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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Die Psychiatrie und ihr schechtes Image



SarahJulia90
27.04.2014, 13:18
Hallo liebe Psychiater!

In der letzten Zeit habe ich mich nebenbei ein wenig mit der Psychiatrie beschäftigt. Kein Geheimnis dürfte ja das schlechte Image des Fachs sein. Das Ausmaß hat mich dann aber doch überrascht. Liest man irgendwo im Netz einen Artikel, der sich mit der Psychiatrie beschäftigt, findet sich fast immer ein Haufen Leserkommentare, in denen die Psychiatrie scharf kritisiert wird, oftmals von ehemaligen Patienten. Die Klassiker sind Aussagen a la "Pseudowissenschaft", "menschenverachtend", "Freiheitsberaubung" etc.. Gibt man bei Youtube den Suchbegriff "Psychiatrie" ein kommen auch zum Großteil sehr psychiatriekritische Videos. Weiter geht es in meinem (recht linken) Umfeld: fängt man mit dem Fach an, kommen sofort Aussagen wie "gehört abgeschafft", "Psychiatrien sind repressive Trutzburgen des Systems" (hab ich genau so gehört, kein Witz), bis hin zu "faschistoide Ärzte".

Das Ding ist, dass ich das Fach sehr interessant finde, ich merke aber leider, dass mich dieses ganze Negative doch beschäftigt. Ich halte das natürlich größtenteils für Quatsch, hätte aber wenig Lust auf immerwiederkehrende Diskussionen in meinem späteren Leben. Leider rege ich mich da nämlich immer furchtbar auf:-blush

Begegnet euch oben Genanntes häufiger in eurem beruflichen oder privaten Alltag? Wie geht ihr damit um?

flopipop
27.04.2014, 13:27
wenn dir das fach gefällt, dann tue es einfach! wenn interessiert die unqualifizierte meinung der anderen, wenn man sich selbst wohlfühlt? ich denke nicht, dass man eigene berufswahl so stark von der meinung des soziums (bzw. in diesem fall eher der minderheit) abhängig machen sollte.

Miss
27.04.2014, 13:41
Ähm, ehrlich gesagt ist mir das so noch nie begegnet. Es ist zwar ein Fach, welches meist sehr polarisiert, entweder man macht es und das auch meist gerne und mit Begeisterung (hab ich bisher so erlebt) oder man könnte es sich im Leben nicht vorstellen.
Das ist eher kein Verlegenheitsfach, welches man macht, weil man bei den anderen nicht so genau weiß.
Wenn Dich Psychiatrie interessiert, dann mach es (oder schnupper zumindest mal rein).

Ich persönlich finde das Fach auch interessant, meine Mutter arbeitet auch dort -und ich habe daher immer schon was mitbekommen. Bin in meinem Praktikum in der Ki-Ju-Psychiatrie gelandet und hätte mir das gut vorstellen können, wenn mir dann nicht die klinische Medizin gefehlt hätte.

Fr.Pelz
27.04.2014, 17:09
Ich will hier mal die provokante These aufstellen, dass die, die schlechte Erfahrungen mit der Psychiatrie gemacht haben, meist als Patienten, eben besonders laut sind mit ihrer Kritik, die z.T auch unberechtigt ist. So ein youtube-Video ist schnell gemacht und ist eben eine subjektive Sicht auf die Dinge. (Guck mal in den Thread zu "Patientin verklagt psychiatrische Klinik" hier im Forum)
Wenn dich das Fach interessiert, schau rein, und bilde dir deine eigene Meinung.
Und wenn dich jemand als angehende Psychiaterin kritisiert, musst du eben standhaft sein und gegen Vorurteile argumentieren. Andere Fachrichtungen haben ja auch mit Vorurteilen zu kämpfen (Chirurgen operieren zu viel, um Geld zu scheffeln, Pathologen sind neurotisch am Tod interessiert etc) und überhaupt sind Ärzte ja Aufschneider, sehen nie den ganzen Menschen und es geht ihnen nur um Geld…
In meinem Psychiatrie-Tertial gab es zumindest keinen Psychiater, der sehr unter der Außenwahrnehmung seines Faches gelitten hätte.

