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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Nachalarmierung vom RTW - Reanimation / Chirurgisch



grundewelle
26.07.2014, 15:46
Gegen Mittag werdet ihr an einem Sommertag von einem RTW nachalarmiert. Die Meldung ist Reanimation, zusätzlich wird das Einsatzstichwort Chirurgisch gemeldet. Nach etwa 8 Minuten Fahrt kommt ihr am Einsatzort an, wo euch ein aufgeregter Hausbewohner in den Keller ordert.

In bescheidensten Verhältnissen - kleine, dreckige, stinkende Messibude - reanimieren die Jungs vom RTW einen Patienten.

Das bekommt ihr:

Pat ca. 70 Jahre, dialysepflichtig, gestern aus Uniklinik entlassen, reanimationspflichtig im Sessel von der RTW Besatzung vorgefunden. Auffällig dabei eine Blutlache von augenscheinlich 500-1000ml, wirklich beurteilbar ist das aber nicht, da die Hälfte im Teppich ist und der eine RA wegen der Platzverhältnisse dort drin kniet. Die Blutung kommt laut der RA vermutlich aus dem Shunt am linken Arm, die Blutung stand jedoch bereits beim Eintreffen der RA.

Lage ist wie folgt:

Thoraxkompressionen laufen
RA am Kopf saugt noch ab, da der Patient kurz vor Einlegen des Larynxtubus erbrach.
Zugang liegt noch nicht, da momentan A-Problem und katastrophale Venenverhältnisse.

Los.

mary-09
26.07.2014, 16:30
Ok, die Jungs haben vermutlich schon ein EKG geklebt. Was zeigt es? Der RA soll zu Ende absaugen und danach: Lässt Pat. sich mit Maske erstmal beatmen? Können wir dann unter CPR und Maske ne Sättigung am Finger messen?
Wir gehen derweil auf Venensuche. Ich würde dem Zugang mal vorsichtig den Vorrang vor der ITN geben, auch wenn Pat. gerade erbrochen hat und man bestimmt zusehen sollte, dass man da nen Tubus reinkriegt und nicht ewig mit maske bebeutelt.
Wenn an den Extremitäten nix zu holen ist, würde ich mal jug. externa probieren wollen. klappt das?

dann guck ich mir mal den Shuntarm an. Scheint der wirklich die Blutungsquelle (gewesen) zu sein? Wie sieht der Patient sonst so aus? Verletzungen? (Einsatzstichwort war ja auch chirurgisch). Sind Angehörige/Bekannte da, die uns etwas über ihn erzählen können, z.B. wann die letzte Dialyse war? Arztbrief aus der Uniklinik aufzutreiben?

Private Pyle
26.07.2014, 17:45
Ich würde erstmal die ITN machen und dann im Zweifelsfall schnell den Bohrer auspacken zwecks Zeitersparnis. Damit haben wir schnell nen gesicherten Atemweg und einen gesicherten Zugang. Der Defi ist hoffentlich schon dran, wenn nicht --> schnell nachholen

WackenDoc
26.07.2014, 18:01
Jo mei- aus dem Arm wird wohl nix mehr laufen, weil reanimationspflichtig und damit war wohl erstmal kein Druck mehr auf der Leitung.
Jetzt wo wir so viele Helfer sind- der wo am Pumpen ist, pumpt weiter,
Der wo an der Atmung ist kann erstmal fertig absaugen und schauen, ob er dann beatmen kann. Wenn es Probleme gibt, möge er Bescheid sagen.
Einer macht nen Druckverband an den Shunt. Wenn das Probleme macht (Platzverhältnisse, material) dann meinetwegen auch nen Tourniquet.
Und der 4. klebt die Pads zum Bratzeln.
Pulsoxy brauchen wir noch nicht- der Mann wird reanimiert.

Wieso hat der eigentlich gekotzt wenn der reanimationspflichtig war?

