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UweWoellner
13.05.2014, 17:40
Wenn man in den Diensten für die Notaufnahme zuständig ist, kommt es ja immer wieder vor, dass man Patienten wieder nach Hause schickt (= ambulant lässt). Ich mache das allerdings nur in Situationen wo Patienten im Grunde wirklich gar nichts haben - also bei "Bagatellen" und selbst dann nur äußerst ungern. Ich bin noch im ersten Ausbildungsjahr und möchte einfach nicht die Verantwortung übernehmen, wenn den Patienten dann doch was passiert, wenn ich sie nach Hause geschickt habe. Ich denke mir: "Der Oberarzt kann den Patienten morgen immer noch nach Hause schicken. Ich nehme erstmal alle auf, dann bin ich auf der sicheren Seite".

Leider habe ich mir mit dieser Einstellung bereits einigen Ärger - vor allem vom Personal der ZNA eingehandelt. Das kann ich in teilweise sogar verstehen, aber letztendlich muss ich mich ja vorm Richter verantworten wenn es hart auf hart kommt.

Wie sieht ihr die Situation? Mit der klinischen Erfahrung bekommt man natürlich die Sicherheit, aber das fehlt mir halt aktuell noch. Ich kann ja noch nicht mal zuverlässig ein Echo oder Sono-Abdomen. Zudem frage ich mich: Besteht in Deutschland nicht ein Facharztstandard? Also hat jeder Patient das Recht von einem Facharzt (wenn auch nur telefonisch) beurteilt worden zu sein bevor er wieder nach Hause geschickt wird?

kartoffelbrei
13.05.2014, 17:50
Zudem frage ich mich: Besteht in Deutschland nicht ein Facharztstandard? Also hat jeder Patient das Recht von einem Facharzt (wenn auch nur telefonisch) beurteilt worden zu sein bevor er wieder nach Hause geschickt wird?

Ist nicht genau das der Sinn eines telefonischen Hintergrunds?

UweWoellner
13.05.2014, 17:54
Ist nicht genau das der Sinn eines telefonischen Hintergrunds?

Nachts um 4 Uhr den OA anrufen und fragen ob man einen Patienten mit Halsschmerzen wieder nach Hause lassen darf?! Klar, dann bin ich auf der sicheren Seite, aber davon werden die OÄs natürlich nicht begeistert sein. Eine Kollegin hatte das mal so gemacht, dann wurde vom OA gesagt, sie solle den 1.Dienst anrufen und fragen (wir haben 2 Innere Diensthabende im Haus). Allerdings frage ich mich dann wieder, ob es ok ist weil der 1.Dienst ist ja in der Regel auch kein Facharzt.

Hoppla-Daisy
13.05.2014, 17:55
Bei so einer Frage würd ich als Hintergrund allerdings auch nen Affen bekommen! *kopfschüttel*

(ich hoffe, das war nur ein Beispiel!)

Nemesisthe2nd
13.05.2014, 17:57
woher nimmst du denn die ganzen betten? wenn ich jeden 30 jährigen mit thorakalem unwohlsein und/oder gefühlten palpitationen aufnehmen würde der im Dienst in die ambulanz wackelt hätte ich meistens schon um 18 Uhr keine Betten mehr...

klar ist man als anfänger unsicher, aber es gibt ja auch noch erfahrene kollegen im Haus, die man fragen kann. z.b. den Diensthabenden auf der ITS oder bist du nachts ganz allein? und wenn es noch nicht eine total unmenschliche zeit ist kann man ja auch den Hintergrund anrufen...

kartoffelbrei
13.05.2014, 18:04
Nachts um 4 Uhr den OA anrufen und fragen ob man einen Patienten mit Halsschmerzen wieder nach Hause lassen darf?! Klar, dann bin ich auf der sicheren Seite, aber davon werden die OÄs natürlich nicht begeistert sein. Eine Kollegin hatte das mal so gemacht, dann wurde vom OA gesagt, sie solle den 1.Dienst anrufen und fragen (wir haben 2 Innere Diensthabende im Haus). Allerdings frage ich mich dann wieder, ob es ok ist weil der 1.Dienst ist ja in der Regel auch kein Facharzt.

Aber wenn du die Patienten mit Halsschmerzen stattdessen stationär aufnimmst, haben die OÄ nix dagegen?

