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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Blutgerinnungsstörung - Behandlung mit Marcumar?



Viehdoc
03.06.2014, 13:24
Hallo liebe Mediziner,

ich hoffe, ich poste das im richtigen Forum ;). Vielleicht kann mir ja irgendwer mal ein bisschen weiterhelfen, da ich von Blutgerinnungsstörungen beim Menschen leider gar keine Ahnung habe. Also mein Opa leidet seit einigen Jahren an einer Blutgerinnungsstörung, Thrombose und Lungenembolie hat er vor ca. 2-3 Jahren gehabt. Er wird daher seitdem mit Marcumar behandelt.
Jetzt hat mir meine Oma erzählt, dass seine Werte bei den Tests immer extrem schwanken, genaue Werte weiß ich jetzt leider nicht. Aber die Arzthelferin meinte vor einiger Zeit wohl nur patzig zu ihm er solle doch bitte nicht so viel Grünkohl essen, daher wären seine Werte so schlecht... mal abgesehen davon, dass er das den ganzen Winter nicht gemacht hat, kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, dass davon die Werte so extrem in die Höhe schießen.
Hat jemand von euch Erfahrung mit der Marcumar-Behandlung? Ist es normal, dass nach so langer Zeit seine Dosierung immer noch wie folgt aussieht: mal eine Tablette, mal eine halbe, dann drei Tage keine, dann wieder eine ganze, dann zweimal ne halbe, dann zwei Tage keine usw.?? Und das Schema gibt der Arzt ihm für die nächsten Tage/Wochen bis zur nächsten Blutuntersuchung. Und da ist der Wert dann wieder völlig aus dem Lot, da kann doch was nicht stimmen oder? Er hat auch eine zeitlang richtig, richtig oft Nasenbluten gehabt, vor allem nachts.
Meine Großeltern denken halt: ach der ist Arzt, der wirds schon wissen, aber ich trau dem ganzen momentan irgendwie nicht. Und ich finde eine Lungenembolie reicht...

Und wer ist der Facharzt für Blutgerinnungsstörungen? Geht man damit auch zu nem Kardiologen?

Vielen Dank schonmal für eure Anregungen :)

Liebe Grüße

Rico
03.06.2014, 14:51
Wenn es mit Marcumar schlecht läuft, dann kann man einfach umstellen auf ein DOAK, z.b. Rivaroxaban - außer die Niere wär jetzt ganz schlecht. Unter DOAKs entfallen auch die Gerinnungkontrollen.

Diätfehler unter VKA passieren nicht nur durch Grünkohl, auch sonstiges Gemüse, Salat, Hülsenfrüchte und Nüsse. Meiden muss man die deshalb nicht, aber halt gleichmäßig in die Ernährung integrieren (also nicht die Schale Studentenfutter abends weghauen), dann ist das in der Marcumardosis eingepreist.
Wechselnde Dosierungen kann es geben (sonst hätte ja die INR-Kontrolle keinen Sinn), ohne die Werte gesehen zu haben kann man aber nix zur Sinnhaftigkeit der Dosierung sagen.

In Anbetracht der Blutungskomplikation und der schwankenden Werte würde ich (wenn es keine KI gibt) auf ein DOAK wechseln, gerne auch in der jeweils niedrigeren Dosierung bei fortgeschrittenem Alter.

übrigens kann man auch mal die Indikation hinterfragen. Bei einer einzigen LAE(+TBVT) vor 2 Jahren kann man auch mal fragen wie lange man denn überhaupt antikoagulieren möchte. Kommt etwas auf die Begleitumstände der LAE an, aber wenn es keinen Grund für eine dauerhafte Antikoagulation gibt, dann hört man damit eigentlich nach 6-12 Monaten wieder auf.
Spezialist wäre in dem Fall ein Angiologe - alternativ jeder andere Internist, der sich damit auskennt.

Fr.Pelz
03.06.2014, 15:10
Ich denke auch, da wäre ein anderes Präparat angebracht, so langsam verschreiben die Hausärzte das ja auch (nach Markteinführung hatten alle erstmal Angst vor den hohen Kosten).
Ein Kardiologe ist da schon der richtige Ansprechpartner.
Falls der HA das Präparat nicht wechseln möchte, gibt es auch (ausreichende mentale Fitness vorausgesetzt) die Möglichkeit zur Schulung, bei der die Patienten lernen, ihren INR selbst zu messen (gibt ein kleines Gerät für Zuhause dafür) Gleichzeitig kann man ein Ernährungstagebuch führen. So ist, z.b bei anfangs täglicher Selbstmessung und selbstständiger Tablettenanpassung eine gleichmäßigere Einstellung möglich.

