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Lakemond
09.08.2014, 12:26
Ich habe vor paar Monaten wieder das KH gewechselt und bin total überrasch, das hier die erste Antibiotikagabe von einem Arzt aufgehängt werden muss. Wohl wegen Angst vor einem anaphylaktischen Schock.
Kennt ihr so was? Nervt mich total...

altalena
09.08.2014, 12:34
Wird bei uns auch so gehandhabt. Ist nur so halb sinnvoll, denn der Arzt steht ja dann nicht ne halbe Std beim Pat und beobachtet eventuelle anaphylaktische Reaktionen. Meist wird's angehangen und dann zischen sie ab. Wenn also wirklich was passiert, is das Pflegepersonal alleine, da kann es auch direkt von denen angehangen werden :-nix

Rico
09.08.2014, 12:36
Ja, ist weitgehender Blödsinn, weil Du ja längst wieder weg bist, wenn da was losgeht, bzw. die Anaphylaxie auch beim zweiten, dritten oder zehnten Fläschchen auftreten kann. Und dann muss ich eh gerannt kommen, egal wo ich bin und was ich mache, bzw. wenn es ganz schlimm ist, dann kommt das Rea-Team gerannt.
Einziges Sicherheitsplus ist, dass ich den Patienten immer beim Anhängen nochmal (evt. auch redundant) frage ob Allergien bekannt sind - das könnte zwar die Pflege auch machen, aber naja... war halt schon immer so.

Immerhin haben wir die Pflege auf manchen Stationen soweit "runtergehandelt," dass zumindest im Tagdienst, wenn ja quasi immer ein Arzt auf Station ist sie das selber anhängen, ggf. mit kurzer mündlicher Info an uns, dass wir nicht gerade in dem Moment zum Mittagessen gehen.

Peter_1
09.08.2014, 12:59
Medizinisch gibt es keinerlei Grund für diesen ausgewiesenen Schwachsinn (Begründung: halbe Stunde Überwachung nach Verschwinden des letzten Tropfens im Patienten notwendig, das kann kein Arzt machen, ausserdem kann auch die xte Flasche erst zur Anaphylaxie führen), der Grund ist ganz einfach: "ham wir schon immer so gemacht" und es ist völlig egal ob das ausgewiesener med. Schwachsinn ist. Leider führt diese Praxis häufig dazu, dass Antibiosen nicht zeitgerecht verabreicht werden, aber was soll s, Du wirst Dich damit abfinden müssen, rationales argumentieren führt da zu nix (Standardantwort ist doch sowieso: "das ist Arztsache".). Interessant ist auch dass es häufig nur die Antibiosen betrifft, während Erstgaben von anderen Medikamenten problemlos gemacht werden. Sieh es einfach als gelebtes Ritual/Tradition und wie bei allen Ritualen/Traditionen bringt die Frage nach Sinnhaftigkeit nur großen Aufruhr :). Das ganze setzt sich doch fort in den ach so gefährlichen Blutentnahmen und Braunülenanlagen, alles Dinge die ob ihrer Gefährlichkeit wegen nur von akademisch geschulten Personal gemacht werden können.

king kola
10.08.2014, 14:36
Meiner Meinung nach ist es die Ärzteschaft selbst Schuld, dass es solche Sachen gibt- wir haben ja Jahrzente darauf gepocht auch die bereits erwähnten Blutentnahmen etc. selbst machen zu müssen. Seit ich Schweizer Verhältnisse kennengelernt habe was Verteilung von Kompetenzen angeht, kann ich über das deutsche System nur noch lachen.

Peter_1
11.08.2014, 13:27
Meiner Meinung nach ist es die Ärzteschaft selbst Schuld, dass es solche Sachen gibt- wir haben ja Jahrzente darauf gepocht auch die bereits erwähnten Blutentnahmen etc. selbst machen zu müssen
Mir neu, dass die Ärzte darauf gepocht hätten (und wenn dann wäre das wahrscheinlich über 20 Jahre her), seit Jahrzehnten pochen in den betroffenen KHs eher die PDLs darauf, dass sich am Status quo ja nix ändert (obwohl das doch auch ein weiteres Argument wäre um Stellen aufzustocken). Viele Krankenhäsuser haben jedoch auch in D geblickt, dass es höchst unwirtschaftlich ist einen großen Fundus an Arztüberstunden nur aufgrund dieses Unsinns anzuhäufen. Spannend ist ja gerade dass solche Dinge in D von Haus zu Haus anders geregelt sind.

Hoppla-Daisy
11.08.2014, 17:13
Bei uns im Haus hat die PDL eine Macht, das glaubt man nicht! Als Arzt bist du NIX wert.

Als mal ne Kollegin jemandem ne Blasentamponade ausräumen wollte, und er blutete wie sau, da musste sie echt anflehen, dass ihr mal jemand von der Pflege hilft! Sie wurde dann natürlich stinkig, als keiner kam, obwohl da. "Ich mach aber gerade Mittagspause..." "Es ist mir egal, ob du gerade Mittagspause machst... der Patient blutet!"