EDIT: Facharztstandard heißt doch nur, dass man die jeweilige Situation so gut meistern kann, als wäre man Facharzt. Das heißt, bei banalen Erkrankungen wird man auch als Anfänger rechtlich gesehen als kompetent genug angesehen, oder habe ich da was falsch verstanden?

epeline
13.05.2014, 18:06
Die meisten in der NFA sind ja auch Bagatellfälle...
Man kann die Patienten noch am nächsten Tag zum Hausarzt schicken. Wenn sie Medikamente oder Krankschreibungen brauchen, müssen sie das ja sowieso. Und das ist ja auch ein Facharzt.
Ich bin auch am Anfang und shcicke doch die meisten sachen wieder heim. Husten, Schnupfen, Heiserkeit sind keine Gründe, um im Krankenhaus zu sein. :-nix
Was für Sachen nimmst du denn so alles auf? Ich hoffe, die Halsschmerzen waren jetzt ein Extrembeispiel... Und in welcher Fachrichtung bist du so tätig?

Anne1970
13.05.2014, 18:16
by the way... hoffe doch, du bist im ersten Weiterbildungsjahr und nicht "Ausbildungsjahr"...als Arzt ausgebildet wird man während des Studiums...

anignu
13.05.2014, 19:07
Logisch machst du dich unbeliebt in der ZNA. Und? Hilft halt nix...
Im Lauf der Zeit wirst du sicherer und damit werden mehr Patienten ambulant. Aber am Anfang eben nicht. Fertig. Es ist deine Verantwortung und nicht die des Pflegepersonals.

Das mit dem Facharztstandart würd ich auch gleich mal wieder vergessen in der Notaufnahme. Wenn du beim Nähen von Kopfplatzwunden mal verlangst, dass dir ein Oberarzt quasi Händchen hält weils ja eine Operation ist und du noch kein Facharzt... dann hast du dir einmal "Röntgen Nasenbein seitlich" redlich verdient ;-)

Und eines ist auch klar: wenn es 2 Dienste gibt, einen Erfahreneren und einen Unerfahreneren und der Unerfahrenere ruft als erstes mal den Hintergrunddienst an, dann gibts Anschiss. Genau dafür wird man ja meist eingeteilt in einen 1. und einen 2. Dienst. Damit der Erfahrenere schonmal einiges ausgleichen kann und der Unerfahrene lernen. Es kommt selten vor, dass man 2 vollkommene Neulinge nachts alleine lässt. Denn dann können die Oberärzte auch nimmer schlafen.

Ich find ZNA total beschissen. Es kommen Patienten mit völlig überzogenen Vorstellungen und Forderungen zu den unmöglichsten Zeiten und du sollst ohne irgendwelche Vorbefunde und Auskünfte und ohne dich selbst auszukennen die so versorgen dass du nicht verknackt wirst. Mei, hilft halt nicht. Haben die Leute vor mir/dir schon machen müssen und nach uns auch. In der jetzigen Klinik ist es zum Glück so, dass die Unfallchirurgen sich über stationäre Lumbago-Patienten freuen. In der davor war das die Hölle: "Kreuzschmerzen seit 6 Wochen, war noch nie bei irgendeinem Arzt und kommen dann um 3 Uhr nachts weil sonst keine Zeit ist weil sie ja arbeiten müssen, aber jetzt gehts grad. Und sie hätten gern ein MRT und im Internet steht..." Die könnt ich sowas von schlage. Und wenn man sich dann noch mit Pflege und Kollegen anlegen muss/darf. Jetzt nehm ich sie einfach auf und am nächsten Tag kümmern sich irgendwelche Unfallchirurgen drum und ich hab keinen Stress. So schön...

Moonchen
13.05.2014, 19:09
Bei uns in der Pädiatrie ist das glaube ich eh etwas anders weil über 90% Bagatellen sind, die nach Hause geschickt werden.

Bei uns wird fast keiner der ambulanten Patienten von einem Oberarzt gesehen. Unser Chef sagt immer, das Kind muss in das Zimmer kommen und in dem Moment muss man schon entscheiden ob es vom Allgemeinzustand so krank ist dass man es aufnimmt oder dass man es zu Hause behandeln kann. Bei fraglichen Fällen spreche ich das dann mit den Eltern ab - wenn sie unbedingt eine Aufnahme wünschen bleibt es eben da, wenn sie sich zutrauen auch noch mal abzuwarten dann schicke ich sie mit der Prämisse heim, dass sie sich halt am nächsten Tag nochmal beim Kinderarzt (wäre dann ja bei dir der Hausarzt) vorstellen sollen.

