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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : OP ohne Strahlenbelastung! Frage an die Chirurgen



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Schnuffi332
16.07.2014, 20:06
Hallo zusammen,

ich habe eine Frage, die ich hier stellen will, da ich mir hier fachkundige Antworten erhoffe. Ich mache gerade Famulatur in der Unfallchirurgie und es ist mir ein Riesen-Graus bei OP´s Haken- und Beine halten zu müssen bei denen dauernd intraoperativ geröntgt oder durchleuchtet wird. (Ich hatte ich mich ursprünglich für die Notaufnahme beworben.) Nicht zuletzt dadurch habe ich ein Wahnsinnsproblem mit den Strahlen, weil in der Uni ständig drauf rumgeritten wird, Strahlen zu vermeiden wo es gerade geht. Das scheint aber nicht für OP-Personal (vom Operateur bis zum Springer) zu gelten.

Da ich ja bald gezwungenerweise PJ in der Chirurgie auch machen muss, ist meine Frage, wo ich mich bewerben soll, wo wird operiert ganz ohne Strahlung? Ich finde, bei OP-Personal die ständig solche OP´s machen, ist der Krebs vorprogrammiert. Da helfen auch die Bleischürzen nichts.

Ich wäre sehr froh für Antworten und bedanke mich im Voraus.

LG

Kandra
16.07.2014, 20:20
Na so ziemlich alle, die nix mit Knochen zu tun haben, operieren ohne Strahlung. Allgemein- und Viszeralchirurgen zB. Die Röngten eigentlich nur bei Ports.
Kleine Frage: Wenn du so Schiss vor Strahlung hast (imo eher unberechtigt, solange du nicht jeden Tag direkt im Strahlengang stehst), wieso machst du dann ne Famulatur in der Unfallchirurgie?

ycr83
16.07.2014, 20:37
Hat man euch in der Uni denn auch mal vorgerechnet, wieviel Strahlung das OP-Personal so abbekommt, was der Grenzwert ist (weit darüber) und was bei Erreichen des Grenzwertes passiert (unklar, vermutlich aber nichts).


Ich finde, bei OP-Personal die ständig solche OP´s machen, ist der Krebs vorprogrammiert. Da helfen auch die Bleischürzen nichts.


"Findest" du das, oder kennst du Evidenz dafür, dass es so ist? Wenn ja, lass mich bitte an dem Wissen teilhaben! Dass die Bleischürzen nicht helfen, beruht auch eher auf deinen Mutmaßungen, oder?

Schnuffi332
16.07.2014, 20:38
Wie gesagt, ich hatte mich für die Notaufnahme beworben, wo ich ja auch hauptsächlich bin, aber vormittag schleppen sie mich halt in den OP. Ich hab ja gesagt, ich möchte das nicht weil ich Schiss habe und auch eine Struma mit nem Knoten und konnte mich bisher auch erfolgreich weigern (ich mach ja erst seit Montag Fam.)
Aber für´s PJ brauche ich unbedingt was ohne Strahlung, weil ich mich ja nicht dauernd drücken will...

sheep
16.07.2014, 20:39
also... hier und da geröntgt wird eigentlich in den meisten operativen fächern (mal mehr, mal weniger...)... für's chirurgue-tertial relevante disziplinen... hm:

o/uc/wirbelsäulen-/handchirurgie auf gar keinen fall, gefäßchirurgie kannste im prinzip auch vergessen... in der avc arbeitet man relativ selten unter bildwandlerkontrolle (bei intraoperativen cholangiographien zb. - oder wenn der chef mal wieder granatsplitter aus der leber pult...), bliebe sonst eigentlich nur noch die thoraxchirurgie - die röntgen intraoperativ wirklich so gut wie nie (hab's bisher nur bei ganz wenigen, sehr komplexen rsf/trichterbrustkorrekturen gesehen)... tjoah, also bleiben unter'm strich nur avc/thx übrig. (edit - vergessen: plastisch/rekonstruktive, hier rotieren sie im chirurgie-tertial jedenfalls auch in die plastische)

