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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Stelleneinschätzung: Fächerübergreifende Dienste und Intensiv ohne Anästhesie im Haus



DoctorNew
09.12.2013, 00:17
Liebes Forum,

nach etwas längerer Abstinenz möchte ich mich mit einer Frage an Euch wenden. Ende 20120 habe ich nach dem Examen knapp 6 Monaten in einer internistischen Abteilung gearbeitet. Da ich einerseits dort leider aus Codieren und Briefeschreiben schlicht gar nichts gelernt habe und Besserung nicht in Sicht war, andererseits ich immer noch den Wunsch eines Zweitstudiums hatte, habe ich mich noch mal für 2,5 Jahre an die Uni begeben. Inzwischen ist für mich klar, dass ich unbedingt wieder mit Patienten arbeiten will und habe (nach einem Umzug aus privaten Gründen) für 2014 die Stellensuche begonnen, bin aber aktuell auf meine relativ ländliche Heimatregion in Bayern beschränkt. Hier habe ich auch ein nettes Haus mit wohl sehr gutem Arbeitsklima und guter Weiterbildung gefunden, dass jedoch zwei eher unangenehme „Specials“ innehat.

Besagtes Klinikum besitzt für die konservativen (Innere und Neurologie) sowie die chirurgischen Fachabteilungen getrennte Bettenhäuser, die jedoch räumlich (in einer Kleinstadt) mehre Kilometer räumlich getrennt sind. Folgende zwei Probleme, die man aus größeren Häusern vermutlich nicht kennt, tun sich dadurch auf:

a) Im Haus werden die Nacht- und Wochenenddienste fachübergreifend mit den Neurologen geleistet. Als Internist ist man also sowohl für die 39 neurologischen und 75 internistischen Betten (inkl. Notaufnahme) verantwortlich. Da ich Neurologie weder im PJ noch Famulaturen gemacht habe, besorgt mich diese Tatsache schon ein wenig. Synkope, Ischämie/Blutung und Co begegnen einem ja auch in der Inneren häufiger. Von ALS, MS, PSB und den ganzen neuromuskulären Erkrankungen habe ich aber quasi gar keine Ahnung. Was sind denn so die typischen neurologischen Notfälle auf Station und in der Notaufnahme einer Akutneurologie?

b) Das Haus verfügt über eine interdisziplinäre Intensivstation mit 8 Betten inkl. Stroke Unit (maximal 4 Beatmungen), welche ohne Anästhesie im Hause im Dienst auch noch mitversorgt werden muss. Das macht mir persönlich am meisten Sorgen. In größeren Häusern kann man ja selbst auf allein internistischen Intensivstationen im Notfall das anästhesiologische Herzalarmteam rufen, hier ist man selbst das Rea-Team. Auch endoskopische Sedierungen oder Kurznarkosen zur Cardioversion werden ohne (für den Notfall) Anästhesie im Haus gemacht. Intubiert habe ich z.B. im PJ zuletzt. Ohne Anästhesie im Haus kann man das ja noch nicht mal außerhalb von Notfällen üben. Hat jemand Erfahrungen wie gut man ohne Anästhesie im Haus auskommt? (Sedierungszwischenfälle, Intubationen erlernen, Reanimationen etc.)

Vielen Dank für Eure Hilfe.

Brutus
09.12.2013, 04:28
Also ich persönlich halte von fächerübergreifenden Diensten gar nichts! Wenn ein Haus eine Akut-Neurologie hat, dann hat es auch einen neurologischen Diensthabenden zu stellen! Genauso wie es sich in der Inneren gehört, diesen Dienst nicht vom Neurologen ausführen zu lassen. Ich würde bei dieser Konstellation großzügig den neurologischen Hintergrund für alles neurologische aus dem Bett klingeln. Neurologische Notfälle? Häufig dürfte das der Krampfanfall und der Apoplex sein, die ICB, die als Apoplex kommt, und dann wird es schon selten. Nur gerade die Apoplexe sollten ja schon vernünftig versorgt werden, und das sollte schon von einem Neurologen kommen.
Zu den Problemen mit dem Atemwegsmanagement: Intubationen kann man üben. Es gibt ja genügend Krankenhäuser, die rein internistisch incl. ITS geführt sind. Da ist auch kein Anästhet vor Ort. Man muss sich eben einen Plan B bereitlegen. Vernünftige, leicht zu bedienende Alternativen wie Larynxtuben / Larynxmasken, etc... Die Intubation selbst ist kein Hexenwerk, das kann man einem "dressierten Affen" beibringen. Interessant wird es dann erst, wenn die schwierigen Atemwege kommen. Dafür dann eben Plan B.