Rico
03.06.2014, 15:22
Wobei die Hürden dafür die Kosten der INR-Selbstmessung (unterer vierstelliger Bereich) von der Kasse bezahlt zu bekommen sehr hoch liegen. Eine zwingende, zeitlich unbefristete Indikation ist Grundvoraussetzung und dann kriegt man das eigentlich nur für Leute durch, die viel unterwegs sind, auch in Ländern ohne eine ausreichende Infrastruktur zur INR-Labormessung.
Gerade bei älteren, bei denen zu befürchten ist, dass das im Rahmen der kognitiven Abbauprozesse nicht mehr über Jahrzehnte gehen wird ist es extrem schwierig.
In diesem Fall hier würde die Kasse vermutlich argumentieren, dass der Hausarzt ja auch mal ne weile täglich abnehmen könnte um das mal vernünftig einzustellen.

Fr.Pelz
03.06.2014, 16:11
Echt? Mein Schwiegervater hat das problemlos bezahlt bekommen, ohne groß unterwegs zu sein (Rentner) - aber er hatte vielleicht Glück mit seiner Kasse.

Coxy-Baby
03.06.2014, 17:52
Naja Gerinnungsstörung ist ja nen Sammelbegriff, also wurde (molekulargenetisch) abgeklärt und dann die Indikation zur OAK gestellt? Ansonsten darf Opa halt natürlich Grünkohl essen (nach stundenlangem gekoche ist da eh kein Vitamin mehr drin) man sollte halt auf eine gleichbleibende Ernährung achten, nicht so diese Woche Salat, nächste Woche nur Fleisch.... Ob die NOAKS ne Indikation zur Prophylaxe bei Gerinnungsstörungen haben, bin ich gerade überfragt.... Gibts da Studien?

Rico
03.06.2014, 18:17
Genausowenig wie Marcumar...
Aber eine (relevante) herititäre Thrombophilie bei erstmaliger Thromboembolie im Rentenalter scheint eher unwahrscheinlich.
Wenn dann in dem Alter eher paraneoplastisch (danach sollte bei Diagnose gekuckt werden).

Evil
03.06.2014, 20:12
Wobei die Hürden dafür die Kosten der INR-Selbstmessung (unterer vierstelliger Bereich) von der Kasse bezahlt zu bekommen sehr hoch liegen. Eine zwingende, zeitlich unbefristete Indikation ist Grundvoraussetzung und dann kriegt man das eigentlich nur für Leute durch, die viel unterwegs sind, auch in Ländern ohne eine ausreichende Infrastruktur zur INR-Labormessung.
Gerade bei älteren, bei denen zu befürchten ist, dass das im Rahmen der kognitiven Abbauprozesse nicht mehr über Jahrzehnte gehen wird ist es extrem schwierig.
In diesem Fall hier würde die Kasse vermutlich argumentieren, dass der Hausarzt ja auch mal ne weile täglich abnehmen könnte um das mal vernünftig einzustellen.
Deckt sich nicht mit meiner Erfahrung, ich hab das schon bei mehreren Patienten verordnet und da gab es keine Probleme.
Vorhofflimmern und Thrombophilie sind ja (lebens-)zeitlich unbefristet.

NOAKs verordne ich in solchen Fällen eher ungern. Weniger wegen der Kosten, als vielmehr weil ich die Wirkung gar nicht überwachen kann, selbst wenn ich wollte. Halbjährliche Krea-Kontrolle ist zwar schön und gut, hat aber trotzdem was von Blindflug.
Abgesehen davon fehlen jegliche Erfahrungen in der Kombinationstherapie mit Thrombozytenaggregationshemmern. ASS ist neuerdings bei KHK unter Marcumartherapie verzichtbar, zu NOAKS gibt es da noch keine Daten.

Viehdoc
05.06.2014, 13:22
Hallo ihr,

vielen Dank für eure zahlreichen, ausführlichen Antworten :). Ich glaub ich werd mal persönlich mit Opa zu dem besagten Arzt fahren und dem mal auf den Zahn fühlen. Mal gucken was da bei rumkommt. Das mit dem Gerät für zu Hause finde ich eine sehr gute Idee, falls es noch eine Indikation dafür gibt, zumal meine Oma noch sehr, sehr fit ist und ich ab Juli auch wieder zu Haus wohne und denen in der ersten Zeit helfen kann.
Eventuell sind ja auch die alternativen Medikamente eine gute Lösung, da werden wir uns mal Rat von nem Spezialisten holen ;).

