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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Bericht - Zahntechniker in Neuseeland (Wartezeit)



langi211284
16.08.2014, 00:28
Für diejenigen, die bereits Zahntechniker sind und dennoch warten müssen schreibe ich hier mal meine Erfahrungen, die ich in Neuseeland gemacht habe.

Ich habe bereits nach der Realschule meine Ausbildung zum Zahntechniker gemacht, was blöderweise nach 2002 war. Somit wurde meine Ausbildungszeit bei der ZVS bzw. Hochschulstart.de nicht als Wartezeit angerechnet. Nachdem ich dann mein Abitur auf dem 2. Bildungsweg nachgeholt habe und feststand, dass ich mehrere Jahre auf meinen ZM-Studienplatz warten muss, bin ich für ein Jahr nach Australien gegangen, um meine Englischkenntnisse aufzubessern und neue Erfahrungen zu sammeln (Work&Travel).
Als Zahntechniker habe ich in Australien nicht gearbeitet - Vielmehr habe ich mein Geld für's Reisen mit Fruitpicking und in einer Reinigungsfirma($22AUD/std!!!) verdient. Kurzum - ich hatte in Australien die beste Zeit meines Lebens!
Als ich nach einem Jahr (3 Wartesemester)wieder in Deutschland war, und wieder warten musste begann die Zeit der Frustration.
Die BAA behandelt jeden gleich mies und ich musste für 60% meines Ausbildungsgehalts deutschlandweit Bewerbungen schreiben und Seminare wie "Orientieren und Aktivieren" besuchen. Welche Ironie - witzig und traurig zugleich.
Glücklicherweise fand ich recht schnell einen neuen Arbeitsplatz als Zahntechniker, jedoch 400km weit entfernt von meinem Wohnort. Das interessante war, dass dieses Dentallabor auf Kieferorthopädie spezialisiert war und ich eine Seite der Zahntechnik kennenlernen konnte, die in der Ausbildung kaum berücksichtigt wird. Ich habe eine sehr gute Ausbildung erhalten und vergleichsweise gut verdient, was als Zahntechniker traurigerweise nicht normal ist.
3 Jahre später (10 Wartesemester), als spezialisierter KFO-Techniker, entschied ich mich, wieder ins Ausland zu gehen.
Mein erster Gedanke war: "Zahntechniker in Australien - Yeah!". Ich habe also Jobportale in Australien durchforstet und Bewerbungen geschrieben - leider ohne Erfolg. Allerdings fand in einem australischen Jobportal ein Gesuch einer Zahnartpraxis aus Neuseeland. "Gesucht wird Zahntechniker mit KFO-Erfahrung"! Nur wenige Stunden nach meiner Bewerbung habe ich eine Anfrage auf ein Skype-Interview erhalten. Kurzum, es lief gut und zwei Monate später war ich in Auckland.
Die Zahnarztpraxis sprengte jedoch alles, was ich bisher gesehen habe: 4 Zahnärzte, 13 Helferinnen, 5 Techniker, 15 Behandlungsräume für bis zu 150 Patienten am Tag! Die Praxis/Firma ist auch auf KFO spezialisiert, sodass ich wusste, worum es geht. Jedoch war alles irgendwie anders. Helferinnen haben eigene Räume und nehmen Abdrücke, setzen Geräte ein und passen sie an, planen neue Geräte und nehmen Zahnreinigungen vor. Pro Patient haben sie im Schnitt 15 Minuten für eine Behandlung, denn draußen wartet schon der nächste Patient. Mein Chef sieht Patienten nur zu Beginn einer Behandlung und wenn es Probleme gibt. :)
Er ist überzeugt von Orthotropics - einer Methode, die ich in Deutschland nicht kannte. Die Behandlung beginnt hier sehr früh (teilweise ab 4 Jahren).Hier ist eine sehr vereinfachte Erklärung:
Im ersten Schritt werden die bleibenden OK-Frontzähne sehr stark protrudiert. In der Zweiten Phase wird Die Bisslange geändert - Der UK wird nun protrudiert, wobei die extrem vorstehenden OK-Frontzähne in Position gehalten werden. Die 3. Phase ist eine Multiband-Behandlung(Brackets).
Diese Methode ist, soweit ich das einschätzen kann, sehr drastisch, aber erfolgreich. Jedoch finde ich kaum deutschsprachige Informationen darüber.
Im Labor ist auch vieles anders. Ich war es in Deutschland gewohnt, Qualität abzuliefern und das so schnell wie möglich. In Neuseeland zählt vielmehr Funktionalität! Im Labor bin ich der Zahntechniker, mit der meisten Erfahrung. Meine Kollegen kommen frisch von der Uni (Ja, in NZ sind Zahntechniker Akademiker).
Es ist oft extrem ärgerlich, wenn ich Geräte meiner Kollegen sehe, die einfach falsch konstruiert, nicht richtig poliert, scharfkantig oder einfach nur unansehnlich sind. Ich möchte auf der einen Seite erreichen, dass die Qualität verbessert wird, auf der anderen Seite will ich aber nicht als der deutsche Klugscheißer dastehen. Denn Kritik kommt von meinem Chef bzw. den Behandlerinnen nie - im Gegenteil. Das Labor wird ständig für die gute Arbeit gelobt. Fakt ist jedoch, dass 80% der hier hergestellten Geräte in Deutschland niemals einem Patienten zugemutet werden würden. Es gibt hier keinerlei Qualitätskontrolle. 99% aller Geräte werden eingesetzt. Innerhalb der zu knappen, 15-minütigen Behandlung gibt es auch keinen Spielraum für Qualitätskontrollen. Jeder Patient bekommt hier anschließend eine Bracket-Behandlung, somit spielt es gar keine Rolle, ob das KFO-Gerät davor qualitativ hochwertig war oder nicht. Am Ende der 2-jährigen Behandlung geht jeder Patient mit geraden Zähnen nach Hause. Das ist für mich, als deutscher Zahntechniker jedoch alles andere als zufriedenstellend!
Natürlich gibt es auch gute Seiten. Das Arbeitsklima ist hier genial. Die Kollegen sind nicht nur Kollegen - es ist vielmehr ein Arbeitsplatz mit Freunden. Die Bezahlung ist deutlich besser, als in Deutschland und für uns Zahntechniker gibt es kaum Stress. Während ich in Deutschland 6 qualitativ hochwertige Geräte am Tag herstellen musste, begnüge ich mich hier mit etwa 4. Es gibt keinen Druck, da für jedes Gerät etwa 2 Wochen eingeplant sind.
Interessant sind auch die Preise hier in Neuseeland. Die komplette Behandlung vom ersten Gerät bis hin zu Brackets kostet schnell mal $5000 im Paketpreis. Ein einzelnes Implantat incl. Krone kostet z.B. mindestens $6000. Eine einfache Retentionsplatte (Laborkosten etwa $120) kostet den Patienten $800. Da es hier keine Krankenkassen gibt, die vorgeben, was wie viel kosten darf, werden Preise hier willkürlich gewählt.

