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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : RTW/NEF: Nachforderung zur Schmerztherapie



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Sebastian1
26.11.2013, 21:09
Noch ein kurzer Fall, bei dem ich die erfahrenen Notärzte um etwas Zurückhaltung bitten würde ;-)

Es ist Spätherbst, draussen ist es kalt. Ihr werdet kurz vor Einbruch der Dämmerung in den Nachbarkreis alarmiert, Nachforderung zur Schmerztherapie nach Sturz.

Nach ca. 12 Fahrtminuten trefft ihr an einem Grundstück ein, wo ihr selbstverständlich schon den RTW seht. Kollegen und Patientin sind vor dem Haus, denn die ältere Dame - ihr schätzt sie auf Anfang bis Mitte siebzig - ist auf glattem Stein ausgerutscht, auf die linke Schulter gefallen und liegt jetzt bäuchlings auf dem Boden, den Kopf halb im Blumenbeet, ansonsten direkt an Haustür/Hauswand. Sie ist bereits von Angehörigen mit einer Decke bedeckt worden, die RAs haben schon Pulsoxy und RR drangebastelt, man sieht einen rhythmischen Ausschlag mit ca 80er Frequenz des SpO2-Sensors, der einen Wert von 97% anzeigt, der Blutdruck liegt bei ca 165/85 mmHg. Auch der BZ wurde bereits gemessen und ist normwertig, das ganze aus einem Venenpunktionsversuch, der allerdings offenbar nicht erfolgreich war, denn über die Punktionsstelle ist ein Tupfer geklebt.

Dann mal los :-)

*milkakuh*
26.11.2013, 21:39
Erstmal stellen wir uns bei der Patienten vor und schauen, ob sie adäquat auf Fragen antwortet. Wo hat sie Schmerzen? War sie nach dem Sturz bewusstlos? Kopfschmerzen? Übelkeit? Spürt sie alles? Neurologische Ausfälle? Wie sehen die Pupillen aus? Können wir einen Bodycheck machen? Wie sieht die Schulter aus? Vorm Bewegen bitte auf jeden Fall ein Stiffneck anlegen. Gibt es Anzeichen auf Wirbelsäulenverletzungen? Wie stark sind die Schmerzen auf der NRS?

Dann bitte die übliche Frage nach Vorerkrankungen und aktueller Medikation stellen. :-)

Edit: Glaube wir können auf ein Stiffneck eventuell doch verzichten, ist bei einer Luxation oder Fraktur der Schulter vielleicht nicht gerade sehr gemütlich...:-)) Also erstmal Anamnese und Bodycheck abwarten.

H&M
26.11.2013, 22:50
Genau, dann schaun wir doch mal, ob sie es unter den Schmerzen bis zum warmen, trockenen RTW schafft (allerdings haben dies die RAs sicherlich auch schon versucht), dann könnten wir direkt auch mal eine Flexüle legen.

Sebastian1
26.11.2013, 23:06
Die Patientin ist wach und orientiert, keine Bewusstlosigkeit, keine Amnesie. Stärkste schmerzen in der linken Schulter. Aufstehen, laufen oder umdrehen ist nicht, in der Lage ist ein Stifneck unmöglich. Sonst keine s Schmerzen,pDMS intakt. Ansonsten liegt sie auf dem Boden, auf dem bauch, Gesicht halb im Beet, und es sind Ca minus 2 Grad...

Heerestorte
27.11.2013, 00:04
Na dann packen wir noch eine Rettungsdecke bzw. dicke Decke ausm RTW auf die Dame.
Dann schauen wir auch nach dem Gesicht, kann ja sein, dass sie sich an irgendetwas im Blumenbeet verletzt hat.
Wenn es stärkste Schmerzen sind, dann wird ein Umlagern ohne Analgesie eher zur Qual.
Nochmals den Versuch starten, eine Viggo zu legen. Wenn es nicht klappt, dann eventuell sogar EZ-IO zum Einsatz bringen, wenn es nicht anders geht.
Wenn erfolgreich, dann Analgesie und die Pat. wirbelsäulen-/achsengerecht auf Spineboard bzw. Schaufeltrage drehen und Stifneck anlegen.

Wir sollten halt schauen, dass wir relativ zügig aus der Kälte in den warmen RTW kommen.
Natürlich achten wir auch selber auf Glatteis und rutschige Stellen.
Ich spreche da aus Erfahrung....:-))

Sebastian1
27.11.2013, 07:25
Gut, für Wärme ist, soweit möglich, gesorgt. Kalt ist der Patientin natürlich dennoch... Verletzungen im Gesicht sind nicht zu sehen. Venenzugang...tja, da kommen wir zum eigentlichen Problem. Die Dame ist da sowas von geizig, die RAs haben nach einem Punktionsversuch nicht weiter probiert, und der linke Arm ist so berührungsempfindlich (und ausserdem verletzt), dass er ausscheidet. An den rechten, der an der Haustür liegt, kommt ihr nur ran, wenn ihr euch in den Hausflur setzt, und auch dann nur sehr begrenzt an den Unterarm, ohne der Patientin auch noch die andere Schulter zu verletzen. Nach 2 Punktionsversuchen mit 22G-Viggos seht ihr ein, dass ihr da nichts bekommen werdet.
EZ-IO ist eine Möglichkeit, aber bei wacher Patientin, die weiterhin auf dem Bauch liegt? Das tut schon sch... weh....

