PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fachwahl - Innere oder Psychiatrie?



genau-der-da
25.03.2014, 21:33
Hallo,
ich befinde mich derzeit im letzten PJ-Tertital und langsam muss ich mir dann doch überlegen in welcher Abteilung ich mich bewerbe.

Ich habe als Wahlfach Psychiatrie gemacht und mir hat es eigentlich sehr gut gefallen. Die Patienten und Krankheitsbilder sind spannend, man hat meistens genügend Zeit für die Patienten, der Patientendurchlauf ist gering (demzufolge kein täglicher Kampf mit gefühlten 100 Briefen), die Dienstbelastung scheint relativ gering zu sein. Die Fachärzte gingen abends im Dienst nach Hause (Uniklinik) und hatten nur Rufbereitschaft. Außerdem, und das ist mir besonders wichtig, ist aufgrund der geregelten Arbeitszeiten Forschung nebenbei anscheinend gut möglich. Der Konkurrenzkampf schien gering (rel. wenige waren an Forschung interessiert trotz Uniklinik) und bei gutem Personalstand blieb auch während der Arbeitszeit hier und da mal Zeit etwas für die Forschung zu tun oder auch gut, um mal im Fachbuch was in Ruhe nachlesen zu können und - sehr angenehm - Mittag essen zu gehen.

Da ich während des Psychiatrietertials nicht auf der geschlossenen tätig war, wurde es mir manchmal etwas langweilig. Notfälle gab es eigentlich nicht, invasive Tätigkeiten gab es auch keine. Hauptsächlich hat man den Tag mit Visiten, Aufnahmeuntersuchungen und hier und da Gesprächen verbracht. Irgendwie hat mir etwas die Action gefehlt ;) Ich war zwei Tage zwischenzeitlich auf der geschlossenen, da habe ich gemerkt, dass da gefühlt alle halbe Stunde ein Arzt irgendwo akut benötigt wurde - es kann also logischerweise auch anders sein. Nichtsdestotrotz haben mir zumindest auf meiner Station die kleinen netten invasiven Tätigkeiten (Braunülen, Punktionen), technischen Errungenschaften (Sonographie) und Laborinterpretationen gefehlt. Die Diagnose wurde halt - im Gegensatz zur Inneren - oft nur an Hand des Gesprächs (und der Ausschlussdiagnostik gestellt). Die Spannung (hat der Pat. vielleicht sogar eine PSC? Eine Hep. C? Oder ist die Hepatitis doch infektassoziiert?), die die laborchemische Diagnostik oder auch der Blick auf das Sonogerät, das EKG oder bei der Endoskopie ermöglichen, hat mir irgendwie gefehlt. Die paar wenigen offensichtlichen Sachen (EEG, Lumbalpunktionen) wurden von Neurologen gemacht.

Nachdem ich die Abwechslung in der Gastroenterologie gesehen habe, die man als späterer Facharzt so haben kann (verschiedene Endoskopien mit diagnostischen und vielerlei therapeutischen Möglichkeiten, Spezialsprechstunden, Visiten, Notaufnahme), habe ich mich manchmal gefragt, was machen eigentlich die Oberärzte in der Psychiatrie so? Neben Verwaltungskram, Forschung und Lehre, wahrscheinlich "nur" Visiten und Sprechstunden. Oder täusche ich mich (ich lasse mich gern eines Besseren belehren).

Obwohl mir die Innere aus oben genannten Gründen derzeit mehr zusagt, schrecken mich doch die Arbeitszeiten (Überstunden), Dienste (auch als Facharzt) und schlechte Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Forschung doch ab. Das alles spricht für Psychiatrie. Und die Tatsache, dass man mit Labor (außer Ausschluss, Nebenwirkungen suchen und Spiegelkontrollen) in der Psychiatrie nicht so viel zu tun hat, führt auch dazu, dass man sich wahrscheinlich jeden Tag freut nicht wie auf Inneren 100 Blutabnahmen machen zu müssen. Auch jede invasive Tätigkeit, die Spaß macht, kostet natürlich Zeit, fällt in der Psychiatrie natürlich weg.

