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Gummiente
03.06.2014, 16:46
Hallo!
Ich arbeite bei uns im Ort im Sanitätsdienst der DLRG bei Großveranstaltungen, sprich ich bin kein Rettungsdienstler.
Nun gab es da bei uns im Bekanntenkreis letztens folgenden Fall:
Ein Bekannter (25) ohne irgendwelche Vorerkrankungen hatte Fieber bis 40°C gehabt, Schüttelfrost, Nachtschweiß und Kopfschmerzen dazu.
Er ist kein typischer Arztgänger und meidet es, seinen HA wegen Pillepalle aufzusuchen.
So hat er versucht, seine Beschwerden mit Paracetamol zu lindern.
Die Beschwerden gingen aber nicht weg, es kamen hinzu: Schmerzen beim Einatmen, Appetitlosigkeit, Schwächegefühl, Nackenschmerzen und Atemnot bei der kleinsten Anstrengung, die sich aber bei Entspanntheit deutlich linderte. Etwa 5 Tage nachdem das Fieber ausgebrochen war und es trotz der Schmerzmittel und fiebersenkenden Mittel nicht besser wurde, ging mein Bekannter zum Hausarzt. Besser gesagt, er schleppte sich dorthin. Es war schließlich nur 5 Min Fußweg.
Schon am Empfang wurde er von den freundlichen Arzthelferinnen gefragt, ob alles okay wäre und ob er sich lieber hinlegen wolle. Er verneinte dies und setzte sich ins Wartezimmer.
Innerhalb der nächsten 10 Minuten ist er dann dran gekommen.
Der HA musterte ihn und meinte, dass er sehr blass wäre. Nach der Anamnese folgte die körperliche Untersuchung. Die Lungen waren beide o.B. , das Herz schnell aber ohne Geräusche, Blutdruck normal.
Es folgte das EKG. Der Hausarzt meinte, dass das EKG nicht in Ordnung sei, er habe T-Negativierungen und descendierende ST-Strecken, zudem eine Frequenz zwischen 120-140bpm.
Verdacht auf Durchblutungsstörungen. Er ließ den CK-Wert bestimmen, welcher aber im Normbereich lag.
Der Hausarzt meinte, er müsse sofort in ein Krankenhaus, schon alleine wegen des Verdachts auf Meningitis.
Es wurd ein Krankentransport angeordnet, welcher von der Feuerwehr durchgeführt per RTW.
Mein Freund erzählte mir, dass ihm das sehr unangenehm gewesen sei, schon alleine weil er sich "zu gut" fühlte um vom RTW ins Krankenhaus gefahren zu werden. Klar, er war sehr schlapp, aber er meinte, dass er die Fahrt sicher auch im Taxi überstanden hätte.
Im Krankenhaus wurde der V.a. Meningitis durch eine Liquorentnahme nicht bestätigt. Auch das Röntgen Thorax wegen Ausschluss einer Pneumonie war unauffällig.
Dafür wurden aber sehr hohe Entzündungsparameter nachgewiesen, sowie eine Infektion mit Staph aureus.
Aufgrund des auffälligen EKGs wurde das Herz genauer unter die Lupe genommen, in einem Schluck-Echo ergab sich dann die Diagnose: er hatte eine Endokarditis, weswegen er 6 Wochen im KH bleiben musste.
Man sagte ihm, er hätte schon viel vorher zum Arzt gehen sollen.
Mein Bekannter ist allerdings ein sonst sehr gesunder Mensch, und Fieber + Kopfschmerzen hatte er immer selbst gut therapiert bekommen, es war für ihn am Anfang nichts weswegen er sofort zum Hausarzt rennen müsste.
Jetzt meine Frage:
Wie seht ihr das? Ist der Einsatz des Rettungsdienstes von der Symptomatik als auch von der Diagnose am Ende her gerechtfertigt? Wie gesagt, mein Bekannter fühlte sich noch so wohl, dass er auch im Taxi hätte ins KH fahren können.

Ich weiß, dass eine Meningitis ansteckend ist, aber wenn er keine Nackenschmerzen gehabt hätte und es keinen V.a. Meningitis gäbe, wäre der Transport dann auch gerechtfertigt?

Und wie seht ihr das im allgmeinen, wenn ein Hausarzt den Rettungsdienst ruft, ist der Transport dann immer gerechtfertigt oder rufen auch Hausärzte wegen Pillepalle an?

Danke für eure Antworten!
P.S.: Mein Bekannter hat die Endokarditis folgenlos überstanden :)

Nessiemoo
03.06.2014, 17:46
Hm, wenn da ein verdacht auf eine Durchblutungsstörung im herzen ist, würde ja sogar ein Notarzt-begleitung indiziert gewesen sein, auch ohne Meningitis.