Da wurde wohl dann ziemlich viel geschrien. Meine Kollegin beschwerte sich daraufhin bei der PDL. Resultat: Die Dame von der Pflege wurde angewiesen, ihre Mittagspause doch in der Kantine zu machen. Dann würde sowas auch nicht vorkommen, dass sie in ihrer Mittagspause helfen muss.

Hat man da noch Töne???

Ach ja, die Erstgaben dürfen hier natürlich auch NUR von Ärzten gemacht werden..... da bekommt ein Patient lieber keine Antibiose, selbst wenn man den ganzen Tag im OP ist :-keks

WackenDoc
11.08.2014, 19:01
@Daisy: Sowas kenne ich leider auch zur Genüge.
Egal was man der Pflege gesagt hat "Dann beschwer dich halt bei der PDL wenn´s dir nicht passt." Und die stand natürlich hinter der Pflege.
Und die PDL stand natürlich hinter der Pflege.

Achso- man kann auch nicht erwarten dass Arzthelferinnen sich um einen Notfall kümmern und dafür die Übergabe von Papierkram unterbrechen (vom klinischen Aspekt V.a. ICB und ich war gerade in der Mittagspause- die haben weder versucht mich zu erreichen noch sonst jemanden. Nicht drum gekümmert, keine Notfallanamnese, keine Vitalparameter, selbst auf Aufforderung keine Reaktion)

Peter_1
12.08.2014, 08:09
Ach ja, die Erstgaben dürfen hier natürlich auch NUR von Ärzten gemacht werden..... da bekommt ein Patient lieber keine Antibiose, selbst wenn man den ganzen Tag im OP ist :-keks

Genau so was hat mich ja auch immer geärgert, ich bin jedenfalls froh diesen teils schwachsinnigen Krankenhausstrukturen mit all ihren Machtspielchen entflohen zu sein.

*milkakuh*
12.08.2014, 09:58
Ich glaube wirklich, dass es die Pflege einfach nicht besser weiß. :-nix Leider wurde das bei uns in der Krankenpflegeschule auch so gelehrt: Intravenöse Erstgabe des Antibiotikums sei Arztsache wegen der möglicherweise auftretenden Anaphylaxie. Bei uns in der Klinik wird das von Station zu Station unterschiedlich gehandhabt. Aktuell bin ich in der Urologie eingesetzt, da darf ich die Erstgabe zum Glück auch anhängen (aber da macht das Pflegepersonal eh überdurchschnittlich viel: Drainagen anziehen/ziehen, Cystofixe ziehen, Splinte ziehen, Redons ziehen, ZVKs ziehen, Mitomycin intravesical verabreichen,...).

Absolute Arrhythmie
12.08.2014, 09:59
Ich hab sogar gelernt, dass der Arzt die ersten beiden gaben anhängen muss ^^

WackenDoc
12.08.2014, 10:13
In meinem Innere-Tertial im PJ war jegliche Infusion ärztliche Aufgabe. Selbst solche Infusionen wie Ringer oder NaCl. Begründung: Die pflege könnte ja die Tropfgeschwindigkeit zu schnell einstellen und damit die Herzinsuffizienten umbringen.

Komischerweise konnte die Pflege aber Insulin spritzen, weil damit kann man ja niemanden umbringen.

@Milka: Das ist oft ein Problem, was ich bei der Pflege erlebt hab: Nichts hinterfragen, nicht darüber nachdenken, ob eine Maßnahme sinnvoll ist, was der Hintergrund der Maßnahme ist, warum die durchgeführt werden soll.

Rico
12.08.2014, 10:30
In meinem Innere-Tertial im PJ war jegliche Infusion ärztliche Aufgabe. Selbst solche Infusionen wie Ringer oder NaCl. Begründung: Die pflege könnte ja die Tropfgeschwindigkeit zu schnell einstellen und damit die Herzinsuffizienten umbringen.Deshalb laufen bei uns alle Infusionen per Infusomat mit ärztlich verordneter Tropfgeschwindigkeit.


Komischerweise konnte die Pflege aber Insulin spritzen, weil damit kann man ja niemanden umbringen.Das gehört auch zu den großen Mysterienspiel der Medizin, wieso bei einem Insulinperfusor, der mit irgendwie 1E/h rumtuckert, die Panik bei der Pflege ausbricht, dass der Patient quasi minütlich in die Hypo rutschen könnte - aber subkutan 50E Lantus und nochmal 30E Actrapid zur Mahlzeit dazu.... Kein Problem!

Und jedesmal, wenn ich dann erwähne, dass man den Perfusor ja einfach abschalten könnte, wenn es Probleme gibt - das subkutane Insulin aber unwiderruflich drin ist, dann ernte ich den gleichen ungläubigen Blick. :-nix

*milkakuh*
12.08.2014, 10:46
@Milka: Das ist oft ein Problem, was ich bei der Pflege erlebt hab: Nichts hinterfragen, nicht darüber nachdenken, ob eine Maßnahme sinnvoll ist, was der Hintergrund der Maßnahme ist, warum die durchgeführt werden soll.

