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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hepatorenales Syndrom



Nessiemoo
25.04.2014, 16:40
Hi,

Bin grade am lernen und bin beim hepatorenalen syndrom stecken geblieben - wie genau entsteht er? Ich lese erst was über Vasokonstriktion wegen RAAS, andererseits was über arterielle Hypotonie? Und dann über Vasodilatation? Und wieso hilft da Terlipressin?

Und wieso hilft Terlipressin parallel auch bei Varizenblutung?

Irgendwie hab ich das Gefühl, dass ich was einfaches übersehe und deswegen total aufm Schlauch stehe ^^.

Rico
25.04.2014, 18:47
Portale Hypertension --> Flüssigkeitsverlust ins Peritoneum (aka Aszites) --> deshalb Volumenmangel systemisch (Hypotonie) --> RAAS zur Natrium- und Wasserrückresorptionssteigerung (deshalb niedriges Urinnatrium <10 - wichtiges diagnostisches Kriterium) --> mehr zirkulierendes Volumen, leider auch im portalvenösen System, deshalb mehr portale Hypertension --> mehr Verlust als Aszites --> fertig ist der Teufelskreis.

Terlipressin in senkt den portalvenösen Drück und soll so den Teufelskreis unterbrechen - bei den Varizenblutungen nimmt es auch durch die Drucksenkung Druck vom Umgehungskreislauf. Beim HRS deshalb auch immer an das Albumin denken und ggf. anheben, das hilft auch.

Sebastian1
25.04.2014, 21:52
Was ich dabei nicht verstehe, ist, das Terlipressin offenbar auch als Bolus mehrfach täglich gegeben werden kann. Ich kenne die Anwendung als Perfusor (beim hrs) und finde die vom Modell her auch einleuchtender. Eure Erfahrungen?

Rico
25.04.2014, 22:40
Die Applikationsart hat vielleicht organisatorische Gründe. Wir haben es auf ITS in der Regel als Perfusoren, auf Normalstation als Bolus.
Terli hat ja ein relativ ungünstiges UAW-Profil mit Hypo- und/oder Hypertension, Bradykardien, Torsaden, etc... und die Applikation macht den Patienten jetzt quasi überwachungspflichtig. Ist jetzt auf der ITS nicht so das Problem, auf Normalstation schon, da ist ja gerade nachts kein Arzt direkt greifbar und eine wirklich engmaschige RR-Kontrolle ist auch nicht drin.
Bei der Bolusgabe steht der Arzt dann wenigstens während der Injektion direkt daneben (ist zumindest bei uns nicht deligierbare ärztliche Aufgabe) und die Pflege misst noch 10min alle 2min Puls+RR, dann sind die wildestes Nebenwirkungen schon überstanden.

Nessiemoo
26.04.2014, 12:17
Hm, was ich dabei nicht verstehe ist wie terlipressin (dass ja vasokonstriktion macht) den Druck in portalvenösem System zu senken schafft?

Rico
26.04.2014, 14:38
Terli wirkt nicht an der Pfortader sondern systemisch vasokonstriktorisch und hier v.a. im Splanchnikus-Gebiet (sonst könnte man ja jeden beliebigen Vasokonstriktor nehmen). Es stellt quasi die "Zuleitung" eng, sodass weniger Blut reinfließt und dann auch weniger aus dem Splanchnikus-Gebiet von der Pfortader drainiert werden muss - netto sinkt deshalb der Druck vor der Leber.

Sebastian1
26.04.2014, 16:36
Logistisch verstehe ich deine Erklärung bzgl Perfusor vs Bolus, pathophysiologisch nicht, Rico. Wenn ich einen Vasokonstriktor als Bolus gebe, der eine sehr kurze HWZ hat, dann habe ich eine kurze Wirkspitze und dann wieder nichts. Was bringt es mir bei einem solchen System, mehrfach kurz statt kontinuierlich den portalvenösen Druck zu senken um ihn danach wieder in die Höhe schnellen zu lassen?

Zum Thema "beliebiger Vasokonstriktor": Es scheint Studien zu geben, die nahelegen, dass beim HRS Noradrenalin genauso anwendbar ist wie teripressin (so jedenfalls neulich ein Einwurf in unserer Visite, ich hab die Quelle dazu nicht erfragt).

Nessiemoo
27.04.2014, 17:32
Oki, danke, ich glaube ich habs verstanden :) Also Volumenmangel, weniger Durchblutung der Niere, RAAS, was das noch schlimmer macht und verstärkte Rückresorption?

Mir kommt momentan das Gefahr einer Hypertonie bei Ösophagusvarizenblutung etwas kontraintuitiv vor, aber das kann man dann wahrscheinlich je nach Kreislauflage dann entsprechend verbessern mit Betablockern o.ä?

