PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Intoxikation



ehemaliger User_10072016-2
05.06.2014, 11:57
Hallo,

hätte da mal eine Frage.
Wenn ein Notruf wegen Intoxikation (Medikamente, Alkohol etc) eingeht, wird dann automatisch immer ein Notarzt mitgeschickt, oder wird das von den Aussagen der Meldung abhängig gemacht?

Wird vor Ort oder im Krankenhaus denn eigentlich noch die Magenspülung oft durchgeführt? Macht man nur wenn es ca 1 Stunde her ist, oder?

Danke schon mal.

Peter_1
06.06.2014, 13:13
Na, ja Intoxikation hat eine gewisse Spannungsbreite, wenn ich einen Liter Kaffee in 20 min abgepumpt habe, dann kann ich auch eine Intoxikation haben, mir ist schlecht, ich bin zittrig, vielleicht habe ein bisschen Herzrasen usw. Da muss dann nicht zwingend ein Notarzt mit kommen. Ebenso ist jeder Alkoholrausch auch eine Intoxikation und die Spannungsbreite der Symptome eines Alkoholrausches ist wahrscheinlich bekannt (von dummes Zeug labern bis zum Atemstillstand).
Mit anderen Worten: kommt drauf an was genau jemand in welcher Menge und Zeit zu sich genommen hat und ganz wichtig: in welchem Zustand er/sie nach der Einnahme ist. Bei lebensbedrohlichen Zuständen (zB Atemstillstand, schwere Atemnot, tiefer Bewusstlosigkeit, schweren Herz/Kreislaufsymptomen usw.) wird in der Regel ein Notarzt mit geschickt, aber eben nicht zu jeder Intoxikation. Magenspülungen haben heutzutage eher Seltenheitswert, die meisten Vergiftungen werden einfach nur im Kankenhaus überwacht (zB die schwere Alkoholvergiftung), bei einigen gibt es "Gegenmittel", oder aber Mittel gegen die Symptome der Vergiftung, bei Atemstillstand, fehlenden Schutzreflexen usw. muss intubiert und beatmet werden.

ehemaliger User_10072016-2
08.06.2014, 17:39
Ja gut das stimmt. Gehen wir mal von einer schweren Alkoholvergiftung aus oder einer Mischintoxikation mit Tabletten wie zb Neurleptika, Antidepressiva, Schlafmittel usw.

In welcher Zeit? Also wie lange es zur Einnahme her ist?

Atemstillstand, schwere Atemnot etc kommt ja erst bei schwerwiegenden Intoxikationen vor? Es kann doch auch zu einer Atemdepression kommen, oder?

Wenn ein Patient dann bewusstlos ist und somit keine Schutzreflexe mehr vorhanden sind wird intubiert? Da wird doch zwischen 3 Stufen des Bewusstseins unterschieden mit somnolenz, sporös und Koma?
Bei somnolenz und soporös sind ja noch Schutzreflexe vorhanden?

Aktivkohle verwendet man auch nicht mehr so, oder?
Wobei ich das derletzt mal mitbekommen habe bei einer Intoxikation von Tavor hat die betroffene Person dann Kohle bekommen.

WackenDoc
08.06.2014, 18:05
Bei einer schweren Alkoholintox gibt´s von mir sicher keine Magenspülung- zu dem Zeitpunkt wenn der Patient auffällig wird, ist das meiste ja eh schon resorbiert. Und übel ist denen zudem noch bei eingeschränkten Schutzreflexen.
Die meisten C2-Intoxe brauchen aber nur eine gescheite Überwachung incl. BZ. Intubation ist in den meisten Fällen gar nicht erforderlich.

Neuroleptika und bestimmte Antidepressiva- ja dann kann man es sich überlegen. Vor allem Antidepressiva können übelste Rhythmusstörungen machen und es gibt meist keine echten Antidote. Die Magenspülung muss man sich aber auch da überlegen- wie lange her, wie lange Fahrt habe ich vor mir, in welchem Zustand ist der Patient. Maximal eine Stunde nach Einnahme.