EKT
27.04.2014, 17:25
Zum einen ist es so, wie in jedem anderen Fach, daß es gute, mittelmäßige und schlechte Behandler gibt. Manche Patienten bedanken sich für gute Therapie, andere nicht, manche schlecht behandelten Patienten beschweren sich im Internet, andere nicht - alles nichts besonderes.
Was aber dieses Fach besonders macht, ist, daß es nicht um Körperteile und Organfunktionen geht, von denen man sich als Person distanzieren kann, sondern es geht um das Menschsein an sich. Damit konfrontiert zu werden, kann bei Patienten zu schwerem Kränkungserleben führen. Und leider ist es so, daß viele in den Psycho-Fächern Tätige nicht gelernt haben, wie man mit entsprechenden Verwicklungen umgeht. Ursachen sind mangelnde Supervision und Selbsterfahrung. Fast kein Psychiater und auch nicht viele Psychotherapeuten arbeiten ihre eigenen Neurosen in einer Therapie auf - mit fatalen Folgen für die Patienten (auch wenn es "nur" um Schizophrene, Suchtpat. oder Demente geht).
Wenn man beherzigt, daß zur guten Praxis der Psychiatrie/Psychotherapie neben hohem Fachwissen und Erfahrung eben diese Dinge unbedingt dazu gehören, erfährt man durchaus viel positive Rückmeldung von Pat., Angehörigen und auch psychiatriefernen Kollegen. Also, laß Dich nicht abschrecken - es lohnt sich!

Mano
27.04.2014, 17:27
Ich glaube wer Formulierungen wie "Trutzburgen des Systems" und "faschistioide ..." verwendet, wird vermutlich nicht nur Psychiater kritisieren... Das ist ein Diskussionsniveau auf das ich gar nicht einsteigen würde.
Und undankbare Patienten gibt es überall - und du wirst wohl kaum jedem in der Psychiatrie helfen können, von daher wird es natürlich auch immer Leute geben, die sich beschweren und gleich das Fach an sich in Frage stellen.
Aus meinem persönlichen Umfeld kenne ich zwei Psychiatrie-Patienten die sehr zufrieden mit ihrer Therapie waren.

Fritzi123
27.04.2014, 21:32
Hi, also ich bin selbst noch Schüler, jedoch mit dem festen Entschluss Medizin zu studieren, und zwar mit dem Ziel Facharzt Psychiatrie/Psychotherapie. Wollte eigl. zuerst Psychologie studieren, nach reiflicher Überlegung und Infos sammeln ;) hab ich mich dann nochmal anders entschieden..

Also wenn du willst kannst du ja mal dieses Buch lesen http://www.amazon.de/Irgendwie-kommt-anders-Psychiater-erz%C3%A4hlen/dp/3642203825 . Dies hier fand ich auch nicht schlecht, gibt denke ich einen realitätsnahen Einblick aus Sicht einer „gut“ motivierten Ärztin http://www.focus.de/finanzen/karriere/perspektiven/berufe/tid-9032/psychiater_aid_262765.html

Also ich persönlich kann mir nicht vorstellen, mich irgw „nur“ um Körperteile zu kümmern, diese zu operieren usw. (soll natürlich nichts Negatives diesbezüglich ausdrücken). Denke das ist einfach Interessenssache, manche würden gern das machen, andere das. Würde auch empfehlen irgw wann mal wie oben erwähnt einen Einblick zu bekommen wie die Arbeit dann aus Sicht eines Arztes aussieht, denke das hat dann am meisten Aussagekraft.. Auch wenn man es vll nicht glaubt, viele Leute quatschen dahin ohne wirklich Bescheid zu wissen ;) (evtl. finden die das dann auch irgw raus, wenns gut läuft). Denke über sowas muss/sollte man sich nicht ernsthaft Gedanken machen.