Zugang, Intubation und Co. haben noch Zeit.

grundewelle
26.07.2014, 18:41
Kotzen wahrscheinlich wegen der Thorax Kompressionen.. Nach dem absaugen keine Masken Beatmung möglich, da bärtig und eingefallen... Also itn.
EKG zeigt Asystolie. Zugang war schwer, peripher nix, jug. externa war auch nix. Also Bohrer?

grundewelle
26.07.2014, 18:49
Achja, Kollegen von der wache waren am Vortag mit NEF da. Shuntblutung lag vor. Die haben ihn in die uni gebracht dort wurde er nicht dialysiert, sollte aber zur Beobachtung da bleiben. Er hat sich dann gegen arztl. Rat selbst entlassen. Labor war nicht dabei. Der angehörige weiß von nix und spricht kein deutsch.

mary-09
26.07.2014, 19:10
V. femoralis wäre noch ne Möglichkeit...wenn das auch nix ist, dann halt den Bohrer. Bis der soweit einsatzbereit ist, würde ich dann doch jetzt intubieren, wenn mit Maske nichts reingeht.

wegen des Pulsoxy:den hab ich erwähnt, weil ich es so kenne, dass der oft vom RD rangebastelt wird, einfach um die CPR-Qualität beurteilen zu können

WackenDoc
26.07.2014, 19:10
Mein Plan- erstmal weiterpumpen und beatmen und nicht bohren. Und entscheiden, wie weit wir die Reanimationsbemühungen überhaupt weiterführen wollen.
Finden wir evtl. einen Abschiedsbrief, Arztbrief aus der Uniklinik? Warum ist er dialysepflichtig? Haben wir die Möglichkeit den Hausarzt oder in der Uniklinik jemanden kurzfristig zu erreichen der weiter Auskunft zum Patienten geben kann?

Achso- ist der Schnorchel jetzt schon drin oder nicht?

Sebastian1
26.07.2014, 21:30
Bei so jemanden in so einer Situation such ich gar nicht erst bei üblicherweise suboptimalen Platz- und Sichtverhältnissen nach Venen, da kommt direkt EZ-IO oder BIG zum Einsatz. Und wenn der keine sicheren Todeszeichen hat (im Ernst, mal nachschauen, ich hab als nachgefordertes NEF auch schon Reanimationen bei sicher Toten gesehen...), dann fang ich auch erstmal an. Irgendein Angehöriger/sonstwer der sonst nix zu tun hat kann dann mal ordentlich auf die Infusion drücken, das ist momentan das Einzige, was uns zur Volumensubstitution bleibt, und bis zum Beweis des Gegenteils ist der erstmal durch die Blutung reanimationspflichtig geworden (wobei bei so jemandem dafür ja auch durchaus noch andere Gründe vorliegen können, aber das klären wir eh nicht vor Ort).
Wieso eigentlich "eingefallenes Gesicht und Bart?", da lag doch schon ein Larynxtubus? Wenn der geht -> nehmen, wenn der nicht geht -> intubieren.
Wenn DANN alles soweit läuft kann ich mal Umfeldanalyse machen: Hinweis auf Intox, irgendjemand, der sich mit mir verständigen kann und mir zum Patienten Auskunft geben kann? Würde schon gerne wissen, wie lebensfroh der Gute vorher noch war, immerhin scheint er es ja selbst in Klinik und Dialyse und zurück geschafft zu haben, oder?
Wann und von wem wurde er denn aufgefunden, wer hat alarmiert, wieviel Zeit ist seither vergangen?
Aber Wacken hat völlig recht, man sollte schon zügig schauen, unter welchen Umständen man da reanimiert und mit wieviel Ausdauer man das ganze dann betreiben will...

WackenDoc
26.07.2014, 21:47
Stimmt, Sebastian- wir haben ja ne Blutung als Ursache des Problems. Da braucht er natürlich den Zugang für die Volumensubstituten- ich hatte nur die Rea-Situation im Kopf.

Und klar, würde ich unter den Bedingungen auch die Bohrmaschine nehmen.

Den Larynxtubus hatte er ausgekotzt.

grundewelle
26.07.2014, 21:56
Endotracheal intubiert ist er jetzt, das ging alles problemlos.
Leider bekommt ihr von dem einzigen angehörigen nichts sinnvolles raus, der ist fix und alle und weiß garnicht was los war. Er hat mit seinem Kumpel ein Bier getrunken, war "kurz" weg und dann war alles voller Blut. Jegliche Bemühungen da was herauszufinden sind zwecklos. Sichere Todeszeichen gab es definitiv keine. Was aber noch krasser als die Situation der Rea ist, ist das Umfeld. Es lässt auf eine ziemlich verlebte Person schließen... Überall Bierflaschen, ein Bild von Hitler an der Wand und - das war echt hart - ein Plumsklo. Nie gesehen in ner Wohnung, aber gibt es scheinbar auch noch :-nix.

