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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Arzt mit Migräne



lullaby
09.08.2014, 11:56
Hey, ich brauch mal Rat oder Tipps von Gleichgesinnten zu einem sehr ärgerlichen Thema:

Letzte Woche hat mich mal wieder während der Arbeitszeit so eine blöde Migräneattacke erwischt. Was die Kopfschmerzen angeht ist meine Migräne zum Glück relativ harmlos, so dass ich damit auch weiterarbeiten kann. Was mich aber bei den Attacken von der Arbeit fernhält ist die Flimmeraura, die immer vorher kommt. Mit etwas Glück dauert die nur 45 Minuten, mit Pech auch mal die doppelte Zeit. Da ich aktuell in einer Praxis arbeite ist das immer besonders ärgerlich, denn dann staut sich immer alles im Wartezimmer, bis ich wieder einsatzbereit bin.
Aktuell habe ich relativ viel Migräneattacken, aber das schiebe ich darauf, dass bei mir die Hormone verrückt spielen (bin grade schwanger). Sonst sind es eher so 3-4 Attacken im Quartal, die sich aber sehr unterschiedlich verteilen (zum Glück auch nicht nur beim Arbeiten!). Ist also eher zu selten für eine regelmäßige Prophylaxe, aber doch immer ein enormer Stressfaktor auf der Arbeit.
Ich frage mich nur, wie das wird, wenn ich später mal meine eigene Praxis habe, was bei mir definitv das Ziel ist. Ok, zur Not müssen die Patienten warten oder umbestellt werden, das seh ich ja ein. Aber ich möchte auch gerne OP's machen. Das will ich mir gar nicht ausmalen, was passiert, wenn ich da grade eine offene Wunde vor mir habe und auf einmal geht die Flimmerei los. Aber komplett auf den operativen Teil verzichten, weil dieser Fall eventuell mal 1 x im Jahr eintreten könnte?!
Habt ihr selbst oder eure Kollegen ähnliche Erfahrungen? Ist ja eigentlich keine sooo seltene Sache mit der Migräne? Wie geht ihr damit um oder würdet die Situation sehen?

murkel
09.08.2014, 16:08
Manchmal helfen, rechtzeitig angewandt, doch Triptane ganz gut, um den Migräneanfall abzumildern. Jetzt nicht vielleicht ein Tipp für die Schwangerschaft, sondern eher für später.

Reflex
09.08.2014, 16:41
Triptane sollten niemals!!! in der Aura genommen werden! Genaueres schreib ich noch wenn ich einen gescheiten Internetzugang wieder habe.

hiddl
09.08.2014, 17:15
Ich habe auch Migräne, mit dem gleichen Problem wie Du: die Kopfschmerzen sind eigentlich erträglich (v.a. wenn ich 800 mg Ibu einwerfe, sobald es losgeht), das Hauptproblem ist die Flimmer-Aura vorher. Ich bin allerdings in einem nicht-operativen Fach, so dass mir das ganze insgesamt keine Schwierigkeiten macht. Bei mir dauert die Aura auch nicht so lang (eher 20-30 min), die lassen sich immer überbrücken.

Einen richtig guten Tip habe ich nicht. Aura-verkürzende Medikamente gibt es nicht. Von der Einnahme von Triptanen während der Aura wird in der Tat abgeraten aufgrund eines möglicherweise erhöhten Schlaganfall-Risikos, dieses ist aber meines Wissens nach eher eine theoretische Gefahr, die bisher nicht nachgewiesen wurde. Ich nehme aber aus diesem Grund Ibuprofen, da komme ich mit 800 mg früh eingenommen sehr gut zurecht.

Ich würde an Deiner Stelle mal einen Kopfschmerzkalender führen insbesondere mit Blick auf möglicher Triggerfaktoren. Vielleicht lässt sich dann noch die ein oder andere Attacke vermeiden.

Hellequin
09.08.2014, 18:29
Ich habe auch Migräne, mit dem gleichen Problem wie Du: die Kopfschmerzen sind eigentlich erträglich (v.a. wenn ich 800 mg Ibu einwerfe, sobald es losgeht), das Hauptproblem ist die Flimmer-Aura vorher.
Ich erhöhe um eine Hemihypästhesie, Feinmotorik- und aphasische Störung.:-D



Ich würde an Deiner Stelle mal einen Kopfschmerzkalender führen insbesondere mit Blick auf möglicher Triggerfaktoren. Vielleicht lässt sich dann noch die ein oder andere Attacke vermeiden.
Mit regelmäßiger sportlicher Betätigung und Entspannungstechniken lässt sich zum Teil auch die Anfallshäufigkeit reduzieren.

lullaby
09.08.2014, 18:50
Also ich hab die Migräne ja schon seit ich 10 oder 11 bin (also fast 20 Jahre). Und das einzige, wo ich eventuelle Zusammenhänge feststellen konnte waren Hormone als Ursache. Normale Pille war gar nicht gut und jetzt in der Schwangerschaft ist es auch häufiger. Allerdings kam die Migräne immer an unterschiedlichsten Zeitpunkten im Zyklus.
Auch was Essen, Stress, Sport etc angeht, da gab es bei mir viele wechslende Phasen im Studium (z.B. mal monatelang kaum Sport aus Zeitmangel, dann mal ein Semester relativ viel Sport) ohne dass ich hier direkte Zusammenhänge erkennen konnte.

Ich fühle mich halt dieser Aura immer so hilflos ausgeliefert. Mit dem Rest käme ich ja eigentlich gut klar!