Schlafmittel- da kommt´s drauf an- bei den meisten würde ich einfach Vitalparameter überwachen und ggf. Atemwege sichern. Für Benzos gibt´s nen Antidot.

Die Indikation zur Intubation liegt bei ner GCS von 8- hängt aber auch da von den Umständen ab. Würden wir in Wacken jede C2-Intox mit GCS unter 8 intubieren, würden wir nicht mehr hinterher kommen.

Aktivkohle funktioniert bei einigen Substanzen nicht. Außerdem ist es auch dafür meist zu spät. Und der Patient muss entweder schlucken können oder man muss es über eine Magensonde machen- hohe Aspirationsgefahr und Zeitverlust.

ehemaliger User_10072016-2
12.06.2014, 20:58
Danke für die Antwort. Das heißt bei Benzos kann man dann immer recht gut ein Antidot geben. Das wird aber auch nicht immer gegeben, oder? Da kommt es dann auch auf die Umstände an?
Wusste gar nicht das es so schlimm ist mit Rhythmusstörungen bei Antidepressiva ist.

Dh. oft überwacht man einfach die Vitalparameter.

Absolute Arrhythmie
12.06.2014, 21:17
Kommt wohl bei Antidepressiva auf den genauen Wirkstoff an bzw die Stoffgruppe. Neuroleptika können ne qt-zeit-verlängerung machen, die auch ohne intox klinisch relevant sein kann.

WackenDoc
12.06.2014, 21:30
Wenn derjenige selber gut atmet, ich lückenlos überwachen kann und es sonst keine besonderen Umstände gibt, würde ich mich bei Benzos gegen das Anexate entscheiden. Bei Opioidintox würde ich mich unter diesen Umständen auch gegen das Antidot entscheiden.
Ich hab nämlich auch keine Lust, dass derjenige mir im RTW anfängt zu randalieren.

Und ja, in vielen Fällen überwacht man nur die Vitalparameter und sieht zu, dass man in die Klinik kommt.

Ja, einige Antidepressiva wirken auf Na-Kanäle und machen darüber die Rhythmusstörungen. Natrium ist dafür dann auch Therapie.
achso- und die können auch Krampfanfälle verursachen.
Oder wie die Gitfnotrufzentrale mal gesagt hat: Wie praktisch, dass der Patient noch zwei Diazepam zusätzlich genommen hat, dann krampft er wenigstens nicht.

Absolute Arrhythmie
12.06.2014, 21:38
Was würde man bei der lithium-intox machen?

WackenDoc
12.06.2014, 21:57
Wenn man noch früh genug dran ist, Magenspülung, ansonsten Flüssigkeitssubstitution mit NaCl und ab in´s Krankenhaus und dort je nach Serumspiegel Hämodialyse.
Plus allgemeine Maßnahmen je nach Vitalparametern.

Im Zweifel einfach bei der Giftnotrufzentrale anrufen- kann man auch als Rettungsdienst. Die Nummer ist meist im Diensthandy eingespeichert.

ehemaliger User_10072016-2
13.06.2014, 08:23
Ah okay. Ja da gibt es ja ganz viele unterschiedliche Antidepressiva.
Dann war das wohl sehr praktisch mit dem Diazepam ;)
"Wirkt das so stark", weil du sagtest die Person hätte 2 Diazepam genommen und somit nicht gekrampft?
Was hätte passieren können wenn die Person nur Diazepam in einer Überdosis genommen hätte?
Midazolam wirkt wie Diazepam, oder?
Bei den SSRI kann es doch auch zu dem Serotonin Syndrom kommen?

