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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Einnahme von Levothyroxin morgens vs. abends



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Rico
09.09.2014, 08:56
Nur beim Placeboeffekt muss ich dir widersprechen, zeichnet sich ein Placebo doch durch das Fehlen eines Wirkstoffes aus. Die erhöhte Hormondosis zeigt jedoch reale Auswirkungen auf den Körper, die ein Patient nicht beeinflussen kann. Das stimmt so nicht. Für einen Placeboeffekt braucht es nur eine Erwartungshaltung und sonst nix.
Dafür ist es egal, ob man diese Erwartungshaltung einer Tablette attributiert, in der gar kein Wirkstoff ist, der falsche Wirkstoff, zu wenig Wirkstoff oder sogar der richtige Wirkstoff in der richtigen Dosierung (selbst da gibt es noch eine Wirkverstärkung!).
Mal ein Beispiel: Jemand hat Kopfschmerzen, nimmt aus dem Schrank eine Aspirin und es geht besser. Tolles Medikament, aber leider war es eine ASS 100mg, also weit unterhalb einer analgetisch wirksamen Dosis (500-1000mg). Die Wirkung ist also entweder Spontanbesserung und/oder Placeboeffekt, denn das bissle ASS kann es ja nicht gewesen sein.
Ähnlich kann man sich das auch bei der Schilddrüse vorstellen, insbesondere, da der Körper ja, wenn die Schilddrüse noch da ist, in einem gewissen Maß noch seine endogene Produktion beeinflussen kann um Diskrepanzen zwischen dem Bedarf und der eingenommenen Substitutionsdosis auszugleichen.
Wenn man also eine kleine Dosissteigerung macht wegen Beschwerden, die nicht von der Schilddrüse kommen, dann kann der Körper durch eine Drosselung der endogenen Produktion oder der peripheren Konversion diese ausgleichen ohne dass es gleich zu einer klinischen oder laborchemischen (latenten) Hyperthyreose kommt - und wenn die Beschwerden dann besser werden, dann fühlt man sich noch in der Erwartungshaltung bestätigt, dass es an der höheren Dosis lag. Und das nennt man Placeboeffekt.


Aus Interesse, um meine Substitution besser einzuschätzen und zu sehen wo ich stehe: Was ist denn hoch, wenn man die SD noch hat?Das hängt ein bissle vom Körpergewicht ab, aber so Pi mal Daumen würde ich sagen, dass jenseits der 125ug/d wohl keine relevante Restproduktion mehr stattfindet, ab 100ug vermutlich auch nicht mehr viel, das man noch retten könnte. Wenn der Substitutionsbedarf über längere Zeit (Jahre!) konstant geblieben ist und die Schilddrüse klein (<2ml Gesamtvolumen) ist, dann ist die endogene Produktion anzunehmenderweise zum Erliegen gekommen.

@Hashimoto ohne Antikörper: Ist jetzt nicht so selten, nennt man gerne seronegativen Hashimoto. Würde ich aber nur so nennen, wenn die Gesamtkonstellation passt und das einzige, was fehlt die AK sind, also Hypothyreose plus intakte hypothalamisch-hypophysäre Achse plus typische echoarme Schilddrüse in der Sono (in Frühphasen auch noch hypervaskularisiert).
Ansonsten - wenn sich keine Ursache findet - nennt man es halt einfach Hypothyreose ;-) - ist ja in dem Fall für die Substitution nicht so relevant, was jetzt die Ursache ist.

*milkakuh*
09.09.2014, 11:04
Vielen Dank Rico für deine ausführlichen Erklärungen. Ich denke der ganze Thread war sicher für einige sehr interessant und informativ! :-)

Ich nehme weiterhin das L-Thyroxin abends - werde spätestens im Januar die Werte kontrollieren lassen. Habe gerade bei meinem Arzt angerufen, der Brief ist aber leider noch nicht geschrieben. Weiß jetzt nur, dass aktuell mein TSH bei 1,7 liegt. Im Mai lag das TSH < 1 - sind solche Schwankungen denn normal? Werde mal abwarten, was die Empfehlung ist. Vermute aber, dass sich an der Dosis nichts ändern wird (vorausgesetzt die freien Werte sind okay). Mal schauen, ob sich die Müdigkeit mit gesunder Ernährung und Sport bessert.

