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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Chirurgie vs. Anästhesie ------ enttäuscht vom Beruf



Oktober85
27.07.2014, 15:18
Hallo liebe Forenmitglieder!

Ich lese schon sehr lange still mit in diesem Forum. Ich befinde mich aktuell im ersten Weiterbildungsjahr in der Chirurgie. Irgendwie habe ich mir nach dem Examen alles viel toller vorgestellt. Aktuell bin ich sehr enttäuscht von dem "Arzt dasein". Irgendwie macht es mir nicht so viel Spass wie ich erwartet habe. Mir fehlt die Planbarkeit im meinem Leben. Ich habe jetzt in der Chirurgie angefangen. Arbeitszeiten oft bis 7 Uhr abends. Ich kann mich nie verabreden, da ich einfach nie weiss ob und wann ich rauskomme. Bis 2 Wochen vorher weiss ich nicht welche Wochenenden ich im nächsten Monat frei habe...fühle mich jeden Tag überfordert und allein gelassen im Beruf. Von Freunden höre ich ähnliches eigentlich nur aus der Inneren, wenn es da nicht noch schlimmer ist. ;-)
Aktuell überlege ich gerade, ob ich vielleicht in die Anästhesie wechseln soll. Zumindest ist das auch ein Fach was mich sehr interessiert und es scheint geregelte Arbeitszeiten zu geben. Da frage ich mich aber, was machen all die ältern Ärzte in diesem Fach? Wo arbeiten die? Im Krankenhaus ist es doch meist ein recht junges Team. Man sieht wenige über 50 noch im Krankenhaus. So viele niedergelassene Anästhesisten kann es doch nicht geben, oder? Was hat man da noch für Möglichkeiten, wenn man doch irgendwann nicht mehr im Krankenhaus arbeiten will. Gerne hätte ich auch irgendwann Kinder, das ist mit meinem aktuellen Job nicht vereinabr. Wenn ich mir da die Frauen mit Kinder anschaue, schaffen es kaum ihr Kind abzuholen passend von der Kita, müssen dann Sachen auf Station liegen lassen, dann ist das Team genervt von ihnen. Ein Teufelskreis....
Wie erlebt ihr das? Vielleicht können sich auch ein paar Anästhesisten äußern....Danke! Für andere Fächer wie Derma oder so, die auch mehr Planbarkeit mit sich bringen, kann ich mich leider nicht begeistern...

Kackbratze
27.07.2014, 15:54
Schonmal daran gedacht eine andere Chirurgie zu suchen? Alles eine Frage der eigenen und der Abteilugsorganisation.

Fr.Pelz
28.07.2014, 02:21
Gebe Kackbratze recht, die Probleme die du beschreibst, liegen nicht am Fach, sondern an der Organisation. Bis 19 Uhr abends kann ja wohl kein Dauerzustand sein. Und auch Dienstpläne können früher fertig sein.
Auch dein Überforderungsgefühl ist zu einem gewissen Grad vermutlich normal, aber auch darauf zurückzuführen, dass dich keiner ordentlich einarbeitet.
Zu dem "enttäuscht vom Arztdasein": da kannst du nur selbst in dich gehen und dich fragen, was du vorher erwartet hast.

Sebastian1
28.07.2014, 10:04
Ich kenne einige Chirurgen, die bei uns raus sind, da sie zwar eine gute Ausbildung erhalten, die Arbeitszeiten aber zum Teil jenseits von gut und böse sind. Und wenn ich die später in anderen Häusern mal wieder getroffen habe, sind sie wesentlich zufrieden, weil die Ausbildung immer noch gut ist, die Arbeitszeiten aber mit Privat- und Familienleben vereinbar.

Als Anästhesist kann ich mich nicht beklagen, ich mache zwar auch Überstunden, aber die sind überschaubar und ich kann sie auch irgendwann mal wieder abbauen.

Miss
28.07.2014, 12:19
Bei uns gibts viele Anästhesisten um die 50 bis einige über 60, die auch bei uns noch bis zum Ende arbeiten werden. Bis auf einen machen auch alle noch Dienste. (kann ich mir ehrlich gesagt für mich nicht so richtig vorstellen ;-) die Dienste)

Wie schon von Sebastian gesagt, Anästhesie ist überschaubarer, was Überstunden angeht, die werden auch erfasst und bezahlt. Aber nicht an allen Häusern ist es wie von Dir in der Chirurgie beschrieben. Ich würde vor einem Fachwechsel auch einen Hauswechsel in Betracht ziehen, dann kannst Du ja immer noch sehen.

Bonne chance! :-top

Fr.Pelz
28.07.2014, 14:05
Bei uns (Chirurgie) werden Überstunden auch erfasst (noch manuell, aber das elektronische System wird grad an den Orthos getestet) und entweder bezahlt oder in FZA ausgeglichen, das kann man sich jeden Monat neu aussuchen.
Dienstpläne werden einen Monat im Voraus jeweils für ein Vierteljahr gemacht und bei der Verteilung geht es sehr human zu, es ist selten, dass man Dienste aufgedrückt bekommt, meist einigen wir uns in der Assi-Runde von allein.
Habe (vor meinem BV) auch viele Überstunden gemacht, aber zum Teil war ich selbst schuld, zum Teil ist es bei uns auch ein Organisationsversagen. Und bis 19 Uhr...vielleicht einmal in 1,5 Jahren...