Shizr
03.06.2014, 17:48
[...]ging mein Bekannter zum Hausarzt. Besser gesagt, er schleppte sich dorthin. Es war schließlich nur 5 Min Fußweg.
[...]
Wie gesagt, mein Bekannter fühlte sich noch so wohl, dass er auch im Taxi hätte ins KH fahren können.
Finde den Fehler.


Rein anhand der Werte, die du hier gepostet hast, war dein Bekannter offensichtlich schwer krank. Möglicherweise ist er indolent bis zur Selbstverleugnung (und verwechselt diese völlig irrationale Schmerzfreiheit mit "nicht wegen Pillepalle zum Arzt gehen").
"Pillepalle" ist das hier nicht, sondern hier steht eine potenziell tödlich verlaufende Erkrankung im Raum.
(Auch ohne Meningitis-Verdacht klingt das nach einem septischen Krankheitsbild, bei dem die Patienten erfahrungsgemäß in kürzester Zeit extrem durchzünden können, und dann rennst du der Katastrophe nur noch hinterher und versuchst sie einzudämmen.)

Ehrlich gesagt hätte ich alles außer einer RTW-/NAW-Alarmierung bei so einem Krankheitsbild und -verlauf für äußerst waghalsig gehalten.

nie
03.06.2014, 18:39
Also grundsätzlich lasse ich keinen Menschen mit Meningitisverdacht im Taxi durch die Gegend fahren. Egal ob sich dieser hinterher bestätigt oder nicht.
Und auch mit dem EKG-Bild und dem Verdacht der Durchblutungsstörung des Herzens lässt man keine Person im Taxi zum Krankenhaus fahren. Auch wenn dein Bekannter sich subjektiv gut gefühlt hat, war/ist er ziemlich krank und es hätte jeden Moment bergab gehen können.

Wir fahren tagtäglich unnötigeren Kleinscheiß durch die Gegend und auch Hausärzte rufen wegen harmloserer Sachen schon an.

Evil
03.06.2014, 20:17
Und wie seht ihr das im allgmeinen, wenn ein Hausarzt den Rettungsdienst ruft, ist der Transport dann immer gerechtfertigt oder rufen auch Hausärzte wegen Pillepalle an?
Nein, ich rufe nicht wegen Pillepalle den Rettungsdienst, sondern wegen einer entsprechenden Indikation.

Coxy-Baby
03.06.2014, 21:10
Was ich mich frage, wieso bestimmt der Hausarzt CK? Und wie? mit sonem komischen Schnelltest?

Zum Rest wurde ja schon genug geschrieben.....

Gummiente
03.06.2014, 21:28
Was ich mich frage, wieso bestimmt der Hausarzt CK? Und wie? mit sonem komischen Schnelltest?

Zum Rest wurde ja schon genug geschrieben.....

Ich glaube, der CK-Wert gibt Hinweise auf einen Herzinfarkt.

Gummiente
03.06.2014, 21:32
Finde den Fehler.


Rein anhand der Werte, die du hier gepostet hast, war dein Bekannter offensichtlich schwer krank. Möglicherweise ist er indolent bis zur Selbstverleugnung (und verwechselt diese völlig irrationale Schmerzfreiheit mit "nicht wegen Pillepalle zum Arzt gehen").
"Pillepalle" ist das hier nicht, sondern hier steht eine potenziell tödlich verlaufende Erkrankung im Raum.
(Auch ohne Meningitis-Verdacht klingt das nach einem septischen Krankheitsbild, bei dem die Patienten erfahrungsgemäß in kürzester Zeit extrem durchzünden können, und dann rennst du der Katastrophe nur noch hinterher und versuchst sie einzudämmen.)

Ehrlich gesagt hätte ich alles außer einer RTW-/NAW-Alarmierung bei so einem Krankheitsbild und -verlauf für äußerst waghalsig gehalten.

Er hatte auch eine Sepsis. Aber ein Notarzt ist nicht alamiert worden, außerdem war es "nur" ein Krankentransport, sprich ohne SoSi, es hatte eine gute dreiviertel Stunde gedauert bis der Rettungsdienst da war.

Coxy-Baby
03.06.2014, 21:32
Danke für den Hinweis, aber diese Schnelltests (denn was anderes wird ein Hausarzt nicht mal eben bestimmen lassen) sind eh "grob" und wenn dann würde ich irgendwie Troponin bevorzugen....

Gummiente
03.06.2014, 21:34
Nein, ich rufe nicht wegen Pillepalle den Rettungsdienst, sondern wegen einer entsprechenden Indikation.