Jetzt arbeite ich hier schon über ein Jahr (12 Wartesemester) und werde wahrscheinlich gegen Ende des Jahres zurück nach Deutschland gehen. Ich hoffe, dass ich dann mit 13 Wartesemestern endlich zum SoSe2015 zum ZM-Studium zugelassen werde. Ich kann jedoch jedem empfehlen, seine Wartezeit im Ausland zu verbringen. Denn viel Zeit zum Reisen wird man als Student und nach dem Studium nicht mehr haben.

Mr. Fox
29.08.2014, 10:01
Ich kann jedoch jedem empfehlen, seine Wartezeit im Ausland zu verbringen. Denn viel Zeit zum Reisen wird man als Student und nach dem Studium nicht mehr haben.

Das kann ich nur unterschreiben! Ich selbst (8 WS) studiere in Schottland und zwei Auslandssemester in Australien gemacht.
Allerdings sollte man nicht vergessen, dass das teils auch von vielen Faktoren abhängt, ob, wie und in welches Ausland man kommt. Die Welt ist teuer, und das gilt ganz besonders für Oz und NZ ;)

Das mit den studierten Zahntechnikern ist im gesamten 'angelsächsischen' Raum so, auch Nursing, Midwifery etc. sind (meines Erachtens völlig unnötigerweise) Studienfächer :-nix

anna1708
29.08.2014, 11:18
Das mit den studierten Zahntechnikern ist im gesamten 'angelsächsischen' Raum so, auch Nursing, Midwifery etc. sind (meines Erachtens völlig unnötigerweise) Studienfächer
mittlerweile gibt es ja auch hier in deutschland ein studium zur dentalhygienikerin. ist die frage, ob das nicht auch zuviel des guten ist...