Also, zusammengefasst:

Noch kein Zugang, EZ-IO wird vom NEF-RA vorbereitet
Intubiert isser, wollt ihr da noch mehr wissen oder irgendwas machen?
Gedrückt wird, zu Beginn ist jedoch direkt das Sternum "eingebrochen", so wirklich was kommen tut da trotz regelmäßigen Wechselns nicht.
Das EKG zeigt wenn überhaupt mal neben der Asystolie ein paar maximal verbreiterte QRS-Komplexe, das ganze ohne Auswurf.
Sättigung oder Druck bekommt ihr keinen hin.

Sebastian1
26.07.2014, 22:11
Mooment, natürlich bekomme ich Druck hin unter einer Rea. Sieht man schön, wenn man Patienten mit art. Zugang am Monitor reanimieren muss. Den werde ich aber nicht zwangsläufig als Pulswelle palpieren können und schon gar nicht manuell oder automatisch mit einer Manschette messen, dafür isses viel zu artefaktreich.
Das "einbrechen" des Sternums sind ja meist Frakturen im Bereich des Knochen-Knorpel-Überganges der Rippenansätze. Hinterher vielleicht schmerzhaft, mag auch mal nen Hämatothorax geben, relevant in der Reanimationssituation ist es nicht.
Das Umfeld gibt uns vielleicht Hinweise, dass die Lebensumstände desolat waren, aber das hat mit der Situation an sich erstmal weniger zu tun.
Haben wir neben der Blutung weitere Hinweise auf reversible Ursachen einer Reanimationspflichtigkeit?
Ansonsten machen wir nach Guidelines weiter, 1 mg Supra alle 3 min, Beatmung läuft ja. Volumen muss rein.
In Anbetracht der geschilderten Situation wäre ich allerdings verhalten pessimistisch, was den primären Reanimationserfolg anbelangt und würde es nicht auf die Spitze treiben....

WackenDoc
26.07.2014, 22:27
Hyperkaliämie wäre noch ne Option. Man könnte es mal mit Calcium versuchen.

Wo kommt druckmäßig nix an? Pulsoxy- das ist normal, dafür reichts meist nicht. RR-Manschette das gleiche.
Radialispuls? Gleiches Problem außerdem sollte man dafür nicht noch Personal abziehen.
Carotispuls? Unzuverlässig und haste eh keine Hand für frei.

Kapnographiekurve- da sollte sich bei effizienter Kompression was tun.

Insgesamt mal schauen ob die QRS-Komplexe mehr oder weniger werden.

grundewelle
27.07.2014, 22:04
Mit "keinen Druck" meinte ich, dass nichts über Pulsoxy noch zentrale Pulse zu sehen ist. Kurve der Kapno ist auch nicht so pralle, beim Drücken hat man tatsächlich das Gefühl, dass sich NICHTS tut. Volumen läuft langsam rein, das richtig Wahre ist der i.o. was das angeht auch nicht (zumindest in dem Fall).

Supra wurde nach Guidelines gegeben. QRS-Komplexe kamen ab und an zum Vorschein, aber nix über 20/min und dann über kurzen Zeitraum.

Wir haben im übrigen ca. 1 Stunde nach Alarmierung des RTW aufgehört. Alles in allem katastrophale Reanimation. Calcium haben wir nicht gegeben.

Was mir wirklich aufgefallen ist: Die Thoraxkompressionen waren super ineffizient. Man hatte das Gefühl, dass man nicht einmal die benötigte Drucktiefe aufbauen kann. Entweder war der Thorax wirklich so instabil, oder das Volumen hat komplett gefehlt. Habt ihr sowas mal erlebt? Das war wirklich ähnlich, als wenn man auf auf einem Stück Fleisch rumdrückt. Weder konnte eine vernünftige Tiefe aufgebaut werden, noch konnte man den Thorax wieder entlasten und eine entsprechende Rückmeldung bekommen.

Nunja, dachte mir das wäre vielleicht ein anständiges Fallbeispiel von einer Rea, bei der man sich gut überlegt, wie lange man die Reanimation weiterführt.