Schnuffi332
16.07.2014, 20:45
Meine Mutmaßungen beruhen zum größten Teil darauf was sie uns in den letzten 5 Jahren in den Vorlesungen erzählt haben. Konkrete Zahlen habe ich nicht parat. Aber letzte Woche beim Chirurgie-Praktikum habe ich einen Arzt gefragt und der sagte, er hätte vor einiger Zeit eine Studie gelesen, in der festgestellt wurde, dass das Auftreten von Gliomen bei Chirurgen die mit Strahlung gearbeitet haben höher waren als bei der Normalbevölkerung. Genaueres hab ich nicht hinterfragt, also welcher Studie genau, denn da hats mir dann schon gereicht...

Schnuffi332
16.07.2014, 20:55
tjoah, also bleiben unter'm strich nur avc/thx übrig. (edit - vergessen: plastisch/rekonstruktive, hier rotieren sie im chirurgie-tertial jedenfalls auch in die plastische)

Danke! Die plastische habe ich auch schon im Visier.

ycr83
16.07.2014, 21:03
Wäre es dann nicht der bessere Plan, sich zu informieren und mit der Materie richtig vertraut zu machen, statt Panik zu schieben? In den Vorlesungen wurde nämlich (und das mutmaße ich jetzt mal) nicht erzählt, dass Strahlung schlimm ist, sondern lediglich, dass unnötige Strahlenexposition zu vermeiden ist. Für beruflich strahlenexponierte Personen gilt eine Lebenszeit-maximaldosis von 400 mSv, das ist rund das Doppelte dessen, was ein Durchschnittsmensch in Deutschland im Laufe von 20 Jahren abbekommt. Diese Dosis wird in der Realität nie erreicht, denn in aller Regel ist auf den Dosimetern nichts außer der üblichen Hintergrundstrahlung drauf.

Selbst wenn sie erreicht werden würde, stellt sich immer noch die Frage nach der Konsequenz. Es gibt Hoch- bzw. Herunterrechnungen von Daten nach den Atombombenabwürfen in Japan (wobei die Dosisleistungen nicht zu vergleichen sind), anhand derer man annimmt, dass eine Äquivalentdosis von 1 Sv (1000 mSv, das 2,5-fache des nie erreichten Grenzwertes) das Lebenszeitrisiko für Krebs um 5% erhöht. Sind allerdings nur Mutmaßungen, da es seitdem aus offensichtlichen Gründen keine weiteren Versuche an Menschen gab. Tierversuchsdaten suggerieren viel geringere Raten, es ist allerdings fraglich, inwiefern das auch auf Menschen übertragen werden kann, daher geht man sicherheitshalber von 5% aus.

Vielleicht lindert das die Strahlenpanik ja etwas ;) wie gesagt, das ist ein Thema, von dem man schnell einen ganz falschen Eindruck bekommt, wenn man sich nicht auskennt.

chondroklast
16.07.2014, 21:05
Sorry, aber Röntgenstarhlung wird seit über 100 Jahren sowohl diagnostisch als auch therapeutisch eingesetzt und die Wirkungen sind sehr genau charakterisiert. Es dürfte keine interventionellen Radiologen, -Kardiologen, Gastroenterologen usw. geben wenn all jene Berufsgruppen besonders gefährdet wären an Krebs zu erkranken. In Deutschland werden beruflich exponierte Personen streng dosimetrisch überwacht. Es ist gefährliche Mutmaßung und Halbwissen zu vermischen und dadurch in esoterisches Denken zu verfallen.
Sicher sind einige Phänomene nicht genau bekannt, aber genauso wenig sollte man dann Lebensmittel aus Kunststoffverpackungen genießen und auf Langstreckenflüge verzichten und sich einen Hut aus Aluminiumfolie basteln...

