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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : mikrozytäre, hypochrome Erythrozytose



WackenDoc
29.11.2013, 12:18
Hallo Leute.
Ich hab einen Patienten, Anfang 20, mit o.g. Befund im Blutbild. Nach seinen Angaben hat er das seit keiner Kindheit.
Ansonsten war er bisher immer gesund und gut belastbar. Eine Anämie wurde noch nie festgestellt.

Bisher ist man davon ausgegangen, dass die Ursache ein Eisenmangel sein könnte, wegen eimalig erniedigtem Ferritin. Nach Eisensubstitution hatte sich aber nichts an dem Befund geändert.
Beim letzten Krankenhausaufenthalt wegen gastrointestinalen Beschwerden (Details hab ich gerade nicht im Kopf, ging wohl um Durchfälle- die Untersuchung war opB und inzwischen bestehen die Beschwerden nicht mehr) wurde ein erhöhtes TSH festgestellt. Dummerweise wurde das bisher nicht kontrolliert (hab ich nachgeholt, Ergebnis war aber noch nicht da).

Der Mentzer-Index lag bisher immer bei 9. Ich hab Blutbilder bis 2010 zurück- bisher völlig stabiler Befund.

Mich ärgert nur, dass dem nie nachgegangen wurde und man es immer auf einen Eisenmangel geschoben hat.
Der Patient bekommt jetzt eine Hb-Elektrophorese und hat zeitnah einen Termin bei unserer Hämatoonkologie (die haben sich zumindest zuständig gefühlt).

Hat jemand von euch, was das sein könnte. Eine DD ist ja eine Thalassämie, ich hab das aber eigentlich noch nicht ohne Anämie gesehen und er hat keine bekannten Verwandten aus dem Mittelmeerraum oder der Türkei.

dantheg
29.11.2013, 14:39
Wenn er jung und keine Beschwerden bestehen kann es ja einfach seine Norm sein. Wie sind die Werte denn genau? Und wie war die Transferrinsättigung? Hämoglobinopathie (etwa HbE oder Thalassämie) wäre oben auf meiner Liste wenn die Konstellation schon seit Kindheit besteht. Die Kombination von GI Beschwerden und Anämie könnte aber auf Zöliakie hinweisen.

WackenDoc
29.11.2013, 14:49
Die genauen Werte hab ich nicht auswendig im Kopf- die waren aber schon auffällig. Wenn nichts weiter raus kommt, kann es tatsächlich sein, dass er einfach außerhalb der Norm liegt. Aber vorher will ich ausschließen, dass es was Relevantes ist (Bei uns geht es ja auch um Tauglichkeit für Einsätze etc.).
Anämie hatte er ja nie. Der Hb war immer mitten in der Norm.
Die GI-Beschwerden hatte er auch nur einmalig, aber über einen Zeitraum, dass meine Kollegen ihn zu den Internisten geschickt haben.

Evil
29.11.2013, 15:59
Ich hab Thalassämie-Patienten ohne Anämie, das gibt es tatsächlich. Aber könnte Dein Patient vielleicht auch eine Porphyrie haben? Check doch mal den Urin

WackenDoc
29.11.2013, 16:10
Hört sich nach nem guten Tip an- an sowas hab ich auch schon gedacht. Montag kommt der zur Blutentnahme wegen der Hb-Elektrophorese. Da können wir auch gleich Urin machen. Der normale U-Stix war unauffällig (das ist bei uns Routine bei den Tauglichkeiten)- aber wir können den ja mal stehen lassen.

FataMorgana
01.12.2013, 12:38
Ich würde empfehlen, parallel zur Hb-Elektrophorese noch einmal den Eisenstatus genau abzuklopfen. Niedrige Ferritinwerte sind nämlich für eine Thalassämie untypisch (meist normal oder sogar erhöht). Aber es gibt natürlich auch die Kombination von Eisenmangel und Thalassämie, die diagnostisch besonders tückisch sein kann. Das HbA2 ist dann falsch niedrig, sodass der Eisenmangel die Thalassämie maskieren kann.

Deshalb mein Tipp: Außer der Hb-Elpho auch noch Ferritin, Transferrinsättigung, CRP, löslichen Transferrinrezeptor und Reti-Hb bzw. hypochrome Erys anfordern. Über das mikroskopische Diff. kann man auch noch Hinweise bekommen (z. B. Target-Zellen oder seltene DDs wie Pyropoikilozytose).

Es gibt Thalassämien aller Art auch bei waschechten Mitteleuropäern, nur eben selten. Auch Thalassämien ohne Anämie gibt es. Und auch in Kombination mit Eisenmangel. Wären ziemlich viele ungewöhnliche Zufälle auf einmal, aber ausgeschlossen ist es deswegen noch nicht. Zumal die Kombination von Erythrozytose und Mikrozytose schon relativ typisch für eine Thalassämie ist.

Poste doch, wenn Du magst, auch einmal die genauen Befunde hier.

