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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Tag 1 - Notfallmedizin



28.08.2001, 16:15
Wieder mal zum Thema "Sinnlos hoch zehn" bzw. praxisrelevante Fragen vom IMPP...

Tag 1, Notfallmedizinfrage...

Pat nach PKW Unfall bewusstlos, reagiert ungezielt auf Schmerzreiz, Blutdruck 80/40mmHg, HF 130/min, Zyanose.
Welche Massnahme ist am wenigsten indiziert?
1 - Intubation
2 - Anlage eines zentral-venösen-Katheters
3 - Beatmung mit Peep 5cm H20
4 - Volumensubstitution
5 - mehrere großlumige periphere Venenzugänge

Klasse, gleich 2 Sachen die nicht wirklich sinnig sind: ZVK? Hmm, beim Volumenmangelschock... wozu? Aufwendig, kostet präklinisch viel Zeit. Also keinen ZVK. Beatmung? Klingt gut, aber mit Peep 5cm H20? Indikation: schwere Oxygenierungsstörung/Lungenödem(!). Hier wird es einem echt schwer gemacht; didaktisch gut wäre gewesen NUR Beatmung zu schreiben, dann wäre man geneigt den ZVK als "verzichtbar" anzugeben... sehr realitätsfremd die Frage!

Gut. Noch eine...

Frage: Bei einem Autounfall sind bei einem 25-j-Pat beide US frakturiert worden. Gleichzeitig klagt er über starke Atemnot. Sie finden stark gefüllte Halsvenen, einen erniedrigten system. Blutdruck und einen hypersonoren Klopfschall über der li Thoraxhälfte.
Welche Maßnahme ergreifen Sie zuerst?
1 - Nasopharyngealtubus
2 - Intubation & Beatmung m. Peep
3 - linksseitige Pleurapunktion
4 - Intubation
5 - Schnellinfusion eines Plasmaexpanders

Ich will den Notarzt sehen, der zuerst die Pleurapunktion macht - in der Praxis beim polytraumatisierten Patienten, der im PKW eingeklemmt hängt völlig unpraktikabel und daher die Volumensubstitution - gerade vom Zeitaspekt - als allererstes. Denn wo kein Druck mehr, da kein Patient mehr; da kann dann wer rumpunktieren so oft wie wer will - den Patient rettet das dann auch nicht mehr. Mag sein daß die Frage so nach dem Motto Atemnot-->hypersonorer KS-->Pneumothorax-->Punktion!
ausgelegt wurde. Aber wie gesagt - realitätsfremd und damit sinnlos.

Naja, IMPP-Mitarbeiter - falls wir uns mal in ein paar Jahren nachts auf der Autobahn sehen (ich wills euch nicht wünschen) - ihr bekommt von mir trotzdem zuerst die Braunüle gelegt, das verspreche ich euch hiermit hoch & heilig...

Euer Fan,
Christian

MEDI-LEARN
28.08.2001, 16:30
Zuerst die Antwort auf die zweite Frage:

Die Lösung ist tatsächlich korrekt; die Symptomatik ist TYPISCH für einen Spannungspneu und der Patient stirbt, wenn man den nicht wirklich schnell behebt. Und eine Thoraxdrainage geht auch im Notfall unter Extrembedingungen sehr schnell: große Braunüle in Monaldi-Position einstechen, dann ist die erste Gefahr gebannt.
Das macht man tatsächlich VOR allen weiteren Maßnahmen.

Zur ersten Frage:

Das Problem ist, dass wenig Informationen in der Aufgabe gegeben werden; der Notarzt der den Patienten untersucht hat auf jeden Fall mehr Informationen und auch die Information, ob denn gute periphere Zugänge nicht möglich sind (was die Indikation für den ZVK wäre).

Hier müssen zwei Dinge sichergestellt werden: die Perfusion und die Oxygenierung. Ein Mitteldruck unter 60 mmHg (hier rechnerisch 53 mmHg) darf auf keinen Fall bestehen bleiben, weil dann die Durchblutung des Hirns nicht mehr ausreicht. Und eine Peep-Beatmung würde bei Volumenmangel (der hier zu erwarten ist) den Blutdruck durch die Behinderung des venösen Rückstroms noch weiter senken ... also NICHT als erste Massnahme indiziert.

Was sollte der Notarzt tun?
- Intubation + Beatmung, um die Oxygenierung zu sichern
- Großlumige Zugänge (wenns geht peripher, wenn peripher keine Möglichkeit ZVK) und Volumengabe
- NACH Stabilisierung und weiterer Untersuchung dann ggfls. doch PEEP-Beatmung, z.B. bei Rippenserienfraktur ...

28.08.2001, 17:13
>>Das macht man tatsächlich VOR allen weiteren Maßnahmen.

theoretisch schon, praktisch nie.

Netzelch
28.08.2001, 17:31
Hier liegst Du wirklich falsch. Ein Spannungspneu ist wirklich so kritisch, dass man Ihn auch tatsächlich sofort und z.B. vor der Volumentherapie beheben muß. Das ist keine Theorie! (Eigentlich seltsam beim IMPP)

MEDI-LEARN
28.08.2001, 17:47
Original geschrieben von Unregistered
>>Das macht man tatsächlich VOR allen weiteren Maßnahmen.

theoretisch schon, praktisch nie.

