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Reisende
12.01.2014, 16:26
Hallo!
Meine Lerngruppe und ich fachsimpeln gerade über eine mögliche Diagnose zu einem Patienten, der sich am letzten Tag meiner vergangenen Famulatur (Innere) in der Ambulanz vorgestellt hat:


Patient X, männlich, 73 Jahre
guter AZ, Adipositas Grad I


Z.n.:

Bandscheibenprolaps L1/L2 (vor ca. 20 Jahren);
Gastritis (vor ca. 15-20 Jahren);
lt. Eigendefinition: gelegentlich „Verkrampfungen der WS-Muskulatur“ (durch Wärme zu beheben)

(mitgebrachte Röntgenbilder aus der Zeit des Bandscheibenprolaps zeigen eine stark deformierte WS)


derzeitige Beschwerden:

Patient kann seit ca. 1 Woche keine Nahrung/Flüssigkeit mehr bei sich behalten, Zugeführtes wird spätestens nach einigen Minuten wieder erbrochen;
lt. Eigendefinition: „eine Verkrampfung vom Rücken ausgehend, die auftritt, sobald etwas geschluckt wurde“;
diese Beschwerden treten zwar nicht zum ersten Mal auf, dauerten aber noch nie so lange und „kurierten sich immer selbst“.


Leider sind das alle verfügbaren Parameter, da an diesem Tag meine Famulatur zu Ende war – wir sind aber sehr gespannt auf eure Vermutungen! :compy:


LG

Lava
12.01.2014, 16:51
Klingt nicht nach etwas, was mit der Wirbelsäule zu tun hat :-nix Insgesamt zu wenig Informationen für eine stichhaltige Diagnose.

WackenDoc
12.01.2014, 17:09
Ich würde aus dem Blauen heraus auch sagen, dass das nix von der Wirbelsäule ist. Die Beschwerden wären schon sehr untypisch.
Spricht eher für ein Problem von Speiseröhre oder Magen, die Richtung Rücken ausstrahlen.
Kann natürlich auch mal kardialer Ursache sein (da müsste man nochmal genau eruieren, wo was "verkrampft", nicht dass das ne Angina Pectoris ist) oder auch mal von der Galle kommen.

Schubbe
12.01.2014, 17:10
Dann fange ich als Laie doch mal an: Taubheitsgefühle, Schwindel, Kopfschmerzen o.Ä. vorhanden?

Fr.Pelz
12.01.2014, 17:35
Hört sich auf jeden Fall an wie für eine zügige Diagnostik, nach genauerer Anamnese und Untersuchung ich würd erstmal eine Rö-Übersichtsaufnahme des Abdomens machen, EKG, Sono, dann eine Gastro, Labor mit HI-Routine, Leberwerten und Tumormarkern.
Wenn du unbedingt eine Verdachtsdiagnose ins Blaue hinein haben willst, hört sich "Zugeführtes wird nach wenigen Minuten erbrochen" eben an wie ein Prozess des Magens, eine üble Gastritis, eine Magenausgangsstenose o.ä… die Wirbelsäule würde ich erstmal hinten anstellen (bin aber auch chirurgisch geprägt). Manchmal assoziieren Patienten komische Sachen, soll man nicht vernachlässigen, darf sich aber auch nicht auf die falsche Fährte schicken lassen.

Lava
12.01.2014, 17:55
Rö-Übersichtsaufnahme des Abdomens

Wozu das?

Fr.Pelz
12.01.2014, 18:02
Um z.B eine große Zwerchfellhernie/Upside-Down-Magen nicht zu übersehen. Und man sieht schon mal, ob nur viel Luft im Magen ist oder auch im Darm, oder ob da alles verstuhlt ist...

Evil
12.01.2014, 18:12
Das siehst Du meiner Erfahrung nach im Rö-Thx besser. Ich würd die Diagnostik aber nicht wie in der Klinik üblich komplett auf einmal, sondern eher nacheinander durchführen (körperliche Untersuchung, Labor, Sono, Rö, Endoskopie), wenn es dem Patienten nicht grad sehr schlecht geht.

