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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : RTW/NEF: Hilflose Person



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Sebastian1
25.12.2013, 22:35
Hallo,

ich würde gern mal einen etwas anderen Fall bringen und anschliessend diskutieren...

Es ist 20 Uhr abends, euer Funk geht, Melder zeigt "Hilflose Person / P-Tür". Auf der Alarmdepesche seht ihr, dass ihr gemeinsam mit einem RTW und einem LF ausrückt, die Polizei, so berichtet euch die Leitstelle, sei auch informiert und käme vor Ort.
Nach wenigen Minuten Fahrt kommt ihr an einem kleinen Einfamilienhaus an; an der Einfahrt winkt euch schon ein Mann zu, um Euch den Weg zu zeigen. Als ihr mit ihm die Einfahrt hochmarschiert berichtet er Euch, dass die Bewohnerin des Hauses seine Nachbarin ist und er Hilferufe gehört habe, sie aber die Tür nicht geöffnet habe.

Dann mal los :-)

Carina2
25.12.2013, 23:15
Wie alt ist denn seine Nachbarin? Lebt sie alleine? Haustiere? Weiß er sonst noch was über sie? Wie sieht es da aus, gepflegt oder eher nicht?

MissGarfield83
26.12.2013, 01:08
Vielleicht dann erstmal versuchte Kontaktaufnahme durch die Tür? Kommt da was? Pol vor Ort? Feuerwehr schon verständigt?

Relaxometrie
26.12.2013, 07:40
P-Tür

LF

Während ich nach N8dienst auf meine Ablöse warte, oute ich mich als unwissend bzgl. der beiden zitierten Abkürzungen.

CYP21B
26.12.2013, 08:44
LF = Löschfahrzeug, sprich Feuerwehr ist mit von der Partie.

Sebastian1
26.12.2013, 09:02
Während LF ja schon gelöst wurde ist das Einsatzstichwort "P-Tür" einfach die Ablürzng, dass hinter einer verschlossenen Tür mutmaßlich jemand Hilfe braucht. Das LF rückt in der Regel mit an, um zB das Werkzeug und Know-How mitzubringen, umdie Tür aufzumachen.

Zur Situation: Da ihr von einer anderen Wache als RTW und LF gestartet seid, seid ihr Ersteintreffend. Die anderen Fahrzeuge brauchen sicher noch 5 Minuten bis zum Eintreffen. Von der Polizei ist auch noch nichts zu sehen.

Der Nachbar berichtet, in dem Haus lebe eine alte Dame alleine, genaues Alter kann er nicht sagen, aber jenseits der 80. Es komme mehrmals am Tag ein Pflegedienst. Und jetzt habe die Dame eben gerufen.

Ihr kommt zur Tür, diese ist verschlossen, im Haus ist Licht an. Da aber die Vorhänge zugezogen sind, seht ihr nichts im Haus.

Relaxometrie
26.12.2013, 10:36
Da wir im Moment nicht zur Patientin kommen, fragen wir den Nachbarn noch ein wenig aus. Vielleicht weiß er etwas über die Erkrankungen der Patientin, über Familienangehörige, oder den Namen des Pflegedienstes.
Wir könnten auch versuchen, schonmal per Rufen Kontakt zu der Patientin aufzunehmen. Oder mal um das Haus gehen und gucken, ob zufällig eine Tür (dann ins Haus gehen) oder ein Fenster (dann vielleicht rufen) offen ist. Vielleicht sieht man die Dame auch? Aus welchem Stockwerk kamen denn die Hilferufe?
Da ja Hilfe, mit der man ins Haus hinein kommen wird, naht, braucht man wohl auch nicht den Pflegedienst zu informieren. Obwohl das vielleicht (wenn schnell genug) eine Lösung wäre, einen Schlüssel zum Haus plus Infos zur Patientin zu bekommen.

Sebastian1
26.12.2013, 12:33
Der Nachbar weiss nicht wirklich mehr als das, was er uns schon gesagt hat. Allein lebende alte Frau, mehrmals am Tag kommt wohl der Pflegedienst, von Angehörigen weiss er nichts. Die Rufe kamen aus dem Erdgeschoss. Offenes Fenster gibt es nicht, rufen hört ihr derzeit auch nicht.