Ich würde es einfach auf mich zukommen lassen. Wenn das Haus und die Abteilung auf Dich einen guten Eindruck macht, geh hin. Und wenn Du dann im Verlauf siehst, dass die Versorgung dort schlecht ist aufgrund der oben beschriebenen Situation, dann muss man eben sehen, ob man da mit der Verwaltung und den betroffenen Fachabteilungen was regeln kann, und wenn nicht, kann man immer noch die Konsequenzen ziehen. :-nix

WackenDoc
09.12.2013, 04:45
Mehr als 110 Betten PLUS NFA PLUS Intensiv für einen einzigen? Da würde ich nicht arbeiten wollen.

Bandwurm
09.12.2013, 10:20
Ich hab mal in meinem Neurologie Fremdjahr als Psychiatrer auch die Stroke Unit mit versorgt. Ohne erfahrenen Background extrem schwierig. Blutdruck von 260/160 behandeln mit was?, Einseitiges Schwitzen? vielleicht doch Basiliarisinfarkt, Hilfe ich brauch ne Angio-CT und jmd, der es mir befundet. Lyse gemacht und jmd hat Nachblutungen, was tun?. Und Internisten haben auf der Intensiv Sachen gemacht, die ich kaum verstanden habe. 8 Perfusoren am Laufen, Zentraler Zugang legen, Wiederbeleben, ect..
Neeee. Ich würde dort nicht arbeiten wollen. Fachübergreifende Dienste ohne Intensiv oder Stroke mag noch gehen, aber für mich wäre dass nichts.

morgoth
09.12.2013, 10:32
Würde auch nur abraten. Wir müssen in unseren Diensten auch ne andere Klinik mitversorgen, und das ist einfach ein anderes Arbeiten. Man kennt die Ansprechpartner nicht so gut (Pflege, Hintergrund, ...), die hausüblichen Standards eignet man sich auch anders an usw.
Mir persönlich wäre das zuviel Stress.

Grombühlerin
09.12.2013, 10:56
Hi,

ich hab mal in einem vergleichbaren Haus in der Inneren gearbeitet. Das Ergebnis ist, das ich heute in der Anästhesie tätig bin :-).

Aber anders als die anderen hier sehe ich das nicht nur negativ. Wenn man z.B. Allgemeinmedizin machen will oder Notarzt fahren bringt das, was man in so einem Haus lernt, eine ganze Menge.

Wenn man allerdings -so wie ich- nur begrenzt belastbar ist, und an Neuro wenig bis kein Interesse hat, ist es eher nix!

Nachts das Rea-Team zu sein hat mir nichts ausgemacht, das lernt man schnell, so eine Reanimation läuft streng nach Schema. Schlimm fand ich den mit der Neuro einhergehenden Schreibkram und die extrem hohe Arbeitsbelastung im Dienst.

Zu klären wäre noch:

Wie viele Leute teilen sich die Dienste?
Wer befundet nachts das CT? Wer macht die Lyse?

Was liegen in der Neuro für Patienten? Bei uns waren das nur Apoplexe, andere Krankheitsbilder sind mir zum Glück nicht begegnet.

edit: doch, ich erinnere mich an mindestens einen Krampfanfall. Die sind aber ja meist vorbei bis der Patient in der Klinik ist. Also kann sich der Neurologe am nächsten Tag in Ruhe damit beschäftigen.....

psycho1899
09.12.2013, 12:00
Ich frag mich gerade, welches neurologische Krankheitsbild sich hinter PSB verbirgt... ;-)

Also ich halte gar nichts davon, fachübergreifend die Dienste mitzumachen. Das mag zwar auch mal interessant sein, aber trotzdem wird man sich stets unwohl fühlen bei den fachfremden Patienten.

Die meisten neurologischen Notfällen werden cerebrale Ischämien/ICBs sein, gefolgt von epileptischen Anfällen. Letztere sind meist unproblematisch, da sie meist maximal noch postiktal verhangen zu Dir kommen. Wenn sie aber einen Status bieten, wird's interessant. Dazu kommt das unspezifische 'Zeug' wie Schwindel/Kribbelkrabbel/Cephalgien, was häufig nix ist. Die Herausforderung ist, da doch den Kleinhirninfarkt, die Meningitis (naja, eine virale überlebt auch wohl daheim und eine bakterielle übersieht man nicht), die SAB, die Sinusvenenthrombose etc. rauszufischen.