Drainage bei Spannungspneu:
Das habe ich als Intensiv-Doktor vor 3 Wochen als allererste Massnahme "praktisch" und nicht theoretisch fabriziert - (und das als eigentlich eher konservativer Internist); das Problem war nämlich (bei schon intubierten und beatmeten Patienten) u. a. der sehr schnell zusammenbrechende Blutdruck, der sich nach Punktion dann gut erholte. Äußerst eindrucksvoll, auch wenn man bei solchen Aktionen immer Blut und Wasser schwitzt.
Wer in so einer Situation nicht punktiert --> justiziabler KUNSTFEHLER, und zwar ganz praktisch, nicht theoretisch!

28.08.2001, 18:11
Es war hier nach der ersten Maßnahme gefragt. Ich glaube kaum, daß das Punktieren noch vor so einer einfachen Maßnahme wie O2-Gabe ansteht!

28.08.2001, 18:13
Notfallmedizin

ZVK/PEEP

1. Natürlich ist der ZVK in so einer Situation blanker Unsinn, vor 15 Jahren galt das mal als schick. Die Tatsache, daß das eine Richtigantwort sein soll, hängt vielleicht nicht unerheblich mit dem weit fortgeschrittenen Alter und der weit zurückliegenden letzten praktischen arbeit der Herren vom IMPP zusammen. Der ZVK ist nicht falsch hier, aber lange überholt und möglicherweise völlig obsolet.

2. Die Geschichte mit dem PEEP ist aber noch idiotischer. Indikation sind nicht einfach schwere Oxygenierungsstörungen. Der Indikationskatalog ist eng begrent auf Erkrankungen, die unmittelbar mit der alveolären Diffusion etc. zu tun haben, klassischerweise bei der CO-Intox und beim Lungenödem. Sonst nicht. Fast nie. Im vorliegenden Fall muß zunächst durchaus von einem Polytrauma ausgegangen werden, solange die Annahme nicht widerlegt ist, und Beatmung mit PEEP wäre z.B. bei einer Lungenkontusion oder einem beginnenden Pneu hochgradig riskant, da man dadurch möglicherweise weitere Schädigungen setzt.

3. Die Pleurapunktion steht praktisch und theoretisch absolut an erster Stelle. Was nützen Dir zwei Druckinfusionen über großlumige Zugänge, die zwar auch indiziert sind, wenn mit jedem Atemzug die Auswurfleistung durch den Spannungspneu kleiner wird? Der Patient hat ohne Punktion keine Chance, das Volumen überhaupt noch bis ins Herz zu bekommen. Es geht hier nicht um einen "normalen", sondern um einen Spannungspneu!

28.08.2001, 18:19
Original geschrieben von Unregistered
Es war hier nach der ersten Maßnahme gefragt. Ich glaube kaum, daß das Punktieren noch vor so einer einfachen Maßnahme wie O2-Gabe ansteht!

Bei einer Reanimation fängst Du ja auch nicht mit der Anamnese an.

Bei uns haben sie uns sogar in der Ausbildung zum RettAss (übrigens in Marburg, hallo ans MKT) beigebogen, wie wir das machen sollen im Falle eines Falles, auch dann, wenn der Notarzt noch nicht da ist (im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes). Ein Unterlassen ist ein Kunstfehler.

28.08.2001, 18:24
Ich will da ja nicht lassen, Punktion muß sein - klar!, aber Du wirst doch wohl zugeben, wenn da im Auto einer mit Dyspnoe sitzt, dann is die O2-maske schneller drauf als Du Deine Punktionskanüle auspacken kannst!

28.08.2001, 18:40
Original geschrieben von Unregistered
Ich will da ja nicht lassen, Punktion muß sein - klar!, aber Du wirst doch wohl zugeben, wenn da im Auto einer mit Dyspnoe sitzt, dann is die O2-maske schneller drauf als Du Deine Punktionskanüle auspacken kannst!

Deine Hartnäckigkeit ehrt Dich ja, aber alles, was Du beim Spannungspneu mit einer 02-Maske bewirkst, ist eine tolle Sauerstoffsättigung innerhalb des Pneus. Die gesunde Lungenhälfte dürfte davon nicht wirklich profitieren, der therapeutische Effekt geht gegen Null. Und eine Kanüle kann ich schneller auspacken, als Du gucken kannst... ;-)

29.08.2001, 00:13
Wunderbar, diese Diskussion, hab mich sehr amüsiert, danke an alle Beteiligten! ICH schließe mich der Meinung des "Intensiv-Doktors" an, und zwar nicht nur theoretisch, sondern auch ganz praktisch!

30.08.2001, 18:26
Wer behauptet, dass man einen ZVK als Ersatz für einen peripheren Zugang zur schnellen Volumensubstitution verwenden kann, hat dies offensichtlich noch nie in der Praxis gesehen oder gar ausprobiert.

Ein ZENTRAL-Venöser-Katheter ist aufgrund seiner Länge und seines Durchmessers gemäß dem Gesetz nach Hagen-Poiseuille zur schnellen Infusion von großen Flüssigkeitsmengen völlig ungeeignet und wird dafür auch im Notfall in der Regel nicht verwendet.

Wenn kein peripherer Zugang gefunden werden kann, könnte eine Schleuse oder NUR die Punktionskanüle des ZVK-Sets einen großlumigen Zugang z.B. in die V.subclavia schaffen. Dann handelt es sich aber definitionsgemäß nicht mehr um einen ZVK.

Es erscheint mir im Rahmen dieser Diskussion daher völlig indiskutabel, ob der ZVK für die Volumensubstitution im manifesten Schock (!!) in Frage kommt.

02.09.2001, 21:40
wer legt denn präklinisch einen ZVK? das darf ja wohl nicht wahr sein...!