Was denke ich noch ganz wichtig ist ist die Dokumentation - ich schreibe z.B. bei jedem fiebernden Kind nochmal explizit "kein Meningismus" in den Ambulanzbrief. Wenn du da einen unauffälligen Untersuchungsbefund (plus andere Befunde) hinschreibst, kann dir da später ja keiner nen Vorwurf machen den Patienten weggeschickt zu haben.

lg
Saskia

PS: Ich hab das mit dem Facharztstandard auch immer so verstanden, dass man Erkrankungen so gut wie ein Facharzt behandeln muss.. Ob der Fiebersaft von mir oder dem aufgeschrieben wird ist ja auch egal ;)

Desiderius
13.05.2014, 19:15
Möchten alle Patienten aufgenommen werden?
Fühlst Du Dich in der Lage Notfall vs kein Notfall zu unterscheiden? ( Je nach Fachgebiet)
Nur so mal zwei Fragen. Denn wenn Du Dich so unsicher fühlst Dich vielleicht nicht traust den Unterschied Notfall vs kein Notfall zu machen sollte man daran etwas tun .
Deine Bemerkung am Anfang, das Du keine Verantwortung übernehmen möchtest.... Du hast im Dienst und im Tagesgeschäft immer irgendeine Verantwortung wenn Du als Arzt etwas unterschreibst, auch wenn Dein Chef vielleicht die Endverantwortung trägt. An den Gedanken solltest Du Dich schon gewöhnen.

Ansosnten waren die Kollegen oben ja schneller zum Facharzt Gedanken dem ich mich anschließen kann.

Lava
13.05.2014, 19:17
In welcher Fachrichtung arbeitest du denn?

Rico
13.05.2014, 20:39
Eine Kollegin hatte das mal so gemacht, dann wurde vom OA gesagt, sie solle den 1.Dienst anrufen und fragen (wir haben 2 Innere Diensthabende im Haus). Allerdings frage ich mich dann wieder, ob es ok ist weil der 1.Dienst ist ja in der Regel auch kein Facharzt.Ihr habt einen 1. Dienst im Haus, dann ist dich alles in Butter. Der muss ja auch kein Facharzt sein, es reicht ja wenn er erfahren genug ist um die Situation einschätzen zu können. Bei uns sollte der 1. Dienst immer konsultiert werden wenn man nicht weiter weiß, der kann dann immer noch entscheiden ob man einen OA anrufen soll - aber als OA wäre ich auch angebläht wenn da einer mit Banalitäten anruft, die ein (erfahrener) Vordergrund gut lösen kann, man den aber noch gar nicht befragt hat (Stichwort Dienstweg, der Pflegepraktikant ruft ja auch nicht gleich den Stationsarzt, sondern geht erst mal zu seinem Übergeordneten).

Facharztstandard heißt ja auch nicht, dass jeder Patient durch einen Facharzt persönlich behandelt werden muss (sonst wäre das Dienstwesen in quasi allen Kliniken hinfällig), sondern, dass er mit der Qualität einer Facharztbehandlung behandelt werden muss und das kann auch (gerade in nicht-operativen Fächern) durch die telefonische Befragung eines Facharztes gewährleistet sein.

Also, 1. Dienst fragen und alles wird gut... oder was ist dessen definierte Aufgabe?

Ach und man kann auch Leute mit der Maßgabe einer Wiedervorstellung bei Verschlechterung entlassen und sie auch gerne an den hausärztlichen Notdienst verweisen wenn es was ist, was nun wirklich nicht in eine stationäre NA gehört (Halsschmerzen, etc). Dann ist man auch sicherer, weil man den Patienten nicht ins Nirwana entlässt, sondern in ein Sicherheitsnetze.