Ich kann mir nicht vorstellen, dass in Vorlesungen einer seriösen Uni so pauschal Röntgenstrahlung dämonisiert wurde?
Bei all den Gliomen (>50), welche in in den letzen 2 Jahren sehen durfte war kein einziger Chirurg dabei, nur zur Beruhigung...

ycr83
16.07.2014, 21:07
Es ist gefährlich, Mutmaßung und Halbwissen zu vermischen und dadurch in esoterisches Denken zu verfallen.


vielen Dank, das trifft es auf den Punkt!

Miss_H
16.07.2014, 21:28
Meine Mutmaßungen beruhen zum größten Teil darauf was sie uns in den letzten 5 Jahren in den Vorlesungen erzählt haben.

Entweder warst du in den Vorlesungen körperlich oder geistig nicht anwesend. Was hast du in den letzten 5 Jahren wirklich gemacht?

FlameIngo
16.07.2014, 21:57
Ich kann die Bedenken schon gut nachvollziehen. Ich hätte keine Lust, auch nur in irgend einer Form mich zusätzlicher Strahlenbelastung auszusetzen als unbedingt nötig/unvermeidbar. Der inflationäre Gebrauch von CT-Scans bedeutet ja auch nicht, dass es keine Auswirkungen hat, sondern nur, dass viele Ärzte so bequem sind und oft nicht nachgedacht wird, ob man die Infos nicht auf einem anderen Weg bekommen kann. Wenn das möglich ist, ist dieser Weg immer vorzuziehen, weil eine unnötige Strahlenbelastung meines Erachtens fahrlässige Körperverletzung ist.
Man kann vielleicht nur schwer sagen, wie sehr sich das Krebsrisiko erhöht im jeweiligen Fall, aber unbestreitbar ist, dass jede Exposition einen gewissen Schaden anrichtet und auch wenige DNA-Schäden ausreichen können...

Ich habe jedenfalls bisher den Eindruck, dass Strahlenhygiene noch lange nicht im Bewusstsein vieler Ärzte ist. Bei interventionellen Radiologen (hab auch ne Famulatur in der Radiologie gemacht) hatte ich das Gefühl, sie würden denken, weil sie ja jeden Tag dort schaffen und Mediziner sind, täte es ihnen nichts, was ja total irrational ist.

Hab eben einen passenden Artikel gefunden über Kardiologen, die an Hirntumoren erkrankt waren.
http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/Kardiologen-leben-gefaehrlich/story/15034633

Schnuffi332
16.07.2014, 22:08
Miss_H: Medizin studiert hab ich und das sehr gerne und nicht mal schlecht :-)

Ja, das Problem ist, nichts genaues weiss man nicht. Aber ich bin mit dieser Angst und Meinung nicht allein, das habe ich auch schon von mehreren Kommilitonen gehört, bei denen über die Jahre dieser Gesamteindruck entstanden ist. Deshalb sollte man als denkender Mensch Sachen, die man nicht genau weiss mit Vorsicht geniessen. So meine Meinung. Es ist schwierig sich genau mit der Materie zu befassen, man müsste dazu extra Physik studieren um genau zu wissen, was Sache ist.

Und gut, dass ich gerade noch deinen Post gelesen habe @FlameIngo, das trifft es auf den Punkt und ist präzise ausgedrückt. Und genau: wenige DNA-Schäden reichen aus evt. in Kombination mit anderen schädlichen Belastungen des täglichen Lebens!

Natürlich erreicht man im Laufe des Lebens eine beträchtliche Dosis an natürlicher und schädlicher Strahlung und anderen schädlichen Umweltfaktoren, aber die Arbeit im OP ist ZUSÄTZLICHE Belastung und keiner schert sich was darum. Das ist erschreckend.