Fr.Pelz
12.01.2014, 18:15
Ja stimmt, das gehört natürlich dazu. (Machen wir meist immer automatisch, bzw die Notaufnahme). Und wenn du die diagnostischen Möglichkeiten hast, warum würdest du es dann verzögern? (klar, eine sinnvolle Reihenfolge ist wichtig) Aber wenn der Patient Montags kommt, würd ich die Gastro für Dienstags anmelden, das andere hat man bis dahin erledigt.

Relaxometrie
12.01.2014, 19:09
Leider sind das alle verfügbaren Parameter, da an diesem Tag meine Famulatur zu Ende war
Ich würde ja gerne hier mit"spielen". Aber haben wir überhaupt die Chance, die Lösung des Falls zu erfahren? Klingt eher nicht so.

Evil
12.01.2014, 19:31
@ Pelz: ich würde erst dann Endoskopien anmelden, wenn die ersten Untersuchungen nicht in eine andere Richtung weisen, vorausgesetzt, der Patient bleibt stationär.
Wenn Cholestase- und Entzündungsparameter hoch sind und Dich im Sono eine mehrschichtige Gallenblasenwand anlacht, würdest auch Du wahrscheinlich die Endoskopie für nicht direkt indiziert halten :-)

Fr.Pelz
12.01.2014, 19:37
Ja, DAS ist mir klar. :-)

dantheg
13.01.2014, 00:23
Hört sich auf jeden Fall an wie für eine zügige Diagnostik, nach genauerer Anamnese und Untersuchung ich würd erstmal eine Rö-Übersichtsaufnahme des Abdomens machen, EKG, Sono, dann eine Gastro, Labor mit HI-Routine, Leberwerten und Tumormarkern.

Welche Tumormarkern würdest du denn abnehmen und wie würden die Ergebnisse weiterhelfen? Also welche Schlüsse würdest du ziehen wenn die Labore positiv oder negativ ausfallen? Und wie würden die Ergebnisse deine weitere Diagnostik/Therapie beeinflussen?

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13.01.2014, 09:35
CHG... Seid nicht so streng zu ihr ;-)

Fr.Pelz
13.01.2014, 17:52
CEA, CA 19-9, CA 72-4. Und wenn die jetzt positiv wären würde ich ich mich mit einer einfachen Gastritis nicht so schnell zufrieden geben. Bin ja auch dafür, dass man in der Diagnostik nicht nur vom billigen ins Teure kommt, sondern auch vom nicht-invasiven ins Invasive. Und eine Blutabnahme ist nun mal relativ wenig invasiv. Und ich weiß, dass es in den Büchern anders steht, aber in meiner kurzen klinischen Erfahrung hatte wirklich der Großteil der Patienten mit positiven Tumormarkern auch ein Karzinom.

Evil
13.01.2014, 19:03
In meiner etwas längeren klinischen Karriere nicht. In den allermeisten Fällen sind die nämlich nicht hochpositiv, sondern gerade eben über dem Grenzwert. Und dann? Meldest Du als wackere Assistentin bestimmt erstmal ein Abdomen-CT an, stimmt's?
Egal, wenn die Erhöhung der Tumormarker durch eine aktuelle Entzündung getriggert wurde, ein bissl Strahlung hat noch keinem geschadet...

Wenn ich Dein Oberarzt wäre, bekämst Du erstmal vor der Abnahme von Tumormarkern eins auf die Finger.
KEINE Schrotschußdiagnostik, sondern bitte Entscheidungspfade berücksichtigen, nachdenken und dann eskalieren.

Fr.Pelz
13.01.2014, 19:29
Nein CTs werden grundsätzlich mit dem OA abgesprochen. :-)) Und dafür muss man sich die Indikation schon gut überlegen.