epeline
13.05.2014, 20:48
Wir haben auch zwei Dienste und wir Newbies sind auch nur im 2. Dienst unterwegs. Gerade, wenn es darum geht, etwas mit anzuschauen, rufe ich diesen an. Gibt natürlich auch Situationen, wo der Hintergrund direkt besserer Ansprechpartner ist, z.B. bei bedrohlichen Notfällen, für die der Hintergrund wahrscheinlich selbst kommen muss oder für weitreichendere Entscheidungen (da ist manches halt so und so gewollt von oben). ;-)
Aber ich bin auch in der Pädiatrie unterwegs und könnte den Beitrag von Moonchen direkt so unterschreiben. Allerdings glaube ich, dass auch in anderen Fachgebieten hauptsächlich Bagatellen in die NFA kommen. Hat man ja im PJ zumindest in der INneren und Chirurgie gesehen ;-)

Brutus
13.05.2014, 22:03
Deine Bemerkung am Anfang, das Du keine Verantwortung übernehmen möchtest.... Du hast im Dienst und im Tagesgeschäft immer irgendeine Verantwortung wenn Du als Arzt etwas unterschreibst, auch wenn Dein Chef vielleicht die Endverantwortung trägt. An den Gedanken solltest Du Dich schon gewöhnen.
Genau hier musste ich auch etwas schmunzeln... :-))
Wenn man mal überlegt, wie oft hier die Frage nach dem Privatrezept gestellt wird, um irgendwas irgendwem aufzuschreiben, obwohl man den Schülerausweis noch nicht mal in den Händen hält... nur um dann festzustellen: MIST! Jetzt schreibe ich hier ein Rezept für Lieschen Müller mit Halsschmerzen. Gab es für ASS nicht doch noch eine Kontraindikation? Und darf das zusammen mit ACC akut? Wen muss ich denn jetzt noch fragen, ob ich das so aufschreiben kann?
Aber is nich schlimm, Jim. Das ging uns doch irgendwie allen so. Und dafür muss man eben das Seepferdchen machen und sich freischwimmen... ;-)

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13.05.2014, 22:38
Ganz interessant dazu: Erörterung zu "Facharzt-Standard" (http://www.kas.de/upload/dokumente/verlagspublikationen/Gesundheit/gesundheit_bock.pdf)

Meine persönliche Meinung dazu ist ambivalent. Einerseits habe ich bei bestimmten Fällen schon den Eindruck, ich schätze die medizin. Relevanz/Aufnahmeindikation richtig ein. Andererseits agiere ich mit zunehmender Erfahrung / klinischer Konfrontation / Kenntnis über bspw. Ionenkanalerkrankungen oder okkulte HCMs mit SuddenCardiacDeath wenn Pech oder larvierten Ileus (d. CHG-Kollege hat für Entlassung plädiert...) eher zunehmend defensiver bzgl. des Aufnahmeregimes. Denn meist findet sich doch ein Bett irgendwo und man hat die Chance nochmal nachzuschallen/-echoen, Labore zu checken...
Außerdem kann man morgens b.B. auch schnell wieder entlassen.

Ist aber auch OA/Hintergund abhängig. Ich kenne (hervorragende) Hintergründe, die wollen JEDEN Patienten selber sehen/schallen, nahezu egal welche Zeit.


... Unser Chef sagt immer, das Kind muss in das Zimmer kommen und in dem Moment muss man schon entscheiden ob es vom Allgemeinzustand so krank ist dass man es aufnimmt oder dass man es zu Hause behandeln kann....

Ein Chef der so ein Statement abgibt kann ich nicht erst nehmen. Ist hoffentlic/vmtl. zugespitzt/verkürzt gemeint. Klar spielt "klinischer Blick" ne Rolle, aber z.T. ist kaum Klinik bei relevanten Erkankungen vorhanden und dann dekompensiert es plötzlich. Bspw. Ketoazidosen bei Kleinkindern. Wenn die nach Ausschöpfen der Kompensationsstrategien dann "kippen", rennst du nur noch den Ereignissen hinterher....

Miss
13.05.2014, 22:53
Man wird mit der Zeit wirklich sicherer, wer *wirklich krank* ist.

Bei uns in der Anästhesie ist das erstmal leichter...wenn wir den Pat. kennenlernen, steht schon mal fest, daß sie entweder wirklich krank sind bzw. operiert werden müssen. Da ist dann diesbezüglich nichts mehr zu entscheiden. Allerdings kennt man in jeder Fachrichtung die Anfängerunsicherheit, gebräuchlich ist bei uns auch, den Facharzt im Haus zu befragen, v.a. nachts erstmal ;-) Ich habe das selbst gemacht, und bin mittlerweile als FÄ auch nicht böse, wenn man wegen irgendetwas für einen selbst banalen Kram angerufen wird. Besser als die Sache an die Wand zu fahren.