*milkakuh*
26.12.2013, 12:40
Gibts vielleicht Angehörige in der Nähe oder jemand anderes, der einen Schlüssel zum Haus/zur Wohnung haben könnte? Können wir es einfach mal mit Klingeln bei der guten Dame probieren? Vielleicht macht sie uns ja sogar auf! :-top Kann sich der Nachbar vielleicht an den Namen des Pflegedienstes erinnern, der auf dem Auto steht? Wenn ja, würde ich mal versuchen den Pflegedienst zu kontaktieren zwecks Anamnese. So lange die Feuerwehr/Polizei noch nciht da ist können wir ja eh nichts anderes machen..:-nix

Feuerblick
26.12.2013, 12:53
Naja, inzwischen sollten LF und die uniformierten Herren aber da sein, oder? ;-)

Sebastian1
26.12.2013, 13:06
Nein, wir sind ja grade mal mit dem Nachbarn die Einfahrt zur haustür hochgelaufen.


Können wir es einfach mal mit Klingeln bei der guten Dame probieren? Vielleicht macht sie uns ja sogar auf! :-top

Manchmal sind die einfachen Ansätze doch auch die Besten :-)) Nach mehrmaligem Klingeln öffnet die Dame die Haustür. Sie sitzt in einem Rollstuhl und schafft es mit Tippelschritten auch, sich damit von A nach B zu bewegen. Sie guckt uns keineswegs überrascht an. Auf den ersten Blick fällt Euch erstmal nichts auf, was die Dame akut in Gefahr brächte: Sie ist offenbar bei Bewusstsein, unverletzt und hat auch keine Dyspnoe oder andere Zeichen akuter Störungen der Vitalfunktionen.

Feuerblick
26.12.2013, 13:08
Und warum hat sie dann nach ihrem Nachbarn gerufen? Oder überhaupt gerufen? Was hat sie eigentlich gerufen, dass der Nachbar sich veranlasst sah Hilfe anzufordern?

Sebastian1
26.12.2013, 13:52
Sie hat laut um Hilfe gerufen. Auf die Frage, warum sie um Hilfe gerufen hat, sagt sie, ihr Mann läge tot in ihrem Bett. Ihr lasst euch in das Zimmer führen, wo das angeblich der Fall sein soll, dort ist allerdings niemand. Die Dame schwört Stein und Bein, dass ihr Mann eben noch tot dort gelegen habe.
Der Nachbar zieht Euch beiseite und sagt euch, das ihr Mann schon vor über 20 Jahren verstorben ist...

Feuerblick
26.12.2013, 14:02
Oha, nun wird die Sache interessant. Was kann uns die Dame denn zu sich selbst erzählen? Nimmt sie Medikamente? Wenn ja, welche und wogegen? Gibts nen Hausarzt?

Relaxometrie
26.12.2013, 15:01
Parallel zur Klärung der von Feuerblick gestellten Fragen und der Frage, ob die alte Dame exsikkiert ist, können Feuerwehr und Polizei jetzt ja abbestellt werden, falls das noch möglich ist.

*milkakuh*
26.12.2013, 16:46
Polizei würde ich zwecks Zwangseinweisung vielleicht noch nicht voreilig abbestellen, auf dem Weg sind sie ja jetzt eh schon. :-peng

Ich würde die Dame auch erst mal in ein Gespräch verwickeln. Ist sie zu ihrer eigenen Person und zu Ort und Zeit orientiert? Was erzählt sie euch über den Ehemann? Wie reagiert sie in dem Gespräch? Aggresiv? Ich würde auch auf Exikkosezeichen achten, die Körpertemperatur kontrollieren und mir mal ihre Medikamentenliste zeigen lassen. Kommen wir so nicht weiter würde ich mal den Pflegedienst kontaktieren! :-)

