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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wechselnd Bewusstlosigkeit und völlig wach?!



grundewelle
25.06.2014, 00:36
Abend,

vorgestern haben wir einen Patienten mit RTW (ohne NA) auf der Straße aufgegabelt. Er war von fünf Passanten umgeben und lehnte an einem PKW, wobei er offensichtlich Probleme hatte auf den Beinen zu bleiben.

Noch bevor wir die Trage draußen hatten, um ihn aus dieser misslichen Lage zu holen, wurde er bewusstlos, war nur schwer auf Schmerzreiz erweckbar. Puls war derzeit unverändert.
Nach etwa 20 Sekunden war er dann wach und fand die Aktion mit der Trage vollkommen überzogen und ist mit Hilfe in den RTW eingestiegen, meinte aber selbst, dass es ihm "dreckig" ginge.
Im RTW hat er sich dann hingelegt, war extrem unruhig, aber die ganze Zeit ansprechbar.
Hier unsere Messdaten/Untersuchungsergebnisse etc.

RR 118/73mmhg im liegen,
HF 81/min, Sinusrhythmus, keine ERBST, P-Wellen normal, schmale QRS-Komplexe, alles unauffällig (allerdings nur 4-Pol).
SpO2: 96% unter RL.
AF: ca. 20/min
BZ: 132mg/dl
Pupillenmotorik normal, MW, prompt lichtreagibel, seitengleich.
Kein Foetor.
Warme, gerötete Haut, wenig schwitzig.
Kurzzeitig Angabe von retrosternalem Schmerz, auf Druck reproduzierbar, nachher nicht mehr vorhanden.
Druckschmerz McBurney, negatives Bloombergzeichen, zu zwei Zeitpunkten getestet, Appendix noch drin.
Auskultatorisch VAG.
Temperatur (wurde später im KH gemessen, da bei uns nicht an Bord) 36,1°C

Anamnese:
Alter 42 Jahre, guter AZ und EZ.
Keine Vorerkrankungen, keine Medikamente, keine Allergien, immer gesund gewesen bis auf gestern und heute.
An besagten Tagen insgesamt dreimal Erbochen, die Woche vorher erkältet gewesen.
Etwa eine halbe Stunde vor Eintreffen RTW auf Fußballspiel der Kinder gewesen, dort ein Bier getrunken (von Freund der dabei war bestätigt).

An sich nichts besonderes, der Patient war allerdings total agitiert, betonte mehrmals, dass es ihm dreckig ging, dann war er immer mal wieder weg. In den Phasen der Bewusstlosigkeit Apnoe mit Abfall SpO2 bis 77%!
Auch bei Überstrecken, Esmarch etc KEINE Atmung. Beutel etc. waren griffbereit, der Patient ließ sich aber immer wieder auf starken Schmerzreiz erwecken und war dann völlig orientiert, hat einfach da weitergemacht wo er aufgehört hat.

Zu dem Zeitpunkt sind wir dann zügig richtung KH gefahren. Auf der Fahrt bot sich das gleiche Bild mehrmals.
Mit unseren bedingten Möglichkeiten kam für uns dann folgendes in Frage:
Intox
unklares Abdomen, evtl schon Präsepsis oder SIRS (!?)

Im KH angekommen: Die Geschichte wiederholte sich einige male, der Patient wurde aber zunehmend verwirrter und beschrieb, dass er Probleme hat seine Worte richtig zu finden und zu sortieren.
Die Schmerzen im Abdomen waren dann nicht mehr auslösbar, nun jedoch erneutes Erbrechen.

Was meint ihr dazu? Irgendwie passt da viel nicht zu den typischen Bildern, oder?!

papiertiger
25.06.2014, 07:01
Ohne jetzt viel Erfahrung/Ahnung und Zeit, mich richtig reinzudenken zu haben geht die Kombination "komische Bewusstseinsstörung" insbesondere auch mit den Atemaussetzern und Erbrechen für mich sehr in Richtung "irgendwas im Kopp". Sprich, Blutung, Tumor, Ischämie...? Irgendwelche weiteren Hinweise in die Richtung? Möglichkeit, aus dem KH was über den weiteren Verlauf zu erfahren?

Differentialdiagnostisch natürlich nach wie vor Intox oder ein metabolisches/endokrines Geschehen im weitesten Sinne.