Sorry für den langen Text. Falls es wer bis hierher geschafft hat, freu ich mich über jegliche Anregungen, Richtigstellungen etc. pp.! Liebe Grüße

Mondschein
25.03.2014, 21:53
Hi,
also erst mal kenn ich Psychiatrien, die LPs und z.B. EKT und sowas machen, das ist schon auch ein bissl invasiv ab und zu, hängt wohl vom Haus ab.
Wenn du schwankst: Ein Jahr Innere ist nie verkehrt und würde dir auch für die Psychiatrie viel bringen, denke ich. Gerade intoxikierte Patienten oder geriatrische Patienten haben ja auch internistische Probleme, die einem in der Psychiatrie begegnen können. Und ein EKG (QT-Zeit-Messung) sollte man ja auch lesen können. Insofern kannst du da nur sinnvolles Wissen gewinnen. Eventuell gefällts dir, dann bleibst du bei der Inneren, wenn du aber merkst, dass doch die Psychiatrie eher deine Welt ist, dann wechselst du und kannst ne Menge Sachen wertvoll einbringen.
Die Zeitfrage (ich mach selbst Innere) ist nicht wegzudiskutieren und stellt je nach Fokus ja ein wichtiges Argument dar.

LasseReinböng
25.03.2014, 22:02
Meine ehemaligen Kommilitonen in der Psychiatrie sind mit ihrer Arbeit alle sehr zufrieden und würden nicht wechseln wollen, stellen aber auch gelegentlich fest, daß sie sich manchmal nicht mehr wie "richtige Ärzte" fühlen. Das bisschen Somatik was man macht, ist eben nicht sehr viel.

Bandwurm
26.03.2014, 10:06
Als Oberarzt in der Psychiatrie masst du auch nicht viel anderes. Meist machst du neben Visiten, eher "Spezialsachen", wie EKT, und bist häufig für die Ambulanz zuständig. Ist halt geschmackssache. Internisten leiden halt oftmals darunter, wenn sie nicht technikaffin sind, dass die eigenen Untersuchungen so wenig zählt. soll alles abgesichert sein mit 1299 Untersuchungen. Genau dass ist in der Psychiatrie anders, du machst zwar ausschlussdiagnostik, aber letzendlich machst du eine saubere Anamnese, Beobachtung und Befunderhebung und machst daraus eine Diagnose und hast nebenbei bei den oft monatelangen Verläufen auch eine "hausärztliche" Tätigkeit, Husten Schnupfen, Heiserkeit, Allergien und den ganzen Krimskrams. In der Medikation überschneiden sich die Fächer, Internisten und zumindest die "guten" Psychiater kennen sich mit der Medikation gut aus. Ich finde es ein sehr schönes Fach, man muss es aber mögen. Und wie Mondschein schon sagt, im Zweifel ein Jahr innere und dann weiter sehen.

EKT
26.03.2014, 11:04
Für die somatischen Dinge in der Psychiatrie braucht man keine Zeit in der Inneren. Wenn man im Studium aufgepaßt hat und ansonsten bereit und in der Lage ist, sich selbständig fortzubilden, reicht das völlig aus!
Ansonsten sollte man kein Fach wählen, nur weil es bestimmte Unannehmlichkeiten nicht beinhaltet, sondern sich ganz klar darüber sein, was man an diesem Fach schätzt. Leute, die sich in der Psychiatrie nicht als Arzt fühlen, haben etwas Wesentliches nicht verstanden, nämlich daß gute Anamnese, Krankenbeobachtung, aber auch die Nutzung des eigenen Seelischen als Diagnostik- und Therapieelement (erfordert umfangreiche Supervision, Selbsterfahrung, Balintarbeit) ureigenste ärztliche Tätigkeiten sind.

nole
26.03.2014, 11:08
Ich finde du hast die wichtigsten Punkte schon genannt. Denen stimme ich auch nach meiner Erfahrung nach zu. Habe mit Innere angefangen (1 Jahr) und bin nun seit einem Jahr in der Psychiatrie. Psychiatrie ist, wenn es um die organische Ausschlussdiagnostik geht, ein sehr schönes Fach. Wir machen regelmäßig MRs vom Kopf, EKG, EEGs und selbstständig Lumbalpunktionen und EKTs. Meistens bleibt die Diagnostik allerdings ohne wegweisenden Befund und das Gespräch wird dein hauptsächliches Instrument. In der Facharztausbildung wirst du deine Zeit auch hauptsächlich auf offenen, eher wenig akuten Stationen verbringen und dann kann das schon für etwas weniger Psychotherapie Interessierte langweilig werden.
Für mich hört sich das genau danach an ;)
Ein wichtiger Punkt ist auch die Tatsache wo du dich später siehst. Möchtest du an der Klinik bleiben, oder doch in die Niederlassung? Mit wenigen Jahren Innere (z.B. 2 Jahren) stehen dir mehrere Möglichkeiten offen (u.a. Allgemeinmedizin). Dann kann man die Arbeitsbelastung und Dienstbelastung auch besser ertragen.
Im Endeffekt wird es sicher nicht schaden einfach mal beides auszuprobieren. Würde (wie meine Vorgänger bereits gesagt haben) mit Innere anfangen und nach einem Jahr nochmal überlegen und ggfs. ein Jahr Psychiatrie anschließen. Innere brauchst du immer, Psychiatrie kann sehr hilfreich sein ist aber kein absolutes Muss :)