Aber ich muss zugeben, dass die Anäs bei uns deutlich weniger Überstunden machen. Und wenns mal vorkommt, meckern sie so enthusiastisch darüber, dass man sich wünscht, man hätte nicht gefragt :-peng

LasseReinböng
28.07.2014, 18:35
Würde primär erst einmal ein anderes Haus suchen und nicht gleich das Fach wechseln...auch wenn das sicherlich leichter gesagt als getan ist, habe heute im OP ähnliche Zustände von unserer ACH geschildert bekommen wie Du sie monierst, die Assistenten laufen auch ständig davon.

Bzgl. Anästhesie: bei uns gibts viele Kollegen der Altersgruppe 50+. Und es sollte einem schon Spaß machen...an dem Spruch hours of boredom, seconds of terror ist schon was dran. :-)

Kackbratze
28.07.2014, 18:47
Was ich so krass finde: 2 OA-Wechsel und mehrere Assistentenwechsel (Altassis weg) können eine ganze Klinik ins Organisationschaos stürzen, so dass alte "gute" Ausbildung und Arbeitszeitkontrolle komplett verloren geht.

Oktober85
29.07.2014, 18:35
Hier sind auch viele Assistenen sehr unzufrieden....Weiterbildung findet quasi in der Freizeit, also in unbezahlten Überstunden statt, die wir auch nicht aufschreiben dürfen.....
Ich finde das echt interessant, ich habe PJ in der Anästhesie gemacht....da waren echt wenig über 50....aber irgendwo müssen die ja alle stecken...mich stört auch ein wenig, dass man sich damit jeden Notnagel wie Gesundheitsamt, Betriebsmedizin etc. verbaut....
Gibt es jemanden der in die Radiologie gewechselt ist? Stelle ich mir auch wesentlich humaner vor...

Kackbratze
29.07.2014, 18:47
Humaner? Warum soll ein Fach humaner sein?
Die Arbeitsbedingungen und Organisation machen ein Fach "human". Der eigentliche Fachbereich ist bloss einer von Vielen.

rogerM
29.07.2014, 20:27
Hallo,
im common trunk musst du doch auch ein halbes Jahr ITS machen, zieh das doch vor und schau ob es besser als Chirurgie ist. Falls du wechselst hast du da schon mal ein halbes Jahr anrechenbar. 2 von meinen Kollegen sind danach auch in der Anä. geblieben und jetzt deutlich zufriedener.

Kackbratze
30.07.2014, 06:19
Bei uns bleiben auch viele Kollegen in der anästhesie hängen.
Um dann später den Schichtbetrieb auf ITS zu verfluchen.
Es fliesst doch nicht Nektar und Ambrosia "woanders". Das gesamte KH kocht mit Wasser...

king kola
03.08.2014, 21:45
Ist die Frage mit den älteren Anäs so gemeint, dass du das KH auch mal verlassen möchtest? Chirurgie ist doch auch nicht unbedingt die Nr 1, wenns um das Verlassen des KH geht später- als UCler vielleicht, aber sonst?

Kann dir Uro empfehlen- operativ und trotzdem gute Möglichkeiten der Niederlassung. Und ich kann mich da auch nur dem Tenor anschließen, dass Arbeitszeit ne Orga-Sache ist. Bei uns ballerts, die 19h wird häufig geknackt, die 20, 21 und kurz vor 22 war auch schon dabei. Ich kenne aber auch genug Gegenbeispiele aus anderen ähnlichen Abteilung (Maximalversorger, universitär) wo 16h der Hammer fällt. Und Frühstück. Und Mittagessen.

roxolana
05.08.2014, 14:42
Mal ne doofe Frage: Wie erfährt man eigentlich vor dem Stellenantritt was über die Arbeitszeiten? Beim Bewerbungsgespräch direkt zu fragen kommt nicht so gut, oder?

Strodti
05.08.2014, 15:54
Ich finde es durchaus legitim im Bewerbungsgespräch nach den Dienstzeiten zu fragen. Sonst in der Hospitation mit den Assistenten sprechen oder mal auf den Dienstplan schauen.

Kackbratze
05.08.2014, 18:46
Nachfragen, wenn das Thema nicht vom Chef selber angesprochen wird. Das ist nicht verwerflich, sondern zeigt auch Interesse.

anignu
06.08.2014, 09:27
Also falls der Chef wirklich selbst eine Vorstellung hat was seine Assistenten überhaupt tun...

Ich traue den Chefs nimmer. Versprechen einem das Blaue vom Himmel "bei uns können sie viel operieren" oder "fast keine Dienste, immer pünktlich raus"... totaler Schwachsinn. Entweder mit den Assistenten drüber reden oder z.B. auf den OP-Plan schauen und genau nachfragen: welcher Patient wurde an dem Tag von einem Oberarzt und welcher von einem Assistent operiert.

andréw
06.08.2014, 14:42
Wüsste wirklich nicht, was dagegen sprechen sollte, dieses Thema direkt im Gespräch zum Ausdruck zu bringen, zu mal es ja meist unterschiedliche Dienste gibt, natürlich vom Weiterbildungsstatus.
Apropos, auch ich gehören zu denen, die nach dem common trunk in die Anästhesie gewechselt sind und bis dato diesen Schritt in keinster Weise bereut habe....Die Intensivzeit während des common Trunk hat mich dazu bewogen.

Oktober85
08.08.2014, 13:58
Ich finde die Anästhesie auch wirklich spannend....mich stört, dass es mit einer Niederlassung recht schwierig ist....Das schaffen/oder wolllen (?) ja nur wenige.....wenn man mal etwas in google liest, sieht man häufiger auch die Kombination Anästhesie und Psychotherapie in einer Niederlassung. Ist das dann der Ausweg, wenn sich doch jemand unbedingt niederlassen will?