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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Später Berufseinstieg - Wahl des Fachs (?Neu/Psy/Auge/Rad?) und späterer Fachwechsel



Spiral Architect
21.05.2014, 11:51
Hallo liebe Medi-Learner,

ich habe schon im Winter 2012 mein Examen gemacht, aber erst einmal meine Doktorarbeit fertig geschrieben und nebenbei in einem IT-Unternehmen gejobbt. Die Diss ist eingereicht, so dass ich mich jetzt auf die Suche nach der ersten Assistentenstelle machen muss.

Ich schreibe bewusst "muss", weil ich während des Studiums oft gezweifelt habe, ob Medizin und insbesondere die klinische Tätigkeit wirklich das Richtige für mich sind. Das PJ lief zwar und ich habe auch immer ganz gute Rückmeldungen bekommen, bin mir aber nicht sicher, ob ich dem Arbeitsalltag dauerhaft gewachsen bin. Eine wirkliche Alternative habe (oder sehe) ich zur Zeit allerdings nicht. Ich bin jetzt fast 30 und denke, dass es sinnvoller ist, es erst einmal als Arzt zu probieren, als sich direkt anderweitig zu orientieren. Wenn ich aber wirklich überzeugt wäre und vor allem wüsste, welches Fach am besten zu mir passt, dann hätte ich wohl schon längst Bewerbungen geschrieben. Die Angst, nach eineinhalb Jahren "ohne Medizin" den Einstieg nicht zu schaffen bzw. den Anforderungen nicht gerecht zu werden, macht es nicht unbedingt leichter ;-).

Die Wahl des Faches ist sicherlich der erste und wichtigste Schritt. In den letzten Wochen habe ich viel überlegt und recherchiert (es gab eine ganz nette Reihe beim MB zum Thema Weiterbildung und auch bei den Fachgesellschaften und hier im Forum ließ sich einiges an Informationen finden), aber so wirklich weiter gebracht hat mich das auch nicht.
Ausschlaggebend ist sicher in erster Linie das Interesse am Fach, aber ich muss ehrlich gestehen, dass es einen Großteil Fächer gibt, die mich überhaupt nicht interessieren und welche, die mich eher, aber nicht hundertprozentig interessieren. Meine Famulaturen habe ich fast ausschließlich im Bereich Neurologie und (Erwachsenen- und Jugend)Psychiatrie absolviert, Wahlfach im PJ war ebenfalls Neuro. Und das war auch okay. Aber im Moment bereue ich es, meine Nase nicht auch in andere Fächer hineingesteckt zu haben. Beim Lernen fürs Examen damals habe ich gemerkt, dass ich Gyn, Radiologie und Augenheilkunde auch ganz spannend finde.
In zweiter Linie mache ich mir über die Arbeitsbedingungen Gedanken und darüber, ob ich in dem Fach auch "richtig" bin und die entsprechenden Fähigkeiten mitbringe. Sicher, es gibt sie nicht, die eierlegende Wollmilchsau, aber in der Neurologie schreckt mich die Arbeitsbelastung sehr ab. Zudem finde ich es schade, dass man sehr viel untersucht und dadurch auch sehr viel herausfinden kann, aber am Ende therapeutisch schnell an seine Grenzen kommt. Die Arbeitsbelastung wäre in der Gyn wohl nicht geringer, aber zudem habe ich wirklich keine praktische Erfahrung im Fach. Das trifft auch auf Augenheilkunde zu, die ich auch wegen der Altersverteilung der Patienten super finde (ich würde seeehr gern auch Kinder behandeln, aber in der Pädiatrie ohne jegliche Vorerfahrung eine Stelle zu finden, habe ich direkt als Traumtänzerei abgetan). Aber wäre ich auch eine gute Operateurin? Ich habe erst im PJ, also spät, gemerkt, dass mir manuelles Arbeiten Spaß macht. Auch von der Arbeit in der Radiologie habe ich nicht wirklich einen Begriff, so dass mein Interesse am Fach vor allem der Bildbefundung (das fand ich beim Lernen und im PJ in den radiologischen Konferenzen aus mir unbekannten Gründen gut) geschuldet ist.
Man kann natürlich auch im öffentlichen Gesundheitswesen oder anderen Bereichen arbeiten, aber ich möchte doch irgendwie erstmal probieren, ob es in der Klinik nicht doch klappt, denn ich arbeite dafür viel zu gern mit Patienten (meistens, es gibt ja solche und solche ;-)), zumal klinische Erfahrung für die meisten Stellen in "Randbereichen" Voraussetzung sind.