Muriel
09.08.2014, 19:53
Könnt Ihr mir das (selbst wenn es nur ein theoretisches Konstrukt sein sollte) mit den Triptanen und der Aura noch mal genauer erläutern? Heißt es, wenn Migräne mit Aura, dann keine Triptane, oder ausschließlich während der Aura nicht, im Anschluss schon denkbar? Und warum erhöhtes Apoplexrisiko? Interessiert mich. Danke :-)

Absolute Arrhythmie
09.08.2014, 20:12
Ab wievielen anfällen "lohnt" sich denn eine Prophylaxe?

hiddl
09.08.2014, 21:11
Könnt Ihr mir das (selbst wenn es nur ein theoretisches Konstrukt sein sollte) mit den Triptanen und der Aura noch mal genauer erläutern? Heißt es, wenn Migräne mit Aura, dann keine Triptane, oder ausschließlich während der Aura nicht, im Anschluss schon denkbar? Und warum erhöhtes Apoplexrisiko? Interessiert mich. Danke :-)
In der Aura kommt es zu einer Vasokonstriktion, Triptane führen zu einer Vasokonstriktion -> Schlaganfall.
Das gilt aber nur in der der Aura, danach können Triptane dann eingesetzt werden. Da aber gleichzeitig eine möglichst frühe Behandlung der Attacke sinnvoll ist, würde ich immer schon in der Aura ein NSAR einsetzen.


Ab wievielen anfällen "lohnt" sich denn eine Prophylaxe?
Man sagt ab 3 pro Monat, wobei man da den individuellen Leidensdruck unbedingt berücksichtigen sollte. Migräne-Attacke ist einfach nicht gleich Migräne-Attacke. Eine Prophylaxe führt ja auch leider nicht dazu, dass gar keine Attacken mehr auftreten, sie gilt als erfolgreich, wenn die Attacken um 50% reduziert werden.
Ich würde es - wie Hellequin ja auch schreibt - immer erst mal mit Ausdauersport und Entspannung versuchen, wenn sich Attacken häufen. Die Pille zu hinterfragen macht auf jeden Fall Sinn und schwanger sollten die Attacken eigentlich weniger werden ;-). Und Kopfschmerzkalender! Schon damit man einen Überblick darüber behält, wie oft man eigentlich Attacken hat wie oft man so Schmerzmittel einwirft.

Hellequin
09.08.2014, 21:14
Könnt Ihr mir das (selbst wenn es nur ein theoretisches Konstrukt sein sollte) mit den Triptanen und der Aura noch mal genauer erläutern? Heißt es, wenn Migräne mit Aura, dann keine Triptane, oder ausschließlich während der Aura nicht, im Anschluss schon denkbar? Und warum erhöhtes Apoplexrisiko? Interessiert mich. Danke :-)
Triptane sollten idealerweise nach abklingen der Auraphase und zu Beginn der Kopfschmerzphase gegeben werden. Eine Gabe später in der Kopfschmerzphase ist aber auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich.
Es gibt zur Ätiologie verschiedene Erklärungsversuche, nach einer kommt es in der Auraphase zu einer Vasokonstriktion der Gehirngefäße, die Kopfschmerzphase wird dann durch eine Vasodilatation ausgelöst. Triptane wirken u.a. vasokonstriktorisch und es wird empfohlen sie nicht in der Auraphase zu geben da befürchtet wird, das es durch eine verstärkte Vasokonstriktion zu einem Schlaganfall kommen kann. Aus dem selben Grund ist auch der Einsatz bei kardial vorgeschädigten Patienten kontraindiziert.


Ab wievielen anfällen "lohnt" sich denn eine Prophylaxe?
Empfehlung laut den DGN-Leitlinien:
-3 und mehr Migräneattacken pro Monat, die die Lebensqualität beeinträchtigen
-Migräneattacken, die regelmäßig länger als 72 Stunden anhalten
-Attacken, die auf eine Therapie entsprechend den oben gegebenen Empfehlungen zur Akuttherapie (inkl.
Triptanen) nicht ansprechen
-Patienten, bei denen Kontraindikationen für die Einnahme von Triptanen bestehen und/oder
wenn Nebenwirkungen der Akuttherapie nicht toleriert werden
-bei Zunahme der Attackenfrequenz und Einnahme von Schmerz- oder Migränemitteln an mehr als 10 Tagen im Monat
-bei komplizierten Migräneattacken mit beeinträchtigenden (z.B. hemiplegischen) und/oder lang anhaltenden
Auren
-Zustand nach migränösem Infarkt bei Ausschluss anderer Infarktursachen

Absolute Arrhythmie
09.08.2014, 21:18
Danke für die Erklärungen! Kopfschmerzen sind echt ein spannendes Thema, ich finde es schon super schwer zu beurteilen, was für eine Art Kopfschmerz man überhaupt hat. Ich bin ja selber auch betroffen und habe deutlich weniger Probleme, seitdem ich nicht mehr im Schichtdienst arbeite. Daher bin ich auch sehr gespannt ob und wie es mir später gelingen kann die Kopfschmerzen mit der ärztlichen Tätigkeit bestmöglich zu vereinbaren.

Muriel
09.08.2014, 21:19
Danke Euch beiden :-)

Hellequin
09.08.2014, 21:20
Da aber gleichzeitig eine möglichst frühe Behandlung der Attacke sinnvoll ist, würde ich immer schon in der Aura ein NSAR einsetzen.
Ich meine ich hätte auch irgendwann mal eine Studie gelesen, wo die Kombinationsbehandlung mit NSAR und Triptan der Einzelgabe eines Triptan überlegen waren. Vor allem in Bezug auf das abklingen der Triptanwirkung und einem damit einhergehenden Wiederauftreten des Kopfschmerzes.