Sebastian1
26.12.2013, 17:57
Ich denke, an dieser Stelle kann ich ein wenig abkürzen:
Die Dame ist dement und situativ nur teilweise, zeitlich gar nicht, zum Ort und zur Person bedingt orientiert. Ganz offensichtlich hat sie auch wiederholt Schwierigkeiten, Realität und Fehlwahrnehmung zu trennen, immer wieder erzählt sie Dinge, die lange her sind, für sie aber in diesem Augenblick ganz real, bietet nicht anwesenden An gehörigen etwas zu trinken an... ist dabei aber sehr freundlich. Ganz klar kommt ein Wunsch zum Ausdruck: ich will hier nicht weg, das ist mein Haus, ich wohne hier seit vielen Jahrzehnten.

Die Polizei schicken wir wieder nach Hause, die bräuchten wir bei einer Zwangseinweisung nur dann, wenn körperlicher Einsatz zur Vollstreckung notwenig wäre. Abgesehen davon scheint die Situation durchaus noch Zeit in Anspruch zu nehmen.

Während ihr euch mit der Dame unterhaltet trifft das LF mit dem RTW ein (abbestellen war nicht mehr rechtzeitig). Ein Feuerwehrmann sagt: "Hier war ich in den letzten Monaten schon öfter mit dem Rettungsdienst. Die Dame hat keine Angehörigen mehr, wird dreimal am Tag vom Pflegedienst versorgt, kommt ansonsten aber soweit allein zurecht. Wir haben Sie beruhigt, ihr ins Bett geholfen und sind dann wieder gefahren."

und nun?

Edit: Es gibt eine Pflegemappe des Pflegedienstes, in der auch der Hausarzt vermekt ist, aber da es Wochenende und spätabends ist, werdet ihr den HA nicht erreichen. in der Mappe ist auch die aktuelle Medikation vermerkt: ASS, Betablocker, Statin, Exelon, Diuretikum. Fieber hat die Dame nicht, Exsikkose allenfalls minimal, aber eigentlich eher noch okay. In der Diagnoseliste findet sich eine arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz (unklassifiziert), Ulcus cruris venosum und vaskuläre Demenz.

Relaxometrie
26.12.2013, 18:31
Einerseits könnte man die Dame ja im Haus belassen und wieder abrücken. Denn sie würde wohl nicht freiwillig mitkommen, ist über den Pflegedienst grundlegend versorgt und noch nicht vital bedroht.
Andererseits ist sie -eventuell durch Fehldosierung/Unverträglichkeit des Rivastigmins- psychisch dekompensiert. Von daher schlage ich vor: mit ihr besprechen, daß man die Notwendigkeit sieht, daß die Medikamenteneinstellung stationär überprüft werden sollte. Das wird sie ablehen. Dann noch 2 identische Gesprächsrunden mit ihr drehen, und dann Einweisung nach PKG in die Gerontopsychiatrie.

Sebastian1
27.12.2013, 10:45
Wir haben erstmal den Pflegedienst angerufen. Der bestätigt erstmal die Angaben des Nachbarn: keine Angehörigen, bisher kam die Dame trotz der Demenz noch insoweit zurecht, als dass sie sich selbst ins Bett legen und aufstehen konnte sowie sich aus dem Kühlschrank etwsa zu essen bereitete bzw mittags Essen auf Rädern bekam.
In den letzten 2 Wochen habe sich ihr Zustand allerdings deutlich verschlechtert, sie sei viel unruhiger und deutlich desorientierter.
Medikamentenfehldosierungen schliesst sie im Übrigen nahezu aus; die Tabletten werden für die Dame unerreichbar aufbewahrt und durch den Pflegedienst unter Aufsicht verabreicht.
Sie selbst ist im Gespräch freundlich, betont aber, sie sei nicht verrückt und möchte zu Hause bleiben.

WackenDoc
27.12.2013, 11:17
Lass mich raten: Sie wird sich auch durch das weitere Gespräch nicht überzeugen lassen, mit in´s Krankenhaus zu kommen?

Also stehen wir vor der Frage, ob wir sie mit PsychKG einweisen oder ob es andere Optionen gibt.