Lizard
27.11.2013, 08:16
Man könnte der Dame Ketamin/Midazolam intranasal verabreichen.
Per Spineboard/Schaufeltrage bergen, ab in den warmen RTW, evtl. nochmal versuchen einen i.v. Zugang legen oder i.o.
EKG, Bodycheck vervollständigen, Pupillenstatus.

psycho1899
27.11.2013, 08:33
Ketamin wirkt doch auch i.m. ganz gut, oder?

Eilika
27.11.2013, 08:40
Da es ja auch auf ein paar Minuten nicht anzukommen scheint, gehen Opiate ja auch nicht soooo schlecht sub cutan.

*milkakuh*
30.11.2013, 12:56
Haben wir Piritramid zur Verfügung? Wenn ja wäre ich auch erstmal für ne halbe Ampulle s.c. :-)

Brutus
30.11.2013, 12:58
Dauert aber sehr lange. :-))
Aber es gibt ja noch andere Applikationswege und besser geeignete Medikamente. ;-)

Und jetzt muss ich meine Fingerchen im Zaum halten. Darf ja nicht. :-))

*milkakuh*
30.11.2013, 13:12
Dauert aber sehr lange. :-))
Aber es gibt ja noch andere Applikationswege und besser geeignete Medikamente. ;-)


:-D Hmm in der Klinik wurde das manchmal auch telefonisch angeordnet, wenn kein Arzt auf Station war und der Patient keinen venösen Zugang hatte...Wie lange dauert das denn, bis da ne Wirkung eintritt?

pottmed
30.11.2013, 14:43
Fentanyl geht auch nasal, allerdings weiß ich nicht, ob man da diese vorgefertigten Nasensprays braucht.

Ist die Sättigung per Pulsoxy in der Peripherie überhaupt verlässlich? Auf jeden Fall muss die Patienten ins Warme und dann braucht man einen ordentlichen Bodycheck+Zugang.

WackenDoc
30.11.2013, 15:34
Ich wüsste auch noch ne schnelle Lösung, aber 1. wird das nicht auf deutschen NEFs zu finden sein und 2. ist das Medikament in der Form für die hier geschilderte Indikation nicht zugelassen.

Relaxometrie
30.11.2013, 15:37
Ich schlage auch Ketanest S i.m. vor. Plus Dormicum (Kann man das Dormicum statt i.v. anders applizieren? Oder erstmal das Ketanest wirken lassen, die Dame in den RTW bringen und dann nochmal nach einer Vene suchen.)
Ketanest kann man ja angeblich auch trinken (wie ich mich an die Aussage eines Notarztes aus meinem PJ erinnere). Allerdings ist die Resorption aus dem GI-Trakt in der gegebenen Situation vielleicht nicht ausreichend.

psycho1899
30.11.2013, 15:53
Ist die orale Auffnahme von Ketamin nicht eher einer anderen Szene zuzuordnen? ;-)

Midazolam geht sicher i.m., ist sogar ein probates Mittel beim Status epilepticus, wenn sich kein i.v. Zugang legen lässt.

Also los, geben wir der alten Dame ihr Special K :D

Relaxometrie
30.11.2013, 15:59
Ist die orale Auffnahme von Ketamin nicht eher einer anderen Szene zuzuordnen? ;-)
Im vorliegenden Fall würde ich sagen: Hauptsache es hilft ;-)

Sebastian1
01.12.2013, 18:15
Mist, das Gateway hat meinen Beitrag von vorgestern gefressen, ohne dass ich es gemerkt habe....

...also, auf genau die alternativen Zugangswege, auch präklinisch, wollte ich bei diesem Fall hinaus. Die Dame hatte wirklich schon keine Venen, lag dann noch auf dem Bauch und es war saukalt, was das Gepfriemel auch nicht besser gemacht hat. An eine Umlagerung ohne Schmerztherapie war nicht zu denken.

Möglich wäre also perorale Schmerztherapie (zu langsam und ineffektiv, vor allem mit dem, was auf dem Standard-RTW/NEF drauf ist), intraossärer Zugang (möglich, aber schmerzhaft und invasiv), rektal (nix adäquates auf dem Koffer dafür), i.m. (gute Alternative) oder eben intranasal via MAD. Ich wusste nicht, wie bekannt die MADs schon sind und daher wollte ich diese Alternativen mal ein einem Fallbeispiel veranschaulichen.
Ich habe der Dame dann 2*0,1 mg Fentanyl via MAD intranasal verabreicht, dazu noch ein bisschen Midazolam, da sie ziemlich aufgeregt war. Ein paar Minuten gewartet und im Krankenhaus fragte sie mich dann, ob wir schon im RTW seien. :-))
Esketamin wäre aber sicher auch möglich gewesen.

War diesmal nur eine Kleinigkeit, ich hoffe, hat trotzdem jemandem was genutzt.

WackenDoc
01.12.2013, 19:13
I.m. braucht doch ca. 20min bei Esketamin wenn ich es richtig im Kopf habe? Hat einer von euch praktische Erfahrung damit?
Midazolam i.m. hab ich schon angewendet- Randalierender mit Mischintox und Krampfanfall- da war nach 1-2 Minuten Ruhe.

Im Einsatz haben wir Morphin-Autoinjektoren. Die brauchen aber auch ca. 20min. Richtig schön sind Fentanyllollies. Die sind aber für diese Indikation aber nicht zugelassen. Dafür wirken sie sehr viel schneller.

psycho1899
01.12.2013, 19:25
Wie ist denn die Äquivalenzdosis von intranasal zu intravenös bei Fenta? 1:1??