WackenDoc
13.06.2014, 12:03
In dem Fall war es ein SSRI. Und die können neben den Rhythmusstörungen auch Krampfanfälle machen (das wäre eine Teil des Serotoninsyndroms).
Diazepam (oder auch andere Benzodiazepine) erhöhen wiederum die Krampfschwelle und sind Mittel der Wahl um einen Krampfanfall zu durchbrechen.

Nimmt jetzt ein Patient, der in suizidaler Absicht eine Überdosis SSRI noch zusätzlich eine kleinere Menge Benzos (und 2 Tabletten sind in dem Zusammenhang eine kleinere Menge) so kann das einen Schutz vor einem Krampfanfall bieten.
Ob das am DIazepam gelegen hat, oder derjenige so oder so nicht gekrampft hat, weiss ich nicht. Aber zumindest wurde die Wahrscheinlichkeit gesenkt.

Nur Benzos: Da wäre ich entspannter gewesen. Die machen primär eine Atemdepression und die lassen sich oft besser beherrschen als Rhythmusstörungen aufgrund von SSRI.

ehemaliger User_10072016-2
13.06.2014, 18:16
Ein Serotonin Syndrom lässt sich nicht so einfach diagnostizieren, oder?

Tritt im Vergleich zum Malignem neuroleptischen Syndrom früher auf, oder? Also die Symptome setzen schneller ein? Meine ich mal gelesen zu haben.

Dh bei einem Krampfanfall greift man zu Benzos. In dem geschilderten Fall wäre es kritischer gewesen, wenn die Person nur SSRI genommen hätte, weil eine Überdosis mit SSRI gefährlicher ist, wie mit Benzos?

Eine Atemdepression ist genau was? Habe mal nachgelesen und da steht eine Herabsetzung der Atmung.

WackenDoc
13.06.2014, 21:25
Man muss zumindest auf die Diagnose kommen. Aber präklinisch sind die Therapiemöglichkeiten eh begrenzt.

Ob das in dem Fall kritischer gewesen wäre, kann man nicht so sagen. Aber zumindest hat es eben einen gewissen Schutz dargetellt.

Atemdepression ist die Unterdrückung des Atemanreizes.

Was genau machst du eigentlich? Bzw. welche medizinische Ausbildung hast du? Was ist eigentlcih der Hintergrund deiner Fragen? Die sind nämlich etwas seltsam.

ehemaliger User_10072016-2
14.06.2014, 10:22
Ah okay danke für die Erklärung!
Ich interessiere mich einfach für das medizinische.

Werde mich für Anästhesietechnische Assistentin bewerben.
Habe ein Buch dafür und da steht eben auch was über Intoxikation drin und da wollte ich einfach das mal genauer wissen. Kommt ja doch immer häufiger vor. Habe es eben auch schon oft mitbekommen, da ich auch 3 Monate in der Psychiatrie gearbeitet habe.

gyrasehemmer
18.06.2014, 22:19
Wie WackenDoc sehr zutreffend meinte, ist es präklinisch oft ein "Black Box".... man kann nur rätseln, was die Menschen sich so reingeschmissen haben und freut sich fast, wenn leere Medi-Packungen noch im Müll sind und der Pat. einigermaßen ansprechbar... letztlich kommts oft auf load and go an.... ;-)

Brutus
19.06.2014, 07:12
Werde mich für Anästhesietechnische Assistentin bewerben.
Habe ein Buch dafür und da steht eben auch was über Intoxikation drin und da wollte ich einfach das mal genauer wissen. Kommt ja doch immer häufiger vor. Habe es eben auch schon oft mitbekommen, da ich auch 3 Monate in der Psychiatrie gearbeitet habe.
Häufiger? Naja, gefühlt vielleicht, aber in der Psych bekommst Du natürlich auch alle gestapelt auf einmal...
Ist wie in dem Prostatazentrum, wo Du nach einem Jahr meinst, dass kein Mann über 40 in der Stadt noch eine Prostata haben kann / darf, weil dort so viele operiert werden. ;-)