Liebe Grüße

Solara
05.06.2014, 13:45
Beachte aber bei den NOACs noch das von evil erwähnte fehlende Monitoring (und auch Antagonisierung).

Rico
05.06.2014, 17:36
Was reiten eigentlich immer alle auf dem fehlenden Monitoring rum? Das ist doch gerade der Clou an den DOAKs, dass man das eben nicht braucht, weil die so ne große therapeutische Breite haben. Grad die schlecht auf VKAS einstellbaren laufen trotz Monitoring oft tagelang außerhalb des therapeutischen Bereichs. Da nützt auch das schönste Monitoring nichts... :-meinung

Nehmt Ihr alle UFH statt LMW-Hep weil man's schöner monitoren und antagonisieren kann?

Evil
05.06.2014, 18:19
Bei einer lebenslangen Therapie wünsche ich mir schon ein bissl Monitoring, ich denke nicht, daß Du NMHs als lebenslange Therapie verordnest ;-) Für die 6 Monate nach einer Thrombose nehme ich Xarelto gerne her, aber eben nicht unbedingt lebenslang.

Abgesehen davon bleibt das Problem bei der Komedikation mit Thrombozytenaggregationshemmern, da kann bisher noch keiner sagen, wie da die Blutungsraten sind, schon gar nicht bei Triple-Therapie.

Rico
05.06.2014, 19:42
Bei einer lebenslangen Therapie wünsche ich mir schon ein bissl Monitoring, ich denke nicht, daß Du NMHs als lebenslange Therapie verordnest Nur bei Tumorpatienten mit Thrombose/Embolie, da wird das wegen der Grunderkrankung oft eine lebenslange Therapie...
Wobei das Blutungsrisiko pro Zeit ja gleich bleibt, egal wie lange die geplante Einnahmedauer ist.

ASS, Clopidogrel & Folgesubstanzen, die für tausende Blutungskomplikatioen verantwortlich sind, monitort man ja auch nicht.

Aber er ich verstehe schon, dass diese "Fire-and-forget"-Therapien über Jahre etwas Unbehagen verursachen...

Evil
05.06.2014, 21:09
Ich würd den NOAKs noch einige Jahre Zeit geben. Die werden Phenprocuomon und Warfarin sicherlich langfristig ersetzen und wahrscheinlich irgendwann sogar bei Metallklappen genutzt werden, aber es fehlen einfach noch Erfahrungen.
Schließlich weiß auch noch niemand, was passiert, wenn ein 65jähriger Diabetiker mit VHF 20 Jahre lang Pradaxa schluckt.

Viehdoc
06.06.2014, 20:07
Also ich hab die Oma jetzt nochmal gefragt und sie sagt er bekommt das seit der Embolie. Und sie haben das weiter gegeben, weil seine Gerinnungswerte immer noch zu hoch waren... Neulich hatte er wohl einen Wert über 80 (aber sie weiß nicht, was genau die da messen) und davor aber um die 50. Und so ist das ständig mit den Schwankungen.
Meint ihr, dass da eine Neoplasie wahrscheinlich ist? (Wie gesagt, vorher hatte er keine Probleme damit)

Solara
06.06.2014, 20:27
Der Wert, der da gemessen wird nennt sich Quick-Wert.

Rico
06.06.2014, 20:55
Also ich hab die Oma jetzt nochmal gefragt und sie sagt er bekommt das seit der Embolie. Wichtig für die Dauer de Behandlung ist der Grund für die Embolie, bzw. sofern vorhanden der Thrombose - also z.B. im Rahmen einer Immobilisation/Operation oder einfach so aus heiterem Himmel.


Und sie haben das weiter gegeben, weil seine Gerinnungswerte immer noch zu hoch waren... Neulich hatte er wohl einen Wert über 80 (aber sie weiß nicht, was genau die da messen) und davor aber um die 50. Und so ist das ständig mit den Schwankungen.Also wenn das der Quickwert ist, dann kann man es auch lassen. Ziel wäre ja so zwischen 20 und 30.
Abgesehen davon hat die Qualität der Einstellung keinen Einfluss auf die Dauer.

Meint ihr, dass da eine Neoplasie wahrscheinlich ist? (Wie gesagt, vorher hatte er keine Probleme damit)Neoplasie ist der häufigste Grund im Alter - wenn man einen findet. Oft findet man ja gar keinen.
Wenn das ganze jetzt aber über zwei Jahre her ist, dann hätte man von einer möglichen Neoplasie in der Zwischenzeit sicher was gemerkt, von daher ist es mittlerweile eher unwahrscheinlich.