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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Warum machen heute so viele ein 1,0- Abitur?



zahnstein24
22.06.2014, 15:38
Habe gerade diesen Beitrag gelesen :

http://www.welt.de/politik/deutschland/article129189233/Die-gefaehrliche-Entwertung-des-deutschen-Abiturs.html

Es geht darum, dass es heute viel mehr gute Abiturienten gibt, als noch vor zehn Jahren. Dieser Fakt betrifft ja jeden, der sich für ein (Zahn-)Medizin-Studium bewirbt.

Eure Meinung dazu? Sind die Abiturienten heutzutage alle viel schlauer, als früher?

anna1708
22.06.2014, 15:44
frage mich auch, woran das liegt, dass es heute so extrem viele 1,0-er abiturienten gibt.
als ich mit dem studium begonnen habe, hatte man mit einer 2,0 noch realistische chancen auf einen zahnmedizin-studienplatz und humanmedizin war auch noch nicht so übertrieben wie heute.
zum glück, an meiner schule war es quasi unmöglich, eine 1,0 zu machen (ich kenne EINEN (!), der es einmal geschafft hat, der war aber auch ein ganz spezieller Fall; nicht negativ gemeint; er war halt über-gut). mit einem abischnitt von <2,0 gehörte man schon zu den besten.

Panizzon
22.06.2014, 16:43
Also zu erst stelle ich mal in Frage, dass der Notendurchschnitt des Abiturs absolute Rückschlüsse auf Intelligenz zu lassen.

Denn außer Disziplin (um Stoff auswendig zu lernen) ist dazu nicht wirklich nötig. Natürlich hilft eine gewisse Art an Intelligenz wesentlich einfacher durch's Abitur zu kommen bei weniger Anstrengung im Vergleich zu anderen mit derselben Note.

Um auf den Umstand jetzt aber zurück zukommen, weshalb so viele heute eine so gutes Abitur machen, hat das wohl mit dem gesellschaftlichen Wandel bzgl. Beruf und Karriere zutun.
Es herrscht in zwischen ein ungefährer Konsens von "Wenn du nicht der Beste bist, wirst du nicht viel erreichen" (evtl. etwas ungeschickt augedrückt aber ich denke es ist klar was ich meine).
Es ist ja auch daran zusehen, dass wir in Deutschland in zwischen mehr Studenten als Auszubildende haben und immer mehr Abiturienten studieren.
(Was natürlich irgendwo auch nachvollziehbar ist, ist ja schließlich die allgemeine Hochschulreife. Wenn man nicht studieren wollen würde, würde ein Realabschluss - konzeptionell - ja auch genügen. Wobei ein Abitur natürlich auch die Aussichten auf einen Ausbildungsplatz deutlich steigern und viele Unternehmen, selbst für Ausbildungsberufe in zwischen ein Abitur verlangen)

Bei einer Recherche über Methylphenidat bin ich mal auf einen Artikel der Zeit gestoßen in dem der Autor am den Artikel mit Folgendem Satz abschloss, welcher, wie ich finde die heute Generation relativ gut beschreibt:
"Heute nehmen Studenten Ritalin, weil es ihnen hilft, sich den Erwartungen der Gesellschaft anzupassen. Sie sind die erste Generation, die eine Vernunftdroge konsumiert. Eine traurige Droge, ein Armutszeugnis."
(Meine Anspielung geht hierbei natürlich auf den Vergleich der Generationen, wobei man, wie ich finde, hier tatsächlich die Modedrogen als Indiz zur Analyse heranziehen kann.)

Zu mal man einen Aspekt bei dieser Diskussion nicht vergessen sollte, dadurch dass immer mehr das Abitur machen vergrößert sich ebenfalls die Distanz zwischen besser qualifizierten und schlechter qualifizierten. Da nun weniger einen Realschulabschluss machen und wenn dann nur noch Hauptschulabschluss oder garkeinen. Wir haben hierdurch also eine Vergrößerung der Kluft zwischen den Qualifikationen.



Also ich denke nicht, dass die Abiturienten aus heutiger Zeit intelligenter sind als vor einigen Jahren oder Jahrzehnten, aber sie sind vermutlich aufgrund gesellschaftlichem Druck disziplinierter.
Wobei dieser Gesellschaftliche Druck natürlich auch eine Art Angst ist, nicht qualifiziert genug zu sein, später keinen vernünftigen Job zu bekommen und somit nicht genug Geld zu verdienen und somit kein gutes Leben führen zu können.

Ich erachte die Entwicklung, dass wir in zwischen mehr Studenten als Auszubildende haben als gut, zumindestens sozio-ökonomisch auf Landesebene betrachte, allerdings erachte ich die Tatsache, dass durch die viele (guten) Abiturienten und die gesellschaftliche Stellung zu Karriere und Beruf, das es zu enormem Leistungsdruck führt als äußerst schlecht.
(Nur noch als kleiner Einwurf: Die Zahl der erkrankten an Depressionen, PTBS, Burnout, etc. stieg in den letzten Jahrzehnten massiv an, ich vermute hier einen Zusammenhang...)

Btw. Nicht alle 1,0er Abiturienten studieren Medizin. Medizin wird aber immer noch als einer der ultimativen Wissenschaften bzw. Studienplätze angesehen, weil oder gerade deswegen es auch nicht unbedingt zu den einfachsten zählt. Der gesellschaftliche Stellenwert für dieses Studium ist enorm hoch. Das sollte wohl begründen, wieso der NC so hoch ist und wieso so viele Medizin studieren wollen. Auch wenn das nicht bedeuten mag, dass das unbedingt gut für die Wissenschaft an sich und den Arztberuf ist, also in deswegen zu wählen, weil eher einer der schwierigsten ist und hier die Herausforderung scheinbar am größten ist.

astrophys
22.06.2014, 17:09
Hier (http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/abitur-noten-werden-immer-besser-die-bildung-schlechter-12990647.html) gibts auch einen Artikel in der FAZ zu diesem Thema.

anna1708
25.06.2014, 15:48
sehr wahre worte, panizzon!
ob und welche "gesamtgesellschaftlichen" auswirkungen das ganze hat, wird interessant sein, zu sehen. es sind ja nicht nur mediziner, die es betrifft, sondern viele junge leute.

was ich auch ganz interessant finde, ist die tatsache, dass viele mediziner zwar extrem leistungsorientiert sind, aber dennoch ganz spaßorientiert. konkretes beispiel medimeisterschaften. was da abgeht, passt nicht so ganz in das bild, der ritalin schluckenden depressiven leistungsoptimierenden lernmaschine. oder erst recht?

Fliegenpilzi
26.06.2014, 14:06
Naja, ich kann mir vorstellen, dass es zusätzlich heutzutage durch die neuen Medien viel einfacher ist an Informationen zu gelangen. Und Lehrer sind sicherlich leicht beeindruckt, wenn außerlehrplanmäßiges Wissen in die Klausuren einfließt...