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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Arbeitsvertrag - Prinzipiell keine Anerkennung von Überstunden?



LittlePug
16.08.2014, 00:07
Liebes Forum,

bis jetzt war mir die Existenz des Forum gar nicht bekannt, sodass ich mich hier erst relativ spät anmelde. Daher erstmal „hallo“ an alle. Im Zuge der Suche nach der ersten Stelle (Innere) wäre ich auch direkt bei einem Problem für Eure Hilfe dankbar.

Bezüglich einer mir angebotenen Stelle benötige ich nämlich Euren Rat. Es geht um eine allgemeininternistische Abteilung. Bei einer Hospitation machte die Abteilung mit Kollegen und Pflegepersonal einen sehr angenehmen Eindruck. Die Oberärzte schienen im Alltag für Fragen gut erreichbar und sollen wohl auch in den Diensten problemlos mit Rat und wenn nötig Tat zur Verfügung stehen. Es gibt (aufgrund der geringen Abteilungsgröße) zwar keine festen Funktionsrotationen, man schallt aber seine Patienten selbst mit greifbarem Oberarzt im Nachbarzimmer. Auch die fachlichen Schwerpunkte der Abteilung passen gut zu meinen eigenen Interessen. Beim Bewerbungsgespräch sagte man mir zudem, dass Überstunden elektronisch erfasst würden. Die Menge der im Schnitt anfallenden Überstunden wurde dabei von unterschiedlichen Assistenzärzten während der Hospitation unterschiedlich (von „häufig pünktlich raus“ bis „jeden Tag mehrere“) beschrieben. ;-)

Insgesamt hatte ich ein gutes Gefühl und entschied mich dazu die Stelle anzunehmen. Vorkurzem ist dann der Arbeitsvertrag eingetrudelt. Unscheinbar versteckt fand sich im Begrüßungsschreiben der Geschäftsführung ein Passus mit dem Hinweis, dass eine über die reguläre tägliche Arbeitszeit hinausgehende Anwesenheit prinzipiell als Tätigkeit der eigenen Aus- und Fortbildung angesehen würde und daher weder als Überstunden anerkannt werden, noch in irgendeiner Form ausgeglichen werden könne. Die elektronische Zeiterfassung diene dabei nur dem Nachweis der Tätigkeit. Zusätzlich ist dem Vertrag auch eine (vorher auch nicht angekündigte ;-) ) 62-Stunden Opt-Out Vereinbarung beigelegt.

Nun bin ich sehr verunsichert, ob ich den Vertrag unterschreiben soll. Gerade die Überstundenregelung war im Bewerbungsgespräch doch ganz anders geschildert worden und 62-Stunden Opt-Out ist subjektiv auch eine Menge. Das Haus liegt im Übrigen in einer ländlichen Gegend und nicht in einer beliebten Großstadt. Da mir aber (außer zum PJ-Haus) Vergleiche fehlen, wollte ich Euch mal um Rat fragen, ob das alles übliche Regelungen sind und ob ihr den Vertrag trotzdem unterschreiben würdet oder ob eher Vorsicht geboten ist?

Liebes Dankeschön :)

Lakemond
16.08.2014, 05:55
Nicht unterschreiben. Am besten die Personalabteilung anrufen und klären. Opt-out ist immer eine Nebenabrede und muss nicht unterschrieben werden

Anne1970
16.08.2014, 07:14
Sofern du MB -Mitglied bist ( falls nicht , kann man das schnell ändern :-)) kostet ca 15 E/ Monat und deckt alles Arbeitsrechtliche als Angestellter/e ab ) rufe die MB Geschäftstelle deines Bundeslandes an .. in der Regel kann man den AV hinfaxen und bekommt in einigen Tagen den Kommentar/Rat dazu. Keinesfalls solltest du den AV so unterschreiben. Eine Frechheit, sowas "anzubieten"!
Bei uns war auch OPT OUT für 62 h "üblich" , habe mir 54 h eintragen lassen... da ist ein individuell verhandelbarer Zusatz zum AV, dazu sollte vorher ausführlich Infomation fließen, ich würde diese Regelung erstmal beiseite legen. Zu Beginn wirst du noch keine Dienste machen, da ist das eh noch nicht von Belang.

Gern mehr per PN

Alles Gute! Anne1970

Coxy-Baby
16.08.2014, 07:22
Zu Beginn wirst du noch keine Dienste machen

Ist das so sicher?, habe hier Kollegen im städtischen Maximalversorger die ab dem 1. Monat Dienste machen.