Und ich hab das ja auch NACH Untersuchung und Anamnese gestellt. Wenn die Verdachtsdiagnose dann in Richtung benigner Prozess geht, würde ich die auch nicht mit abnehmen. Kommt ja auch drauf an, wann der Patient z.B das letzte Mal ambulant untersucht wurde.
Ich meine nur, ganz jung ist der Patient ja auch nicht mehr - wenn man sich da beispielsweise nur auf die Wirbelsäule konzentriert, übersieht man sicher was.

blackcat86
13.01.2014, 21:04
Erhöhter Hirndruck als Ursache des Erbrechens? Intrakranielle raumfordernde Prozesse, Liquorunterdrucksyndrom; insofern vielleicht nach Doppelbildern, Schwindel frage, Papillenhintergrund anschauen und Pupillenreaktionen testen.

Oder er nimmt einfach NSAR wegen der Wirbelsäulenprobleme und hat davon eine Gastritis; aus den Muskelkrämpfen würde ich nicht so viel machen, das können einfach Verspannungen haben, einfach durch Schonhaltung und Schmerzen bedingt. Auf jeden Fall sollte man wohl auch die Medikamente auf Wechsel-und Nebenwirkungen abklopfen.

Ansonsten Elektrolytstörungen, Vitamin A Überdosierung(hab das mal irgendwo gelesen), Urämie (gut, das gäbe einige Zusatzsymptome), also vielleicht noch ein etwas umfassenderes Labor.

Hängt alles wohl auch davon ab wie lang er das schon alles hat.

dantheg
13.01.2014, 21:21
CEA, CA 19-9, CA 72-4. Und wenn die jetzt positiv wären würde ich ich mich mit einer einfachen Gastritis nicht so schnell zufrieden geben. Bin ja auch dafür, dass man in der Diagnostik nicht nur vom billigen ins Teure kommt, sondern auch vom nicht-invasiven ins Invasive. Und eine Blutabnahme ist nun mal relativ wenig invasiv. Und ich weiß, dass es in den Büchern anders steht, aber in meiner kurzen klinischen Erfahrung hatte wirklich der Großteil der Patienten mit positiven Tumormarkern auch ein Karzinom.

Ja das hatte ich befürchtet ... Tumormarker haben bei der Diagnostik eigentlich nichts zu suchen (natürlich gibt es Ausnahmen etwa Leberraumforderungen oder Hodentumore). Sie können bei (meist histologisch) gesicherter Tumordiagnose Aussagen zum Krankheitsverlauf oder zu Rezidiven liefern, mehr aber nicht. Sie zur Primärdiagnostik anzuwenden ist falsch und es sollte hiervon abgeraten werden. Denn sie können bei einem entzündlichen Prozess auch mal erhöht sein. Da bin ich mit Evil einer Meinung, man sollte keine Schrottschussdiagnostik betreiben.

Zum eigentlichen Fall, es fehlen natürlich sehr sehr viele Informationen, aber ich denk mal die Wahrscheinlichkeit dass die Beschwerden von der Wirbelsäule kommen eher gering sind ... darüber sind wohl die meisten einig. Um eine Endoskopie und/oder Bariumschluckuntersuchung wird der gute wahrscheinlich nicht rumkommen. Ich denk mal wenn das Schlucken das Problem ist sollten die diagnostischen Bemühungen in die Richtung laufen. Mal ins Blaue, wenn er eh schon sagt er hätte immer schon Probleme beim Schlucken dann würde ich auf peptische Ösophagusstriktur tippen die jetzt durch was auch immer in der letzten Woche schlimmer wurde. Aber wie schon gesagt, es fehlt einiges an Information.

Reisende
14.01.2014, 10:39
Hallo!

Danke erst mal an Alle für die rege Beteiligung.
Weil ihr sicher auch gespannt seid, habe ich heute Morgen bei einem befreundeten Assistenzarzt wegen Patient X nachgefragt:

er wurde damals stationär aufgenommen und erstmal mit Infusionen versorgt – als weiterer Schritt wurden für die nächsten Tage bspw. eine Magenspiegelung geplant.

Patient X hat dann aber in der ersten Nacht auf Station seinen Zimmernachbarn gebeten, ihn mit dessen tiefwirkender Lotion für Muskeln & Gelenke (tetesept) am Rücken einzucremen – ca. eine halbe Stunde später waren seine sämtlichen Beschwerden beseitigt und er hat sich dann auch gleich selbst entlassen. :-))


LG