Das krank/nicht krank/ nicht so schlimm krank kenn ich aber bspw. aus dem Notarztdienst. Da ist es normal, daß man am Anfang *alles* einpackt, *jeden* begleitet :-blush aber das muß man akzeptieren. Da hab ich auch am Anfang nie nen bösen Spruch gehört :-) aber mit wachsender Routine begleitet man nur die, die einem *wirklich krank* erscheinen UND läßt auch mal jemanden zuhause. Dabei ist immer Doku ganz ganz wichtig. Man kann ja wirklich nicht immer alles vorhersehen. Wenn man Leute verlegt, entläßt, zu Hause läßt, macht man das ja, weil die Leute zu diesem Zeitpunkt stabil erscheinen und vor Ort, beim HA, auf peripherer Station behandelbar -und man verweist auf Wiederanruf, Wiedervorstellung etc.

Ein bißchen Verantwortung muß man in dem Beruf halt übernehmen, aber keine grundsätzlich unkalkulierbare Risiken.

McBeal
14.05.2014, 07:38
Ich schließe mich den anderen Pädiatern an. Am Wochenende sehe ich im Winter tagsüber 60 und nachts ca. 25-30 ambulante Patienten, so viele Betten habe ich nicht und meistens ist es nur ein harmloser Infekt und man kann nach einiges Zeit gut einschätzen, wer aufgenommen werden muss. Trotzdem sollte man sich eben auch für ambulante Patienten nicht zu schade sein, im Zweifel den Hintergrund anzurufen oder den Patienten aufzunehmen, obwohl vielleicht nur noch schwierig ein Bett beschafft werden kann oder die Schwestern es nicht für nötig halten.

LG
Ally

Peter_1
14.05.2014, 08:30
Wer kennt sie nicht die Phasen des Arztdaseins:

1. berechtigte Unsicherheit:
man weiß nix und ist sich bewusst, dass man nix weiß, auch bei Bagatellen ist man unsicher-> da passiert dem Patienten in der Regel nichts, für den Arzt aber doofe Zeit.
2. unberechtige Sicherheit:
man ist schon so 1-5 Jahre dabei, meint den Haken raus zu haben und die Weltmeere der Medizin bereits besegelt zu haben.
-> doofe Zeit für Pat. und Arzt, kann auch mal leicht schief gehen.
3. berechtigte Sicherheit:
man hat den Haken wirklich raus und kann selbstbewusst und sicher die meisten Situationen abarbeiten, bzw. weiss instinktiv was zu tun ist wenn man es nicht kann.
-> beste Zeit für alle Beteiligten
4. unberechtigte Unsicherheit:
man ist schon so erfahren, dass man einige Zebras gesehen hat, die sich wie Pferde angehört haben, dass man auch bei eigentlich eindeutigem Pferdbefund doch unsicher ist ob es vielleicht nicht doch ein Zebra sein könnte.
-> auch doof für Patient und Arzt, viel Diagnostik, Verunsicherung Patient und Arzt, möglicherweise Schaden durch Überdiagnostik, sebstverstärkend weil man dann auch mehr Zebras findet und sich bestätigt fühlt, aber ausblendet, dass man evtl. viele Pferde scheu gemacht hat.

Christoph_A
14.05.2014, 10:45
Also das mit der unberechtigten Unsicherheit halte ich für ziemlich strange. Gerade, weil man ein paar Zebras gesehen hat, weiß man, daß es sie gibt, jedoch auch, daß das Häufige häufig und das Seltene selten ist und entwickelt schon ein Bauchgefühl für Situationen. Zumal man Zebras ja auch an Streifen erkennen kann, sprich, jede seltene Erkrankung, die man schon mal gesehen hat, hat man oft besser im Kopf abgespeichert (klinisch, laborchemisch, sonographisch) als den Alltagskrams.
Wer als "altes Schlachtross" verunsichert ist, hat eher ein supratentorielles Problem in punkto Selbstbewusstsein und Führungsfähigkeit.