektieren und zu behandeln (wobei ich mir das kaum vorstellen kann).