Rico
27.04.2014, 20:15
Oki, danke, ich glaube ich habs verstanden :) Also Volumenmangel, weniger Durchblutung der Niere, RAAS, was das noch schlimmer macht und verstärkte Rückresorption? Hm, also ich hätte es - wenn Du es mit so erklärt hättest - glaub nicht verstanden. :-))
Wichtig ist halt immer, dass Du weißt, in welchem Kompartiment jetzt zuviel oder zuwenig ist, denn das Problem ist ja im Prinzip ein Verteilungsproblem zwischen Blut systemisch, potalvenös und dem dritten Raum.

Mir kommt momentan das Gefahr einer Hypertonie bei Ösophagusvarizenblutung etwas kontraintuitiv vor, aber das kann man dann wahrscheinlich je nach Kreislauflage dann entsprechend verbessern mit Betablockern o.ä?Zum einen behandelt man ja auch das HRS damit, zum anderen kann das einen krisenhaften Blutdruckanstieg machen, egal wie vorher der Druck war (wird zwar wenn es irgendwo weiter blutet kein Dauerproblem werden, aber immerhin).
Anyway, Betablocker wären jetzt nicht mein Mittel der ersten Wahl, weil schlecht steuerbar und außerdem maskieren sie ja den Frequenzanstieg bei relevanter erneuter/fortgesetzter Blutung. Die Fachinfo empfiehlt in den Fall Alphablocker, z.B. Clonidin, wenn das nicht verfügbar ist, dann kann man sicher auch was kurzwirksames wie Urapidil nehmen.
Wenn es blutet, dann wäre ich aber mit einer antihypertensiven Therapie sehr zurückhaltend - zumindest solange ich jetzt nicht fürchten muss dass da gleich die Kalotte wegfliegt.

Rico
27.04.2014, 20:22
Logistisch verstehe ich deine Erklärung bzgl Perfusor vs Bolus, pathophysiologisch nicht, Rico. Wenn ich einen Vasokonstriktor als Bolus gebe, der eine sehr kurze HWZ hat, dann habe ich eine kurze Wirkspitze und dann wieder nichts. Was bringt es mir bei einem solchen System, mehrfach kurz statt kontinuierlich den portalvenösen Druck zu senken um ihn danach wieder in die Höhe schnellen zu lassen?So kurz ist die Halbwertszeit auch nicht, schließlich ist Terlipressin nur das Prodrug, ich zitier mal die Fachinfo:

Aus dem inaktiven Pre-Hormon Terlipressin wird das bioaktive Lysin-Vasopressin langsam freigesetzt und durch die parallel zur Freisetzung ablaufende metabolische Elimination über einen Zeitraum von 4 – 6 Stunden in einem Konzentrationsbereich oberhalb der minimal wirksamen Konzentration und unterhalb der toxischen Konzentration gehalten.

Mondschein
28.04.2014, 00:32
Noradrenalin ist in kleinen Studien dem Terlipressin tatsächlich gleichwertig. Bsp: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22322237
Wenn jemand mit HRS auf unserer Intensiv Nor braucht, kriegt er daher in der Regel kein Terli dazu.
Ob Terli oder Somatostatin bei der Varizenblutung besser ist, ist ja auch umstritten, es gibt in den Studien (und die Studienlage ist insg. eher mau) kleine Vorteile für Terli, aber es ist halt teuerer. Wir handhaben es etwa so: Ösophagusvarizenblutung und Nierenprobleme --> Terli, perfekte Niere --> Somatostatin.
Zurück zum HRS: Die Studien sind alle mit Bolusgaben, soweit ich weiß (hab sie jetzt nicht parat, kann sie morgen raussuchen, wenns jemand ganz genau wissen will), die meisten Kliniken geben es aber als Perfusor. Ist besser steuerbar.

Und noch zur Frage Ösophagusvarizenblutung und Vasokonstriktoren und Hypertonie: Natürlich treibt man den Patienten nicht mit maximaler Vasokontriktorengabe in die Hypertonie. Aber den Ösophagusvarizenbluter muss man mir auch erst mal zeigen, der unter Terli oder Somatostatin massiv hyperton wird (von kleinen Blutdruckspitzen mal abgesehen). In der Regel reden wir ja da schon von schwerkranken Patienten, die sind intubiert und sediert (da lässt sich der RR ja auch schon in Schach halten) und wenn man sie noch adäquat transfundiert (also knapp!), dann sind die sowieso eher hypoton denn hyperton. Ist also eher eine theoretische Diskussion für leichtere Blutungen mit nicht instabilen Patienten meines Erachtens.