Wenn mein Bekannter dir so in die Praxis gekommen wäre, hättest du da den Krankentransport, einen RTW oder einen RTW + Notarzt angefordert?

Rico
03.06.2014, 22:49
Wenn mein Bekannter dir so in die Praxis gekommen wäre, hättest du da den Krankentransport, einen RTW oder einen RTW + Notarzt angefordert?Muss das nicht die Leitstelle entscheiden?

Shizr
03.06.2014, 23:14
Muss das nicht die Leitstelle entscheiden?
Theoretisch ja. Praktisch: In der Arztpraxis sitzt doch ein erfahrener Facharzt, der den Patienten vor sich hat und viel besser als der Disponent beurteilen kann, wie ernst es ist.

Wenn der jetzt sagt "KTW reicht", wird der Disponent das prinzipiell wohl erst mal so übernehmen.
Wenn da natürlich grober Unfug bei rauskommt, wird er seinen gesunden Menschenverstand und seine Alarmierungskriterien nutzen und das schicken, was er für erforderlich hält.
(Beispielhaft: Arztpraxis ruft an, man bräuchte einen KTW, sie hätten einen Patienten mit Herzinfarkt, der ins Krankenhaus müsse. Der Hausarzt bekam entgegen seiner Bestellung einen NAW, woraufhin er später versucht hat, eine Szene zu machen, es stünde der Leitstelle nicht zu, von seiner "Anforderung" abzuweichen, wenn er einen KTW anfordere, habe der Disponent einen zu schicken... unser damaliger ÄLRD hatte echt Spaß bei dieser Beschwerde.)

Evil
04.06.2014, 11:32
Wenn mein Bekannter dir so in die Praxis gekommen wäre, hättest du da den Krankentransport, einen RTW oder einen RTW + Notarzt angefordert?
Nach Deiner Schilderung RTW mit Notarztbegleitung. Wenn ich den Verdacht auf ein akutes Koronarsyndrom (= Durchblutungsstörung am Herzen) habe, dann ist die Indikation eindeutig.

@Rico: die Leitstelle entscheidet nach Meldung. Wenn ich einen Notarzt möchte, dann melde ich entsprechend, ich bin ja selber Notarzt.

Gummiente
04.06.2014, 12:20
Nach Deiner Schilderung RTW mit Notarztbegleitung. Wenn ich den Verdacht auf ein akutes Koronarsyndrom (= Durchblutungsstörung am Herzen) habe, dann ist die Indikation eindeutig.

@Rico: die Leitstelle entscheidet nach Meldung. Wenn ich einen Notarzt möchte, dann melde ich entsprechend, ich bin ja selber Notarzt.

Aber anscheinend schien es für den Hausarzt zunächst weniger dramatisch, da er ja gesagt hatte dass er einen Krankentransport bestellen würde und dieser dementsprechend ~45min brauchte.

Miss_H
04.06.2014, 14:01
@Gummiente: Was willst du eigentlich? Erst ist der KTW-Transport nicht gerechtfertigt (weil dein Bekannte stabil war) und jetzt ist es dir auf einmal zu wenig und es soll ein RTW mit NA kommen. Was ist dein Problem? Der Hausarzt hat den Patienten ernst genommen und hat einiges an Diagnostik veranlasst. Er hat die Situation erkannt und deinen Bekannten ins Krankenhaus geschickt. Ist doch alles gut gelaufen. Was möchtest du jetzt genau wissen?

Evil
04.06.2014, 14:05
Aus der Ferne kann man das schlecht beurteilen, wie es wirklich war und ob richtig gehandelt wurde. Im Nachhinein wissen es sowieso alle besser, aber das ist Klugschei$$erei.

ehem-user-02-08-2021-1033
05.06.2014, 14:53
Theoretisch ja. Praktisch: In der Arztpraxis sitzt doch ein erfahrener Facharzt, der den Patienten vor sich hat und viel besser als der Disponent beurteilen kann, wie ernst es ist.


Der Arzt entscheidet grundsätzlich über die Art des Transportmittels. Das ist rechtlich einfach Tatsache.
Sämtliche Transportscheine ("Verordnung über eine Krankenbeförderung") werden durch einen Arzt unterschrieben und somit wird der Transport mit KTW, RTW, NAW etc. durch den Arzt verordnet.
Vergleiche:
http://www.aerzteblatt.de/archiv/113434/Krankentransport-versus-Krankenfahrt-Entscheidend-ist-der-Einzelfall

Der Arzt haftet auch entsprechend für fehlerhafte Verordnungen.

Hier das Gerücht einzustreuen, die Leitstelle könnte per se entsprechend Einsatzstichwörtern, Transporte upgraden oder downgraden, wenn sie von einem Arzt bestellt bzw. angeordnet sind, wäre hypertroph und falsch.