Ja, da muss ich dir zustimmen. Man muss halt auch bedenken, dass die meisten Pflegekräfte "nur" einen Realschulabschluss und eine Pflegeausbildung haben. Erst in den letzten Jahren wurden Pflegeforschung und Pflegewissenschaft überhaupt mal in den Lehrplan aufgenommen. Die Fächer werden aber meiner Meinung nach immer noch sehr Stiefmütterlich behandelt. Evidence based nursing ist sicher für viele Pflegekräfte kein Begriff. Auch viele Lehrer in der Pflege haben nicht studiert (ist jetzt nicht mehr möglich aber viele haben halt noch betandsschutz) und da wird den Schülern regelrecht Angst eingeflöst. Ich habe nicht selten Sätze wie "dann steht ihr mit einem Bein im Knast" ode ähnliches gehört.

Ich denke, dass sich in den nächsten Jahren einiges durch die zunehmende akademisierung der Pflege ändern wird.

Stephan0815
12.08.2014, 12:08
[...] Man muss halt auch bedenken, dass die meisten Pflegekräfte "nur" einen Realschulabschluss und eine Pflegeausbildung haben.[...]
Ich denke, dass sich in den nächsten Jahren einiges durch die zunehmende akademisierung der Pflege ändern wird.

Ist das dann auch wirklich eine Akademisierung oder wird sie einem nur nominell als solche verkauft?
Bei uns wurde immer besonders stark betont, daß man ja eine examinierte Pflegekraft vor sich hat, sprich mit Examen, wie man ja selber als Arzt auch. Das Selbstverständnis geht dabei von, möglichst gleichberechtigter, Zusammenarbeit aus.
Meine Erfahrungen sind da nämlich in der Realität gänzlich anders und auch der Trend geht, meines Erachtens, eher in die gegenteilige Richtung. Mir fallen jetzt auf Anhieb nur ein, zwei Personen ein, die sich heftig engagierten und dabei sehr motiviert versuchten, medizinisch gesehen, am Ball zu bleiben. Die eine wollte später mal Medizin studieren, die andere fand ihren Stationsarzt ziemlich lecker.
Die übrigen waren meist schon froh, wenn die "Drecksarbeit" rum war, sie ihre Pause gehabt hatten und ruhig dem Schichtende entgegendümpeln konnten. Das höchste der Gefühle war noch die Todesanzeigen zu kontrollieren oder diese Frauenzeitschriften zu überfliegen, anderen war Lesen schon zu anstrengend. Lesen ist, finde ich, schon essentiell für eine Akademisierung.

Absolute Arrhythmie
12.08.2014, 12:11
Wird das jetzt wieder Pflege-bashing? *gähn*

Man sollte das vielleicht etwas differenzierter sehen. Ich bin auch zum teil entsetzt von manchen pflegerischen Kollegen, es gibt aber auch viele engagierte, vor allem in den anspruchsvolleren Funktionsabteilungen.

ehemaliger User_25062015
12.08.2014, 13:16
Mal blöd dazwischengefragt....wieso "nur" Realschulabschluss und was hat das mit der Fähigkeit Dinge zu hinterfragen zu tun?

][truba][
12.08.2014, 15:12
Und ich kenn auch einige Ärzte die es mit dem Hinterfragen nicht so haben. Es ist doch wie immer. Es gibt solche und solche. Es mag sich vlt. lediglich der Prozentsatz unterscheiden.

Stephan0815
12.08.2014, 15:18
Mir ging´s jetzt weniger um Pflegebashing.

Es ist real nur so, daß die überwiegende Mehrheit der examinierten Pflegekräfte, die ich kennenlernen durfte, schlichtweg kein Interesse an der Vertiefung ihrer medizinischen Kenntnisse bzw. der einvernehmlichen Zusammenarbeit mit dem ärztlichen Personal hatten.
Da geht es, meiner Erfahrung nach, vielmehr um die Absteckung der gegenseitigen Pflichten ("das ist Arztsache") und der Vermeidung von Mehrarbeit und in erster Linie darum pünktlich heimkommen zu können. Mehr Verantwortung, heißt es zumindest immer, sei zwar gewünscht, aber nur soweit das die Pflege ärztlicherseits dann auch schnell wieder loswerden kann. ("mehr Bedarfsmedikation")

Wenn dann aber, demgebenüber theoretisch, eine zunehmende Akademisierung der Pflege gefordert wird, frage ich mich, ob das auch wirklich den Wunsch der Mehrheit der examinierten Pflegekräfte darstellt? Und falls ja, wie eine derartige Akademisierung in der Realität denn aussehen soll und vor allem, wer dann dafür schlussendlich in der Verantwortung stehen soll.

WackenDoc
12.08.2014, 15:29
Die Akademisierung wird wohl eh nur die Führung der Pflege betreffen-also eher Bereiche wie Pflegemanagement und nicht die alltägliche Pflege am Patienten.