Lange Rede, kurzer Sinn:
Was sicherlich funktionieren kann, ist, jetzt erst einmal eine neurologische Stelle anzutreten (erstmal eine kriegen...) und, falls es das nicht ist, ggf. in Richtung KJPP/Psychiatrie oder auch Psychosomatik zu schwenken (brauche ich für den FA ja eh). Die Fächer kenne ich und meine "Starthemmung" ist in diesen sicherlich am geringsten. Während einer psychiatrischen Hospitation wurde mir davon abgeraten, mit KJPP/Psychiatrie anzufangen (da sind einfach gerade viel mehr Stellen frei) und dann mit Neurologie weiterzumachen, weil einem das "somatische Wissen" relativ schnell abhanden komme (und ich bin nun ohnehin schon ein Weilchen 'raus), würden die Neurologien und Psychiater unter Euch das auch so sehen?

Vermutlich werde ich mich aber "Was wäre gewesen, wenn?" fragen, was die anderen Fächer angeht. Lohnt es sich, jetzt noch einmal Zeit in Praktika/längere Hospitationen, z.B. in der Augenheilkunde und Radiologie zu investieren? Oder ist es besser, sich zu sagen: "Schuster, bleib bei Deinen Leisten"? In meinen Augen ist es ein relativ sportliches Wagnis, zu einem späteren Zeitpunkt (meinetwegen nach hypothetischen frustrierten 1,5 Jahren Neurologie) einfach in ein "unbekanntes" Fach zu wechseln. Habt ihr damit Erfahrungen oder diesbezüglich einen Rat?

Mir ist bewusst, dass "Probieren über Studieren" geht und man nicht alle Eventualitäten im Vorfeld abklären kann, aber ich freu mich über jeden Hinweis oder Ratschlag!

Locutus001
21.05.2014, 13:58
Hallo Spiral Architect!

Mir geht es ähnlich, ich stehe allerdings jetzt (gaaaanz) kurz vor meinem PJ und erhoffe mir dort dann noch die ausschlaggebenden Erkenntnisse!

Neurologischen Rat kann ich dir also leider nicht anbieten, aber ich wollte folgendes einwerfen:
1. Mach dir mal keine Sorgen wegen der 1,5 Jahre Pause, das relativiert sich relativ schnell wieder im Stationsalltag! (Wärst auch nicht die erste Person die ne Pause nach dem Studium hatte).

2. Fang entweder mit deiner Neurologie an und bleib bei dem wo du dich "sicher" fühlst ODER fang mit Innere Medizin an.
Bis zu einem Jahr Innere Medizin werden ja auch für die Neurologie anerkannt + Innere Medizin ist relativ flexibel, da 1 Jahr z.B. auch bei Radiologie Pflicht ist im patientenversorgenden Bereich oder 2 Jahre Innere bei Labormedizin Pflicht sind, etc.

Wenn du nach einem Jahr oder 1,5 Jahren Neurologie merkst "okay das ist nichts" ist das sicherlich auch nicht schlimm und ich meine mindestens bis zu 6 Monaten davon bekommst du auch in vielen anderen FA anerkannt.
Also das wäre auch kein Beinbruch.
(Also finde es nicht so sportlich, soll Ärzte geben, die nochmal einen kompletten FA neu gemacht haben, weil sie im alten Beruf unzufrieden waren).
Und Geld verdienst du als Assi doch auch.

Ich glaube allerdings, dass dich jetzt nochmal Praktika nicht wirklich weiterbringen werden, du brauchst glaube ich den Sprung ins kalte Nass! Außerdem hast du dann schon handfeste Berufserfahrung und nicht nochmal Monate lang "nur" Praktika.

EKT
22.05.2014, 06:06
Während einer psychiatrischen Hospitation wurde mir davon abgeraten, mit KJPP/Psychiatrie anzufangen (da sind einfach gerade viel mehr Stellen frei) und dann mit Neurologie weiterzumachen, weil einem das "somatische Wissen" relativ schnell abhanden komme (und ich bin nun ohnehin schon ein Weilchen 'raus), würden die Neurologien und Psychiater unter Euch das auch so sehen?

Definitiv nein. Wenn Psychiatrie richtig betrieben wird, ist man ziemlich dicht dran an der Somatik, kann noch "handgemachte" klinische Untersuchungen anstellen (was in den somatischen Fächern eher weniger stattfindet!) usw. Das Medizinstudium bietet ausreichend Handwerkszeug, vorausgesetzt man bleibt dran, liest viel und interessiert sich weiter für die Breite der Medizin.

Spiral Architect
02.08.2014, 09:16
Hallo,

und vielen Dank für Eure Antworten.
Mittlerweile habe ich meinen "Fahrplan" und die ersten Bewerbungsgespräche und Hospitationen geführt. Dabei habe ich viele Kollegen mit ähnlichem Ausbildungsstand getroffen, die bereits den ersten Haus- und/oder Fachwechsel hinter sich haben. Und die leben alle noch :). Gerade bei der Ausbildung in kleineren Häusern lohnt sich der Wechsel sogar, denn zumindest in der Neurologie kann man da schwerpunktmäßig völlig unterschiedliche Dinge lernen (nicht jedes Haus hat eine große Stroke Unit oder eine eigene Neuro-ITS).

Besten Gruß!