(edit: DD etwas übersichtlicher sortiert)

grundewelle
25.06.2014, 10:17
Jo, das war auch einer der Gedanken... Abgebracht davon hat uns die Kombination aus dem Rest. Mit am Vortag schon schlecht gewesen, Appendix, abdomineller Schmerz, dann mal Thoraxschmerz. Ich versuche mal was vom KH rauszubekommen.

grundewelle
25.06.2014, 15:52
Hab gerade die Info von der Klinik bekommen: Alkoholintox. Hammer... Auch noch nicht erlebt, dass da jemand trotz Esmarch usw aufhört zu atmen...

WackenDoc
25.06.2014, 17:56
Die Frage ist doch, warum er nicht geatmet hat:
Sind die Atemwege durch den mangelnden Muskeltonus verlegt, der Patient will aber noch atmen, merkt man das, weil der Patient gegen den Widerstand anatmet. Und dann hilft der Esmarch. klassisches A-Problem
Gibt es ein Problem mit dem Atemantrieb aufgrund der Intox hilft der Esmarch nicht (es sei den, er reicht als Schmerzreiz aus um die Atmung wieder in Gang zu bekommen), weil das Problem, was der Esmarch behebt nicht das Problem des Patienten ist. Der Patient hat nämlich nicht unbedingt ein A-sondern ein B-Problem.

Wie viele Promille hatte er denn? Erklärt der Wert den Zustand des Patienten?
Hatte der keinen Foetor und die Anamnese hat auch nix hergegeben?

grundewelle
25.06.2014, 19:16
Der Unterschied zwischen A und B Problem ist mir schon klar, allerdings habe ich es bis jetzt noch nie erlebt, dass jemand aufgrund eines C2-Intox so ein massives B Problem entwickelt. Wie gesagt, negative Anamnese, Familienvater, laut Freund ein Glas (!) Bier getrunken... Also entweder hat Vati sich heimlich auf dem Klo ordentlichst einen hinter die Binde gegossen, oder keine Ahnung was da los war. Foetor hatte er nicht. Zumindest nicht annähernd so einen, der die Problematik bei ihm erklären würde. Genauen Wert habe ich leider nicht, nur die "Diagnose".

Ich hab inzwischen (RD in Großstadt) schon den ein oder anderen Betrunkenen gesehen (sind ja nunmal um die 50% aller Einsätze). Auch extremst betrunkene. Diesen Wechsel zwischen völlig orientiert durch die Gegend laufen und auf einmal das Atemzentrum lahm legen kannte ich aber auch noch nicht.

Logo
25.06.2014, 21:06
...dreimal Erbochen, die Woche vorher erkältet gewesen. Etwa eine halbe Stunde vor Eintreffen RTW auf Fußballspiel der Kinder gewesen, dort ein Bier getrunken...

... Und evtl. Infekt nicht auskuriert/prolongiert?
... Und evtl. Medis zur Sympt.-Thp. eingenommen, welche die C2-Wirkung beeinflussen?
... Sonnenexposition während Fußball?
... "Nur ein Bier" ist es meist nie. So einer Aussage glaube ich aus Prinzip nicht ;-)

Fazit: Genug gut vorstellbare Confounder um das gesehene Ergebnis zu erzielen.

Noch einmal aus Neugier zurück zur Atmung:
Habt ihr mal auf die Uhr geschaut wie lange der wirklich nicht schnauft? Auch SAS-Pat. desaturieren gut mal in den 70er Bereich rein und kommen dann aber doch wieder selbst, gepaart mit 'nem entsprechendem Arousal. Alkohol ist da ja ein bekannter CoFaktor. Vielleicht demaskiert sich hier etwas so nebenbei...

Gruß LOGO

grundewelle
26.06.2014, 15:19
Hm, so 10-15 Sekunden kam da definitiv nichts... dann noch so 5 Sekunden zum aufwachen. Mehr wollte ich ihm dann nicht antun, muss ja nicht sein.

Nessiemoo
26.06.2014, 22:07
Wie war eigentlich das Hf/ EKg während der Bewusstlosigkeit?

grundewelle
27.06.2014, 02:12
völlig unverändert.

Corinna
29.06.2014, 13:50
ohne alkohol hätte das für mich nach basilaristhrombose gerochen. wieviel promille warens denn?

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29.06.2014, 14:25
ohne alkohol hätte das für mich nach basilaristhrombose gerochen. wieviel promille warens denn?

Gute DD :-top

WackenDoc
29.06.2014, 14:35
Stimmt. Oder auch ICB
Unklare Bewusstseinsstörung, die wie C2 aussieht, aber ohne passende Anamnese und fehlenden Foeter= V.a. ICB und Apoplexe