Relaxometrie
09.12.2013, 14:14
Ich frag mich gerade, welches neurologische Krankheitsbild sich hinter PSB verbirgt... ;-)
Progressive supranukleäre Blicklähmung? (http://www.medizinische-abkuerzungen.de/)

psycho1899
09.12.2013, 15:22
Kenne ich nur als PSP

DoctorNew
09.12.2013, 16:25
In den Diensten gibt es einen internistischen und einen neurologischen Hintergrund. Lysen werden nach Rücksprache mit dem Hintergrund durch den anwesenden Assistenzarzt durchgeführt. CT Bilder werden nachts per Teleradiologie befundet. Man hat wohl einen Wochenenddienst und zusätzlich etwa 3-4 Dienste unter der Woche pro Monat. Überstunden und Dienste werden sehr genau erfasst und allesamt vergütet.

Es fällt mir einfach schwierig einzuschätzen, was 39 neurologische Betten an Arbeit nachts machen und wie viele spezielle neurologische Kenntnisse man benötigt. In dem Haus, wo ich damals die 6 Monate gearbeitet habe, mussten wir auch dermatologische Betten in der Nacht betreuen. Mit der dermatologischen Diagnostik und Therapie hatte man aber nie zu tun, weil die nächtlichen Probleme allein allgemeininternistischer Natur waren. Krankheitsbilder wie Apoplex, Krampfanfall oder Synkope/Schwindel behandelt man ja in allgemeininternistischen Abteilungen ohne Neurologie in der Nähe auch oft mit. Mir machen halt die ganzen anderen Krankheitsbilder wie MS oder ALS sorgen, mit denen auch der Allgemeininternist quasi nie therapeutisch in Berührung kommt.

psycho1899
09.12.2013, 17:41
Liegt sicherlich viel an der Pflege, was die neurolog. Patienten an Arbeit machen. Ich behaupte, für Deine neurolog. Kollegen machen die internistischen Wracks deutlich mehr Arbeit in den Nächten. ;-)

Entscheidender ist m.E. das Arbeitsaufkommen in der Notaufnahme, insb. das Fachfremde. Ein auf der Abteilung liegender MS-Patient wird Dir im Dienst keine grösseren Probleme machen, dito ALS. Parkinson u.ä. fallen mal aus dem Bett oder werden delirant. Unterscheiden sich da auch nicht gross vom internistisch-geriatrischem Patientengut, ausser, was das zur Verfügung stehende Waffenarsenal beim Delir angeht. Aber das ist nichts, was man dann nicht auch in Ruhe mit dem Hintergrund bequatschen kann.

Aber die Notaufnahme kann natürlich ziemlich rocken. Gerade wenn ihr auch regelmässig mit V.a. Schlaganfall im Zeitfenster angefahren werdet. Die Lyse reintröpfeln lassen kann jeder... aber die Diagnose korrekt und sehr schnell stellen, damit nicht 50% stroke mimics lysiert werden oder eine door-to-needle-Zeit von > 1 h besteht, dafür braucht es schon etwas Erfahrung.

Lava
09.12.2013, 17:49
Hast mal hospitiert und die anderen gefragt, wie es so läuft im Dienst?

Hellequin
09.12.2013, 17:50
Es fällt mir einfach schwierig einzuschätzen, was 39 neurologische Betten an Arbeit nachts machen und wie viele spezielle neurologische Kenntnisse man benötigt.
Das dürfte in etwa der selbe Arbeitsaufwand sein wie bei einer internistischen Station gleicher Größe. Hat ja auch ein ähnlich multimorbides Patientenklientel. Im allgemeinen ist es das übliche Klein-Klein des Dienstes. Hier ein Zugang, dort einen Schmerz- oder Schlafbedarf etc.


Krankheitsbilder wie Apoplex, Krampfanfall oder Synkope/Schwindel behandelt man ja in allgemeininternistischen Abteilungen ohne Neurologie in der Nähe auch oft mit. Mir machen halt die ganzen anderen Krankheitsbilder wie MS oder ALS sorgen, mit denen auch der Allgemeininternist quasi nie therapeutisch in Berührung kommt.
MS und ALS sind ja chronische Erkrankungen, im allgemeinen dürften nachts dabei eher wenig dringende Therapie- oder Diagnostikentscheidungen anstehen.
Solltest du die Stelle in Betracht ziehen wäre mir noch wichtig zu wissen, wie die Hintergrundbetreuung ausschaut. Also ob man ggf. jederzeit anrufen kann und ob der Hintergrund ggf. auch reinkommt. Außerdem wäre es mir noch wichtig zu wissen wieviele Patienten durchschnittlich im Dienst reinkommen, sind es nur eine Handvoll oder bist du der Primärversorger für ein größeres Einzugsgebiet der sich dann in der Notaufnahme kaputtrödelt.