Edit:
Dass die Schilddrüse bei der Substitution von 100um L-Thyrox kaum noch eine Eigenproduktion hat, schockt mich übrigens gerade. :-((

Rico
09.09.2014, 12:04
Dass die Schilddrüse bei der Substitution von 100um L-Thyrox kaum noch eine Eigenproduktion hat, schockt mich übrigens gerade. :-((Wie gesagt: Pi mal Daumen. Bei manchen braucht man auch 150 oder 175ug als definitive Dosis, andere kommen auch mal mit 75ug hin.
Entscheidend ist wie da Organ selber ausschaut: Je kleiner, desto weniger trägt es bei.

vanilleeis
09.09.2014, 21:25
Ich habe eine Weile mein LT abends genommen genau wegen der morgendlichen Müdigkeit in Verbindung damit, dass ich abends nicht einschlafen kann. Gebracht hat es genau gar nichts.

Wie oft lasst ihr mit Hashimoto eigentlich ein Sono draufhalten?

EVT
09.09.2014, 21:48
Ist bei mir schon länger her, ein oder zwei Jahre. Am Anfang haben sie alle sechs Monate eins gemacht.

*milkakuh*
09.09.2014, 21:52
Bei mir erfolgt i.d.R. einmal im Jahr eine Sonokontrolle. Nach Dosisänderung allerdings bereits nach 6 Monaten wieder.

murkel
09.09.2014, 22:11
Ich hätte mal noch eine andere Frage zur Hashimoto. Mir hat mal ein Nuklearmediziner gesagt, dass man mit Jodzufuhr bei Hashimoto vorsichtig sein soll, da eine Jodzufuhr einen neuen Schub hervorrufen kann, was anschließend einen erhöhten Bedarf an L-Thyroxin bedeutet. Ist da was dran??

EVT
10.09.2014, 01:27
Ich glaube, das gilt nur für hohe Mengen Jod, also Kontrastmittel oder Tabletten, weil es den Autoimmunprozess beschleunigen könnte. Dann würde das mit dem höheren Bedarf danach ja stimmen.
Aber mir persönlich wäre es egal, ob meine Schilddrüse jetzt mehr oder weniger produziert und ich 50, 75 oder 100 nehmen muss, kommt ja aufs Gleiche raus. :-D
Während der Schwangerschaft sollten die Frauen dann ja auch Jod nehmen oder?
Manche stressen sich ja schon beim Urlaub an der Nordsee.

Mein Chef hatte mir letzten Sommer von einer Studie erzählt, wo Frauen, die große Probleme beim Schwangerwerden hatten, die Schilddrüse entfernt wurde und danach fiel die Einstellung natürlich viel leichter. Ich müsste die aber auch wieder suchen.

KirstenP
10.09.2014, 19:10
Abseits der Sticheleien: Danke für die wirklich interessante Diskussion!

ninakatharina
01.11.2014, 22:18
*denthreadwiederhochwühl*
@ Rico, falls du hier noch mitliesst:

Gibt es irgendwo Richtwerte, wie lange eine Hashimoto zum Ausbrennen "braucht"? Im Lehrbuch finde ich dazu nix... Bringt die Selensubstitution dann noch was? Wie oft sollte man die Werte+Sono dann noch kontrollieren lassen?

Ich würde bei meinem Hormonbedarf von 125 µg/d + echoarmer, kleiner Schilddrüse mal davon ausgehen, dass dieser Zustand erreicht ist..Finde mich mit 27 aber ganz schön jung dafür...

Rico
01.11.2014, 23:49
Hm.. da hab ich jetzt keine Zahlen parat, größenordnungsmäßig aber schon mehrere Jahre. Da die Autoimmunreaktion ja an sich asymptomatischen ist, ist es in der Praxis ja eher schwierig zu sagen, wann die Krankheit überhaupt angefangen hat und wieviel Zeit bis zur Diagnose schon vergangen ist und ob die eher früh oder spät war - also Zufallsbefund oder wirklich schon symptomatische Hypothyreose.

Vom pathophysiologischen her macht Selen als Immunmodulator nur Sinn solange es noch intaktes Gewebe gibt, das man mit einer geringeren Immunreaktion schützen könnte. Von daher würd ich es dann nicht mehr dazu nehmen.

Kontrolle der Werte je nach Güte der Einstellung alle 3-6 Monate, sowie vor und 4 Wochen nach jeder Dosisanpassung.
Schilddrüseensono alle 12 Monate auch bei ausgebrannter Itis wegen der Gefahr der sekundären Malignome, bei neu aufgetretenen oder größenprogredienten Knoten kurzfristig nach 3 Monaten.

ninakatharina
02.11.2014, 09:03
danke für die ausführliche Antwort! :)