EKT
28.04.2014, 07:27
und zwar mit dem Ziel Facharzt Psychiatrie/Psychotherapie. Wollte eigl. zuerst Psychologie studieren, nach reiflicher Überlegung und Infos sammeln ;) hab ich mich dann nochmal anders entschieden.

Sehr kluge Entscheidung!*gefaelltmir*

tensun
28.04.2014, 10:35
Seh ich auch so. Es gibt immer wieder Leute die es erst nach dem Psychologiestudium merken ^^

Snowcake
28.04.2014, 10:48
Ich finde, da muss man sehr unterscheiden. Erst einmal hat ein Psychiater mit einem psychologischen Psychotherapeuten mal so ziemlich gar nichts gemeinsam und die Art der Arbeitsweise unterscheidet sich sehr. Wenn überhaupt könnte man einen Vergleich mit dem FA Psychosomatik noch heranziehen.
Mir platz da immer ein bisschen der Kragen, wenn Leute (vornehmlich Mediziner) hergehen und munter behaupten, der Psychiater sei schlicht das bessere Pendant.
Hinsichtlich der finanziellen Situation mag das sein, aber der Tätigkeitsbereich unterscheidet sich doch erheblich. Und auch wenn sich das Fach Psychiatrie und Psychotherapie schimpft, werfe man mal einen Blick in die Weiterbildungsordnung und vergleiche das mit der psychoth. Ausbildung eines Psychologen, dann stellt man auch schnell fest, dass der Psychiater im Vergleich ziemlich schlecht ausgebildet ist in dem Bereich, weil er vorwiegend eben doch mit Pharma zugange ist.

Also, sich für Medizin zu entscheiden, ist nicht per se die bessere Entscheidung, es kommt einfach darauf an, wo das eigene Interesse liegt, gilt sowohl für Studium, als auch spätere Berufstätigkeit. Die beiden Studiengänge selbst haben ja so ziemlich gar nichts gemeinsam.

Fritzi123
28.04.2014, 11:59
Ja, das stimmt allerdings. Einerseits hat der Psychiater wesentlich mehr Einblicke in den Bereich körperlicher Ursachen für lang- oder auch kurzfristige Ursachen für geistige Verstimmungen, kann daher auch ganz gut einschätzen, welche Art der Behandlung wirklich notwendig wäre. Anfang des 20. Jahrhunderts wars ja meistens der Böse Onkel von nebenan ;)

Andererseits muss man wie oben erwähnt auch aktuelle Outcome-Studien zur Wirksamkeit von Psychotherapie in Betracht ziehen, bei der die verschiedenen Psychotherpie-Richtungen (psychodynamisch/verhaltenstherapeutisch) miteinander verglichen werden, auch mit Patientengruppen die nur Medikamente verschrieben bekommen haben (zb bei Depressionen). Da gibt es eklatante Unterschiede im Maß der Linderung von Symptomen die für die Diagnose einer Störung maßgeblich sind bzw. der Entfaltung von Eigenschaften die Aussage über die psychische Gesundheit eines Menschen zulassen. Die Abreichung von Antidepressive hatte kaum erwähnenswerte Effekte, die Effekte von psychodynamischer/verhaltenstherapeutischer Psychotherapie hingegen einen 7 bis 8 fach so großen im Bereich der Symptom Linderung.

Von daher sollte man eine rein „psychologische“ Psychotherapie auf keinen Fall unterschätzen, die eben auf regelmäßigen Gesprächen aufbaut, die nur ein sehr gut ausgebildeter Therapeut planmäßig durchziehen kann. Leider ist die Situation in Deutschalnd diesbezüglich noch sehr ausbaufähig, als „Psychologe“ gilt man soweit ich weiß im klinischen Alltag eher als 35%-Arzt, mit der entsprechenden Wertschätzung bzw. Bezahlung. Aber wie gesagt, man muss halt einfach schauen was man mit einem Studium später machen will, und was man dafür gebrauchen könnte...