Brutus
16.08.2014, 07:39
Außerdem kann man ja auch Überstunden machen. ;-)

Ich würde den Vertrag zum MB schicken und so auf keinen Fall unterschreiben.
Ich denke zwar, dass der AG bei einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung vorm Arbeitsgereicht reichlich bedröppelt dastehen würde, da einerseits die Arbeitszeit / Überstunden elektronisch erfasst werden, andererseits aber weder in FZA noch bezahlt werden sollen. Aber andererseits wäre man ja zumindest ein wenig selbst Schuld, weil man das unterschrieben hat. Auf der anderen Seite: ist das nicht Sittenwidrig, sowas in den Vertrag reinzuschreiben?
Ich weiß allerdings auch aus eigener Erfahrung, dass der AG gerne mal solche Dinge in den AV reinschreibt. Ich habe einfach MEINE Vorstellungen per Email an den Krankenhausleiter geschrieben und siehe da, die strittigen Punkte wurden allesamt entfernt. :-nix
Also einfach mal die Personalabteilung anrufen und Fragen, was der Quatsch soll. Parallel MB prüfen lassen und gut ist.
Und dann in aller Ruhe ein Nacht drüber schlafen, und dann entscheiden. Außerdem einfach mal die Assistenten / Oberärzte noch mal Fragen, ob sie auch diesen Passus drin stehen haben. Vll. ist dem AG / Personaler auf einer "Fortbildung" zur Mitarbeitergängelung diese Möglichkeit aufgezeigt worden? ;-)

Anne1970
16.08.2014, 07:56
genau, sie versuchen es halt mal.. und es müsste ihnen klar sein, dass ein solcher Passus nicht haltbar ist....
trotzdem unfassbar :grins:

Anne1970
16.08.2014, 08:00
Ist das so sicher?, habe hier Kollegen im städtischen Maximalversorger die ab dem 1. Monat Dienste machen.

Hm ja stimmt...das ist ein Argument... das kenne ich anders...noch ein Grund, sich genau zu überlegen, wo man unter welchen Bedingungen anfängt. Jedenfalls gilt das Arbeitszeitgesetz und ohne Unterschrift unter die Opt Out Vereinbarung können sie dich nicht sehr viel Dienste machen lassen :grins:

WackenDoc
16.08.2014, 10:03
Was die Sache mit "eigene Patienten schallen" angeht- wie ist das am Anfang, wenn man es noch nicht oder noch nicht ausreichend sicher kann? Schallt da jemand nach oder sitzt jemand dabei?
Ist der Oberarzt wirklich greifbar? Passt das in den eigenen Tagesablauf? Wie werden die Patienten abgerufen? Muss man sich mit den Kollegen um das Gerät kloppen?

Gleiches gilt auch für andere Untersuchungen.

Wir hatten das in der Version "Jede Station schallt ihre Patienten selber in der Ambulanz". Und lief darüber hinaus, dass dann unsere Altassi/FrischFÄ alleine zum schallen ist, während wir Anfänger die Station bespasst haben. Dafür, dass 2 Leute auf einmal weg sind und das Schallen durch die Ausbildung noch länger dauert als unbedingt notwendig, war das Gerät zu sehr belegt und zu viel Arbeit auf Station.
Für das LZ-EKG hab ich erst gar keine Einweisung bekommen, sollte aber völlig selbständig befunden. Oberarzt theoretisch in der Nähe, aber nicht verfügbar.

Relaxometrie
16.08.2014, 10:23
Außerdem einfach mal die Assistenten / Oberärzte noch mal Fragen, ob sie auch diesen Passus drin stehen haben.
Garantiert können diese Frage ca. 70 % der Assistenten und ca. 30 % der Oberärzte nicht beantworten :-keks

LittlePug
16.08.2014, 10:46
Vielen Dank für Eure Antworten. Dann war ich ja nicht zu Unrecht negativ überrascht. Das Problem an der Sache ist, dass dadurch natürlich ein gewisses Grundvertrauen zum Arbeitgeber gelitten hat, der einem solche Dinge einfach nebenbei unterjubeln will. Eigentlich will man in dem Wissen ja kein Arbeitsverhältnis beginnen.

Die rechtliche Prüfung des Arbeitsvertrags werde ich wie ihr vorgeschlagen habt machen lassen und auch nochmal Kontakt mit der Personalabteilung aufnehmen. Zum Glück habe ich noch einige Monate Zeit, bis es losgehen soll. Da würde sich sicherlich auch noch was anderes finden lassen.

@WackenDoc
Da hast du natürlich recht, das könnte auch Probleme geben. Zugegeben war während der Hospitation die Verfügbarkeit der Ultraschallgeräte aber immer gegeben, wenn ein Assistentsarzt mit seinen Patienten zum Ultraschall gegangen ist.

Feuerblick
16.08.2014, 11:07
Na, die trauen sich aber was... Mich würde echt mal interessieren, ob deine potentiellen Kollegen diesen Vertrag so unterschrieben haben. Frechheit!!!

