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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Erlangung von Fachkompetenz in Abhängigkeit v. d. Abteilung (Größe, Therapiespektrum)



Spiral Architect
02.08.2014, 10:12
Hallo liebe Medi-Learner!

"Ich möchte ein guter und fachkompetenter Arzt sein."
Den Satz würden vermutlich die meisten von Euch so unterschreiben.

Da ich mir derzeit bei der Stellensuche so einige Abteilungen im Tagesgeschäft ansehe, frage ich mich, welche äußeren Bedingungen neben der eigenen Einstellung, Persönlichkeit und Lernbereitschaft dazu beitragen können, dass man ein solcher Arzt wird.

Beispielsweise sah ich mehrere kleinere Abteilungen (Neurologie, im Schnitt 45 Betten), in denen hauptsächlich Patienten mit Schlaganfällen, Demenzen, (Kopf)Schmerzen, (diabetischer) Polyneuropathie, Parkinson-Syndromen und Multipler Sklerose behandelt werden. Oft ist es dort so, dass eine durch die WBO vorgesehene Rotation in die Funktionsdiagnostik (EP, EMG, ENG, EEG, Sono) aufgrund "personeller Kapazitäten", Ihr kennt das ja, nicht realisiert werden kann oder ein Rotationsplan überhaupt nicht existiert. Auch die Neuro-Intensiv-Zeit von sechs Monaten wird vielerorts bescheinigt, aber die Intensivstation selbst anästhesistisch und/oder internistisch betreut. Meistens bleibt dann auch keine Zeit für Erklärungen oder interne Fortbildungen.

Nun beschränkt sich das neurologische Krankheitsspektrum nicht auf die o.g. Erkrankungen, wenngleich sie einige der häufigsten ausmachen. Bleibt einem, wenn man den Anspruch hat, einen möglichst umfassenden Überblick über das eigene Fach zu haben und die meisten Krankheitsbilder auch gut diagnostizieren und behandeln zu können, nur der Weg an eine größere Klinik / Lehrkrankenhäuser oder eine Uniklinik?
In ein Fach an einer "kleineren" Klinik wie der oben beschriebenen einzusteigen ist m. E. eine gar nicht so schlechte Lösung. Man lernt z. B. erstmal im überschaubaren Umfeld sich zu organisieren und die wichtigsten Erkrankungen klinisch kennen. Dennoch frage ich mich, ob die "Lernkurve" nicht andernorts steiler verläuft und ob ein späterer Wechsel von einer kleinen zu einer größeren Abteilung problemlos klappt. Gerade die Möglichkeit eines Wechsels von einer kleinen an eine Uniklinik wird häufig verneint (es gibt etliche Threads im Forum dazu).

Es wäre spannend, völlig unabhängig vom Fach, von Euren diesbezüglichen Erfahrungen zu lesen (Wie und wo habt ihr am meisten gelernt? Habt Ihr das Haus zwischendurch gewechselt? Ist jemand als Assistenzarzt mit 1-2 Jahren Berufserfahrung an eine Uniklinik gewechselt?)

Beste Grüße,
Spiral Architect

hiddl
04.08.2014, 09:24
Speziell was die Neuro angeht, würde ich mich auf ein Haus, in dem die Funktionsdiagnostik "so nebenher" gelernt wird, nicht einlassen. Ich finde, dazu ist das Verständnis und Beherrschen dieser Diagnostik zu elementar, sowohl in der Praxis als auch in der Klinik. Ob nun die Intensivzeit ebenso wichtig ist, wenn man bspw. eine Niederlassung anstrebt, sei mal dahin gestellt.

Ein Problem der Neurologie ist aber sicher, dass das Patienten-Klientel ambulant und stationär sich durchaus relevant unterscheidet - ein Karpaltunnelsyndrom wird man nun mal stationär kaum sehen, die Indikationsstellung für eine OP ist aber durchaus nicht vollständig trivial (besonders, wenn man o.g. Methoden nicht beherrscht ;-) ). Auch der "normale" Parkinson-Patient hat eigentlich stationär nichts verloren.

Ich habe meine Weiterbildung an einer Uni gemacht und dort, v.a. auch durch Tätigkeit in Spezialambulanzen, viel gelernt. Wenn man sich niederlassen will, ist es ansonsten sicher auch nicht verkehrt, einen Teil der Weiterbildung in einer Praxis zu machen.
Eine generelle Empfehlung, in welcher Art von Haus man am meisten lernt, gibt es sicher nicht. Das hängt einfach von der Struktur der Abteilung ab - wie gesagt, ich würde auf eine Rotation in die Funktionen bestehen.

anignu
04.08.2014, 18:08
Ob nun die Intensivzeit ebenso wichtig ist, wenn man bspw. eine Niederlassung anstrebt, sei mal dahin gestellt.
Also ich finde die Intensiv ehrlich gesagt eine sehr wertvolle Zeit. Man lernt die vermeintlich schlimmsten Krankheitsbilder des Fachs kennen und damit umzugehen. Damit lernt man auch hervorragend einzuschätzen was ein Notfall ist und was nicht so ganz. Und wie dringend man dann weitere Diagnostik/Therapie braucht...

alfi87
05.08.2014, 17:37
Ich habe vor kurzem (sogar) an einer großen neurologischen Rehaklinik (lehrkrankenhaus der Uni) anfangen und finde dass es ein guter Start ist. Um den Umgang mit schwer kranken und teils intensivpflichtigen neurologischen Patienten und solides klinisches Arbeiten zu lernen ist es echt gut. Es ist auch nicht soo hektisch wie an der Akutklinik und erfahrene Kollegen sprechen in Ruhe quasi alles mit mir durch und erklären und zeigen viel. In 1-2 Jahren werde ich dann aber auch nach Möglichkeit an die Uni wechseln und mir die volle Dröhnung geben. Denke dass ich dann eine vernünftige Grundlage habe. Aber ja, ich hoffe auch dass niemand die Nase rümpft wenn ich aus der Reha komme...

Spiral Architect
08.08.2014, 12:24
Danke für Eure Antworten!
Hiddl, Dein Beitrag hat mir sehr geholfen. Sicherlich gibt es nicht die Stelle schlechthin, aber einen relativ festen Rotationsplan sollte es wohl schon geben (und ich bin etwas verblüfft, wie viele Abteilungen keinen haben). Zumindest ist mir die strukturierte Abdeckung von Weiterbildungsinhalten einfach zu wichtig, um drauf zu verzichten ;-).
Die Intensivmedizin (und auch Neuroreha ;-)) betreffend kommt es vermutlich so ein bisschen darauf an, ob einem selbst die entsprechende Kompetenz wichtig ist oder nicht und was man langfristig vorhat.