Kaas
28.04.2014, 14:08
Na ja, prinzipiell ist es aber so: ein Arzt kann/darf theoretisch alles machen, was ein Psychologe macht. Ein Psychologe kann/darf aber nur einen kleinen Teil von dem machen, was ein Arzt machen kann.

Snowcake
28.04.2014, 14:59
@Kaas
Theoretisch machen dürfen und wirklich können sind zweierlei, da kommt es dann auf den eigenen Anspruch an :-Meinung

Gibt auch Zahnärzte, die gerne ihr chirurgisches Können unter Beweis stellen wollen und die wildesten Osteotomien beginnen, mittendrin feststellen, dass sie das doch nicht hinkriegen und dann wird der Patient, anoperiert wie er ist, zum nächsten MKGler geschickt.
Ist jetzt ein ganz anderes Beispiel sollte aber nur mal die dürfen/können-Situation etwas transparent machen.
Viele sind ja der Meinung, wenn es "nur" ums Reden geht, sei auch nicht allzu viel Profession gefragt :-nix

Natürlich bleibt es aber auch jedem selbst überlassen, sich über das normale Maß der Weiterbildung hinaus noch fortzubilden...

Kaas
28.04.2014, 16:05
Genau deshalb hab ich ja auch "kann/darf" geschrieben. Wer später mit psychisch Erkrankten arbeiten will, dem stehen mit einem Medizinstudium alle Möglichkeiten offen. Mit einem Psychologiestudium nicht. Im übrigen habe ich schon oft von Psychologen gehört, dass sie im Nachhinein lieber Medizin studiert hätten. Ein umgekehrter Fall ist mir noch nie untergekommen.

Bandwurm
29.04.2014, 13:52
Psychologen und Ärzte sind nach den Studium -was die Psychiatrie und Psychotherapie angeht- beide unbeleckt. Mediziner haben nen kleinen Vorsprung, was Somatik angeht, Psychologen, was Gespräche angeht. Das entscheidene für die ganzen Psychotherapiefächer und Psychiatriefächer kommt hinterher. Und da haben Ärzte halt mehr Möglichkeiten, von reiner Psychotherapie (ärztlicher Psychotherapeut), über Generalist (Psychiater), bis kleiner Anteil (Zusatzbezeichnung Psychotherapie, z.B. bei Urologen). Und die Arbeitsbedingungen werden ja auch zunehmend besser. Ne als Arzt braucht man sich derzeit nicht allzuviel zu beschweren in den Psychofächern; war vor 15-20 Jahren sicherlich noch anders. Psychologie ist halt deutlich breiter, falls man nicht unbedingt ins klinische möchte.

EKT
29.04.2014, 17:40
Ich sehe immer wieder sehr gute und engagierte Psychologen (eig. "psychol. Psychotherapeuten) sowohl in der geschlossenen Akutpsychiatrie als auch in der Psychotherapie bzw. sogenannten Psychosomatik (deutscher Schwachsinn), deren Handlungsspielraum aufgrund der fehlenden medizinischen und speziell psychiatrischen Kenntnisse und Fähigkeiten ziemlich begrenzt ist und sie außer in Fällen von mehr oder weniger "Befindlichkeitsstörungen" immer auf die Zusammenarbeit mit einem Arzt angewiesen sind.
Und ja, viele von denen bedauern, nicht doch das andere Studium gewählt zu haben - oder sie gehen aus Neid in einen ganz unguten Widerstand gegenüber der Medizin/der Psychiatrie/den Ärzten/den Medikamenten.
Das entschuldigt natürlich nicht den fehlenden geistigen Horizont und die psychologischen Kenntnisse vieler Kollegen, die sich in der Psychiatrie tummeln. Es ist und bleibt Aufgabe jedes Einzelnen, für entsprechende Fortbildung zu sorgen. Dies kann nicht an Ärztekammern oder sonstwen anderen abgegeben werden!