EVT
16.07.2014, 22:19
Ein Bekannter von uns, Kardiologe, ist auch an einem Hirntumor gestorben und ein anderer interventionell taetiger Kardiologe aus der Uni meinte dazu, ja, kommt oefter vor. Aber auf was seine Aussage beruht, weiss ich nicht.

ycr83
16.07.2014, 22:20
Nur, weil viele einer Meinung sind, muss sie nicht unbedingt richtig sein. Für ein gesundes Grundverständnis muss man mitnichten Physik studiert haben, etwas Schulphysik und das, was an der Uni gelehrt wird, deckt es vollkommen ab - leider heißen die Veranstaltungen z.B. "physikalische Grundlagen ionisierender Strahlen" und erfreuen sich keiner besonders großen Beliebtheit.
Ich fasse außerdem nochmal zwei Sätzen zusammen, was ich vorhin in einem längeren Post versucht habe zu erklären:
Die Strahlung, die man als OP-Personal zusätzlich (ggü. der Allgemeinbevölkerung) abbekommt, ist so gering, dass ihr Effekt im statistischen "Grundrauschen" untergeht. Da der Einsatz ionisierender Strahlung im OP (besonders in der UCH) zudem sinnvoll ist, gibt es m.E. keinen Grund, das Ganze kritisch zu sehen.

EVT
16.07.2014, 22:22
Bwi Flugpersonal gibt es auch keine hoeheren Raten oder?

ycr83
16.07.2014, 22:27
Bwi Flugpersonal gibt es auch keine hoeheren Raten oder?
Nein. M.W. unterliegen sie auch keiner Strahlenschutzüberwachung, was inkonsequent ist, da die Exposition bei Flugpersonal die von Medizinern z.T. deutlich übersteigen kann.

EVT
16.07.2014, 22:37
Vielleicht ja genau deshalb. :-D

anignu
16.07.2014, 22:39
Nein. M.W. unterliegen sie auch keiner Strahlenschutzüberwachung, was inkonsequent ist, da die Exposition bei Flugpersonal die von Medizinern z.T. deutlich übersteigen kann.

Für sowas gibt es dann Google: http://www.bfs.de/de/ion/beruf_schutz/Beruflicher_Strahlenschutz_Deutschland.html

Zitat: "Mit der Strahlenschutzverordnung vom 20.07.2001 ist auch Luftfahrtpersonal überwachungspflichtig, das in einem Beschäftigungsverhältnis gemäß deutschem Arbeitsrecht steht und während der Flüge durch kosmisch bedingte Höhenstrahlung eine effektive Dosis von mindestens 1 mSv im Kalenderjahr erhalten kann."

chondroklast
16.07.2014, 22:59
Es gibt bisher keine wirklich 100%ig bekannten Risikofaktoren für die Ensteheung eines Glioblastoms. Es werden genetisches Risiko, elektromagnetische Felder und auch langjährige Exposition mit Röntgenstrahlung in Publikationen vermutet. Das trifft jedoch für fast alle Tumorerkrankungen zu.
z.B. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22207231
Übermäßige Mobilfunknutzung wird ebenfalls als Risikofaktor vermutet, aber je nach Studie auch wiederlegt.
Übrigens ist die adjuvante Bestrahlung und simultane Chemotherapie der etablierte Goldstandard zur Behandlung des Glioblastom...
Tumoren, die wirklich gehäuft strahlenassoziert vorkommen sind z.B. Mammakarzinome, Sarkome und Schildrüsenkarzinome.
Jeder Arzt, der mit Röntgenstrahlung hantiert muss Grundkenntnisse des Strahlenschutz nachweisen und wird dosimetrisch überwacht und sollte die 3 A des Strahlenschutzes (Abstand, Aufenhaltsdauer, Abschirmung) berücksichtigen.

Letztlich ist es jedes Menschen freie Entscheidung welchen Beruf er wählt, aber man kann nicht davon ausgehen, dass Ärzte in einem gesunden Arbeitsumfeld/bedingungen hantieren. Es gibt belegte Studien, dass Diabetes und infolge kardiovasculäre Erkrankungen durch Schichtarbeit/ Nachtarbeit und Stress verursacht werden. Dennoch muss es Chirurgen, Radiologen und Kardiologen in 24 h Katheterbereitschaft usw. geben sonst können wir wie im Mittelalter der Natur ihren freien Lauf lassen und die Leute sterben halt mit 50 Jahren am Vorderwandinfarkt, Ileus usw. ... :-meinung