Der Arzt hat die Verantwortung. Alles andere ist und bleibt Quatsch. Ober sticht Unter.

P.S.:
Das richtet sich nicht gegen dich persönlich Shizr, aber ich kenne diese Gerüchte, da ich ursprünglich dem Rettungsdienst entstamme. Sie sind aber falsch. Approbation und vor Ort anwesend sticht keine Approbation und am anderen Ende der Leitung in einer Funkbude sitzend, um es verkürzt auszudrücken.

Brutus
05.06.2014, 20:13
Das ist zwar prinzipiell richtig, allerdings kann der Disponent schon upgraden.
Wir haben zum Beispiel bei uns einen "berühmten" Niedergelassenen, der grundsätzlich einen KTW bestellt.
Und die Leitstelle schickt genauso grundsätzlich mindestens einen RTW, häufig auch direkt mit NA.
Denn m.E. kann der Disponent durchaus auch mit verantwortlich sein, wenn nach der Lage klar sein dürfte, dass das angeforderte Rettungsmittel nicht den Anforderungen entsprechen sollte...

Shizr
05.06.2014, 22:22
Das richtet sich nicht gegen dich persönlich Shizr, aber ich kenne diese Gerüchte, da ich ursprünglich dem Rettungsdienst entstamme. Sie sind aber falsch. Approbation und vor Ort anwesend sticht keine Approbation und am anderen Ende der Leitung in einer Funkbude sitzend, um es verkürzt auszudrücken.
Mir ist schon klar, was du meinst. Ich komme btw auch aus dem Rettungsdienst. Insofern weiß ich schon, wovon ich hier rede.


Und natürlich ist es richtig, dass der Arzt das Transportmittel auswählt, die Verordnung ausstellt und dafür haftet.


Aber der Disponent hat auch eine medizinische Ausbildung (nicht selten sind die ja auch RettAss) und wenn er eindeutig erkennen kann, dass das Meldebild nicht zum angeforderten Rettungsmittel passt, muss er m.E. daraus die entsprechenden Konsequenzen ziehen.

Natürlich ist der Arzt vor Ort und der Disponent nicht und der Disponent wird erst mal davon ausgehen, dass das schon stimmt, aber wenn anhand des Anrufes bereits offensichtlich ist, dass es das nicht tut, ist "Arzt hat's angeordnet" eine schwache Ausrede, wenns hinterher Probleme gibt.

Ähnliches gilt ja, wenn man vor Ort feststellt, dass dieser Einsatz eine Nummer größer ist als erwartet.
Da kann ich dann auch nicht argumentieren, dass der Trapo nur einen KTW-Transport hergibt, sondern ich muss ggf. RTW / NEF hinzuziehen.
Garantenstellung und so.



Was daran "hypertroph" sein soll, vermag ich nicht zu erkennen.

nie
06.06.2014, 10:03
Ich finde durchaus, dass man auch den Disponenten durchaus zutrauen kann, eigne Entscheidungen zu treffen (unsere sind übrigens alle RA mit vielen Jahren Berufserfahrung).
Vielen Niedergelassenen hier ist auch das System des Rettungsdienstens nicht so vertraut. Da heißt jedes Auto mit Blaulicht auf dem Dach "Krankenwagen" und es ist den Leuten nicht wirklich klar, dass diese Autos nicht alle gleich ausgestattet sind. Auch die Tatsache, dass da nicht immer ein Arzt mitfährt, ist dem ein oder anderen nicht bekannt. Nur weil man approbiert ist, heißt das nicht, dass man plötzlich ein System kennt, mit dem man vorher nie Berührungspunkte hatte.

Wenn ein niedergelassener Arzt anruft und sagt, dass er nen Krankenwagen brauch weil Patientent X nen Herzinfarkt hat und in KH Y muss, dann wird ein Disponent nen RTW (+NEF) schicken statt nen KTW ohne Monitor.
Was ist denn, wenn ich mit nem KTW in die Praxis komme und einen Patient vorfinde,der eindeutig nen RTW benötigt. Der Arzt sagt aber weiterhin, wir sollen den einfach schnell ins Krankenhaus fahren, das würd schon gehen.
Darf ich dann eigenmächtig nen RTW rufen oder sticht da auch approbierter Arzt den RA?

Und was die Transportscheine angeht: die größten Teil der Scheine, die wir in Arztpraxen bekommen, sind falsch augefüllt. Die lassen wir entweder korrigieren oder holen im Krankenhaus einen neuen. Wenn ich nach dem handele, was in Arztpraxen auf den Scheinen steht, dann kann ich in den meisten Fällen wieder gehen und ein Taxi hinschicken.