Relaxometrie
16.08.2014, 11:41
Zum Glück habe ich noch einige Monate Zeit, bis es losgehen soll.

Das ist doch super. Du hast Zeit, den Arbeitsvertrag prüfen zu lassen und nimmst die Mühe auf Dich, zwischen Marburger Bund (oder von wem auch immer Du den Arbeitsvertrag prüfen lässt) und der Personalabteilung zu vermitteln. Sehr gut!!!
Um was für einen Träger handelt es sich bei dem Haus eigentlich? Kirchlich? Städtisch? Privat?

LittlePug
16.08.2014, 12:01
Das Haus ist kirchlich. ;-)

@Feuerblick
Gesagt hat mir davon während der Hospitation niemand etwas. Habe aber (dummerweise) nicht explizit nach einer solchen Klausel gefragt, da eben alle elektronische Zeiterfassung gemacht haben. Gerade von den jungen Assistenzärzten kommen aber viele nicht aus Deutschland, sodass die Personalabteilung das vielleicht regelmäßig so macht und es dann nicht so auffällt.

@Relaxometrie

Du hast Zeit, den Arbeitsvertrag prüfen zu lassen und nimmst die Mühe auf Dich, zwischen Marburger Bund (oder von wem auch immer Du den Arbeitsvertrag prüfen lässt) und der Personalabteilung zu vermitteln.

Ist das jetzt ironisch gemeint und du denkst, ich sollte direkt die Füße in die Hand nehmen und mich woanders umschauen?

Relaxometrie
16.08.2014, 12:57
@Relaxometrie
Ist das jetzt ironisch gemeint und du denkst, ich sollte direkt die Füße in die Hand nehmen und mich woanders umschauen?
Nein, das war nicht ironisch gemeint.
Ich finde es gut, wenn Du Dir nicht einfach einen haarsträubenden Arbeitsvertrag unterjubeln lässt!
Das können sich die Krankenhäuse nämlich nur leisten, weil zu viele Ärzte entweder nicht nachfragen, oder es nicht verstehen (wollen).

Rico
16.08.2014, 14:41
Sowas ist eine Frechheit, wenn die dabei bleiben, dann würde ich nicht unterschreiben und das genau so dem Chef kommunizieren.

mainzer
17.08.2014, 08:48
*ironiean* ich bin ja inzwischen dafür, dass man solchen kh eins auswischen müsste....für die dreistigkeit und frechheit...
wenn man langfristig nicht in der gegend bleiben wollte könnte man unterschreiben und sich für die restliche probezeit krankschreiben lassen... ;-) *ironieaus*

Brutus
17.08.2014, 09:00
Vielen Dank für Eure Antworten. Dann war ich ja nicht zu Unrecht negativ überrascht. Das Problem an der Sache ist, dass dadurch natürlich ein gewisses Grundvertrauen zum Arbeitgeber gelitten hat, der einem solche Dinge einfach nebenbei unterjubeln will. Eigentlich will man in dem Wissen ja kein Arbeitsverhältnis beginnen.
Naja, jetzt würde ich die Kirche mal im Dorf lassen. Dass der AG versucht, einen Vorteil beim Abschluß eines Vertrages zu bekommen, dürfte in JEDEM Job der Fall sein. Dafür liest man sich doch die AV durch und lässt sie ggf. prüfen.
Es ist doch mittlerweile völlig normal, dass in einem AV drin steht, dass man z.B. eine 40 Stundenwoche hat, und pro Monat Überstunden bis zu 10 Stunden mit dem Gehalt abgegolten sind. Wenn man dann ggü. der Personalabteilung / Verwaltungschef vernünftig argumentiert, dann wird so ein Passus eben ersatzlos gestrichen. ;-)
Ich meine, ihr geht doch auch nicht zu Saturn und kauft einen Fernseher mit einem Kaufvertrag in dem drinsteht, dass ihr für den Fernseher 300€ bezahlt, aber wenn ihr mehr als 10 Stunden pro Woche gucken wollte müsst ihr noch mal 50€ extra bezahlen.... :D


Die rechtliche Prüfung des Arbeitsvertrags werde ich wie ihr vorgeschlagen habt machen lassen und auch nochmal Kontakt mit der Personalabteilung aufnehmen. Zum Glück habe ich noch einige Monate Zeit, bis es losgehen soll. Da würde sich sicherlich auch noch was anderes finden lassen.
Eben. Den MB anschreiben, den AV per Mail schicken und auf deren Antwort warten. Die Schriftstücke von denen sind echt Geld wert! Mit dem Schrieb dann zur Personalabteilung und ein paar Änderungen verlangen. Wenn sie nicht wollen, gut, dann überleg Dir, ob Du wirklich was passendes anderes findest. Ansonsten fängst halt da an und kündigst in der Probezeit mit 2 Wochen und fängst dann an einer anderen Klinik an... :-nix

anignu
17.08.2014, 12:40
Zum Thema "Grundvertrauen": man muss unbedingt "Verwaltung" und "Mediziner" unterscheiden. Ich weiß nicht mal ob der Chefarzt so genau weiß dass so ein Passus im Arbeitsvertrag drinsteht.