WackenDoc
02.12.2013, 18:34
Für die genauen Werte müsste ich die Akte raus kramen, liefer die aber noch nach. Zumindest waren die so auffällig, dass ich die noch nicht bei einem jungen, sonst gesunden und voll belastbaren jungen Mann gesehen hatte.
Den Urin haben wir jetzt stehen lassen -hat sich aber nichts getan.
Nächsten Montag hat der Patient den Facharzttermin. Bin mal gespannt,ob da noch was bei raus kommt.

WackenDoc
03.12.2013, 20:16
Ich hab die genauen Werte:
Erys: 7,2/pl
MCV 64fl
MCH 20pg
MCHC 31 g/dl
Mentzer-Index von 9
Hb,Hkt und Diff-BB im Normbereich.
Der Rest steht aber eh noch aus.

So haben wir die Werte dokumentiert seit 2010 ohne wesentliche Änderungen.

FataMorgana
04.12.2013, 21:03
Also, für eine Normvariante wären mir die Werte deutlich zu niedrig (welche Referenzbereiche gibt Euer Labor für MCV und MCH an?). Hast Du auch eine RDW? Dann könnte man mit der Huber-Herklotz-Formel die Wahrscheinlichkeit einer Alpha-Thalassämie abschätzen.

Ich würde die Wahrscheinlichkeit insgesamt schon für ziemlich hoch halten, dass eine Hämoglobinopathie dahinter steckt.

WackenDoc
04.12.2013, 21:11
RDW hab ich nicht. Normwerte müsste ich nachschauen. Aber es ist schon deutlich drunter.
Unabhängig davon, was rein medizinisch raus kommt, ist es für den jungen Mann jetzt ziemlich doof, weil eine Weiterverpflichtung dran hängt und ich die Tauglichkeit erst unterschreiben kann, wenn das abgeklärt ist.
Und mich ärgert es halt, dass es bisher keinen interessiert hat. Zumindest unsere Hämatoonkologin fand es interessant und abklärungswürdig.
Wahrscheinlich wird es ja nichts Dramatisches sein- immerhin hat er es schon immer mit unveränderten Werten und sehr guter Belastbarkeit.

Peter_1
05.12.2013, 15:52
Wahrscheinlich wird es ja nichts Dramatisches sein- immerhin hat er es schon immer mit unveränderten Werten und sehr guter Belastbarkeit.

So isses bei jahrelang stabilem Verlauf und unveränderten Werten, sowie fehlenden Symptomen. Auch eine Thallasaemia minor (und ne major wirds nicht sein) hat ja keine medizinsiche Konsequenz. Hat er ne große Milz (mache immer gerne mal nen Sono bei so hämatologischen Sachen)? Schlussendlich: behandeln wir das Labor, oder den Patienten? Aber gut bei arbeitsmedizinischen und vertraglichen Fragestellungen sicher noch mal ein komplett anderes Ding.

WackenDoc
05.12.2013, 18:16
Mit der Milz weiss ich nicht genau. Geschallt hatte ich ihn nicht. Aber ich gehe davon aus, dass die ihn geschallt hatten, als er zur Abklärung der Magen-Darm-Beschwerden auf der Inneren war. Im Befund stand nichts davon, dass die Milz auffällig gewesen wäre.

Keine Angst, Labor wollen wir nicht therapieren. In dem Fall geht es tatsächlich vornehmlich um die Tauglichkeit und natürlich darum zu wissen, was es ist (nicht dass er eine Erkrankung hat, die ein erhöhtes Risiko für irgendwas darstellt und keiner die erforderlichen Kontrollen durchführt)

FataMorgana
06.12.2013, 21:18
Ich finde, die Befunde passen insgesamt am besten zu einer ß-Thalassaemia minor. Die wahrscheinlichsten DDs wären für mich heterozygotes HbE oder Hb Lepore. Berichte gerne mal darüber, was herausgekommen ist.

WackenDoc
13.12.2013, 16:25
Es gibt eine Neuigkeit, aber noch keine Lösung des Rätsels.
Der Patient war ja zwischenzeitlich bei unseren Internisten.
Jetzt haben die zum ersten Mal eine Anämie gefunden- ist aber nur minimal unter der Norm und das letzte Labor von uns von einer Woche zuvor war so wie immer (also keine Anämie).
Wir warten jetzt auf den Rest vom Labor

WackenDoc
18.12.2013, 17:12
Ich hab den Befund von den internistischen Kollgen- die können sich aber auch keinen Reim drauf machen. Die empfehlen einfach Verlaufskontrollen.

Dummerweise haben unsere Vampire es nicht geschafft, die Hb-Elektrophorese beim Labor anzufordern. Also müssen wir wohl bis in´s neue Jahr warten.

FataMorgana
14.01.2014, 20:20
Gibt's eigentlich schon etwas Neues von diesem Fall zu berichten?

WackenDoc
14.01.2014, 20:52
Die Hb-Elektrophorese ist noch unterwegs. Das Ganze hat sich wegen den Feiertagen verzögert. Und das Labor macht die Untersuchung nicht jeden Tag. Wir sollen aber bis Ende der Woche das Ergebnis bekommen.

WackenDoc
15.01.2014, 18:05
Gibt Neuigkeiten: Das Labor hat eine F-Bande gefunden.
Jetzt heisst es Warten auf die genetische Untersuchung.
Wahrscheinlichste Diagnose: Thalassämia minor.