DoctorNew
09.12.2013, 18:54
@Lava
Habe mit der Assistentensprecherin telefoniert. Die meinte, dass letztendlich die Neurologen deutlich mehr Probleme mit den Diensten hätten und man das schon hinbekommen würde. Wenn jemand geplant intubiert wird, soll man anfangs dann immer dazu geholt werden, um das dann unter Aufsicht zu lernen. Letztendlich sind die Dienste wohl schon ziemlich anstrengend, durch den relativ großen Personalpool beider Abteilungen sind die Dienste (insbesondere Wochenenden) aber auch nicht so häufig.

Lava
09.12.2013, 18:56
Naja, ein Wochenenddienst und dann noch 4 Dienste unter der Woche pro Monat sind zwar machbar, aber jetzt auch nicht traumhaft wenig.

Grombühlerin
09.12.2013, 19:05
Ich hab mir damals wenig neurologische Gedanken gemacht, sondern bei jeglichem Kribbeln/Schwindel/andere neurologische Symptomatik den Hintergrund angerufen.

Die beschriebene Logistik mit der Lyse lief allerdings auch oft sehr unrund und das hat genervt. CT musste man hochfahren lassen, Teleradiologie hat oft nicht geklappt so dass doch jemand rein kommen musste etc. Ist aber schon ein paar Jahre her, heute läuft das alles sicher besser :-).

Wegen Intubationen würde ich mir jetzt keine grauen Haare wachsen lassen, zur Not bebeutelst du bis der HIntergrund da ist.

dreamchaser
09.12.2013, 20:17
Kann denn eine richtige Stroke Unit ohne 24h-Neuro-Besetzung überhaupt so benannt werden?
Ich habe in einem Haus gearbeitet, wo wir Apoplexe incl Lyse behandelt haben, weil die Neurologie 20 km entfernt war. Dort hatten wir eine "Schlaganfallstation" mit Monitoring, aber natürlich keine Stroke, da kein Neurologe rund um die Uhr da war.
In diesem Haus hatten wir auch unserer intern. Intensiv incl. Beatmungen (wurde aber durch einen ITS-Arzt im Schichtdienst versorgt) und sind den Rea-Alarm für die Innere und Derma gelaufen. Anästhesie war im Haus, kam aber nur im Notfall bei schwierigem Atemweg dazu. Lyse lief nach einem Schema, das abgearbeitet wurde (Checkliste mit NIHSS), Radiologe war allerdings im Haus. Ich fand die Arbeit dort sehr gut - wir waren ab Mitternacht zu zweit für 250 Interne Betten und Notaufnahme (vorher war diese noch extra besetzt).

psycho1899
09.12.2013, 20:34
Formal ja, als regionale Stroke Unit sogar zertifizierbar, wenn ein neurologischer Facharzt im Rufdienst verfügbar. Wie gut das dann funktioniert sei dahingestellt.

In der Nähe meiner alten Klinik hatte damals eine internistisch geführte Stroke Unit aufgemacht mit neurologischem FA werktags zur Regelzeiten. Verlegungen dorthin haben NIE geklappt im Dienst, da es immer hiess, der Neurologe sei ja jetzt nicht mehr da... hab mich damals echt darüber aufgeregt, und den Kollegen vor Ort gefragt, ob die ihre Patienten dann auch zum Feierabend von ihrer sogenannten Stroke Unit verlegen, da der Neurologe nicht mehr da sei. Einmal wollte der Rettungsdienst mir sogar einen Patienten, der quasi 500 m vor deren Haustür den Schlaganfall erlitten hatte, schicken, was eine Wegstrecke von 30 km gewesen wäre, da die Kollegen vor Ort ihn nicht versorgen könnten, da Wochenende.

Aber schön die Komplexbehandlung abgreifen und sich finanziell bereichern mit einer Schlaganfallbehandlung wie vor 30 Jahren....

psycho1899
09.12.2013, 20:36
Was mich jetzt aber mal wirklich interessiert... die neurologischen Assistenten versorgen auch die Intensivstation mit 4 Beatmungspatienten mit? RESPEKT! Ab wann macht man Dienste bei Euch? :-D