Bei mir war es in der jetzigen Stelle so, dass ich einfach mal eine Stufe niedriger eingestuft wurde. Und auf dem Gehaltszettel stand für die nächste Stufensteigerung irgendwie das Jahr 2018 drauf. Totaler Schwachsinn bei Assistenzärzten. Der Chef der Personalabteilung war dann ganz erstaunt dass jemand die Abrechnung versteht und hat irgendwas gemeint von fehlenden Zeugnissen oder so. Hätte schon sein können, aber dann hätten die mich noch eine Stufe niedriger einstufen müssen. Insofern: Schwachsinn.

Mei sie probieren es halt. Aber deshalb muss man der Verwaltung gegenüber immer wachsam sein und sich alles ganz genau durchlesen. Und notfalls intervenieren.

Die Chefärzte können da meiner Meinung nach nichts dafür. Die wünschen sich hochmotivierte und gut bezahlte Mitarbeiter.

Rico
17.08.2014, 12:47
Die Chefärzte können da meiner Meinung nach nichts dafür. Die wünschen sich hochmotivierte und gut bezahlte Mitarbeiter.Genau, aber wenn die hochmotivierten Mitarbeiter wieder abspringen, weil die Verwaltung da irgendwelche linken Nummern durchzieht, dann sollten die Chefs das auch erfahren, denn da könnte ein Chefarzt ja schonmal mit der Faust auf den Tisch hauen und der Verwaltung mal klar machen, dass sie seine Wunschkandidaten nicht mit so einem Mist vergraulen sollen.

Deshalb kann es durchaus besser sein, dem Chef genau zu sagen, weshalb man die Stelle ausschlägt als einfach so neutral anzugeben, dass man was gefunden habe, was besser gepasst habe...

Denn letzten Endes ist das ja fatal, wenn das Arbeitsverhältnis gleich mit so einer Nummer beginnt. Wenn da in der Verwaltung so ein Geist vorherrscht, dann ist ja schon abzusehen, dass es dann eher nicht zur komplikationslosen Auszahlung der Überstunden kommen wird, die Urlaubsabrechnung tendenziell wohl eher nicht stimmen wird (Stichwort: Sonderurlaub für Nachtdienste), die Kostenübernahme für Fortbildungen jedes mal ein Kampf wird, etc...
Da kann man sich auch gleich überlegen, ob man nicht was besseres findet, grad wenn es ein kirchliches Haus ist, die behandeln ihre Mitarbeiter ja in der Regel nochmal schlechter...

LittlePug
17.08.2014, 20:23
Denn letzten Endes ist das ja fatal, wenn das Arbeitsverhältnis gleich mit so einer Nummer beginnt. Wenn da in der Verwaltung so ein Geist vorherrscht, dann ist ja schon abzusehen, dass es dann eher nicht zur komplikationslosen Auszahlung der Überstunden kommen wird, die Urlaubsabrechnung tendenziell wohl eher nicht stimmen wird (Stichwort: Sonderurlaub für Nachtdienste), die Kostenübernahme für Fortbildungen jedes mal ein Kampf wird, etc...
Da kann man sich auch gleich überlegen, ob man nicht was besseres findet, grad wenn es ein kirchliches Haus ist, die behandeln ihre Mitarbeiter ja in der Regel nochmal schlechter...

Mit Grundvertrauen hatte ich mich vielleicht etwas komisch ausgedrückt. Genau das was du da schreibst hatte ich gemeint. Das natürlich jede Personalabteilung auch auf den unternehmerischen Vorteil aus ist, stimmt natürlich. Wenn man aber auf direkte Nachfrage (genau zu diesen Themen) von der Personalabteilung selbst falsch informiert wird und dann solche Überraschungen beim Arbeitsvertrag erlebt, dann befürchte ich einfach weitere Probleme. Da das jetzt meine erste Bewerbung überhaupt war und ich noch relativ viele andere Arbeitgeber in der Nähe habe, weiß ich nicht, ob es nicht mehr Sinn macht, sich weiter umzuschauen. In diesem Fall würde ich dem Chef aber natürlich mitteilen, dass der Grund für meine Absage das Verhalten der Personalabteilung war.