ninakatharina
27.03.2014, 21:11
Ich stehe vor einer ganz ähnlichen Fragestellung, wobei bei mir als dritte Option noch Psychosomatik im Raum steht... quasi als Fusion mit der Inneren + mehr Psychotherapie als in der Psychiatrie... auch möchte ich gerne in die klinische Forschung.
Aus diesem Aspekt heraus denke ich dass bzgl. Zeit fürs Forschen, für den einzelnen Patienten, aber auch Freizeitmäßig Psychiatrie die bessere Wahl ist, da der PatientInnendurchlauf geringer ist und die Patienten längere Liegezeiten haben...

Speranza100
28.03.2014, 09:50
Ich stand vor einer ähnlichen Entscheidung, habe zunächst die Innere gewählt, warum auch immer genau weiß ich nicht, es war mir eine Lehre in der Form, dass ich die Anforderungen und Belastungen am Arbeitsplatz nur "aushalte", wenn es mich wirklich interessiert, dann kann man leisten, tun und machen, wenn man zumindest einer Grundvoraussetzung an Freude und Interesse zur Arbeit geht - deswegen habe ich ganz schnell gewechselt... in der Psychiatrie sind es andere Belastungen, aber ja, Dienstmäßig gebe ich dir Recht, ist es in der Psychiatrie entspannter. Man kann halt Glück oder Pech haben.
Trotzdem: wenn du nicht gerne redest oder nicht so viel denke lieber nochmal drüber nach. Ich fahre manchmal abends nach Hause und habe das Gefühl nur noch schweigen zu wollen weil ich meinen Mund fusselig geredet habe. Aber ich finde es spannend, mir die Anamnesen anzuhören, ich finde es spannend, zu sehen, wie die Patienten sich entwickeln und Fortschritte machen, man braucht viel mehr Geduld um "Erfolge" zu sehen, die ja auch in der Psychiatrie desöfteren nur kurzlebig sind. Wenn man aber gerne die Arbeit macht, steht für mich alles andere hinten an... meine Meinung. Das ist für mich Lebensqualität.
Viel Erfolg bei der Suche und das richtige Bauchgefühl bei der Wahl.

genau-der-da
28.03.2014, 12:45
Vielen Dank für die zahlreichen und zugleich hilfreichen Anregungen!

Das Reden würde mich in der Psychiatrie vermutlich nicht so stören, zu mal ich aus dem Vergleich PJ Innere - Psychiatrie nicht wirklich Redeunterschiede feststellen konnte. In der Inneren wechseln die Patienten ständig, so dass man mit viel mehr Patienten und deren zahlreichen Angehörigen in der gleichen Zeit reden muss verglichen mit der Psychiatrie. Dort sind die Gespräche sicherlich länger aber es wurde nicht mal jeden Tag eine Visite gemacht und Psychologen haben einiges an Redearbeit abgenommen, so dass es mir jetzt nicht wesentlich mehr vorkam.

Was die Annehmlichkeiten oder Unannehmlichkeiten betrifft, da bin ich pragmatisch. Ich war schon immer vielseitig interessiert und Arbeitsbedingungen, Work-Life-Balance etc. werden wesentlich in meiner Entscheidung mit einfließen. Denn das schönste Fach macht keinen Spaß, wenn der Rahmen nicht stimmt. Und das Fach, was man vielleicht nie machen wollte, kann mit guten Rahmenbedingungen und einem guten Team zum Traumfach werden.

Und da ich (aus heutiger Sicht) in der Klinik bleiben möchte (Forschung), muss ich mich halt auch fragen, ob ich z.B. noch mit 60 meinen Tag in der Endoskopie verbringen will. Fragen über Fragen ;)

Liebe Grüße

Meridion
28.03.2014, 20:14
Ich persönlich stand vor derselben Wahl, weil mir beide Disziplinen Spaß gemacht hatten im Studium und PJ, und Psychiatrie hat wie bereits erwähnt zwei entscheidende Vorteile: Man kann sehr selbstständig arbeiten und mit gescheiter Interaktion mit den Pat. auch was bewegen (im Gegensatz zu Funktionsdiagnostik>alles in der Inneren), und zum anderen der Faktor Work-Life-Balance: In der Psychiatrie sind die vertraglichen Arbeitszeiten halbwegs einzuhalten und man bekommt nicht das Gefühl, nur noch für den Beruf zu leben.

VG

timetogo
31.03.2014, 12:01
Hast Du schon mal über das Fach "Psychosomatische Medizin und Psychotherapie" nachgedacht? Das ist deutlich somatischer als die Psychiatrie mit sehr spannenden Patienten, die somatisch und psychosomatisch abgeklärt werden müssen. Und dazu gibt es im Gegensatz zur Psychiatrie eine weitaus umfassendere psychotherapeutische Ausbildung. Das bedeutet allerdings auch, dass der Weiterbildungkatalog riesig ist und nur mit Schmackes in 5 Jahren zu erfüllen ist. 1 Jahr Innere und 1 Jahr Psychiatrie gehören dazu. Also ein wunderbares Rundum-Paket, das richtig viel Spaß macht! Ich kann es nur empfehlen, gerade den Leuten, deren Herz neben einer echten Psychotherapie-Ausbildung auch weiter an der Somatik hängt! Die Psychosomatik ist sicher das bunteste aller Fächer und wird nie langweilig! :-love

morgoth
31.03.2014, 17:12
Dafür ist das Klientel aber nicht das einfachste - oder bin ich jetzt in eine Klischee-Falle getappt?

EKT
31.03.2014, 17:40
Hast Du schon mal über das Fach "Psychosomatische Medizin und Psychotherapie" nachgedacht? Das ist deutlich somatischer als die Psychiatrie ...

Selten so gelacht............................:-keks

psycho1899
31.03.2014, 20:04
Hast Du schon mal über das Fach "Psychosomatische Medizin und Psychotherapie" nachgedacht? Das ist deutlich somatischer als die Psychiatrie mit sehr spannenden Patienten, die somatisch und psychosomatisch abgeklärt werden müssen.

Wirklich? ;-)

Während meines Psychiatriejahres war es eher so, dass die primär "somatisch" kranken Patienten auf der Sucht und der Geronto lagen. PSM war so weit vom Rest der Medizin entfernt wie nur irgendwie denkbar. PSM waren vorwiegend Borderliner und Essstörungen. Sehr spezielles Patientengut. Die Mehrheit der Therapie erfolgte durch Psychologen. Die paar Ärzte, die dort tätig waren, waren vom Dienstsystem 'befreit'... zum eigenen und zum Patientenschutz.

Snowcake
31.03.2014, 20:28
Wirklich? ;-)

Während meines Psychiatriejahres war es eher so, dass die primär "somatisch" kranken Patienten auf der Sucht und der Geronto lagen. PSM war so weit vom Rest der Medizin entfernt wie nur irgendwie denkbar. PSM waren vorwiegend Borderliner und Essstörungen. Sehr spezielles Patientengut. Die Mehrheit der Therapie erfolgte durch Psychologen. Die paar Ärzte, die dort tätig waren, waren vom Dienstsystem 'befreit'... zum eigenen und zum Patientenschutz.

So kenne ich das auch. Die Patienten, die in die PSM überwiesen werden, sind doch in der Regel schon (meist mehrfach) somatisch abgeklärt worden. Dafür kann man mich jetzt steinigen, aber ich sehe die PSM eher als eine gute Alternative zum Berufsbild des Psychologischen Psychotherapeuten. Und das meine ich jetzt keineswegs abfällig, sondern begrüße diesen Facharzt, der unter den Kollegen ja doch ein bisschen um Anerkennung ringt, sehr. Die Seele hat auch einen Arzt verdient...um es etwas kitschig auszudrücken.
Aber vom Kern der klinischen Medizin muss man da schon ein gutes Stück Abstand nehmen, denke ich.

Bandwurm
31.03.2014, 22:23
Dito, in der Psychiatrie sollte man schon somatisch ein recht gutes Auge haben, eine recht breite medizinische Allgemeinbildung ist bei der typischen stationären Klientel 50 aufwärts recht hilfreich und manchmal einfach notwendig, das viele psychiatrische Krankheitsbilder "kopiert" werden von diversen Substanzen und Krankheiten, ist zwar häufig bekannt, aber trotzdem im Zweifelsfalle vom netten Psychiater vor Ort festzustellen.

Listerien
29.01.2020, 23:04
Hallo Theradshersteller,

darf man fragen wofür hast du dich letztendlich entschieden?
Ich stehe vor sehr ähnlichen Fragestellung.